Kapitel 4 Chemische Zusammensetzung der Materie Traditionell beginnt man bei Untersuchungen über die chemische Zusammensetzung der Gasphase und der Feststoffe in protoplanetaren Akkretionsscheiben und in kleinen und großen Körpern im Planetensystem mit einer Analyse der chemischen Gleichgewichtszusammensetzung der Gasphasenspezies und der Minerale für einen Zustand mit gegebenem Druck p und gegebener Temperatur T in einem Gemisch von Elementen mit gegebenen Häufigkeiten ǫk , in unserem Fall mit den Elementhäufigkeiten im Sonnensystem. Die Zusammensetzung der Materie kann mit den Methoden der chemischen Thermodynamik berechnet werden, vorausgesetzt, daß die thermodynamischen Funktionen der in Frage kommenden Spezies bekannt sind. Für die kosmische Elementmischung sind die erforderlichen Daten im wesentlichen alle bekannt, ausgenommen im Fall sehr hoher Drucke, bei dem einige Unsicherheiten bezüglich der möglichen Hochdruckmodifikationen einiger Materialien und ihrer Eigenschaften bei extremen Drucken bestehen. Die Zusammensezung des Mineralgemisches in protoplanetaren Akkretionsscheiben und in Planeten entspricht natürlich nicht immer der Zusammensetzung, die in einem thermodynamischen und chemischen Gleichgewichtszustand zu erwarten ist, weil die Einstellung eines Gleichgewichtes oft diffusiven Stofftransport in Festkörpern oder interne Umlagerungen der Atompositionen in einem Kristallgitter erfordert, welche ihrerseits die Überwindung hoher Energiebarrieren erfordern und deswegen nur langsam ablaufen und die Einstellung eines Gleichgewichts, vor allem bei niedrigeren Temperaturen, verhindern. Die Resultate der Berechnung von chemischen Gleichgewichtszuständen liefern aber trotzdem weittragende Informationen darüber, welche Materialzusammensetzungen unter gegebenen Temperatur- und Druckverhältnissen zu erwarten sind. Von Interesse sind im Zusammenhang mit der Frage der Entstehung von Planetensystemen folgende Probleme: 1. Die Zusammensetzung der Gasphase in dem Bereich, in dem die Temperaturen hoch genug sind, daß sich chemisches Gleichgewicht einstellen kann. 41 42 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie Das gilt für den Temperaturbereich von etwa 200 K an aufwärts, aber eine genaue Grenze läßt sich dafür nicht angeben; daß muß für jede konkrete Fragestellung überprüft werden. Die Zusammensetzung der Gasphase bei tiefen Temperaturen in den äußeren Bereichen der Akkretionsscheibe, in denen z.B. die Kometenkerne entstanden sind, ist ebenfalls von großem Interesse, kann aber nicht mit Methoden der Thermodynamik behandelt werden. 2. Die Zusammenstzung des Materials der Akkretionsscheibe im Bereich zwischen etwa 300 K und 2000 K bei Drucken im Bereich zwischen etwa 10−5 bar und 10−2 bar, in dem die meisten Mineralien bei den relativ niedrigen Drucken in Akkretionsscheiben verdampfen bzw. kondensieren und in denen Umwandlungen zwischen verschiedenen kondensierten Phasen stattfinden können. Dieser Temperatur- und Druckbereich entspricht auch etwa den Druck und Temperaturverhältnissen in der Zone der Akkretionsscheibe, in der im Sonnensystem die terrestrischen Planeten und die Körper des Asteroidengürtels entstanden sind. 3. Die Zusammensetzung des Materials im Inneren von Planetenkörpern unter hohem Druck. Darüber hinaus gibt es noch sehr viele weitere Fragestellungen, zu deren Klärung die Methoden der chemischen Thermodynamik verwendet werden können. Hier werden wir uns auf die genannten Fragestellungen beschränken. 4.1 Thermodynamische Grundlagen Betrachte ein chemisches System bei einem Druck p, einer Temperatur T , und einem Volumen V . Wenn das System nicht im Gleichgewicht ist, dann entwickelt es sich mit der Zeit durch eine Reihe irreversibler Prozesse in einen Gleichgewichtszustand. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik sagt darüber T dS ≥ dE + p dV , (4.1) wobei pdV die am System geleistete Arbeit ist. Nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik gilt δQ = dE + p dV (4.2) Man kann folgende Fälle unterscheiden: δQ = 0: Dies gilt für ein System, das vom Rest des Universums isoliert ist, sodaß keinerlei Wärmeaustasch mit der Umgebung möglich ist. Dann ist T dS ≥ 0 für δQ = 0 . (4.3) Für ein derartiges System kann die Entropie nur Zunehmen oder konstant bleiben. Im Gleichgewicht hat die Entropie ein Maximum. System bei konstantem Druck. Es gilt dG = d (E + pV − T S) ≤ 0 für konstante p, T . (4.4) 4.1. Thermodynamische Grundlagen 43 Die Gibbs–sche freie Enthalpie G kann nur abnehmen oder konstant bleiben. Im Gleichgewicht nimmt G ein absolutes Minimum an. Die Gleichgewichtsbedingung ist deswegen δG = 0 . (4.5) Für das Folgende benötigen wir eine wichtige Eigenschaft von G. Wir haben dG = dE+V dp+pdV −T dS−SdT und T dS = dE+pdV ⇒ dG = V dp−SdT . Es ergeben sich folgende thermodynamische Beziehungen: ∂G ∂p ∂G ∂T = V = −S . (4.6) (4.7) Normalerweise hat man bei astrophysikalischen Problemen die chemische Gleichgewichtszusammensetzung eines Systems für einen Zustand mit gegebenem Druck zu bestimmen. Für ein solches System hat man bei gegebener Elementmischung und für die möglichen Moleküle und Feststoffe, die aus diesen Elementen gebildet werden können, diejenige Teilmenge von Substanzen und deren Häufigkeiten zu bestimmen, für die G ein absolutes Minimum annimmt. Dies erfordert: 1. zu bestimmen, wie G durch die Molenzahlen der möglichen Sustanzen in der Mischung und durch deren thermodynamische Eigenschaften festgelegt ist, und 2. eine geeignete Methode zu entwickeln, mit der diejenige Zusammensetzung gefunden werden kann, bei der G das Minimum annimmt. Hierfür sind zwei verschiedene Methoden verbreitet: (a) Direkte numerische Minimierung. Das ist gut geeignet für numerische Berechnungen. (b) Verwendung der Massenwirkungsgesetze. Das ist gut für theoretische Untersuchungen und für kleine numerische Berechnungen geeignet. Wir wenden die thermodynamischen Beziehungen auf ein chemisches System mit mehreren Spezies an, in dem chemische Reaktionen der Form iA + jB + kC + . . . −→ lD + mE + nF + . . . mit A, B, C, . . . i, j, k, . . . = Species in dem Sytem = stöchiometrische Koeffizienten zwischen den Komponenten ablaufen. Die Spezies auf der linken Seite sind die Ausgangssubstanzen (auch Edukte), die auf der rechten Seite die Produkte. Die allgemeine Form der Reaktionsgleichungen ist X νi,l Ai = 0 (4.8) i 44 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie für jede Reaktion l. Die allgemeine Konvention ist die, ein negatives Vorzeichen allen stöchiometrischen Koeffizienten νi,l der Terme auf der linken Site der Reaktionsgleichung zuzuordnen und positive Vorzeichen den stöchiometrischen Koeffizienten aller Terme auf der rechten Seite der Reaktionsgleichung! Beispiel: Umwandlung von of CO in CH4 (Atmosphären der großen Gasplaneten!) CO + 3H2 −→ CH4 + H2 O . Das kann formal als 1 · CO + 1 · H2 O − 1 · CO − 3 · H2 = 0 geschrieben werden, und wenn dies die l-te Reaktionsgleichung ist, dann sind die Koeffizienten νi,l : ν1,l = 1 , 4.2 4.2.1 ν2,l = 1 , ν3,l = −1 , ν4,l = −3 Chemische Gleichgewichte Chemisches Potential In einem System, das aus einer Reihe von chemischen Verbindungen zusammengesetzt ist, hängt die freie Enthalpie neben dem Druck p und der Temperatur T auch von der Anzahl der Mole ni der Spezies in dem System ab. Die Gleichgewichtsbedingung für einen Zustand mit konstantem p, T kann für jede der möglichen chemischen Reaktionen in dem System folgendermaßen geschrieben werden: X ∂G δG = δni = 0 . (4.9) ∂ni i Die Änderungen δnj der Molenzahlen bei der Reaktion unterliegen der Bedingung (4.8). Wenn man die Molenzahl nj einer Spezies j um δnj ändert, dann ändern sich die Molenzahlen aller anderen an der Reaktion beteiligten Spezies um νi δni = δnj . νj Daraus folgt die allgemeine Gleichgewichtsbedingung X µj νj,l = 0 (4.10) j für jede Reaktion l. Die Größen µj = ∂G ∂nj (4.11) werden als chemisches Potential der Spezies j in dem System bezeichnet. Ideale Gase: Die Zustandsgleichung für n Mole eines idealen Gases ist pV = n RT . (4.12) 4.2. Chemische Gleichgewichte 45 Einsetzen von V aus dieser Beziehung in Gl. (4.6) und Integration vom Standarddruck p0 = 1 bar bis zu einem Druck