Erfahrungsbericht

Erfahrungsbericht
Name: S o p h i a, L e d e r
Austauschjahr: WS 14/ 15
Gastuniversität: Università degli Studi di Napoli 'L'Orientale'
Stadt: Neapel
Land: Italien
Aus Spam-Schutzgründen wird die E-Mail-Adresse nicht im Internet veröffentlicht,
kann aber im Akademischen Auslandsamt erfragt werden.
Wer in seinem Auslandssemester die Gelegenheit nutzen möchte, und einmal in eine ganz
andere Welt eintauchen will, ist mit einem Aufenthalt in Neapel gut beraten. Obwohl nicht so
weit von unserer Heimat gelegen, verspürt man doch einen Wind um die Nase, der sich
komplett vom deutschen Standard unterscheidet.
Dies bemerkt man schon in den ersten Minuten, in denen man sicherlich vom täglichen Verkehrschaos, drückender Hitze und wild gestikulierenden Italienern etwas überfordert ist.
Auch wird keine Minute vergehen, in der nicht das Lieblingsinstrument der Neapolitaner, die
Hupe, zu hören ist.
Doch daran werdet ihr euch am Ende eures Aufenthalts gewöhnt haben und diese Musik der
etwas anderen Art nach eurer Rückkehr vermissen.
Ich habe mich nach langem Überlegen dazu entschlossen, mit dem Zug von Augsburg nach
Neapel zu fahren. Diese Fahrt kostete mich einiges an Nerven, aber auch viele interessante
Begegnungen begleiteten meine Reise. Nachdem ich einen Anschlusszug verpasst hatte,
wurde darüber hinaus zum ersten Mal mein Italienisch sehr nützlich. Zugeben muss ich aber,
dass bei dieser 16-stündigen Fahrt einiges an Geduld und Sitzfleisch aufgebracht werden
muss.
In Deutschland hatte ich mich im Vorhinein nicht ernsthaft um eine Unterkunft bemüht, und
so folgte ich den organisatorischen Anweisungen des Erasmus-Point (eine definitiv fast überlebenswichtige Einrichtung) und checkte mich zunächst im Pizza Hostel ein, sozusagen das
Auffanglager für Erasmusstudenten. Der Erasmus-Point organisiert Wohnungsbesichtigungstrips durch die Stadt, bei denen mal bessere, mal schlechtere Bleiben angeboten werden.
Grundsätzlich war ich mit meiner Suche Ende September schon etwas spät dran, weshalb
es vier Tage dauerte, bis ich etwas gefunden hatte. Auch hier gilt: bloß nicht aus der Ruhe
bringen lassen!
Die vermittelten Wohnungen sind meist mit allem ausgestattet, was man zum Überleben
braucht. Man muss sich allerdings darauf einstellen, dass der Standard nicht mit unserem
deutschen zu vergleichen ist. Man sollte, wenn man das Wintersemester dort verbringt, darauf achten, dass die Wohnung etwas „Heizungsartiges“ enthält, und sich die Fenster gut
schließen lassen. Sonst geht es einem wie mir und meinen Mitbewohnern, die wohl noch nie
so sehr gefroren haben, wie im Winter in Neapel.
Doppelzimmer sind weit verbreitet und wer sich auf ein solches einlassen kann, kommt definitiv schneller und günstiger hinter ein Zimmer. Preislich liegt ein Doppelzimmer nach meiner
Erfahrung zwischen 200 und 250 Euro, ein Einzelzimmer zwischen 250 und 300 Euro. Der
Erasmus-Point vermittelt Zimmer, die direkt in der Innenstadt sind und nicht in Gebieten liegen, die man meiden sollte. Das ist ein großer Vorteil, weil man sonst abends Probleme be-
kommt, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln die Treffpunkte zu erreichen, beziehungsweise
nachts in Gegenden unterwegs ist, die dazu nicht gerade geeignet sind.
