Mitteilungen der Juristischen Zentrale

Mitteilungen der Juristischen Zentrale
REGIONALCLUB
Nr. 06/2016
18.01.2016 Gs
SERBIEN:
Geltendmachung von Forderungen aus Parkverstößen
Sehr geehrte Damen und Herren,
in letzter Zeit versuchen Anwaltskanzleien (z.B. Kanzlei Tischler aus Slowenien)
- aber auch das Londoner Inkassobüro Euro Parking Collection (EPC) - bei deutschen Autofahrern Forderungen einzutreiben, die aus Parkzuwiderhandlungen in
serbischen Städten (z. B. Belgrad) resultieren. Diese Kanzleien bzw. Inkassounternehmen erheben Parkgebühren im Auftrag der jeweiligen Kommune und ahnden
Zuwiderhandlungen gegen die Parkvorschriften. Die Nichtbezahlung von Parkgebühren oder eine Überschreitung der zulässigen Parkdauer kann nach serbischem Recht
mit einer zivilrechtlichen Vertragsstrafe belegt werden.
Diese Mitteilung stellt die aktuelle Rechtslage dar und behandelt häufig gestellte Fragen.
Für weitere Fragen rund um das Thema stehen die ADAC Juristen unter der
Rufnummer (0 89) 76 76 – 24 23
gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Markus Schäpe
Leiter Juristische Zentrale
Anlage
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SERBIEN:
Geltendmachung von Forderungen aus Parkverstößen
Die wichtigsten Fragen
Wie werden Parkverstöße in Serbien geahndet? Wer verhängt die Sanktionen?
Verstöße gegen die Vorschriften der serbischen StVO werden grundsätzlich durch
die Polizei mit einem öffentlich-rechtlichen Bußgeld in Höhe von derzeit 5.000 RSD
(ca. 40 Euro) geahndet.
Die Ahndung von Übertretungen kommunaler Parkvorschriften (wie z. B. Nichtlösen
eines kostenpflichtigen Parktickets, Überziehen der bezahlten Parkzeit, Nichtauslegen der Parkscheibe o. ä.) erfolgt dagegen im Regelfall durch von serbischen Kommunen zum Zwecke der Parkraumbewirtschaftung und -überwachung gegründeten
Handelsgesellschaften (wie z. B. JKP Parking Servis Beograd). Für derartige Zuwiderhandlungen werden im Regelfall ca. 15 Euro in Rechnung gestellt. Die Kommunen beauftragen mit der Parkraumüberwachung private Unternehmen, die Parkgebühren erheben und Zuwiderhandlungen gegen die Parkvorschriften ahnden.
Welche Rechtsnatur hat die Ahndung dieser kommunalen Parkzuwiderhandlungen?
Laut Urteil der Obersten Kassationsgerichts in Serbien (Urteil Rev. 430/2014 vom
17.12.2014) handelt es sich bei den Parkgebühren um zivilrechtliche Forderungen
aus kommunalen Dienstleistungen. Die Nichtbezahlung von Parkgebühren oder eine
Überschreitung der zulässigen Parkdauer kann nach serbischem Recht mit einer zivilrechtlichen Vertragsstrafe belegt werden.
Wann verjähren die Forderungen?
Nach Informationen serbischer Juristen verjähren Forderungen aus kommunalen
Dienstleistungen nach einem Jahr. Die Frist beginnt mit dem Tag der Ausstellung
einer Zahlungsaufforderung. Sollte die Zahlungsaufforderung an der Windschutzscheibe befestigt worden sein („Zustellung“), würde die Frist an diesem Tag zu laufen
beginnen. Sollte keine Aufforderung am Kfz angebracht worden sein, ist davon auszugehen, dass die Verjährungsfrist mit dem Tag, an dem das Kfz geparkt wurde, zu
laufen beginnt. Diese Frage ist aber bislang noch nicht gerichtlich geklärt.
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Wie machen serbische Gesellschaften die Forderungen bei deutschen KfzHaltern geltend?
Im Regelfall wird bereits vor Ort in Serbien eine Zahlungsaufforderung an die Scheibenwischer geheftet. Wird die Sanktion nicht bezahlt, erfolgt seitens der serbischen
Betreibergesellschaft bei Übertretungen mit einem in Deutschland oder Österreich
zugelassenen Kfz in der Regel die Beauftragung einer Anwaltskanzlei (z. B. Kanzlei
Tischler in Slowenien) oder eines Inkassounternehmens (z.B. die britische EPC) mit
der Halterermittlung und Eintreibung der Forderung. Der betroffenen Kfz-Halter wird
von diesen angeschrieben und zur Zahlung aufgefordert. In manchen Fällen scheint
es allerdings auch zu einer sofortigen Einschaltung eines Anwaltes zu kommen, ohne dass bereits vor Ort der Versuch einer Benachrichtigung des betroffenen Fahrers
erfolgt.