p ergibt p G(p, T, n) = G(p0 , T, n) + nRT ln . (4.13) p0 In einer Mischung idealer Gasen ist p der Partialdruck der einzelnen Komponenten. Feststoffe: Sei Vm das Molvolumen einer Spezies. Dann ist V = nVm . Bei Drucken bis zur Größenordnung kbar ist Vm praktisch konstant. Aus Gl. (4.6) folgt durch Integration vom Standarddruck p0 bis zu einem Druck p im Fall niedriger Drucke G(p, T, n) = G(p0 , T, n) + nVm (p − p0 ) . (4.14) Für das Innere von Planeten nimmt dagegen Vm mit zunehmendem Druck ab und man hat die allgemeinere Beziehung Z p Vm (p) dp . (4.15) G(p, T, n) = G(p0 , T, n) + n p0 Die Berechnung von G(p, T, n) erfordert bei hohen Drucken die Kenntnis der Zustandsgleichung V = V (p) im Bereich hoher Drucke. Für homogene Phasen, d.h., ohne Mischungseffekte, ohne Oberflächeneffekte, hat man X ni Gi (p, T ) , (4.16) G= i weil in diesem Fall U , V und S additiv sind. Dann ist auch G(p0 , T, n) = nG(p0 , T ) wobei G(p0 , T ) die freien Enthalpie eines Mols einer Spezies beim Standarddruck p0 ist. Es folgt für ideale Gase pi (4.17) G(p, T, ni ) = ni G(p0 , T ) + ni RT ln p0 und für Festkörper bei niedrigem Druck G(p, T, ni ) = ni G(p0 , T ) + ni Vm,i (p − p0 ) oder G(p, T, ni ) = ni G(p0 , T ) + ni Z (4.18) p Vm,i (p) dp (4.19) p0 für beliebige Drucke. Das chemische Potential, definiert durch Gleichung (4.11), ist für ein ideales Gas durch pi ideales Gas (4.20) µ(pi , T ) = µ(p0 , T ) + RT ln p0 und für einen Festkörper durch µ(p, T ) = µ(p0 , T ) + Vm,i (p − p0 )) Festkörper, niedriger Druck (4.21) 46 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie oder µ(p, T ) = µ(p0 , T ) + Z p Vm (p) dp Festkörper, beliebiger Druck (4.22) p0 gegeben. Im gegenwärtigen Fall gilt offensichtlich µ(p0 , T ) = G(p0 , T ) . (4.23) Für eine Mischung homogener Substanzen gilt die Duhem-Gibbs Gleichung X X ni G(p0 , T ) . (4.24) ni µi = G(p, T, ni ) = i i Zur Berechnung der freien Enthalpie einer Mischung von Feststoffen und idealen Gasen muß die freie Enthalpie eines Mols jeder Spezies in dem Gemisch beim Standarddruck p0 als Funktion der Temperatur T bekannt sein. 4.2.2 Aktivität Aktivitäten werden definert als µ(p, T ) = µ(p0 , T ) + RT ln a . (4.25) Dies ist ein höchst nützliches Konzept zur Behandlung heterogener Gemische aus Gasen und Feststoffen. Die gesamte freie Enthalpie einer Mischung ist X X ni RT ln ai . (4.26) ni Gi (p0 , T ) + G(p, T, ni ) = i i Die Gi (p0 , T ) sind die freien Enthalpien der Spezies i beim Standardruck p0 . Diese werden im Laboratorium gemessen oder theoretisch mit den Methoden der statistischen Thermodynamik berechnet. Die Ergebnisse können Tafeln thermodynamischer Daten entnommen werden (z.B. die JANAF-NIST Tafeln [6] oder Barin [3]). Die Aktivitäten können ebenfalls leicht angegeben werden, wie wir gleich sehen werden. Für jede (ideale) Gaskomponente in dem Gemisch hat man ln a = ln pi p0 (ideales Gas) , (4.27) wobei pi der Partialdruck der Spezies i in der Mischung ist. Für jeden reinen Festkörper in der Mischung hat man Z p Vm (p) dp . (4.28) ln a = p0 Bei kleinen Drucken kann die Kompressibilität der Feststoffe vernachlässigt werden und es gilt Z p Vm (p − p0 ) Vm dp = ln a = (4.29) RT p0 1.2 K Vm p − p0 ⇒ ln a0 = . (4.30) T 10cm3 1bar 4.3. Berechnung chemischer Gleichgewichte 47 Für den interessanten Temperatur- und Druckbereich in Akkretionsscheiben (T etliche 100 K, p ≪ 1bar) hat man ln a ≈ 0 und dann a=1 (Feststoffe) , (4.31) während man bei Planeteninneren (T bis zu mehreren 1000 K, p bis zu 107 bar) die allgemeinere Beziehung (4.28) zu verwenden hat und die Aktivität durch Integration der Zustandsgleichung bestimmt werden muß. Durch Gleichung (4.26) ist die freie Enthalpie eines Gemisches als Funktion der Anzahl der Mole der einzelnen Spezies im Gemisch gegeben. Zu ihrer Berechnung müssen nur die freie Enthalpien eines Mols für jede der Komponente bekannt sein. Zur Berechnung des chemischen Gleichgewichtszustandes bei gegebenem Druck und gegebener Temperatur ist das Minimum der durch Gl. (4.26) definierten Funktion G(ni ) der Molenzahlenzahlen ni zu finden. 4.3 Berechnung chemischer Gleichgewichte Um die Zusammensetzung eines chemischen Systems zu finden muß man einen Satz von Molenzahlen ni so finden, daß für diesen die freie Enthalpie G des Systems, gegeben durch Gleichung (4.26), als Funtion der ni ihren kleinsten Wert annimmt. Eine mögliche Strategie zur Erreichung dieses Ziels ist die, diese Aufgabe mit Hilfe eines Algorithmus zu lösen, der das Minimum numerisch durch geschickte Variation der ni sucht. Dies ist die direkteste Methode der Lösung, aber sie stellt hohe Anforderungen an die Rechenkapazität, wenn die Zahl der Spezies groß ist, und sie birgt das Risiko in sich, unbemerkt in einem lokalen Minimum zu stranden, das nicht die Lösung des Problems ist. Eine andere mögliche Strategie besteht darin, für jede Spezies die Gleichung (4.10) zu verwenden, die die Bedingung dafür ausdrückt, daß diese Spezies im chemischen Gleichgewicht mit allen anderen Spezies ist X µj νj,l = 0 . j Hieraus folgt das Massenwirkungsgesetz. Der daraus resultierende Algorithmus ist etwas kompliziert, aber effizienter. In jedem Fall hat man noch Zusatzbedingungen für die Einhaltung der gegebenen Elementhäufigkeiten. Wir diskutieren nur den zweiten Lösungsansatz. 4.3.1 Massenwirkungsgesetz Die Gleichgewichtsbedingung für eine Reaktion ist Gleichung (4.10). Drückt man µ mittels (4.25) durch Aktivitäten aus, dann kann die Gleichgewichtsbedingung als Y pi νi p0 i Gase Y i Feststoffe aνi i P νi Gi (p0 , T ) = Kp (T ) = exp − i RT (4.32) 48 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie geschrieben werden. Für jede mögliche chemische Reaktion in dem System gilt eine solche Gleichung. Die Größe X νi Gi (p0 , T ) (4.33) ∆G = i ist die Änderung der freien Enthalpie G bei der betrachteten Reaktion. Die freien Enthalpien der an einer Reaktion beteiligten Spezies sind durch die Enthalpie H = E + pV und die Entropie S gegeben G(p0 , T ) = ∆Hf − T S , (4.34) wobei ∆Hf und S den einschlägigen thermodynamischen Datensammlungen entnommen werden können (z.B. Barin [3] oder die JANAF Tafeln [6] oder die zahlreichen elektronischen Datensammlungen). Das Massenwirkungsgesetz gilt für jede Art von chemischen Reaktionen, aber bei astrophysikalischen Anwendungen wird es meistens auf die Bildung chemischer Verbindungen aus den freien Atomen angewendet. Spezielle Fälle sind: (1) Wenn ein Molekül der Zusammensetzung Ai Bj Ck . . . aus den freien Atomen A, B, C, . . . in der Gasphase gebildet wird, dann ist im chemischen Gleichgewicht nach (4.32) sein Partialdruck in der Gasphase pAi Bj Ck . . . = piA pjB pkC . . . e−∆G/RT (für Moleküle) , (4.35) wobei nach den Konventionen der chemischen Thermodynamik alle Drucke in Einheiten des Standarddrucks p0 = 1 bar gegeben sind. (2) Wenn ein Feststoff mit der Zusammensetzung Ai Bj Ck . . . aus den freien Atomen A, B, C, . . . in der Gasphae gebildet wird, dann ist er mit der Gasphase im chemischen Gleichgewicht, wenn 1 = aAi Bj Ck . . . = piA pjB pkC . . . e−∆G/RT (für Festkörper) . (4.36) Während bei Gasphasenspezies das Massenwirkungsgesetz (4.35) den Partialdruck des Moleküls festlegt, gibt das Massenwirkungsgesetz (4.36) bei Festkörpern keine direkte Information über die Häufigkeit der festen Spezies im Gemisch. Stattdessen definiert es eine Bedingung an die Partialdrucke der freien Atome, die an der Bildung der Spezies beteiligt sind. Diese Bedingung muß erfüllt werden, damit die betrachtete Spezies im chemischen Gleichgewicht existieren kann. Wenn man mit einer beliebigen Anfangszusammensetzung des Gas-FeststoffSystems startet und wenn sich die Gasphasenspezies untereinander im chemischen Gleichgewicht befinden, dann können für diesen Zustand die Partialdrucke der freien Atome pA , pB , pC , . . . bestimmt werden. Die nach Gleichung (4.36) berechneten Pseudoaktivitäten aAi Bj Ck . . . können dabei im Prinzip zunächst beliebige Werte a > 1, a = 1, oder a < 1 annehmen, wenn sich die Festkörper nicht im Zustand des chemischen Gleichgewichts mit der Gasphase befinden. Es gilt dann folgendes: Der Fall a > 1: Wenn man für einige der Festkörper in dem Gemisch a > 1 hat, dann kann deren Anzahl