Funktionelle Magendarm- beschwerden

ClaraUpdate 2016
Funktionelle Magen-DarmBeschwerden in der
Hausarztpraxis
Prof. (UK) Dr. Mark Fox
Leitender Arzt
Bauchzentrum: Gastroenterologie
St. Claraspital
05.02.2016
Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden
∙ Bis zu 40% der Bevölkerung ist betroffen und viele Patienten in
Hausarztpraxen klagen über Verdauungsbeschwerden....
∙ Mehrzahl davon haben eine «funktionelle» und nicht
«organische» Erkrankung
∙Normale Endoskopie und Bildgebung
∙Keine objektive Diagnostik
∙Keine spezifische Behandlung
∙Therapie oft nicht zufrieden stellend
∙ Ist der Patient nicht zufrieden...
... sind Sie auch nicht glücklich!
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ClaraUpdate2016_Fox_Funktionslabor
Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden
Lebensqualität (SF-36)
100
90
Whitehead et al. 1996
Healthy
80
70
60
FGID
50
40
30
Organic
Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden
• Hohe direkte Gesundheitskosten
• Wiederholte Besuche beim Hausarzt und Spezialisten
• Indizierte und überflüssige Untersuchungen
• Effektive und nicht effektive Medikamente
• Hohe indirekte Gesundheitskosten für den
Einzelnen und die Allgemeinheit
• Arbeitsausfälle, reduzierte Leistung
• Rezeptpflichtige und frei erhältliche
Medikamente, diätetische
Massnahmen («Gluten frei», etc.)
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ClaraUpdate2016_Fox_Funktionslabor
Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden
Fox & Schwizer Hausarzt Praxis 2015
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05.02.2016
ClaraUpdate2016_Fox_Funktionslabor
Beurteilung von Magen-Darm Beschwerden
∙ «Organische Erkrankung»
∙ «Funktionelle Erkrankung»
∙
∙
∙
∙
Älter > 45 Jahren
Prävalenz: M = F
Alarmzeichen
Definierter Beginn und Progredienz der
Beschwerden
∙ Spezifische Beschwerden - Schmerzen
selten prominent
∙ Kein anderes Organsystem betroffen
∙
∙
∙
∙
∙
∙
∙
∙
∙
∙
∙
∙
∙ Klar definierte Ätiologie
Keine psychiatrische Komorbidität
Stress = allgemeine Bevölkerung
Keine Allergien / Intoleranzen
Beschwerden sprechen spezifische
Therapie an
∙ Arzt und Patient zufrieden mit Diagnose
und Therapieergebnissen
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05.02.2016
∙ Unklare Ätiologie
Jünger <45 Jahren
Prävalenz: F > M (in Kauakasier)
Keine Alarmzeichen
Unklarer Beginn mit variablem Verlauf der
Beschwerden
∙ Multiple, diffuse Beschwerden - Schmerzen
prominent
∙ Andere funktionelle Syndrome (z.B.
Fatigue, Kopf- und Rückenschmerzen)
Psychiatrische Komorbidität
Stress > allgemeine Bevölkerung
multiple Allergien /Intoleranzen
Inkomplette Besserung der Beschwerden
auf spezifische Therapien
∙ Arzt und Patient oft unzufrieden mit
Diagnose und Therapieergebnissen
Fox & Schwizer Hausarzt Praxis 2015
Alarmbeschwerden und -zeichen:
Überweisen zu weiteren Untersuchungen
•
•
•
•
Ösophageale Schluckbeschwerden
Rezidivierendes Erbrechen
Neues Auftreten von Dyspepsie oder eine Änderung der
Stuhlgewohnheiten bei Patienten über 45 Jahren
Hinweise auf Blutverlust oder Anämie
Ungewollter Gewichtsverlust
Persistent Bloating (day and night)
Abdominelle Masse, Ikterus
•
Alarmbeschwerden vorhanden
•
•
•
• OR 4-5 in prospektive Studien
•
Schmerzen sind keine Alarmbeschwerden!
• OR 0.2 in meta-analysis
Wang et al. Arch Intern Med 2005
Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden:
Initiales Management
∙ Ein gutes Arzt-Patientenverhältnis ist die Basis einer
erfolgreichen Behandlung
∙ Suchen Sie nach Alarmbeschwerden
∙ Einfache Laboruntersuchungen
∙ Blutbild, Laborchemie inkl. Leberfunktion, Kalzium,
∙ ggf. TSH, Zöliakie-Serologie, H.pylori-Serologie Fäkales
Mikrobiologie, Calprotectin
∙ Achten Sie auf Angststörungen, Depressionen oder
Stress.
