Praxistipp: Erste Hilfe beim Jagdhund

Praxistipp: Erste Hilfe beim Jagdhund – Teil 1
Oberstes Gebot:
Besonnen bleiben!
Ob Bergriegler, Treibjagd, Drückjagd oder Nachsuche, die Jagdsaison läuft auf Hochtouren und sie sind mit
vollem Einsatz dabei: unsere vierbeinigen Jagdhelfer. Leider kommt es bei ihren jagdlichen Einsätzen nicht
selten zu Verletzungen. Von kleinen Blessuren bis hin zu lebensbedrohlichen Notfällen, jeder Hundeführer
kann plötzlich mit einer Verwundung seines Hundes konfrontiert werden. Dr. Stephanie Knöpfle erklärt, wie
man im Ernstfall schnell und kompetent Erste Hilfe leisten kann. Dabei gilt: Immer besonnen bleiben!
40
12/2015
Sprechen Sie den verletzten Hund an, nähern Sie sich ihm ruhig und langsam. Vorsicht vor unberechenbaren Abwehrreaktionen. Auch das bravste Tier kann schmerzbedingt um sich beißen. Manchmal kann es nötig sein, Zwangsmaßnahmen, wie eine Maulschlinge anzuwenden. Diese können Sie unkompliziert aus einem Stück einer Verbandsrolle oder
einem Strick herstellen.
Polytraumatisierte Patienten, sprich
Hunde mit Verletzungen an mehreren Stellen, die extrem schmerzhaft
sind, können auch stabil und ohne
Berührung von zwei Personen auf
einer zur Trage umfunktionierten
Unterlage wie einer Decke oder einer Jacke schonend transportiert
werden.
12/2015
41
Um im Notfall die Situation richtig einzuschätzen und
schnell reagieren zu können, müssen Sie die normalen
Standardwerte der Viatalparameter des Hundes kennen.
Üben Sie ein paar Mal zu Hause in aller Ruhe den Puls, die
Atmung und die Schleimhäute ihres Hundes zu beurteilen.
Nur so werden Sie genug Sicherheit haben, um auch im
Notfall richtig vorzugehen.
Vitalparameter beim Hund:
 Atmung: 15 – 30 Atemzüge pro Minute
 Puls: 60 – 80 Schläge pro Minute beim großen Hund
80 – 120 Schläge pro Minute beim kleinem Hund
 Temperatur: 37,5 – 39 °C
 Schleimhautfarbe: rosa
 Kapillare Füllungszeit (KFZ): unter 2 Sekunden
Pulsfühlung beim Hund:
An der Innenseite des Oberschenkels lässt sich der Puls
an der großen Beinschlagader mit etwas Übung leicht auffinden. Legen Sie hierzu den Daumen außen auf den Oberschenkel, die restlichen Finger der Hand an die Innenseite
des Oberschenkels – mit diesen können Sie den Puls vorsichtig ertasten. Achtung: nicht zu fest drücken.
Beurteilung der Schleimhäute: Ein wichtiger Parameter für die Beurteilung der Kreislaufsituation eines Hundes ist die
so genannte Kapillare Füllungszeit (KFZ). Um diese zu testen, heben Sie eine Lefze des Hundes an und betrachten die
Schleimhaut: Diese sollte rosa sein. Dann drücken Sie einmal fest auf das Zahnfleisch, das dadurch kurzfristig weiß
wird, aber binnen zwei Sekunden sofort wieder rosa werden sollte.
42
12/2015
Notfallmanagement:
Was tun bei einem Schock?
Ein Schock ist ein lebensbedrohliches Kreislaufversagen,
das bei den meisten Unfällen auch ohne große Verletzungen auftritt. Der Körper des Hundes versucht die Durchblutung der lebenswichtigen Organe aufrechtzuerhalten
und leitet das Blut von der Haut und den Beinen in den
Bauchraum und das Gehirn. Dadurch bedingt werden die
Schleimhäute blass, die Kapillare Füllungszeit wird deutlich verzögert, die Körperoberfläche und die Pfoten werden kalt. Der Hund kann matt oder apathisch sein. Solche
Patienten sollten immer unverzüglich tierärztlich mit intravenösen Infusionen versorgt werden. Bis dahin sollten
Sie den Hund unbedingt warm halten.
darauf, ob das Herz wieder zu schlagen beginnt. Der ausgeübte Druck sollte mindestens so stark sein, dass der
Brustkorb gut komprimiert wird, darf aber keinesfalls so
stark sein, dass Rippen brechen und die Lunge verletzt
wird.
Was tun bei Atemstillstand?
Die Atmung schwer verletzter Hunde kann oft sehr flach
und daher schwierig zu sehen sein. Prüfen Sie genau, ob
keine Atemtätigkeit mehr vorliegt. Haben Sie es tatsächlich mit einem Atemstillstand zu tun, sollten Sie unverzüglich die „Mund zu Nase-Beatmung“ durchführen. Öffnen
Sie den Fang des Hundes, gehen Sie sicher, dass die Atemwege frei sind, das heißt, die Maulhöhle muss frei von Sekreten, wie Blut, Speichel oder Erbrochenem sein. Dann
können Sie die Zunge nach vorne ziehen, den Fang zuhalten und Luft durch die Nase des Hundes einblasen. Die Beatmung erfolgt zehn bis 20 Mal pro Minute. Vorsicht: bitte
den Beatmungsdruck auf die Größe des Hundes abstimmen, bei zu starkem Einblasen kann sonst Lungengewebe
geschädigt werden.
Was tun bei Herzstillstand?
Prüfen Sie genau, ob wirklich ein Herzstillstand vorliegt.
Hunde mit schockbedingt schwachem Puls und schwachem Herzschlag sollten nicht fälschlicherweise reanimiert werden. Wenn kein Herzspitzenstoß mehr spürbar
ist und Sie keinen Puls mehr spüren können, dann müssen
Sie eine Herzmassage durchführen. Bringen Sie den Hund
in rechte Seitenlage, unterpolstern Sie den vorderen Bereich des Brustkorbs mit einem Pullover oder einer Decke,
legen Sie die Hände hinter dem Ellbogen am Brustkorb auf
und beginnen Sie mit der Herzmassage.
Drücken Sie mit einer Geschwindigkeit von circa 60 bis
100 Kompressionen pro Minute. Nach 15 Mal Drücken legen Sie eine Pause ein und beatmen Sie zweimal. Haben
Sie einen Helfer, dann machen sie fünf Herzkompressionen und lassen je einmal beatmen. Achten Sie unbedingt
Wenn kein Herzspitzenstoß mehr spürbar ist, müssen Sie eine
Herzmassage durchführen.
Was tun bei starker Blutung?
Stark blutende Wunden sollten abgedeckt und mit einem
Druckverband versorgt werden. Durchgeblutete Verbände
nicht entfernen, sondern weiter mit Druck überwickeln.
Nicht stoppbare Blutungen, wie zum Beispiel Schlagaderverletzungen an den Läufen, können auch abgebunden
werden. Hierzu müssen Sie oberhalb der Blutung mit Hilfe
einer Verbandsbinde oder einem Gürtel einen Stau anbringen. Dieser darf aber nur kurzfristig angebracht bleiben
und wird nur so eng zugezogen, dass die Blutung geringer
wird. Das Tier muss in jedem Fall zum Tierarzt gebracht
werden. Achtung: der Stau muss mindestens alle 15 Minuten für ein bis zwei Minuten gelockert werden.
Dr. Stephanie Knöpfle
Die berufliche Fachtierärztin
für Kleintiere ist passionierte
Jägerin, Hundeführerin, Züchterin und Dritte Vorsitzende
der Jägervereinigung Augsburg. Derzeit entwickelt sie ein
eigens zusammengestelltes
Erste-Hilfe-Notfallset für Jagdhunde, das Anfang des Jahres
zu erwerben ist.
12/2015
43