der Mole im Gemisch dadurch erhöht werden, daß Material aus der Gasphase solange in diese Spezies kondensiert, bis durch die 4.3. Berechnung chemischer Gleichgewichte 49 dadurch hervorgerufene Abnahme der Partialdrucke der entsprechenden freien Atome der Wert von a, berechnet nach Gl. (4.36), auf eins abgenommen hat. Von diesem Moment an befindet sich der Festkörper mit der Gasphase im chemischen Gleichgewicht. Wenn also Anfangs a > 1 ist, dann findet bei der Entwicklung zum Gleichgewicht Kondensation statt. Der Fall a < 1: Wenn man für einige der Festkörper in dem Gemisch a < 1 hat, dann kann deren Anzahl der Mole im Gemisch dadurch verringert werden, daß Material aus der festen Phase durch Verdampfung in die Gasphase übertragen wird, bis durch die dadurch hervorgerufene Zunahme der Partialdrucke der entsprechenden freien Atome der Wert von a, berechnet nach Gl. (4.36), auf eins angewachsen ist oder der Festkörper vollständig verschwunden ist. Wenn also Anfangs a < 1 ist, dann verdampft die Spezies bei der Entwicklung zum Gleichgewicht. Das zeigt: Im chemischen Gleichgewicht gilt a = 1 für jede kondensierte Phase, die im Gas-Feststoff-Gemisch existieren kann, oder a < 1 für alle Feststoffe, die im chemischen Gleichgewicht nicht existieren. Dies liefert ein Kriterium für die Entscheidung, ob eine bestimmte Phase in Gas-Feststoff Gemisch um chemischen Gleichgewicht existiert oder nicht. 4.3.2 Stöchiometrische Bedingungen Neben den Massenwirkungsgesetzen hat man noch die zusätzlichen Bedingungen zu beachten, daß die Mischung genau die gegebene Elementmischung enthält und den gegebenen Gesamtdruck p hat X pi = p (4.37) = nk . (4.38) i X νi,k ni i Hier sind die nk die Anzahl der Mole des Elements k in dem System und die νi,k die Anzahl der Atome des Elements k pro chemischer Formeleinheit der Spezes i. Für jedes beteiligte Element hat man eine Bedingungsgleichung, die die mengenmäßige Zusammensetzung des Gemisches beschreibt. Das Minimum von G muß unter diesen Nebenbedingungen bestimmt werden. Für jeden Festkörper in dem Gemisch kann man einen Kondensationsgrad fj definieren, z.B. als den Bruchteil desjenigen Elements, das an der Bildung der Spezies beteiligt ist und die geringste Elementhäufigkeit unter allen an seiner Bildung beteiligten Elemente hat, der in der Spezies gebunden ist. Wenn eine Spezies im chemischen Gleichgewicht im Gemisch enthalten ist, dann ist fj > 0 und deren Aktivität aj ist gleich eins. Wenn eine Spezies nicht im Gemisch existiert, dann ist fj = 0 und aj < 1. Für jedes Element k hat man somit folgende Bedingungsgleichung: X X νi,k pi (4.39) = fi ǫk PH 1 − alle Feststoffe i mit Element k alle Moleküle i mit Element k 50 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie 1014 Sauerstoff H2O CO 12 10 Fe(OH)2 Ca(OH) 2 SiO 10 10 AlOH OH n [cm-3] Al2O AlO2H 108 TiO O AlO AlOF SO NaOH CaOH 6 10 Al2O2 KOH 4 10 H2CO HNO AlO2 100 2000 CaO NO 102 1800 FeO AlHO 1400 CO2 ZrO MgO HCO NaO 1600 AlOCl 1200 1000 800 T [K] Abbildung 4.1: Temperaturabhängigkeit der Molekülhäufigkeiten von Sauerstoff bei einem Druck von P = 10−3 bar. Solare Elementhäufigkeiten. um die Bedingung zu erfüllen, daß insgesamt die in allen Molekülen und Festkörpern enthaltenen Atome die vorgegebene Elementhäufigkeit einhalten (die sog. stöchiometrischen1 Bedingungen). PH ist der fiktive Partialdruck aller Wasserstoffkerne, wenn diese als freie Atome vorhanden wären. Die νi,k auf der rechten Seite sind die Anzahl der Atome des Elements k im Molekül i. Für die Moleküle setzt man auf den rechten Seiten der Gleichungen (4.39) das Massenwirkungsgesetz (4.35) ein. Die Gleichungen enthalten dann als Unbekannte die Partialdrucke der freien Atome und die Kondensationsgrade der Festkörper. Wenn man insgesamt K Elemente im Gemisch hat, aus denen L verschiedene Festkörper gebildet werden könnten, dann hat man ein Gleichungssystem aus den K Gleichungen (4.39) und den L Bedingungen (4.36) für die K Partialdrucke der freien Atome und die L Kondensationsgrade der Festkörper. Es muß eine Lösung dieses Gleichungssysstems gefunden werden derart, daß für jede der kondensierten Phasen entweder a = 1 und f > 0 oder f = 0 und a < 1 gilt. Die kondensierten Phasen, die a = 1 erfüllen, koexistieren mit der Gasphase. Die kondensierten Phasen, für die a < 1 ist, existieren im chemischen Gleichgewicht nicht. Das resultierend Gleichungssystem kann normalerweise nur numerisch gelöst werden. 4.3.3 Zusammensetzung der Gasphase Die Lösung des Systems der Gleichungen für das chemische Gleichgewicht bei gegebenem Druck p und gegebener Temperatur T liefert die Partialdrucke der 1 Von griechisch stoicheı̈on = Grundstoff. Die Stöchiometrie befaßt sich mit den bei chemischen Reaktionen umgesetzten Stoffmengen 4.3. Berechnung chemischer Gleichgewichte 51 1014 Kohlenstoff CO 12 10 CH4 1010 n [cm-3] CO2 108 COS 106 CS 104 HCN H2CO HCO CS2 102 CH3 CN 0 C2H4 C 10 2000 1800 1600 1400 1200 1000 800 T [K] 1014 Stickstoff 1012 N2 n [cm-3] 1010 108 NH3 106 NO NS HCN 104 NH N 102 MgN NH2 HNO 100 2000 SiN CN 1800 1600 1400 1200 1000 800 T [K] 1014 Schwefel 1012 H2S SiS S 10 10 HS n [cm-3] S2 108 FeS AlS CaS 106 CS 4 10 COS MgS TiS SO2 SO ZrS CS2 102 NS 0 10 2000 1800 1600 1400 1200 1000 800 T [K] Abbildung 4.2: Temperaturabhängigkeit der Molekülhäufigkeiten von Kohlenstoff, Stickstoff und Schwefel einem Druck von P = 10−3 bar. Solare Elementhäufigkeiten. Atome und Moleküle in der Gasphase und die Kondensationsgrade f der kondensierten Phasen, die mit der Gasphase im chemischen Gleichgewicht koexistieren. Wir geben hier als Beispiel zwei verschiedene Arten von Resultaten: Für einige der häufigsten chemischen Elemente zeigen die Abbildungen 4.1 bis 4.3 die molekulare Zusammensetzung der Gasphase für einen festen Druck von p = 10−3 bar und einen Temperaturbereich zwischen 2000 K und 600 K, wie sie für den Bereich der Bildung von terrestrischen Planeten in der protoplanetaren Akkretionsscheibe typisch sind. 52 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie 1014 1014 Magnesium 1012 1010 SiO SiS 1010 MgH 8 10 MgS 106 n [cm-3] n [cm-3] Silizium 1012 Mg MgCl 8 10 106 SiO2 MgO MgCl2 4 10 104 MgF2 MgF SiH Si SiH4 MgN 102 102 Mg+ SiH3 SiH2 SiN 0 0 10 10 2000 1800 1600 1400 1200 1000 800 2000 1800 1600 T [K] 10 Aluminium 1012 1000 800 Kalzium 1012 AlOH Al 1010 AlO2H AlOF AlH AlF AlCl 6 10 Al+ Al2O2 AlOCl AlO n [cm-3] 108 4 CaOH 108 CaF 6 10 102 AlO2 CaCl2 AlClF AlHO 2000 1800 1600 CaF2 AlCl2 100 2000 10 1400 1200 1000 800 1800 1600 T [K] Eisen 800 Nickel FeCl2 6 FeH n [cm-3] FeS FeO Ni 1010 Fe(OH)2 104 1000 1012 1010 10 1200 1014 Fe 108 1400 T [K] 1014 1012 CaH Ca+ CaO 102 AlF2 0 CaCl CaS 104 10 Ca(OH)2 Ca 1010 Al2O AlS n [cm-3] 1200 14 10 n [cm-3] 1400 T [K] 14 108 NiH 106 NiO 104 FeCl FeF 102 102 Fe+ 100 2000 1800 1600 1400 1200 1000 800 T [K] 100 2000 Ni+ 1800 1600 1400 1200 1000 800 T [K] Abbildung 4.3: Temperaturabhängigkeit der Molekülhäufigkeiten der häufigen gesteinsbildenden Elemente bei einem Druck von P = 10−3 bar. Solare Elementhäufigkeiten. Für einige der häufigsten Metalle zeigt Abb. 4.4 die Stabilitätsgrenzen der kondensierten Phasen in der p-T -Ebene, die mit der Gasphase im chemischen Gleichgewicht koexistieren. Zunächst zur Zusammensetzung der Gasphase. Eine Inspektion der Abbildungen zeigt, daß die Zusammensetzung der Gasphase durch einige wenige Sorten von Atomen und Molekülen dominiert wird, die in den meisten Fällen auch jeweils den größten Teil eines bestimmten Elements enthalten. Für die einzelnen Elemente gilt folgendes: C: Vollständig im CO gebnden. Si: Fast vollständig im SiO gebunden; ein kleiner Teil des Si ist im SiS gebunden. O: Der Teil, der nicht im CO und SiO gebunden ist, ist im H2 O gebunden. 