Wir haben schon genug gespart

Datum: 16.01.2016
Tages-Anzeiger
8021 Zürich
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www.tagesanzeiger.ch
Medienart: Print
Medientyp: Tages- und Wochenpresse
Auflage: 172'920
Erscheinungsweise: 6x wöchentlich
Gastbeitrag Warum Zürich bei
der Bildung nicht sparen darf.
Wir haben schon
genug gespart
Themen-Nr.: 374.003
Abo-Nr.: 1044548
Seite: 12
Fläche: 32'699 mm²
Bildung aus, waren es 2013 nur noch 3,1%. Der
Anteil der Ausgaben für die Mittelschulen sank
sogar um rund ein Drittel, von 0,45 auf 0,3 %.
Massgeblich dafür verantwortlich ist die
Verkürzung der Mittelschuldauer um mehr als
ein halbes Jahr - ein einmaliger Vorgang in der
Geschichte des Zürcher Bildungswesens. Auch
die Lehrerlöhne wurden deutlich gesenkt - ein
Lehrer, der heute in den Schuldienst eintritt,
wird mehrere 100 000 Franken weniger
In der aktuellen Debatte um die Zürcher Staats«Lebenslohn» erhalten als seine älteren
finanzen und die Bildungsausgaben gehen die
Kolleginnen und Kollegen.
Sparapostel unisono von unhinterfragten GlauZürich ist zudem auf dem Weg, den Anschluss
benssätzen aus.
an die übrige Schweiz zu verlieren. Vor 25 Jahren
Erstens: Zürich muss sparen, weil nur so der
gesetzliche mittelfristige Finanzausgleich erreicht lag die Maturitätsquote Zürichs noch deutlich
werden kann. Zweitens: Zürich hat ein Ausgaben- über dem schweizerischen Mittel, seit 2000
verharrt sie auf tiefen 19 %; 2014 erreichten
problem. Drittens: Gekürzt werden muss vor
gesamtschweizerisch 20,2 % eines Jahrgangs
allem dort, wo die Ausgaben in den nächsten
einen gymnasialen Maturitätsabschluss, in Zürich
Jahren am stärksten steigen; dazu gehört auch
nur gerade 18,7%. Zürich betreibt eine Politik des
die Bildung. Sie kann, so bedauerlich das auch
versteckten Numerus clausus an den Gymnasien
sein mag, nicht «ausgespart» werden.
und importiert Jahr für Jahr lieber Zehntausende
Alle drei Prämissen sind falsch.
von Akademikern aus dem benachbarten
Zum mittelfristigen Finanzausgleich fehlen
zwar rund zwei Milliarden. Grund dafür sind aber deutschsprachigen Ausland. Niemand strebt eine
keineswegs die explodierenden Staatsausgaben. massive Erhöhung der Quote an, aber mindestens den schweizerischen Durchschnittswert
Zürich hat vielmehr ein akutes Einnahmenprodürfte der Bildungskanton Zürich seiner
blem. Finanzdirektor Ernst Stocker hat es offen
dargelegt: Die Steuereinnahmen der natürlichen bildungswilligen Jugend schon zutrauen.
Selbstverständlich ist nicht jede Kürzung im
Personen sinken trotz wachsender Bevölkerung.
Bildungswesen unmöglich. Es gäbe zum Beispiel
Der Kanton musste 2014 mit 267 Millionen
die Möglichkeit, den Anteil der Schüler im
weniger Einkommens- und Vermögenssteuern
6-jährigen Langgymnasium (heute 60%) um 10%
auskommen als vier Jahre zuvor. Auch die
Einkünfte der juristischen Personen stagnieren - zu reduzieren und dafür die Aufnahmequote aus
der Sekundarschule entsprechend zu erhöhen.
zur Erinnerung: Die Grossbanken zahlen seit
Das wäre gleichzeitig ein Beitrag zur Stärkung
der Finanzkrise zwar nach wie vor Milliardender Sekundarschule und würde dem Kanton
boni, aber keine Gewinnsteuern mehr. Das ist
mehrere Millionen «einbringen». Anders als die
der Preis für die Steuersenkungen der letzten
bisher vorgebrachten Kürzungsvorschläge würde
Jahre, die der Kantonsrat ohne Not beschlossen
dies nicht zu einem Bildungsabbau führen.
hat. Zürich steht nämlich im Steuerwettbewerb
Denn: Man sägt nicht ungestraft am (Bildungs-)
ausgezeichnet da.
Ast, auf dem man sitzt ...
Die Bildungsausgaben sind gesunken
Von Markus Späth-Walter
Der Anteil der Bildungsausgaben an den Gesamtausgaben des Kantons ist stabil, ja sogar leicht
sinkend. Zudem: Die Bildungsausgaben des
Kantons sind in den letzten 25 Jahren erheblich
zurückgegangen - nicht in absoluten Zahlen, wohl
aber gemessen am Bruttoinlandprodukt. Das BIP
als Massstab für den Wohlstand hat sich seit 1992
verdoppelt. Gegenläufig haben sich die Bildungsausgaben entwickelt: Gab der Kanton im Jahre
1992 noch 3,9% des Bruttoinlandprodukts für
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Markus Späth-Walter
Der Gymnasiallehrer ist
Fraktionspräsident der SP
Alim Zürcher Kantonsrat.
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