Auch bei allen anderen Dingen steht einem das Erasmus-Point-Team sehr hilfreich zur Seite.
Es ist also die erste Anlaufstelle, in der man Informationen zu allen weiteren Schritten bekommt. Ein italienisches Konto habe ich nicht gebraucht. Es ist üblich, dass man die Miete
bar bezahlt. Dazu kommt einmal im Monat, mal eine Woche früher, mal zwei Wochen später,
der Vermieter vorbei, um das Geld abzuholen.
Ich studiere Germanistik und hatte geplant, deutsche Linguistikkurse und literaturwissenschaftliche Seminare zu besuchen. Der Linguistikkurs für das 6. Bachelorsemester hatte
aber ein solch niedriges Niveau, dass ich davon wieder abgekommen bin. (Fast) alle Kurse
finden außerdem in Italienisch statt, ob es nun Anglistik- oder Germanistikkurse sind. Letztendlich hatte ich drei Master-Literaturkurse, von denen einer auf Deutsch war. In den Bachelorkursen wird auch die Literatur in Italienisch gelesen, also nicht in Originalsprache,
weshalb Masterkurse meiner Meinung nach eher zu empfehlen sind. Die Kurse finden entweder zwei- oder dreistündig statt, das heißt, zwei- bzw. dreimal die Woche für jeweils eineinhalb Stunden. Ich hatte sehr kleine Seminare, es herrschte eine freundliche Atmosphäre
und Kommilitonen wie Dozenten waren immer sehr aufmerksam und aufgeschlossen, was
mir im anfänglichen Chaos sehr hilfreich war.
Wer an der L’Orientale studiert, bekommt einen kostenlosen Sprachkurs, der zwar nur sieben Wochen lang ist, dafür aber sehr intensiv. Ich denke, dass man diese Gelegenheit auf
jeden Fall nutzen sollte. Zu Beginn des Semesters bekommt man dazu einen Link zu einem
Online-Einstufungstest zugeschickt.
Generell ist es auf jeden Fall äußerst nützlich, zumindest Basics des Italienischen zu beherrschen. In dieser Gegend von Italien ist es nicht üblich, dass die Leute Englisch können. Sogar mit Studenten kann man dabei Verständigungsprobleme haben. Vor meinem Aufenthalt
habe ich drei Sprachkurse gemacht, und konnte mich ganz gut durchschlagen. Eine etwas
ausgefeiltere Sprachkenntnis hätte mir allerdings so manches Gespräch ein bisschen erleichtert. Ganz ohne Italienisch, und da gab es so manche Studenten, würde ich Neapel
nicht empfehlen, schließlich möchte man ja auch einmal aus seinen Erasmusgrüppchen heraus.
Die Universität L’Orientale hat keine eigene Mensa. Jeder Student bekommt jedoch am Anfang eine Mensa-Card, mit der man für wenig Geld in kleinen Restaurants viel zu essen bekommt. Da eine riesige Pizza Margharita, zu bekommen an jeder Straßenecke, aber auch
nur drei Euro kostet, kann man eigentlich überall günstig satt werden. Die Supermarktpreise
sind mit den deutschen vergleichbar. Gefühlt in jedem zweiten Haus befindet sich eine Bar,
also Café, in dem es allerhand munter-machende Spezialitäten gibt. Trinkt man seinen Kaffee an der Theke, wird man auch als Studentin mit Kaffeesucht nie arm.
Ich denke, dass jeder, der beschließt, sein Auslandssemester in Neapel zu machen, weiß,
dass er sich nicht die einfachste Stadt herausgesucht hat. Dass es dort viele Probleme mit
Umweltverschmutzung und Müll gibt, ist leider wahr. Es geht immer etwas chaotisch zu, eine
einfache Busfahrt kann zu einem echten Abenteuer werden.