4.3. Berechnung chemischer Gleichgewichte 53 2000 1800 und Kor 1600 ZrO 2 1400 T [K] kit rovs Pe t leni Geh ell n i Sp Diopsid Forsterit Enstatit Troilit 600 10-12 10-10 10-8 10-6 e Mittele ben 800 Photosp n Eise 1000 haere 1200 10-4 10-2 100 P [bar] Abbildung 4.4: Stabilitätsgrenzen der häufigsten Kondensate im chemischen Gleichgewicht bei einer kosmischen Elementmischung. Zusätzlich sind noch Stabilitätgrenzen für Perovskit (CaTiO3 ) und ZrO2 eingezeichnet, die nur in sehr geringen Mengen vorkommen, wegen ihrer großen thermischen Stabilität aber als Kondensationskeime für die häufigen Staubsorten in Frage kommen. Die gestrichelten Kurven stellen die radiale Variation der Temperatur und des Drucks in der Mittelebene der Akkretionsscheibe und in der Atmosphäre der Scheibe (bei τ = 2/3) dar S: Der Teil, der nicht im SiS gebunden ist, liegt als H2 S vor. Mg: Nur freie Atome. Fe: Nur freie Atome. Al: Freie Atome und AlOH. Ca: Nur freie Atome. Ni: Nur freie Atome. Dies gibt die chemische Zusammensetzung der Gasphase in der protoplanetaren Akkretionsscheibe an. Diese besteht hauptsächlich aus Wasserstoff und He; der Massenanteil der schwereren Elemente betrug im Sonnensystem nur etwa 2% und der Anteil nach Teilchenzahl lag unter 1 ; andere Komponenten als H2 und He sind also nur Spurengase. Im größten Teil der Akkretionsscheibe sind diese Spurengase in der Form fester Schwebeteilchen aus dem Gas auskondensiert. Die Zusammensetzung der Planeten wird durch die chemischen Reaktionen zwischen dieser Gasphase und dem darin eingebetten Staub bestimmt. 4.3.4 Kondensierte Phasen Die Art und Menge der festen Substanzen, die im chemischen Gleichgewicht mit der Gasphase existieren, hängt stark von der Temperatur und etwas vom Druck ab. Einen qualitativen Überblick über die Zusammensetzung des Mineralgemisches kann man sich dadurch verschaffen, daß man die Stabilitätsgrenzen aller 54 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie kondensierten Phasen bestimmt. Diese sind dadurch bestimmt, daß an dieser Grenze der Kondensationsgrad f der betrachteten Phase verschwindet. Dabei kann an dieser Grenze bei steigender Temperatur eine Phase entweder durch Verdampfung verschwinden oder aber durch Umwandlung in eine andere kondensierte Phase. Eine Berechnung der Gleichgewichtszusammensetzung in einem Gas-Festkörper Gemisch mit kosmischen Elementhäufigkeiten zeigt, daß über einen sehr weiten Temperatur- und Druckbereich die häufigen Elemente die folgenden festen Phasen bilden: Forsterit mit der Zusammensetzung Mg SiO . Enstatit mit der Zusammensetzung MgSiO . Metallisches Eisen. Troilit mit der Zusammensetzung FeS, aber nur bei Temperaturen unterhalb von 720 K. Wassereis mit der Zusammensetzung H O. Dies existiert bei den vorherr2 4 3 2 schenden niedrigen Drucken in einer Akkretionsscheibe bei Temperaturen unterhalb von < ∼ 150 K. Die weniger häufigen schwerflüchtigen Elemente bilden folgende Kondensate: Korund mit der Zusammensetzung Al O (oder Hibonit mit der Zusammensetzung CaAl O ). Gehlenit mit der Zusammensetzung Al Ca SiO . Spinell mit der Zusammensetzung MgAl O . Diopsid mit der Zusammensetzung MgCaSi O . 2 6 3 19 2 2 2 7 4 2 6 Zusätzlich bilden sich auch noch einige feste Phasen aus Elementen mit noch geringeren Häufigkeiten, die aber hier nicht von Interesse sind. Die Abbildung 4.4 zeigt die Stabilitätgrenzen dieser kondensierten Phasen in der p-T -Ebene. Es gilt folgendes: (1) Oberhalb der mit Korund bezeichneten Linie existieren keine Kondensate der häufigen Elemente mehr (nur noch einge extrem stabile Phasen von Elementen kleiner Häufigkeit). Dies ist die obere Verdampfungsgrenze für Staub in der Akkretionsscheibe. Bei höherer Temperatur ist alles Material in der Gasphase. Unterhalb dieser Linie ist das Al teilweise oder ganz im Korund kondensiert (evtl. auch im Hibonit CaAl6 O19 ). (2) An der mit Gehlenit bezeichneten Grenzlinie wird das Ca-Al-Silikat Gehlenit stabiler als Korund und ein Teil des Korunds wandelt sich in Gehlenit um. Wegen der kleinen Ca Häufigkeit kann die Umwandlung nicht restlos erfolgen und ein Teil des Al bleibt unterhalb der Stabilitätsgrenze von Gehlenit weiter im Korund gebunden und Korund und Gehlenit koexistieren im Bereich zwischen dieser Grenzlinie und der mit Spinell bezeichneten Grenzlinie. (3) An der mit Spinell bezeichneten Grenzlinie wird Spinell stabiler als Korund. Unterhalb dieser Grenzline verschwindet Korund und das Al bildet stattdessen Spinell. Gehlenit existiert aber weiterhin und im Bereich bis zur nächsten mit Diopsid bezeichneten Grenzlinie koexitieren Spinell und Gehlenit. 4.3. Berechnung chemischer Gleichgewichte 55 (4) An der mit Diopsid bezeichneten Grenzlinie wird Diopsid stabiler als Gehlenit und nimmt alles Ca auf. Gehlenit verschwindet, aber Spinell existiert weiterhin und nimmt alles Al auf, auch den Teil, der vorher im Gehlenit gebunden war. (5) An der mit Forsterit bezeichneten Grenzlinie wird Forsterit stabil und nimmt alles Mg auf, soweit es nicht in Diopsid und Spinell gebunden ist. Unterhalb dieser Grenzlinie exisiert dann eine der Hauptkomponenten der kondensierten Phasen, die in der kosmischen Elementmischung gebildet werden können. Die Mg Häufigkeit reicht aber nicht aus, um alles Si im Forsterit zu binden, der überschüssige Teil verbleibt in der Gasphase. (6) An der mit Enstatit bezeichneten Grenzlinie wird Enstatit stabil und nimmt den noch nicht kondensierten Teil des Si auf. Gleichzeitig verschwindet ein Teil des Forsterit wieder und gibt das Mg ab, damit Enstatit gebildet werden kann. Im Bereich zwischen den mit Forsterit und Enstatit bezeichneten Grenzlinien existiert nur Forsterit (neben Diopsid und Spinell), unterhalb der mit Enstatit bezeichneten Grenzlinie koexistieren Forsterit und Enstatit (neben Diopsid und Spinell). (7) Unterhalb der mit Eisen bezeichneten Grenzlinie ist metallisches Eisen stabil. Beachte, daß die Stabilitätsgrenze von Fe steiler verläuft als die anderen Grenzlinien und mehrere davon schneidet. (8) Unterhalb der mit Troilit bezeichneten Grenzlinie ist Troilit stabiler als Eisen. Ein Teil des Eisens wird dort in FeS umgewandelt, aber wegen der geringen S Häufigkeit ist eine vollständige Umwandlung nicht möglich und ein Teil des Eisens bleibt in metallischer Form präsent. Die weniger häufigen Elemente Na und K bilden mit den häufigeren Elementen Feldspäte, die eine kleinere Komponente in dem Mineralgemisch bilden. Diese sind hier nicht von Interesse, sollen aber wenigstens erwähnt werden. Diese Minerale bilden das Ausgangsmaterial, aus dem die festen Körper im Sonnensystem gebildet werden. Sie werden als die wesentlichen Mineralbestandteile in Meteoriten und Kometenkernen beobachtet, die Material aus der allerersten Entstehungsphase des Planetensystems repräsentieren, und sie werden auch als die Hauptbestandteile der Staubkomponente in den Akkretionsscheiben um junge Sterne in Sternentstehungsgebieten beobachtet, in denen vermutlich zur Zeit gerade neue Planetensysteme gebildet werden. 4.3.5 Konsequenzen für die Zusammensetzung von Planeten Im allgemeine werden die Elemente in zwei Kategorien eingeteilt: Die flüchtigen oder volatilen Elemente, die auch bei niedrigen Temperaturen noch in der Gasphase verbleiben. Bei sehr niedrigen Temperaturen frieren sie als Eis aus. Das sind vor allem die Edelgase, Wasserstoff, C und N, sowie der Teil des Sauerstoffs, der nicht bei der Bildung von Gesteinsmaterial in diesem gebunden wird. Die schwerflüchtigen Elemente, die bis zu sehr hohen Temperaturen in fester Form vorliegen. Die meisten Elemente gehören zu dieser Kategorie, aber viele stellen auch Übergangfälle zu den flüchtigen Elementen dar. 56 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie Die Planeten sammeln offensichtlich die Elemente aus der Kategorie der schwerflüchtigen Elemente auf. Die flüchtigen Elemente sind in den Planeten nur in der Form dicker Gashüllen vorhanden, wie sie bei Jupiter und Saturn beobachtet werden. Die flüchtigen Elemente C und O können in Planetenkörpern bei niedrigen Temperaturen gebunden werden, wenn sie als Eis ausgefroren sind. Es ist zu erwarten, daß die Zusammensetzung der Planeten entsprechend den Temperatur- und Druckbedingungen am Ort ihrer Entstehung in der Akkretionsscheibe variiert, und das ist auch genau das, was im Sonnensystem beobachtet wird. Die Massendichte der häufigen Minerale ist sehr unterschiedlich. Die Silikate haben Massendichten im Bereich 3000 . . . 4000 kg m−3 , die Al-Ca-Verbindungen Massendichten im Bereich im Bereich 2000 . . . 