∙ Geben Sie eine klare und positive Diagnose
∙ Versichern Sie dem Patienten, dass es sich nicht um eine
Notfallsituation handelt
∙ Vermeiden Sie es zu sagen, es sei nur eine Einbildung des
Patienten
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Initiale, empirische Therapie in Patienten mit
Vd.a. funktionellen Magen-Darm Beschwerden
∙ Oberbauch Beschwerden
∙ Säure bzw. Reflux-Suppression (z.B. PPI, Alginate)
∙ Eradikationstherapie für Helicobacter pylori
∙ Kolorektale Beschwerden
∙ Stuhlregulation mit Ballaststoffen (z.B. Psyllium)
∙ Stuhlfrequenz / Konsistenz regulieren (z.B. Loperamid, PEG)
∙ Antispasmolytika
∙ Beckenbodentraining bzw. Kontinenztraining
∙ Chronische Schmerzen
∙ Opiate vermeiden
∙ Niedrigdosierte Antidepressiva (z.B. Surmontil)
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05.02.2016
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Beurteilung von therapierefraktären
funktionellen Magen-Darm Beschwerden
∙ Endoskopie und Radiologie beurteilen den Magen Darmtrakt im leeren, nüchternen Zustand
∙ Man würde keinen Muskel untersuchen, ohne den Patienten
aufzufordern, ihn zu bewegen.
∙ Untersucht man das Herz, wenn es nicht schlägt und nur zu
einem einzigen Zeitpunkt?
Beurteilung von funktionellen Magen-Darm
Beschwerden in der moderne Funktionslabor
∙ Erkennen des Krankheitsmechanismuses
∙ Objektive Diagnosestellung mit Erklärung
∙ von Fehlfunktion (i.e. Steckenbleiben von Essen, Reflux,
Inkontinenz)
∙ von Symptomen (e.g. Sodbrennen, Brustschmerzen,
Stuhlentleerungsstörung)
∙ Einleitung einer sinnvollen Behandlung
∙ Verbesserung der Lebensqualität
New technologies provide
New opportunities to achieve these aims
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Moderne Untersuchung von funktionelle
Obere Magen-Darm Beschwerden
Symptome /
Indikation
Erste Untersuchung
Zweite Untersuchung
Pharyngeale Dysphagie *,
Kontrastbreischluck, oder
Hochauflösende Manometrie ±
chronischer Husten, Aspiration,
Globus
Ösophageale Dysphagie*
ORL fiberoptische, endoskopische
Impedanz,
Evaluation des Schluckens (FEES)
pH-Impedanz-Metrie
Hochauflösende Manometrie ±
Kontrastbreischluck mit Flüssigkeit
Impedanz mit Testmahlzeit
und fester Kost
Typische und Atypische
Hochauflösende Manometrie +
Refluxbeschwerden, inkl. thorakale
Impedanz, pH-Impedanz-Metrie
Schmerzen **, Vd. a. Rumination
Dyspepsie (postprandialeS
«Nutrient Drink Test»,
Hochauflösende Manometrie ±
Völlegefühl, Blähungen, Nausea,
Magenentleerungsstudie
Impedanz mit Testmahlzeit + pH-
Schmerzen, ev. Gewichtverlust *)
(Szintigraphie,
Impedanz-Metrie
13C
Atemtest)
* Alarm Beschwerden! Endoskopische oder radiologische Untersuchungen
** Cave: Herzerkrankungen
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Hochauflösende Manometrie mit Impedanz
inklusiv Testmahlzeit
Patientin mit ösophagealer Dysphagie und thorakalen
Schmerzen bei fester Kost
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05.02.2016
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Hochauflösende Manometrie mit Impedanz
inklusiv Testmahlzeit
Patientin mit Dyspepsie und rezidivierenden Erbrechen.
Die dyspeptische Beschwerden können Rumination und /
oder supra-gastrisches Rülpsen triggern
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05.02.2016
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Gastro-ösophageale Refluxerkrankung
Therapierefraktäre Refluxbeschwerden
Unzureichende Besserung unter PPI-Therapie
Alginate:
Gaviscon
Fundoplikatio
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05.02.2016
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Ursache «Refluxsymptome» bei Patienten
unter PPI-Therapie
•
Wichtige Minderheit von GERDPatienten (19-44%) berichten über
inkomplette Beschwerdebesserung
unter PPI Säurehemmer
Hungin et al CGH 2013
• Nicht-saurer Reflux ist ein
wichtiger Grund für persistierende
Symptome
– Viszerale Hypersensitivität
– Volumenregurgitation
– Supra-Ösophagealer Reflux
Mainie et al. Clin Gastro Hep 2006
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05.02.2016
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N=148
Moderne Untersuchung von funktionellen
unteren Magen-Darm-Beschwerden
Symptome /
Indikation
Erste Untersuchung
Zweite Untersuchung
Blähungen, chronische Diarrhö,
Laktose bzw. Laktulose H2-
Ernährungsberatung mit formeller
Vd.a. Ernährungsintoleranz
Atemtest,
Ausschlussdiät
Ernährungstoleranztest (Laktulose
Endoskopie mit Aspiration von
H2 Atemtest mit Szintigraphie
Duodenalsaft, Smartpill
Transittest)
Chronische Verstopfung /
Anorektale Manometrie ±
Stuhlentleerungsbeschwerden
Defäkographie
Fäkale Inkontinenz
Anorektale Manometrie ± endoanale
Ultraschall
* Alarm Beschwerden! Endoskopische oder radiologische Untersuchungen
** Cave: Herzerkrankungen
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05.02.2016
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Kolontransitzeit
Nahrungsmittel induzierte GI- Beschwerden
pathophysiologische Mechanismen
Nahrungsmittel Allergie
(Hypersensitivität)
Bioaktive chemische
Nahrungsbestandteile
Malabsorption und Fermentation von
Nahrungsmitteln im Darm
Gibson P. J Gastroenterol Hepatol. 2011 Apr;26 Suppl 3:128-31.
Nahrungsintoleranz
pathophysiologische Mechanismen
Kolon
a)
FODMAPs wie Laktulose, Fruktose oder
Laktose bei Laktase defizienz werden im
Dünndarm schlecht resorbiert,
gelangen in den Dickdarm
b)
Osmotische Aktivität führt zu WasserEinstrom in den Darm
Dünndarm
Wasser Einstrom = Durchfall
c)
FODMAPs werden fermentiert, führt zu
schneller Gasproduktion
Gasproduktion = Blähung
Atemtests: auf den Spuren der Verdauung
H2 Atemtests
• Laktose (Laktase Intoleranz)
• Glukose (Dünndarmüberwucherung)
• Laktulose (Dünndarmüberwucherung)
•
Fruktose, Sorbit (nicht
interpretierbar in klinischer Praxis)
Kombiniert mit einer Transittest
(Szintigraphie) und eine Aufzeichnung
Patientenbeschwerden erhält man eine
objektive Diagnose:
• Dünndarmüberwucherung
• Ernährungsintoleranz
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05.02.2016
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Beschwerden
Alleine liefern Atemtests wenig
nützliche Informationen
Intoleranz
Normal
Hochauflösende Manometrie mit endoanalen
Ultraschall
Untersuchungsergebnisse bei einem gesunden Probanden und
einer Patientin mit Stuhlinkontinenz bei St.n. spontaner
Entbindung mit Verletzung und Riss der M. sphinkter ani
externus.
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Bestimmung der rektalen Kapazität und Sensitivität mit
der «Rapid Barostat Bag»-Technik
Messungen «Rapid Barostat Bag» Technik
• Rektale Kapazität @ 40mmHg
• Normal 200-450ml
• Rektale Sensibilität als % Füllung des Rektums
• Erste Wahrnehmung (15-30%)
• Stuhldrang (40-70%)
Übergrösse
• Diskomfort (>90%)
«Barostat
Bag» füllt
Rektum
25 Patienten mit Stuhlinkontinenz mit unauffälliger
Analsphinkterfunktion:
• Kleine Rektalkapazität (n=17)
• Rektale Hypo- (n=10) oder Hypersensibilität (n=4)
Viele andere Patienten hatten anal und rektale Pathologie kombiniert
Ein modernes Funktionslabor «From top to tail»
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05.02.2016
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Bauchzentrum: St. Claraspital
• Individuelle Therapie aufgrund einer
objektiven Beurteilung
Neurostimulation
Chirurgie
Änderung Lebenstil
Prokinetika
Psychologie
Physiotherapie