6.3 Technische Effizienz und Produktionsfunktionen

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6.3 Technische Effizienz und Produktionsfunktionen
In diesem Abschnitt werden wir von der eher ingenieurswissenschaftlichen Beschreibung
von Produktionsprozessen auf ökonomische Beschreibungen übergehen. Bisher sind die
Aktivitäten eines Produktionsprozesses in keiner Weise bewertet. Genau dies werden wir
nun ändern. Wir werden uns mit den Aktivitäten auseinandersetzen, die die Faktoren
technisch effizient einsetzen. Genauer sagen wir, daß eine Produktionsaktivität technisch
effizient ist, wenn aus den angegebenen Inputs der höchst-mögliche Output hergestellt wird
(inputeffizient) und wenn der angegebene Output mit den geringst-möglichen Inputs
hergestellt wird (outputeffizient). Um die Unterschiede klar zu machen, betrachten wir eine
Produktion, die nur einen Input benötigt. Dann können wir die Produktionsmenge wie folgt
graphisch darstellen:
Output
I
• III
•
• II
Input
Die Aktivität, die durch den Punkt I repräsentiert wird, ist technisch effizient, also inputund outputeffizient. Die Aktivität, die durch den Punkt II repräsentiert wird, ist weder
input- noch outputeffizient. Die Aktivität, die durch den Punkt III repräsentiert wird, ist
inputeffizient aber nicht outputeffizient. Man beachte, daß die Begriffe "Inputeffizienz"
und "Outputeffizienz" in der Literatur leider sehr verschieden definiert werden.
Wir werden im folgenden auf dem Begriff der Inputeffizienz aufbauen und wieder mehr als
einen Input betrachten. Wie in den einführenden Beispielen, seien die Inputs wieder Arbeit
und Kapital. Wir wollen nun in einem solchen Kontext ein graphisches Bild der
inputeffizienten Produktionsaktivitäten erzeugen. Dazu betrachten wir folgende Graphik.
2
Kapital
Prozeß 2
Prozeß 3
y
2
y
3
•
y
1
Prozeß 1
Arbeit
Hier sind zunächst die Prozesse 1 und 2 eingezeichnet. y1 ist eine Aktivität des Prozesses 1,
der sagen wir 4 Einheiten Output herstellt. y2 ist eine Aktivität des Prozesses 2, der genau
diese 4 Einheiten Output auch herstellt. Gehen wir nun davon aus, die Produktionsmenge
erfülle alle die Annahmen aus dem letzten Abschnitt. Da sie dann auch additiv ist, ist auch
die Aktivität y3 = y1 + y2 eine mögliche Aktivität, die nun 8 Einheiten des Outputs erzeugt.
Wegen der Teilbarkeit ist auch y3 /2 eine mögliche Aktivität. Sie liegt auf der Prozeßlinie
von y3 und zwar am Schnittpunkt dieser Geraden mit der Verbindungsgeraden von y1 und
y2. Auch diese Aktivität erzeugt 4 Einheiten. Es ist aber nichts darüber gesagt, ob diese
Aktivität die 4 Einheiten genauso effizient herstellen läßt wie y1 oder y2. Selbst wenn wir
annehmen, daß y1 und y2 effiziente Aktivitäten sind, d.h. daß es nicht möglich ist, die 4
Einheiten Output mit Hilfe der beiden Prozesse 1 und 2 mit weniger Inputs herzustellen,
folgt diese Eigenschaft für y3 /2 nicht. Es ist nur sichergestellt, daß die 4 Einheiten
produziert werden können. Es ist jedoch möglich, daß sie mit weniger Inputs unter
Zuhilfenahme des Prozesses 3 herzustellen sind, z.B. durch die Aktivität, die durch den
eingezeichneten Punkt auf der Prozeßlinie von 3 angegeben wird.
Dies macht erstens deutlich, daß die bisherige Beschreibung nichts darüber gesagt hat, mit
welchem Outputniveau die Punkte auf den Prozeßlinien genau verbunden sind. Dazu
werden wir nun das Kriterium der Inputeffizienz benutzen: Mit jeder Inputkombination
wird die Outputmenge verbunden, die sich maximal (unter Berücksichtigung der
technischen Möglichkeiten) mit dieser Kombination herstellen läßt.