2500 kg m−3 und metallisches Eisen hat eine Massendichte von 7800 kg m−3 . Bei hohen Drucken im Planeteninneren sind die Dichten wegen der Kompression des Matrials höher, aber die relative Reihenfolge der Dichten bleibt erhalten. Es ist klar, daß unter dem Einfluß des Schwerefeldes massereicher Planeten das Material sich entsprechend der Massendichte entmischt in 1. einen Eisenkern im Zentrum, der die höchste Massendichte hat, 2. einen Mantel über dem Eisenkern, der die leichteteren Silikatmineralien enthält, und 3. eine dünne äußere Kruste, die die leichtesten Mineralien aus der Gruppe der Ca-Al-Minerale enthält (dünn wegen der niedrigen Häufigkeit von Al und Ca). Dazu kommt eventuell noch 4. ein dicker Ozean oder Mantel aus Wasser oder Eis, wenn die Temperaturbedingen bei der Entstehung das erlauben. Allerdings kann diese chemische Differenzierung des Planeten nach unterschiedlicher Massendichte nur ablaufen, wenn das Material geschmolzen oder plastisch ist und die Schwerebeschleunigung genügend stark ist. Außerdem ist dies ein langsamer Vorgang, es muß genügend Zeit zur Verfügung stehen. Kleine Körper sind deswegen nicht und große Körper wohl im allgemeinen nicht wirklich vollständig differenziert. Auch das entspricht genau dem, was bei den Planeten im Sonnensystem festzustellen ist. Die Differenzierung in einen Eisenkern und Silikatmantel ist eine Konsequenz der kosmischen Elementhäufigkeiten und es ist anzunehmen, daß auch Planeten in anderen Planetensystemen im wesentlichen einen derartigen Aufbau zeigen. 4.4 Spezielle Behandlung einiger Fälle In vielen Fällen ist es nicht erforderlich, zur Berechnung der Zusammensetzung des Materials die aufwendigen numerischen Methoden zur Berechnung von chemischen Gleichgewichten anzuwenden, um die Zusammensetzung von Gas-Feststoff-Gemischen in speziellen Fällen zu bestimmen. Wir geben einige Beispiele an. Die erste wesentlich Vereinfachung, die eingeführt werden kann, ist die, für die Gasphase nur die häufigsten Spezies zu verwenden. Von Interesse ist der Temperaturbereich T < 2000 K. Aus Betrachungen über die Bindungsenergie 4.4. Spezielle Behandlung einiger Fälle 57 von Molekülen und aus vollständigen Berechnungen chemischer Gleichgewichtszusammensetzungen (vergl. die Abbildungen 4.1, 4.2 und 4.3) ist bekannt, daß für jedes Element nur jeweils einige wenige Spezies wirklich häufig sind, oft nur eine einzige. Im einzelnen gilt: Für H ist nur H wichtig. Für C ist nur CO wichtig. Für Si ist nur SiO wichtig (evtl. noch SiS). Für Mg, Fe, Ni und Ca sind nur die freien Atome wichtig, Für O sind nur CO, SiO und H O wichtig, wobei im H O derjenige Teil des 2 2 2 O gebunden ist, der nicht in den wesentlich stärker gebundenen Molekülen SiO und CO gebunden ist. Für S ist nur H S wichtig (evtl. noch SiS). 2 Die Verteilung von Al über mögliche Spezies ist etwas komplizierter. Fast im ganzen interessierenden Temperaturbereich dominiert AlOH, bei sehr hohen Temperaturen dominieren dann freie Al Atome. Bei niedrigeren Temperaturen ist auch Al2 O relativ häufig, näherungsweise kann das aber vernachlässigt werden. Stickstoff braucht in der sauerstoffreichen Elementmischung nicht betrachtet zu werden. Er ist praktisch ausschließlich im N2 gebunden und geht keine sonstigen Verbindungen ein und bildet in der sauerstoffreichen Elementmischung auch keine Festkörper. Die zweite wichtige Vereinfachung besteht darin, daß der Gesamtdruck vollständig vom H2 und von He-Atomen dominiert wird p = pH2 + pHe . (4.40) Der fiktive Druck der Wasserstoffkerne, wenn H nur als freies Atom anwesend wäre, ist (4.41) PH = 2pH2 . Dar Partialdruck von He in der Gasphase ist pHe = ǫHe PH , (4.42) wobei ǫHe die Häufigkeit von ist (= 0.1). Also gilt PH = 2p . 1 + 2ǫHe (4.43) Dieser Wert für PH kann in den stöchiometrischen Gleichungen (4.39) für die anderen Elemente verwendet werden. Falls alternativ die Dichte ̺ statt des Drucks p gegeben ist, dann gilt offensichtlich ̺ PH = . (4.44) (1 + 4ǫHe )mH wobei mH die Masse des H Atoms ist. 58 4.4.1 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie Bildung von Forsterit Als erstes Beispiel betrachten wir den Fall, daß nur Forsterit (Mg2 SiO4 ) kondensiert ist. Man kann dann folgendes vereinfachte Problem betrachten: Das chemische Gleichgewicht zwischen dieser kondensierten Phase und der Gasphase in einem Zustand mit gegebener Temperatur T und gegebenem Druck p (oder der Dichte ̺) und den Elementhäufigkeiten des Sonensystems ist zu berechnen. Die Partialdrucke der häufigen Gasphasenspezies von Mg, Si, uand O müssen die stöchiometrischen Bedingungsgleichungen (4.39) erfüllen, die hier folgendermaßen lauten: (ǫO − ǫC − 4fFo ǫSi ) PH (1 − fFo ) ǫSi PH (ǫMg − 2fFo ǫSi ) PH = pH2 O + pSiO (4.45) = pSiO = pMg . (4.46) (4.47) Hier wurde berücksichtigt, daß CO ein O Atom für seine Bildung verbraucht, und daß Forsterit (Mg2 SiO4 ) zwei Mg und vier O Atome pro Si Atom für seine Bildung verbraucht. ffo is der Anteil der Si Atome, der im Forsterit gebunden ist. Für C ist keine separate Gleichung erforderlich, da C ausschließlich im CO gebunden ist. Dies ist in Gleichung (4.45) dadurch berücksichtigt, daß von der Sauerstoffhüfigkeit ǫO die Kohlenstoffhüsigkeit ǫO abgezogen wird. Nach Gl. (4.47) ist klar, daß der maximal mögliche Kondensationsgrad von Si im Forsterit durch fFo,max = ǫMg /(2ǫSi ) gegeben ist, was fFo,max ≈ 0.5 für die kosmische Elementmischung bedeutet. In der kosmischen Elementmischung kann nur etwa die Hälfte des Si in Forsterit gebunden sein, die ander Hälfte bleibt in der Gasphase oder bildet bei niedrigeren Temperaturen Enstatit (aber dazu muß ein Teil des Forsterits wieder verschwinden, um Mg freizugeben). Weiterhin ist nach Gl. (4.45) offensichtlich, daß die O Häufigkeit die Bedingung ǫO > ǫC + 4fFo ǫSi erfüllen muß, damit genügend O zur Bildung von Forsterit vorhanden ist; dies ist für die kosmische Elementmischung erfüllt. Die chemische Reaktion zur Bildung von Forsterit aus häufigen Gasphasenspezies ist 2Mg + SiO + 3H2 O −→ Mg2 SiO4 (s) + 3H2 . (4.48) Die Gleichgewichtsbedingung für die Koexistenz von Forsterit mit der Gasphase ist das Massenwirkungsgesetz für diese Reaktion −∆GFo /RT , acFo = p2Mg pSiO p3H2 O p−3 H2 e (4.49) wobei ∆GFo die Änderung der freien Energie bei der chemischen Reaktion (4.48) ist. Diese ist gegeben durch ∆GFo = ∆Gf (Fo) + 3∆Gf (H2 ) − 2∆Gf (Mg) − ∆Gf (SiO) − 3∆Gf (H2 O) (4.50) wobe ∆Gf die freie Enthalpie der Bildung der angegebenen Spezies ist. Beachte, daß ∆G von der Temperatur T abhängt. acFo ist die Aktivität der kondensierten Spezies, die im chemischen Gleichgewicht bei einer reinen Substanz gleich eins ist. Wenn man pMg und pSiO aus den Gln. (4.47) und (4.46) in die Gleichgewichtsbedingung (4.46) einsetzt und für H2 O den Partialdruck pH2 O = (ǫO − ǫC − (1 + 3fFo )ǫSi ) PH , (4.51) 4.4. Spezielle Behandlung einiger Fälle 59 der sich aus den Gln. (4.45) und (4.46) ergibt, und schließlich noch PH aus Gleichung (4.43), dann hat man folgende Gleichung p3 = (1 + 2ǫHe )3 e+∆GFo /RT 2 26 (ǫMg − 2fFo ǫSi ) (1 − fFo ) ǫSi (ǫO − ǫC − (1 + 3fFo )ǫSi ) 3 . (4.52) Das ist eine nichlineare Gleichung, die für gegebenen Druck p und gegebene Temperatur T den Kondensationsgrad fFo von Si in Forsterit im chemischen Gleichgewicht bestimmt. Diese Gleichung kann numerisch gelöst werden, z.B. durch Newton-Raphson Iteration. Falls sich dabeo formal ein fFo < 0 ergibt, dann ist bei diesem p und T kein Forsterit vorhanden; es muß dann fFo = 0 gesetzt werden. Alternativ kann die Gleichung (4.52) für gegebene Temperatur T und gegebenen Kondensationsgrad fFo als Gleichung für den Druck p betrachtet werden. Damit können z.B. die Kurven konstanten Kondensationsgrads fFo in der pT –Ebene konstruiert werden. Insbesondere erhält man für fFo = 0 die obere Stabilitätsgrenze von Forsterit, wie sie in Abb. 4.4 dargestellt ist. 4.4.2 Kondensation von Eisen Das Element Fe ist im chemischen Gleichgewicht bei höheren Temperaturen in der Gasphase stets als freies Atom vorhanden. Die Kondensation von metallischem Eisen aus der Gasphase verläuft nach folgender Reaktion Fe −→ Fe(s) . (4.53) Da die Chemie von Fe im wesentlichen von der der anderen Elemente entkoppelt ist, ist der Partialdruck der Fe Atome pFe in der Gasphase durch (1 − fFe )ǫFe PH = pFe (4.54) gegeben, wobei fFe den Teil des gesamten