Schmelzwärmebestimmung aus Sättigungskonzentrationen

Schmelzwärmebestimmung aus Sättigungskonzentrationen
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Schmelzwärmebestimmung aus Sättigungskonzentrationen
In diesem Experiment geht es um die Temperaturabhängigkeit der Sättigungslöslichkeit fester
Stoffe in einem Lösemittel als Beispiel für ein Gleichgewicht zwischen festen und flüssigen
Phasen in einem Zwei-Komponenten-System.
Aus der Temperaturabhängigkeit der Sättigungskonzentration kann die Schmelzwärme der gelösten Substanz bestimmt werden.
Stichworte
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Phasendiagramm
Eutektikum
Löslichkeit, Sättigung
Gleichgewicht
Entropie, Enthalpie
freie Gibbssche Enthalpie, chemisches Potential
Theoretischer Teil
Die Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit wird durch ein Schmelzdiagramm mit Eutektikum beschrieben, wie es schematisch in Abbildung 1 für ein Lösemittel A und einen gelösten
Feststoff B dargestellt ist. Dabei wurde vereinfachend angenommen, dass die Komponenten
im flüssigen Zustand (d.h. für T > TB) vollkommen mischbar sind.
Abbildung 1:
Schmelzdiagramm mit Eutektikum für ein Lösemittel A und einen gelösten Feststoff B
TA und TB bezeichnen die Schmelzpunkte der reinen Stoffe. E ist der eutektische Punkt mit
der eutektischen Temperatur TE und der Zusammensetzung xE. Der linke Ast der Schmelzpunktskurve (TA-E) ist die Gefrierpunktskurve des Lösemittels. Hier befinden sich die Lösung
Apparatives Praktikum Physikalische Chemie für Studierende der Biologie
TU Braunschweig, Institut für Physikalische und Theoretische Chemie, Dr. Christof Maul
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und die reine feste Phase des Lösungsmittels im Gleichgewicht. Der rechte Ast der Schmelzpunktskurve (E-TB) ist die Löslichkeitskurve des gelösten Stoffs. Hier befinden sich die Lösung und der reine Feststoff B im Gleichgewicht. Oberhalb der Schmelzpunktskurve liegt nur
eine Phase, die flüssige Lösung, vor, während unterhalb der Schmelzpunktskurve mehrere
Zweiphasengebiete (Mischungslücken) liegen, in denen kein thermodynamisches Gleichgewicht herrscht. Dort liegen entweder Lösung und festes (gefrorenes) Lösemittel (Mischungslücke 1), gesättigte Lösung und Feststoff (Mischungslücke 2) oder reines, festes (gefrorenes)
Lösemittel und reiner Feststoff (Mischungslücke 3) nebeneinander vor. Am eutektischen
Punkt E liegen drei Phasen im Gleichgewicht vor: das reine feste Lösemittel, der reine Feststoff und die flüssige Lösung mit dem Molenbruch x E. Durch Vertauschung der Achsen (T 
x) und Umrechnung des Molenbruchs x auf die Löslichkeit erhält man oberhalb der eutektischen Temperatur TE aus dem oben abgebildeten Schmelzdiagramm die in Abb. 2 dargestellten Löslichkeitskurven von Salzen.
Abbildung 2:
Temperaturabhängigkeit der Löslichkeit einiger Salze
Die Temperaturabhängigkeit des Sättigungsmolenbruchs x B des gelösten Stoffes B ist - unter
den nachfolgend aufgeführten Voraussetzungen: ideal verdünnte Lösungen, Temperaturunabhängigkeit von Schmelzwärme und Schmelzentropie - mit seiner molaren Schmelzwärme
(heat of fusion) HB,m verknüpft:

bzw.
H B ,m  1 1 
  
R  T T0 
x B (T)  x B (T0 )  e
H B,m
ln x B  
 const
RT
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(1a)
(1b)
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Zur Herleitung der Beziehungen (1) betrachten Sie das Löslichkeitsgleichgewicht in einer gesättigten Lösung auf dem Kurvenast ETB aus Abb. 1. Hier gilt für jede Temperatur T:
Bs(T) = Bl(T)
(2a)
Bs*(T) = Bl*(T) + RT · ln xB(T)
(2b)
wobei die Bi die chemischen Potenziale und die Bi* die chemischen Standardpotentiale der
festen (i = s) bzw. der flüssigen (i = l) Phase des Stoffes B, R die allgemeine Gaskonstante
und xB der Stoffmengenanteil (Molenbruch) des Stoffs B sind. Auflösen der Gleichung (2b)
nach xB (unserer Messgröße) ergibt:
ln x B (T) =
m*Bl (T) - m*Bs (T) Dm*B (T)
=
RT
RT
(3)
*(T) ist dabei das "chemische Standardschmelzpotenzial", also die beim Schmelzen auftretende Differenz der chemischen Standardpotentiale der reinen festen und der reinen flüssigen Phase. Für einen Reinstoff ist das chemische Standardpotential µ* definitionsgemäß
gleich der molaren freien Gibbsschen Enthalpie Gm
µ* = Gm = Hm  TSm
(4)
Damit wird die Phasenumwandlungsdifferenz zu
µ* = Gm = Hm  TSm
(5)
Hm und Sm sind die molare Schmelzenthalpie und die molare Schmelzentropie, die im Folgenden – näherungsweise - als temperaturunabhängig angesehen werden sollen. Wird nun Gl.
(5) in Gl. (3) eingesetzt, so erhält man
ln x B (T) = -
DH Bm - TDSBm
DH Bm DSBm
=+
RT
RT
R
(6)
Bildet man nun die Differenz für den Logarithmus des Molenbruchs für zwei beliebige, verschiedene Temperaturen (T und T0), so erhält man
æ x (T) ö
DH Bm æ 1 1 ö
ln x B (T) - ln x B (T0 ) = ln ç B
÷=ç - ÷
R è T T0 ø
è x B (T0 ) ø
(7)
Die Entropie-Terme fallen weg, da die molare Schmelzentropie als temperaturunabhängig angesehen wurde. Die Konstante in Gl. (1b) enthält die von T0 abhängigen Terme. Durch Entlogarithmieren erhält man Gl. (1a).
Für kleine Molenbrüche xB gilt, dass sie in guter Näherung proportional zur Konzentration cB
sind: xB = VMAcB. mit dem molaren Volumen VMA des Lösungsmittels als Proportionalitätskonstante. Demzufolge ist ln xB = ln cB + ln VMA. Der konstante Term ln VMA kann in die Konstante aus Gl. (1b) mit einbezogen werden, so dass die Beziehung (1b) für die Konzentrationen cB ebenso gültig ist wie für die Molenbrüche xB.
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Ausführung und Auswertung der Messung
Bestimmen Sie die Temperaturabhängigkeit des Sättigungsmolenbruchs von Benzoesäure
zwischen 30 °C und 65 °C in 5°-Intervallen (8 verschiedene Temperaturen) und berechnen Sie
daraus die molare Schmelzwärme von Benzoesäure.
Apparatur
Sie benötigen gesättigte Benzoesäurelösungen bei unterschiedlichen Temperaturen. Erwärmen
Sie dazu je 250 ml der vorbereiteten, bei Raumtemperatur gesättigten Benzoesäurelösung in 2
Bechergläsern. Achten Sie darauf, dass genügend feste Benzoesäure vorhanden ist, um Sättigung auch bei hohen Temperaturen sicherzustellen.
Vorbereitung zur Messung
Nach Erwärmen und Umrühren setzen Sie die Bechergläser in ein thermostatisiertes Wasserbad, dessen Temperatur kleiner als die der Lösung ist und im Bereich der höchsten Messtemperatur liegen soll. Nach etwa 20 Minuten hat sich der zur Temperatur des Thermostaten gehörige Sättigungsmolenbruch eingestellt.
Bestimmung der Sättigungskonzentration
Zur Konzentrationsbestimmung entnehmen Sie 20 ml Lösung mit einer Vollpipette, an deren
Spitze ein Glasrohr mit einer Glasfritte angesetzt wird, und titrieren Sie mit 0.1m NaOH gegen Phenolphthalein. Die Glasfritte verhindert das Einsaugen kristalliner Benzoesäure.
Titrieren Sie insgesamt 3 Proben und bilden Sie daraus den Mittelwert. Messen Sie in gleicher
Weise den Sättigungsmolenbruch für die übrigen, tieferen Temperaturen (insgesamt 24 Titrationen, 3 für jede der 8 Temperaturwerte). In der Pipette auskristallisierte Benzoesäure überführen Sie in das Titrationsgefäß, indem Sie die Pipette mit heißem dest. Wasser ausspülen.
Auswertung
Tragen Sie den Logarithmus der gemessenen Sättigungskonzentration c B(T) gegen l/T auf und
legen Sie mittels linearer Regression eine Ausgleichsgerade durch die acht Messpunkte. Aus
der Steigung ergibt sich die gesuchte molare Schmelzwärme gemäß Gl. (1b).
Ermitteln Sie aus der Standardabweichung der Parameter der linearen Regressionsanalyse den
experimentellen Fehler für die Schmelzwärme der Benzoesäure und vergleichen Sie den von
Ihnen ermittelten Wert mit Literaturdaten. Stimmt Ihr Ergebnis mit dem Literaturwert überein?
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