Damit haben wir implizit eine weitere Beschreibungsmöglichkeit eingeführt: die
Produktionsfunktion. Eine Produktionsfunktion, f, ordnet jeder Inputkombination den
maximal möglichen Output zu. Formal läßt sich diese Produktionsfunktion wie folgt
beschreiben:
f( L, K ) = b ⇔ ∀ ( L, K, b') ∈ Y gilt: b' ≤ b.
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In weiten Teilen der Volkswirtschaftslehre werden nur solche Produktionsaktivitäten
betrachtet, die inputeffizient sind. Das bedeutet, daß man sich auf solche Aktivitäten
konzentrieren kann, die mit Hilfe von Produktionsfunktionen darstellbar sind. Solange das
Gewinnmotiv stark genug für diejenigen wirkt, die die Organisation der Produktion
vornehmen, ist dies eine ökonomisch motivierte und gute Einschränkung. Allerdings gibt
es durchaus daran Zweifel, daß die Organisation der Produktionsprozesse alleine durch
Gewinn-motivierte Individuen vorgenommen wird. Wir werden in Spezialfällen auf diesen
Aspekt zurückkommen und uns i.w. dem Usus der Wirtschaftswissenschaften anschließen,
d.h. wir werden uns ebenfalls auf die Aktivitäten konzentrieren, die durch
Produktionsfunktionen entsprechend der obigen Definition beschrieben werden können.
Kommen wir nun zu der graphischen Darstellung von inputeffizienten
Produktionsaktivitäten. Betrachten wir daher nochmals ein graphisches Beispiel in
Anlehnung an die obigen Beispiele. Wir nehmen dazu an, daß es für die Herstellung eines
Gutes einen Prozeß mit maximaler Kapitalintensität und einen mit minimaler
Kapitalintensität gibt. Alle anderen Prozesse zur Herstellung des Gutes haben also eine
Kapitalintensität zwischen diesen beiden Extremen. Wir beginnen mit einer
Produktionsmenge, die genau drei Prozesse zuläßt, die beiden extremen und einen
mittleren:
Kapital
•
•
•
Arbeit
In der Graphik sind drei Punkte auf den verschiedenen Prozeßlinien eingezeichnet. Alle 3
Punkte sollen erstens inputeffiziente Aktivitäten wiedergeben und zweitens zu derselben
Outputmenge führen. Diese drei Punkte bilden in diesem Beispiel die Isoquante zu dem
gemeinsamen Outputniveau. Da wir hier drei Prozesse vorgegeben haben, ergeben sich drei
solche Punkte. Wenn wir immer mehr Prozesse einführen, ergeben sich auch immer mehr
solcher Punkte. Wenn wir ganz viele Prozesse eingeführt haben, könnte die Isoquante wie
in der folgenden Graphik aussehen:
4
Kapital
•
•
Arbeit
Jeder Punkt auf der durchgezogenen Kurve entspricht derselben inputeffizient produzierten
Outputmenge gemäß dem relevanten Produktionsprozeß. Da die Outputmenge entlang
einer Isoquante immer dieselbe sein muß, ist dies auch der Ort der Punkte, wo die
Produktionsfunktion denselben Wert annimmt. Das bedeutet u.a., daß die Isoquante genau
in demselben Verhältnis zur Produkionsfunktion steht, wie die Indifferenzkurve zur
Nutzenfunktion. Man kann sich leicht klarmachen, daß diese Punkte Aktivitäten
entsprechen, die sowohl inputeffizient als auch outputeffizient sind.