Fe bedeutet, der im metallischen Eisen kondensiert ist. Die Gleichgewichtsbedingung zwischen der kondensierten Phase und der Gasphase lautet acFe = pFe e−∆GFe /RT , (4.55) wobei ∆GFe die freie Enthalpie der Bildung von metallischem Eisen ist ∆GFe = ∆Gf (Fe) − ∆Gf (Fe) (4.56) und die ∆Gf die freien Enthalpien der der Bildung der angegebenen Spezies bedeuten. acFe ist die Aktivität von festem Eisen, die im chemischen Gleichgewicht für eine reine Substanz gleich eins ist. Der Druck pFe nach Gl. (4.55) ist der Dampfdruck von Fe Atomen im Gleichgewicht mit metallischem Eisen, der sog. Dampfdruck von Eisen. Der Kondensationsgrad von Eisen folgt aus Gl. (4.54) fFe = 1 − (1 + 2ǫFe)e∆G(Fe)/RT e∆G(Fe)/RT =1− . ǫFe PH 2ǫFe P (4.57) Der hiernach berechnete Wert von fFe kann < 0 oder > 0 ausfallen, je nach dem Wert von p und T . Metallisches Eisen existiert nur für solche p-T –Kombinationen, für die fFe > 0 ist. Die Stabilitätgrenze von Eisen gegenüber Verdampfung 60 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie 0.7 0.6 0.5 f 0.4 Fe (s) 0.3 FeS 0.2 0.1 0 500 520 540 560 580 600 620 640 660 680 700 720 740 Abbildung 4.5: Bruchteil fTr des metallischen Eisens, der im chemischen Gleichgewicht in Troilit umgewandelt wird. Die gestrichelte Gerade zeigt den maximalen Bruchteil fmax des Eisens, der bei solaren Elementhäufigkeiten in Troilit umgewandelt werden kann, wenn kein Eisen in Silikaten kondensiert ist. T [K] ist durch fFe = 0 definiert. Die entsprechende Grenzlinie ist in Abb. 4.4 eingezeichnet, welche die Stabilitätsgrenzen einiger wichtiger Minerale im Fall der kosmischen Elementmischung darstellt. Für p-T –Kombinationen unterhalb und rechts der Stabilitätsgrenze in dieser Abbildung existiert kondensiertes Eisen im Gleichgewicht mit der Gasphase, oberhalb und links dieser Kurve aber nicht. Die Stabilitätsgrenze von festem Eisen in der p-T –Ebene verläuft mit zunehmendem Druck steiler als dis Stabilitätsgrenze von Forsterit. Deswegen schneidet die Kurve, die der Stabilitätsgrenze von festem Eisen entspricht, die Kurve, die der Stabilitätsgrenze von Forsterit entsprcht, bei einem bestimmten Wert des Drucks und der Temperatur. Bei höherem Druck als diesem Grenzdruck existiert ein Bereich, in dem Eisen noch nicht verdampft ist, während Forsterit bereits vollständig verdampft ist. Umgekehrt existiert bei kleineren Drucken als dem Grenzdruck ein Bereich von p-T –Kombinationen, in dem Eisen bereits vollständig verdampft ist, während Forsterit noch nicht verdampft ist. Der Schnittpunkt der beiden Grenzlinien liegt bei kosmischen Häufigkeiten bei etwa T = 1 400 K und p = 4 × 10−4 bar. In den beiden Fällen erhält man sehr unterschiedliche Zusammensetzungen des Staubgemisches. 4.4.3 Bildung von Eisensulfid Das freie Eisen kann sich bei niedrigen Temperaturen mit dem reichlich vorhandenen Wasserdampf zu Eisenoxiden (Rost!) oder mit dem H2 S in der Gasphase zu Eisensulfid verbinden. Eisensulfid bildet sich in der kosmischen Elementmischung bei höheren Temperaturen als die entsprechenden Oxide. Es gibt Troilit mit der Zusammensetzung FeS und Pyrit mit der Zusammensetzung FeS2 . Nur Troilit bildet sich in der kosmischen Elementmischung. Troilit kann nach der Reaktion Fe(s) + H2 S −→ FeS(s) + H2 gebildet werden. Im chemischen Gleichgewicht gilt hierfür das Massenwirkungsgesetz (4.58) pH2 acFeS = pH2 S acFe e−∆G/RT mit ∆G = Gf (FeS(s)) + Gf (H2 ) − Gf (Fe(s)) − Gf (H2 S) . Die Akticitäten acFeS und acFe von Troilit bzw. Eisen sind im chemischen Gleichgewich gleich eins. 4.5. Mischkristalle und Legierungen 61 Wenn keine anderen S-haltigen Kondensate existieren und wenn der Bruchteil fTr des Eisens sich in Troilit umgewandelt hat, dann gilt für den Partialdruck von H2 S in der Gasphase pH2 S = (ǫS − ftr ǫFe ) PH . Das Massenwirkungsgesetz (4.58) liefert dann 1 1 fTr = ǫS − e∆G/RT . ǫFe 2 (4.59) (4.60) Der Bruchteil des Eisens, der sich im chemischen Gleichgewicht in Troilit umwandelt, hängt in diesem Fall ausschließlich von der Temperatur ab und ist vom Gasdruck unabhängig. Das ist eine generelle Eigenschaft von Reaktionen, bei denen sich die Molenzahl der beteiligten Gasphasenspzies nicht ändert. In Abb. 4.5 ist die Variation von fTr mit der Temperatur dargestellt. Der maximale Bruchteil des Eisens, der in FeS umgewandelt werden kann, wenn kein Eisen anderweitig in Kondensaten gebunden ist, ist fmax = ǫS . ǫFe (4.61) Für die solare Elementmischung ist das fmax = 0.56. Wenn das nach (4.60) berechnete fTr die Bedingung 0 ≤ fTr ≤ fmax erfüllt, dann ist der Teil fTr des Eisens im chemischen Gleichgewicht in Troilit umgewandelt. Wenn des Ergebnis der Berechnung nach (4.60) negativ ausfällt, dann existiert kein FeS und fTr ist dann gleich null zu setzen. Wie man aus Abb. 4.5 entnimmt, verschwindet FeS oberhalb einer Temperatur von T ≈ 715 K. Für Temperaturen im Bereich zwischen dieser Temperatur und einer Temperatur von T ≈ 500 K ist der Kondensationsgrad kleiner als fmax ; die Umwandlung von Fe in FeS ist in diesem Bereich nur unvollständig. 4.5 Mischkristalle und Legierungen Einige der Mineralien, die in der protoplanetaren Akkretionsscheibe häufig vorkommen, bilden Mischkristalle. Dis gilt insbesondere für die wichtigen Silikatmineralien und für Eisen. Diese bilden folgende Mischkristalle bzw. Legierungen: Olivin mit der Zusammensetzung Mg 2x Fe2(1−x) SiO4 ist ein Mischkristall, der aus Forsterit mit der Zusammensetzung Mg2 SiO4 und Fayalit mit der Zusammensetzung Fe2 SiO4 besteht. Es existieren sämliche möglichen Mischungsverhältnisse 0 ≤ x ≤ 1 zwischen den Endgliedern Forsterit und Fayalit dieser Mischungsserie. Pyroxen mit der Zusammensetzung Mg Fe x 1−x SiO3 ist ein Mischkristall aus Enstatit mit der Zusammensetzung MgSiO3 und Ferrosilit mit der Zusammensetzung FeSiO3 . Es existieren fast sämliche möglichen Mischungsverhältnisse 0 < x ≤ 1 zwischen den Endgliedern Forsterit und Fayalit dieser Mischungsserie, ausgenommen nahezu reines Ferrosilit, das bei Normaldruck instabil zu sein scheint. 62 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie Nickeleisen mit der Zusammensetzung Fe 1−x Nix mit 0 ≤ x ≤ 1. Von den weniger häufigen Al-Ca-Mineralen ist Melilit ein Mischkristall aus den beiden Endgliedern Gehlenit mit der Zusammensetzung Al2 Ca2 SiO7 und Åkermanit mit der Zusammensetzung MgCa2 Si2 O7 ein häufiger Mischkristall Es gibt noch einige weitere Mischkristalle, die aus weniger häufigen Elementen gebildet werden, und die häufigen Mischkristalle enthalten oft noch in geringen Mengen zahlreiche weitere Komponenten, die aber hier nicht weiter von Interesse sind. 4.5.1 Ideale Mischungen In einem idealen binären Mischkristall Ax B1−x der Komponenten A und B mit Molenbrüchen x und 1 − x der beiden Mischungskomponenten ist die Enthalpie die Summe der Enthalpien der Komponenten, gewichtet entsprechend ihren Molenbrüchen, ohne eine Veränderung durch die Mischung. Wenn noch ein Zusatzterm hinzukommt, der eine Enthalpieänderung durch die Vermischung der Komponenten beschreibt, dann ist die Mischung nicht ideal. So etwas gibt es auch, dies wird aber nicht weiter betrachtet, weil die hier interessierenden Mischkristalle samt und sonders nahezu ideale Mischungen bilden; die geringen Abweichungen sind nicht von Bedeutung. Die Entropie der Mischung ist ebenfalls die gewichtete Summe der Beiträge der Mischungskomponenten, aber hier tritt immer noch ein zusätzliches Mischungsglied hinzu, die sog. Mischungsentropie ∆S = −nR (x ln x + (1 − x) ln(1 − x)) . (4.62) Hier ist n die Anzahl der Mole Gitterplätze, auf denen bei der Mischkristallbildung eine Vermischung der unterschiedlicher Komponenten wirklich stattfindet. Bei der Legierung aus Fe und Ni hat man es mit einem Mol von Gitterplätzen zu tun, über die Fe und Ni im Mischkristall verteilt werden können. In diesem Fall ist n = 1. Im Fall von Olivin dagegen ist das Gerüst der SiO4 –Tetraeder fest vorgegeben und nur Mg2+ und Fe2+ Kationen werden bei der Mischung über die Gitterplätze für die Kationen verteilt. Davon gibt es in einem Mol Olivin zwei Mol Gitterplätze. In dem Fall ist n = 2. P Da für die Mischung ∆G = i xi Gi nach Gl. (4.16) gilt, folgt aus Gleichung (4.62), daß das chemische Potential