PA N O R A M A - N A C H R I C H T E N Mittwoch, 1. Juli 2015 KELLERMANN KOCHT Die widerspenstige Artischocke Das Distelgewächs hat ein wehrhaftes Äußeres, einen Charakter mit Ecken und Kanten – und ein zartes Herz im Innern. Von Angelika Sauerer, MZ 27. Juni 2015 08:00 Uhr Sie wehrt sich, aber am Ende wird sie doch vernascht – und zwar mit großem Genuss: die Artischocke (l.), klassisch mit Dip (M.), gebraten mit Marinade und als Chips (u. M.).Foto: Sabine Franzl REGENSBURG. Außen zeigt sie der Welt ihren stacheligen Charakter. Aber innen ist sie zart und weich und wer sie kostet, wird von ihrer sanft bitteren, nussigen und unverwechselbaren Würze überrascht. Mehr zum Thema KELLERMANN KOCHT Rezept: Gebratene Artischockenböden KELLERMANN KOCHT Rezept: Gekochte Artischocken mit Dip Wenn sie nicht vorher verspeist wird, treibt sie spektakuläre Blüten. Die Artischocke, KELLERMANN KOCHT Cynara cardunculus oder Cynara scolymus, Rezept: Artischocken- ist ganz klar ein Gewächs mit Persönlichkeit – und zwar einer typisch Chips weiblichen Persönlichkeit, wie die Alten Griechen fanden: Der Mythologie nach hat Cynaria, eine Schöne mit langen blonden Haaren, dem Zeus den Kopf verdreht. Allerdings hatte sie weniger Interesse an ihm als er an ihr. Da wurde der Göttervater zornig und verwandelte die widerspenstige Dame in eine stachelige Pflanze: die Artischocke. Ausdrucksstarkes Gemüse Nicht ganz so romantisch begegnet Küchenchef Thomas Kellermann dem frostempfindlichen Distelgewächs, das aus dem Mittelmeerraum stammt. Aber auch er findet: „Die Artischocke hat Ecken und Kanten.“ Sie sei anspruchsvoll beim Herrichten sowie „ausdrucksstark“ im Aussehen und im Geschmack. Die ganz leicht bittere Note der gebratenen Artischockenböden in seinem Rezept werde durch die leichte Süße der Dörraprikosenmarinade abgemildert. Die cremige Sauce Choron sei auch ein perfekter Begleiter für die Artischockenböden. „Sie schmeckt aber auch ganz einfach solo zu einem kräftigen Brot“, sagt er. Genau wie der Dip, den er zur klassisch gekochten Artischocke reicht. Wichtig bei dieser Creme sei die Schärfe, betont er. Als drittes Rezept frittiert Kellermann Artischocken-Chips. Wirksam wie eine Arznei Wer sich von dem wehrhaften Äußeren nicht abschrecken lässt und sich die Mühe macht, die Artischocke im Ganzen zu kochen und dann zu zupfen oder vorher roh zu schälen – Thomas Kellermann rät dabei zum Brotmesser, wird reich belohnt. Sie ist so gesund, dass sie 2003 zur Arzneipflanze des Jahres gekürt wurde. Der Bitterstoff Cynarin regt Leber und Galle an. Daher wirken Artischocken appetitanregend, verdauungsfördernd und cholesterinsenkend. Sie sind außerdem reich an den Vitaminen A und B12 sowie an Kalzium. Lange Zeit glaubte man gar, die Knospe der Riesendistel hätte eine erotisierende Kraft. Überliefert ist auch, dass Heinrich VIII., Katharina von Medici und Madame Pompadour das Gemüse liebten. Und Goethe dichtete: „Diese Distel, laß sie gelten! Ich vermag sie nicht zu schelten, die, was uns am besten schmeckt, in dem Busen tief versteckt.“ Thomas Kellermanns Gemüse Der Koch Thomas Kellermann ist Küchenchef im Restaurant „Kastell“ auf der Burg Wernberg. Seit 2011 trägt er neben zahlreichen weiteren Auszeichnungen zwei Sterne des Guide Michelin. Einmal im Monat bereitet Kellermann in diesem Jahr für die MZLeserinnen und -Leser Gemüse und Früchte nach seiner Art zu. Angelika Sauerer < >
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