Nun sieht man, daß die Kurve auch außerhalb des Bereiches zwischen den beiden
"extremen" Prozessen gestrichelt weitergeführt wurde. In der Tat entspricht auch dieser
Teil derselben Isoquante. Der obere Begrenzungspunkt gibt ja u.a. den höchstmöglichen
Kapitaleinsatz wieder, der zur Produktion der vorgegebenen Outputmenge führt. Steigert
man den Kapitaleinsatz - bei unverändertem Arbeitseinsatz - darüber hinaus, läßt sich nicht
mehr produzieren. Daher gehört dieser vertikale Teil ebenfalls zur Isoquante. Diese Punkte
repräsentieren zwar inputeffiziente Aktivitäten, die aber nicht outputeffizient sind. Nur der
nicht gestrichelte Teil der Isoquante reflektiert daher in jeder Hinsicht technisch effiziente
Aktivitäten.
Mit Hilfe der Isoquante lassen sich - ähnlich wie über die Indifferenzkurve - Beziehungen
zwischen den Inputs charakterisieren. Man kann sich z.B. danach fragen, ob sich ein Input
durch den anderen leicht substituieren läßt. In manchen Bereichen wird dies kaum möglich
sein. Wenn es z.B. um die Befestigung zweier Lochbleche mit Hilfe von Schrauben und
Muttern geht, müssen die Schrauben und Muttern in einem festen Verhältnis, nämlich 1:1,
stehen. Man kann nicht Muttern durch Schrauben substituieren. Wenn eine
Produktionstechnologie durch solche festen Einsatzverhältnisse beschrieben wird, spricht
man von einer "fixed proportion technology". Die Isoquanten sehen dann so aus wie in der
folgenden Graphik:
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Muttern
Schrauben
Umgekehrt können Inputs auch perfekte Substitute sein. Beispielsweise könnten die beiden
Inputs die Benzinsorten zweier Marken sein, die vollkommen austauschbar sind. Dann
sehen die Isoquanten wie in der folgenden Graphik aus:
Benzin B
Benzin A
Der Regelfall wird ein mittlerer Grad von Substituierbarkeit sein, wie sie in der folgenden
Graphik zum Ausdruck kommt.
Kapital
Arbeit
Auch hier sehen wir wieder die Ähnlichkeit zu den Indifferenzkurven. Dementsprechend
können wir auch die anderen Hilfsmittel nutzen, die uns mit Hilfe der Indifferenzkurve zur
Verfügung stand. Wir können z.B. die Substituierbarkeit bei einer bestimmten
Ausgangssituation (L, K) durch die Steigung der Isoquante (genauer durch den
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Absolutbetrag der Steigung) messen. Die Steigung der Isoquante heißt hier technische
Rate der Substitution, TRS(L, K). Weiterhin läßt sich diese wieder mit Hilfe der
Produktionsfunktion ausdrücken:
∂f
( L, K )
TRS(L, K) = ∂L
∂f
( L, K )
∂K
Die Begründung ist völlig analog zu der entsprechenden Beziehung zwischen der
Grenzrate der Substitution und den Grenznutzen.
Schließlich gibt
∂f
f ( L, K + ∆K ) − f ( L, K )
( L, K ) = lim
∂K
∆K
∆K → 0
an, um wieviel der Output steigt, wenn der Kapitaleinsatz marginal erhöht wird. Diese
nennt man das Grenzprodukt des Faktors Kapital (oder Grenzproduktivität). Analog
kann man natürlich zu jedem Input das entsprechende Grenzprodukt definieren. Es wird
häufig angenommen, daß das Grenzprodukt eines Faktors abnimmt. Manchmal nennt man
dies das "Gesetz des abnehmenden Grenzprodukts", obwohl Grenzprodukte nicht
naturgesetzlich abnehmen müssen.
Ähnlich geht man auch oft davon aus, daß die technische Rate der Substitution abnimmt,
was demnach bedeutet, daß die Isoquante fällt und nach unten gebaucht ist (eine konvexe
Funktion darstellt). Wenn wir von dem Spezialfall perfekter Inputs absehen, impliziert die
Annahme einer konvexen Produktionsmenge, daß die technische Rate der Substitution
fällt.
Wir werden im folgenden stets davon ausgehen, daß die Produktionsmenge konvex ist, es
sei denn, es wird explizit etwas anderes gesagt. Dies bedeutet dann auch, daß die
Isoquanten in einer Graphik mit 2 Inputs immer fallend und konvex eingezeichnet werden.