im Mischkristall durch (siehe z.B. Putnis [31]) µi (p, T ) = µi (p0 , T ) + nRT ln xi (4.63) gegeben ist, wobei xi der Molenbruch der Komponente i in der Mischung ist. Die Aktivität ai der Komponente i in einem idealen Mischkristall, definiert durch Gl. (4.25), ist dann ai = xi , (4.64) also gleich dem Molenbruch der Komponente in der Mischung. Die Summe der Aktivitäten der Komponenten in einer Mischung ist dann wieder gleich eins. 4.5. Mischkristalle und Legierungen 63 0.6 1.0 0.5 Fe 0.8 xNi fFe, Ni 0.4 0.6 Ni 0.3 0.4 0.2 Ni 0.2 0.1 Fe 0.0 800 850 900 950 1000 0.0 800 1050 850 900 T [K] 950 1000 1050 T [K] Abbildung 4.6: Kondensation von Fe und Ni bei einem Druck von p = 10−3 bar, der bei protoplanetaren Akkretionsscheiben für den Bereich der Entstehung der terrestrischen Planeten typisch ist. Links: Bruchteil des Fe und Ni, der im Nickeleisen kondensiert ist (durchgezogene Linie) und der hypothetische Fall, daß Ni und Fe getrennt als reine Substanzen kondensieren würden (gestrichelte Linie). Wie ersichtlich, ist der Siedepunkt der Mischung höher als der der reinen Sustanzen. Rechts: Temperaturvariation des Molenbruchs xNi von Ni in der Nickeleisen Legierung 4.5.2 Bildung von Nickeleisen Dies ist ein besonders einfaches Beispiel eines binären Mischkristalls (in diesem Fall einer Metallegierung). Es ist im Kosmos ein wichtiges System, da gewöhnlich derjenige Teil des Eisens, der nicht in Magnesium-Eisen–Silikaten gebunden ist, alles vorhandene Nickel in Form einer Nickeleisen Legierung aufnimmt. Als bekanntes Beispiel sind hier die Eisen-Nickel–Meteoriten zu nennen. Für die Reaktion Ni(g) −→ Ni(in Nickeleisen) , Fe(g) −→ Fe(in Nickeleisen) der Bildung von festem Ni und Fe als Komponenten in einer Legierung hat man nach Gl. (4.36) die Gleichgewichtsbedingungen aNi = xNi aFe = (1 − xNi ) = pNi e−∆G(Ni)/RT (4.65) = pFe e−∆G(Fe)/RT . (4.66) xNi ist der Molenbruch von Ni in der Legierung. ∆G(Ni) und ∆G(Fe) sind die Änderungen der freien Enthalpie bei der Bildung von reinen Festkörper Ni und Fe aus den Atomen und pNi und pFe sind deren Partialdrucke. Die Kondensation von Nickeleisen ist im wesentlichen völlig unabhängig von allen anderen Kondensationsvorgängen. Da Ni und Fe in der Gasphase praktisch nur als freie Atome vorkommen, können die stöchiometrischen Gleichungen in folgender vereinfachter Form geschrieben werden ǫNi (1 − fNi ) PH ǫFe (1 − fFe ) PH = = pNi pFe , (4.67) (4.68) 64 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie wobei fNi und fFe die Anteile des gesamten Ni und Fe sind, die in Nickeleisen kondensiert sind. Der Molenbruch von Ni in der Legierung kann durch fNi und fFe wie folgt ausgedrückt werden xNi = fNi ǫNi / (fNi ǫNi + fFe ǫFe ) . (4.69) Für gegebene Temperatur T und gegebenen Druck p sind die Gln. (4.65) . . . (4.69) ein System von fünf Gleichungen für die fünf Unbekannten pFe , pNi , fFe , fNi und xNi . Diese Gleichungen bestimmen eindeutig die Zusammensetzung der Nickeleisen Legierung. Das System ist stark nichtlinear und kann nur numerisch gelöst werden. Ergebnisse sind in Abb. 4.6 für einen typischen Druck von p = 10−3 bar dargestellt. Der Ni-Gehalt der Legierung ist hoch, wenn nur sehr wenig Eisen kondensiert ist. Für höhere Kondensationsgrade von Fe strebt der Ni Gehalt schnell dem kosmischen Häufigkeitsverhältnis von Ni zu Fe zu. 4.5.3 Eisengehalt der Silikate Einen besonders wichtigen Fall der Bildung von Mischkristallen stellt im Kosmos die Kondensation von Silikaten und Eisen dar. Es werden Olivin, Pyroxen und Eisen gebildet. Da von den Silikaten nur ein Teil des Eisens aufgenommen wird, muß die Kondensation aller drei Komponenten zusammen betrachtet werden. Die Möglichkeit der Bildung von Nickeleisen wird hier vernachlässigt. Die Berechnung der Kondensation von Olivin, Pyroxen und Eisen kann folgendermaßen durchgeführt werden: Die Gleichgewichtsbedingungen für die Bildung der Komponenten der Mischkristalle lauten afo = (xfo )2 = p2Mg pSi p4O e−∆Gfo /RT (4.70) 2 afa = (xfa ) aen = xen = = (4.71) (4.72) afs = xfs = p2Fe pSi p4O e−∆Gfa /RT pMg pSi p3O e−∆Gen /RT pFe pSi p3O e−∆Gfs /RT . (4.73) ∆Gfo , ∆Gfa , ∆Gen , and ∆Gfs sind die partiellen freien Enthalpien der Bildung je eines Mols der reinen Substanzen Forsterit, Fayalit, Enstatit und Ferrosilit aus freien Atomen. Zusätzlich hat man noch die Gleichgewichtsbedingung (4.55) für die Bildung von festem Eisen, da dieses mit den Silikaten koexistieren kann. Die stöchiometrischen Gleichungen (4.39) können hier in der vereinfachten Form ǫO − ǫC − (4fOl + 3fPy ) ǫSi PH = pH2 O + pSiO (4.74) ǫMg − 2(1 − xfa )fOl + (1 − xfs )fPy ǫSi PH = pMg (4.75) (4.76) ǫFe (1 − fFe ) − 2xfa fOl + xfs fPy ǫSi PH = pFe (4.77) ǫSi 1 − fOl − fPy PH = pSiO . aufgeschrieben werden. Die Gleichgewichtsbedingungen lauten genauer (1 − xfa )2 x2fa = p2Mg pSi p4O e−∆G(fo)/RT = p2Fe pSi p4O e−∆G(fa)/RT (4.78) . (4.79) 65 Pyroxen Stabilitatsgrenze 10-0 1.0 10-1 0.8 10 0.6 xfa, fs fol, py, ir Oliv in -2 Fe Eisen 4.5. Mischkristalle und Legierungen Proxen 10-3 0.4 Stabilitatsgrenze Pyroxen -4 10 0.2 Olivin 0.0 700 800 900 1000 1100 10-5 700 800 900 T [K] 1000 1100 T [K] Abbildung 4.7: Kondensation von Olivin, Pyroxen und festem Eisen bei einem Druck von p = 10−3 bar, der bei protoplanetaren Akkretionsscheiben für den Bereich der Entstehung der terrestrischen Planeten typisch ist. Links: Kondensationsgrad des Si in Olivin und Pyroxen und Kondensationsgrad des Fe im festem Eisen. Rechts: Molenbrüche xfa und xfs des Fayalit und Ferrosilit in Olivin und Pyroxen 1 − xfs = pMg pSi p3O e−∆G(en)/RT xfs = 1 = pFe pSi p3O e−∆G(fs)/RT pFe e−∆G(Fe)/RT . . (4.80) (4.81) (4.82) Hier ist fOl der Teil des gesamten Si, der im Olivin kondensiert ist, xfa der Molenbruch des Fayalit Fe2 SiO4 im Mischkristall Mg2(1−xfa ) Fe2xfa SiO4 , und fPy der Teil des gesamten Si, der im Pyroxen kondensiert ist, sowie xfs den Molenbruch des Ferrosilits FeSiO3 im Mischkristall Mg1−xfs Fexfs SiO3 . Schließlich bedeutet fFe den Teil des gesamte Fe, der in festem Eisen kondensiert ist. Die Gleichungen (4.74) . . . (4.82) bilden ein System aus neun Gleichungen für die neun Unbekannten pO , pFe , pMg , pSi , fOl , xfa , fPy , xfs und fFe, die z.B. mit dem Newton-Raphson Verfahren gelöst werden können. Die Lösung unterliegt den Einschränkungen 0 ≤ fOl ≤ 1 , 0 ≤ fPy ≤ 1 , 0 ≤ fFe ≤ 1 . (4.83) Erfüllt die Lösung für ein Kondensat diese Einschränkung nicht, dann existiert dieses Kondensat für die betreffende p-T –Kompination nicht und man hat den entsprechenden Kondensationsgrad gleich null zu setzen. Repräsentative Ergebnisse für die Zusammensetzung von Olivin und Pyroxen in der kosmischen Elementmischung sind in der Abb. 4.7 dargestellt. Sie sind für einen typischen Druck von p = 10−3 bar berechnet. Wie ersichtlich ist der Kondensationsgrad der Silikate im chemischen Gleichgewicht für T > 600 K sehr klein. Praktisch sind sie fast reines Forsterit und Enstatit. Bei niedrigeren Temperaturen (T < 600 K) nimmt im chemischen Gleichgewicht der Eisengehalt der Silikate mit abnehmender Temperaur rasch zu und es bildet sich Olivin mit annähernd der Zusammensetzung xfa = 0.5, aber eine Einstellung dieses Gleichgewichtszustands wird bei solch niedrigen Temperaturen durch die sehr 66 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie langsame Diffusion von Fe2+ und Mg2+ Kationen im Silikatgitter behindert oder auch ganz unterdrückt. 4.6 4.6.1 Spurenelemente Konzentration der Fremdatome Schwerflüchtige Elemente mit kleinen Elementhäufigkeiten können von den häufigen kondensierten Phasen als Verunreinigungen bzw. Fremdatome oder auch Spurenelemente aufgenommen werden. Diese Fremdatome im Gitter besetzen Zwischengitterplätze oder Gitterdefekte im Wirtsgitter. Die Reaktionsgleichung für diesen Vorgang ist El(g) −→ El(s) als Komponente im Mischkristall . (4.84) Wenn die Verunreinigungen nur sehr kleine Konzentrationen haben, was garantiert ist, wenn die betreffenden Elemente kleine Häufigkeit haben, dann wird die Bildung der Wirtsphase durch die Verunreinigung nicht beeinflußt und beide Prozesse, die Bildung der Wirtsphase und die Aufnahme der Fremdatome, können als unabhängig voneinander betrachtet werden. Im chemischen Gleichgewicht stellt sich eine bestimmte Verteilung zwischen den Atomen eines Spurenelements, die in der Gasphase verbleiben, und denen, die als Verunreinigungen in eine bestimmte Wirtsphase eingebaut werden, ein. Wenn die Spurenelement eine ideale Mischung mit der Wirtsphase bilden, was bei sehr kleinen Konzentrationen meistens zutrifft, dann ist bei den thermodynamischen Funktionen bei den Spurenelementen und der Wirtsphase nur die Mischungsentropie zu berücksichtigen. Die Aktivität des Spurenelements in der Wirtsphase ist dann gleich dem Molenbruch x in dem Mischkristall, und im chemischen Gleichgewicht gilt das Massenwirkungsgesetz xEl = pEl e−∆G(El)/RT . (4.85) Hier ist pEl der Partialdruck der freien Atome des Spurenelements in der Gasphase und ∆G ist die Änderung der freien Enthalpie durch die Bildung der kondensierten Phase des Elements als Komponente in einem Mischristall aus den freien Atomen in der Gasphase. Wir bezeichnen mit fEl den Anteil der Atome des Spurenelements, der in der Wirtsphase gebunden ist. Die stöchiometrische Bedingungsgleichung kann dann folgendermaßen geschrieben werden ǫEl (1 − fEl )PH = pel . (4.86) Dies bestimmt den Partialdruck der Atome in der Gasphase. Der Molenbruch der Fremdatome im Wirtsgitter kann mit fEl folgendermaßen ausgedrückt werden xel = fEl ǫEl , fsol ǫsol (4.87) wobei ǫsol die Elementhäufigkeit des Schlüsselelements für die Bildung der Wirtsphase und fsol der Anteil dieses Elements ist, der in Form der Wirtsphase vorliegt. 4.6. Spurenelemente 67 Tabelle 4.1: Kondensationstemperaturen T50% und kosmochemische Klassifikation der Elemente nach Flüchtigkeit (hv: hoch volatil, v: volatil, m: Hauptkomponente, r: feuerfest) und der Bevorzugung von Wirtsphasen (a: atmophil, c: chalcophil, l: lithophil, s: siderophil) El. T50% Li Be B C N O F Na Mg Al Si P S Cl A K Ca Sc Ti V Cr Mn Fe Ni Cu Zn 1125 908 75 120 180 736 970 1340 1650 1311 1151 648 863 25 1000 1518 1644 1598 1455 1301 1190 1337 1354 1037 660 v v hv hv hv v v m r m v v v hv v r r r r m v m m v v l l l l a l l l l l l l c l a l l l l l l s s s c c El. T50% Ga Ge As Se Br Kr Rb Sr Y Zr Nb Mo Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Cs Ba La Ce 918 825 1135 684 690 25 1080 v v v v hv v 1592 1780 1550 1608 1573 1391 1334 952 429 r r r r r m m v hv 720 912 680 v v v 1520 1500 r r c l c c l a l l l l l s s s s c c c l c c l a l l l El. T50% Pr Nd Sm Eu Gd Tb Dy Ho Er Tm Yb Lu Hf Ta W Re Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi Th U 1532 1510 1515 1450 1545 1560 1571 1568 1590 1545 1455 1597 1652 1550 1802 1819 1814 1610 1411 1225 448 427 1545 1520 r r r r r r r r r r r r r r r r r r r v hv hv hv hv r r l l l l l l l l l l l l l l s s s s s s c c c c l l Die Gleichungen (4.85) . . . (4.87) definieren den Bruchteil fEl der Atome eines Elements, die in einer wesentlich häufigeren Wirtsphase als Fremdatome bzw. Spurenelement eingebaut sind. Diese Gleichungen können entweder nach fEl für gegebenes T , oder umgekehrt, gelöst werden. Solche Berechnungen zeigen, daß alle Elemente mit geringer Häufigkeit in der solaren Elementmischung keine eigenständigen Kondensate bilden, sondern als Fremdatome in die häufigen Kondensate eingebaut werden. 4.6.2 Kosmochemische Klassifikation der Elemente Auf diese Weise können für die Spurenelemente sog. Kondensationstemperaturen berechnet worden. Als solche wird diejenige Temperatur bezeichnet, bei die Hälfte der Atome des betreffenden Elements als Fremdatome in ein Wirtsmaterial eingebaut sind. Entsprechend der Höhe dieser Kondensationstemperatur unterscheidet man zwischen schwerflüchtigen, feuerfesten Elementen, oft auch als 68 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie refraktäre Elemente bezeichnet, die bis zu hohen Temperaturen in der kondensierten Phase verbleiben, und den flüchtigen Elementen, auch volatile Elemente genannt, die sich schon bei niedrigen Temperaturen verflüchtigen. Genauer unterscheidet man: Feuerfeste Elemente mit Kondensationstemperaturen von 1400–1850 K. Die Hauptkomponente mit Kondensationstemperaturen von 1250–1350 K. Die mäßig flüchtigen Elemente mit Kondensationstemperaturen von 640– 1230 K. Die leichtflüchtigen Elemente mit Kondensationstemperaturen unter 640 K . 2 Die Klassifikation der Elemente nach diesen Kriterien ist in Tabelle 4.1 angegeben. In vielen Fällen ist die Aufnahme der Fremdatome keine ideale Mischung, weil z.B. die Frematome zu groß sind und das Gitter beim Einbau des Fremdatoms lokal verzerrt wird, sodaß die Aufnahme der Fremdatome in das Gitter ein endothermer Vorgang ist, oder weil umgekehrt anziehende Kräfte bei der Wechselwirkung der Fremdatome mit den Wirtsatomen eine Energieabsenkung bewirken, sodaß die Aufnahme der Fremdatome ein exothermer Vorgang ist. In diesen Fällen muß eine Mischungsenthalpie in ∆G berücksichtigt werden. Dadurch werden bei Anwesenheit mehrerer möglicher Wirtsphasen von den Spurenelementen unterschiedliche Wirtsphasen bevorzugt. Man hat im wesentlichen vier verschiedene Fälle: Ein Teil der Elemente bevorzugt oxidische Minerale als Wirtsphase. Diese Elemente werden als lithophil bezeichnet. Ein Teil der Elemente bevorzugt Eisen und seine Legierungen als Wirtsphase. Diese Elemente werden als siderophil bezeichnet. Ein Teil der Elemente bevorzugt sulphidische Minerale als Wirtsphase. Diese werden als chalcophil bezeichnet. Ein Teil der Elemente, die flüchtigen Elemente, bevorzugt es, in der Gasphase zu verbleiben. Dies werden als atmophil bezeichnet. Die Klassifikation der Elemente nach diesen Kriterien ist in Tabelle 4.1 angegeben und in Abb. 4.6.2 in Form einer Periodentafel dargestellt. Als Folge dieses unterschiedlichen Verhaltens können die Elementhäufigken an der Oberfläche eines Planeten, der in einen Eisenkern und einen Silikatmantel differenziert ist, ganz erheblich von der kosmischen Elementhäufigkeit abweichen, da die weniger häufigen Elemente, die nicht die Hauptkomponenten des Eisenkerns und der Mineralien im Mantel bilden, ganz ungleichmäßig zwischen Kern und Mantel verteil sein können. Wenn der Vorgang der Entmischung von Silikatmineralen und der Eisenlegierung genügend langsam abläuft, daß sich ein Gleichgewicht der Verteilung der Spurenelemente zwischen den Wirtsphasen einstellt, dann verschwinden die siderophilen Elemente im Eisenkern, während die lithophilen Elemente im Mantelmaterial verbleiben. 2 Bei der Temperatur von 640 K ist die Hälfte des S in FeS gebunden He Li Be B C N Na Mg Al Si P S K Ca Sc Ti V Cr Rb Sr Y Zr Nb Mo Cs Ba La-Lu Hf Ta W Th Mn Re Ne 4.6. Spurenelemente H A Fe Co Ni Cu Zn Ga Ge As Se Br Kr Ru Rh Pd Ag Cd In Sn Sb Te I Xe Os Ir Pt Au Hg Tl Pb Bi U = lithophil = siderophil = chalcophil Abbildung 4.8: Periodentafel der Elemente mit ihrer Klassifikation als siderophil, lithophil, chalcophil und atmophil 69 70 Kapitel 4. Chemische Zusammensetzung der Materie Nur kleine Körper, die nicht in einen Kern und einen Mantel differenziert sind, zeigen in ihrem Material alle schwerflüchtigen Elemente in ihren kosmischen Proportionen. Außerdem sind auch die Isotopenhäufigkeiten nicht durch den Differentiationsprozeß verändert. Eine interessante Folgeerscheinung der Bevorzugung unterschiedlicher Wirtsphasen liegt beispielsweise bei dem radioaktiven Kern 182 Hf vor. Dieser zerfällt mit einer Halbwertszeit von 9 × 106 Jahren in 182 W. Hafnium ist lithophil, Wolfram aber siderophil. Wenn 182 Hf zerfällt, ehe sich das Eisen im Eisenkern sammelt, dann stellt sich die in Meteoriten beobachtete Häufigkeit des 182 W Isotops ein, ehe das Wolfram als siderophiles Element bei der Differentiation in den Kern mitgenommen wird. Wenn sich der Eisenkern schneller bildet als das 182 Hf zerfällt, dann verarmt der Mantel an Wolfram, während 182 Hf als lithophiles Element im Mantel verbleibt. Durch seinen späteren Zerfall wird das 182 W Isotop im restlichen im Mantel verbliebenen Wolfram stark überhäufig, verglichen mit den Isotopenhäufigkeiten in Material aus kleinen, nie differenzierten Körpern. Aus der tatsächlich beobachteten Überhäufigkeit des 182 W Isotops läßt sich dann der Zeitpunkt der Differentiation in Mantel und Kern abschätzen.
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