Wir als Erasmusstudenten haben von der Kriminalität der Stadt eigentlich nur aus der Zeitung erfahren. Man wird von allen Seiten gewarnt, nachts nicht alleine herumzulaufen, Taschen immer zu schließen etc. Werden diese Basics beachtet, kann man sich aber sicher
fühlen. Natürlich kommt es auch immer darauf an, wo man wohnt, bzw. wo man unterwegs
ist.
Wer gerne Party macht, ist in Neapel definitiv richtig. Das Erasmusteam vor Ort ist fleißig am
organisieren. Aber nicht nur Feste aller Art werden angeboten, sondern ebenfalls verschiedene Trips, beispielsweise nach Rom und in die Toskana. Aber auch auf eigene Faust kann
die Stadt und die Umgebung gut erkundet werden. Zahlreiche kulturelle Schmankerl warten
darauf, besichtigt zu werden. Sei es nun das archäologische Museum direkt in der Stadt,
oder Sehenswürdigkeiten wie Pompeji etwas außerhalb. Fast alles lässt sich bequem und
günstig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Naturliebhaber haben es in der Stadt
etwas schwieriger. Man muss viel Fantasie mitbringen, um die zugemüllte Fläche in der Nähe des Lungomare als Park bezeichnen zu können. Den ersten Naturdurst kann jedoch ein
Spaziergang am Meer löschen. Dieser ist bei jeder Tages- und Nachtzeit empfehlenswert
und bezaubert im Dunkeln mit einem grandiosen Blick auf das erleuchtete Neapel. Einen
Ausflug ins Grüne kann man mit der Fähre machen, um Ischia, Capri oder andere Inseln zu
besuchen, oder man nimmt die Circumvesuviana (eine Art Regionalbahn) und macht sich auf
dem Weg nach Sorrent, das nach den Sommermonaten auch nicht mehr so touristisch überlaufen ist. Ein halbes Jahr war definitiv zu wenig, um all die Schätze zu entdecken!
Oktober und November hindurch konnte ich noch richtig schönes Urlaubswetter genießen.
Im Dezember und Januar entwickelte sich Neapel allerdings zu einem Sturzbach. Es regnete
pausenlos und ohne Gummistiefel hatte man permanent nasse Füße. Eine Studentin hat mir
aber erzählt, dass es zwar normal ist, dass es den ganzen Winter regnet, aber dieses Jahr
sei es besonders schlimm. Wer über das Sommersemester fährt hat da natürlich mehr
Glück, und kann sich höchstens darüber beschweren, dass das Studieren bei vierzig Grad
anstrengend ist.
Wie ich oben bereits kurz erwähnt habe, sind Neapolitaner ein sehr aufgeschlossenes Völkchen. Gleich am ersten Unitag habe ich eine Kommilitonin nach einem Kopierer gefragt. Sie
hat sich nicht damit begnügt, mir den Weg zu beschreiben, sondern führte mich persönlich
dorthin. Unsere ältere Nachbarin, mit der wir uns leider wenig unterhalten konnten, da sie nur
Dialekt und wenig Italienisch sprach, backte uns Pizza. Auch von meiner Tandem-Partnerin
wurde ich regelmäßig nach Hause eingeladen. Die Großzügigkeit und Herzlichkeit, die einem
von vielen Seiten entgegenkommt, lassen einen über negativere Aspekte der Stadt schnell
hinwegschauen.
Neapel war für mich eine große Herausforderung, sei es nun aufgrund des flächendeckenden Chaos oder der absolut trostlosen Perspektivlosigkeit der Vorstädte. Die Stadt machen
für mich aber auch zahlreiche Gaumenfreuden, wie die beste Pizza der Welt, kulturelle
Schätze und warmherzige Menschen aus. Wer hier sein Auslandssemester verbringt, kann
sich auf ein verwirrendes, lustiges, aktives, nachdenkliches, sonniges, lautes, leckeres und
unpünktliches Abenteuer einstellen!