Wie hoch ist die Forderung des Rechtsanwalts?
Die Anwaltsgebühren belaufen sich inklusive Gebühren und Auslagen auf ca. 160
Euro. In Bezug auf die (zusätzlich zu den ausstehenden Parkentgelten in Höhe von
ca. 15 Euro) geltend gemachten Anwaltsgebühren ist festzustellen, dass Rechtsanwaltskosten im Rahmen des Inkasso nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung grundsätzlich erst dann geltend gemacht werden dürfen, wenn sich der
Schuldner in Zahlungsverzug befindet. Das wäre z. B. dann der Fall, wenn er zuvor
bereits eine Zahlungsaufforderung der betreffenden serbischen Stadt erhalten und
diese ignoriert hat. Zudem dürften die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten
aus unserer Sicht stark überhöht sein. Ein Gebührensatz von 70 Euro für die anwaltliche Tätigkeit wäre (im Verzugsfall) wohl angemessen.
Können zivilrechtliche Forderungen aus Serbien in Deutschland vollstreckt
werden?
Eine grenzüberschreitende Vollstreckung zivilrechtlicher Forderungen aus Serbien in
Deutschland kann nicht auf Grundlage der einschlägigen EU-Rechtsgrundlagen
(EuGVVO, Europäisches Mahnverfahren, Small ClaimsVO) erfolgen. Die Vollstreckung ist nur im Rahmen einer Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines serbischen Titels durch ein deutsches Gericht möglich (Exequaturverfahren). Ob deutsche
Gerichte derartige Forderungen für vollstreckbar erklären würden, ist derzeit ungewiss. Es existieren keine Präzedenzfälle. Möglicherweise kann einer Vollstreckbarkeitserklärung der Ordre Public Vorbehalt des Art. 6 EGBGB entgegenstehen.
 Verstoß gegen deutschen Ordre Public?
In Anlehnung an eine Entscheidung des AG Leverkusen in Bezug auf die Halterhaftung in Zusammenhang mit niederländische Parkgebühren (AG Leverkusen v. 14.02.
1995 20 C 311/94, NZV 1996, 36) könnte die Ansicht vertreten werden, dass die be-
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treffende Forderung aus Serbien gegen die Ordre Public-Klausel des Art. 6 EGBGB
verstößt:
Wird dem Fahrzeughalter, der die Parkgebühr nicht gezahlt hat, die Kostentragungspflicht für eine Vertragsstrafe auferlegt, so wird hiermit automatisch angenommen,
dass der Halter auch derjenige war, der das Kfz abgestellt hat. Dem Halter wird
hiermit ein Vertragsschluss auf Nutzung der Parkfläche unterstellt, obwohl er möglicherweise gar nicht anwesend war. Eine derart fingierte vertragliche Halterhaftung
existiert im deutschen Zivilrecht nicht; eine hoheitlich begründete Kostentragungspflicht des Halters würde im ruhenden Verkehr nur unter den engen Voraussetzungen des § 25 a StVG bestehen. Ausländische Vorschriften, die einen Vertragsabschluss des Halters fingieren, würden deshalb gegen wesentliche Grundsätze des
deutschen Rechts verstoßen und wären auch nicht anzuwenden (§ 6 EGBGB).
Wie soll auf eine anwaltliche Zahlungsaufforderung reagiert werden?
Soweit zutreffend, empfiehlt sich gegenüber der Anwaltskanzlei oder gegenüber Euro Parking Collection, den Einwand der Verjährung vorzutragen.
Eventuell kann ein Einspruch im konkreten Fall damit begründet werden, dass der
Kfz-Halter nicht als Fahrer (und somit als Vertragspartner) das Auto abgestellt und
somit den Parkplatz auch nicht genutzt hat. Dies sollte dann entsprechend vorgetragen und derart belegt werden, dass der Halter des Kfz beispielsweise überhaupt
nicht vor Ort war (z. B. Bestätigung durch Arbeitgeber, Zeugenaussagen etc.).
Sollte die Parkforderung bereits vor Ort beglichen oder später bereits geleistet worden sein, sollte dies ebenfalls eingewendet werden. Hier empfiehlt es sich, dem Einspruch entsprechende Belege (z.B. Kontoauszüge) beizufügen und/oder Zeugen zu
benennen.
Sollte der Fahrzeughalter zahlungswillig sein, sollte die geforderte Parkgebühr als
Grundforderung beglichen werden. Mit dem Anwalt sollte wenn möglich über dessen
Gebühren eine Einigung erzielt werden. Gebühren i.H.v. 70 Euro sind realistisch.
Welche generelle Empfehlung kann Reisenden nach Serbien gegeben werden?
Unerlässlich ist es, sich vor Ort in Serbien über die in der jeweiligen Kommune geltenden Parkvorschriften zu informieren. Grundsätzlich sollten alle Park- und Zahlungsbelege aus Serbien für mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden.