kanada - Schweizer Familie

Les
KANerreise
Seit ADA
e 72
/
Nr. 44
29. Oktober 2015
Fr. 5.–
73
«JAMMERN
ÄNDERT NICHTS»
WIE SÄNGERIN JAËL ZU GLÜCK
UND GESUNDHEIT FAND
SEITE 10
JAMES BOND
IST 007 EIN
ALKOHOLIKER?
SEITE 24
NIEDERLAGEN
WIE MAN SIE ALS
CHANCE NUTZT
SEITE 44
ROCKY MOUNTAINS
PER BAHN IN DIE
WILDNIS KANADAS
SEITE 60
EDITORIAL
Klicken Sie auf unserer Website
den Button Slow TV an, und
sehen Sie die erste Etappe
der Waldrappe auf www
.schw
ihrem Flug in
eiz er
fami
den Süden.
SLOW
LIVE
TV
lie.ch
LIEBE LESERINNEN
LIEBE LESER
Pfarrer Daniel
Winkler wurde
mit andern
Riggisbergern
für sein
Engagement
für Flüchtlinge
geehrt.
Redaktor Heinz Storrer hat die kanadischen Rocky Mountains bereist.
Noch 3 Wochen bis zur
23. bis 29. November 2015
Spendenkonto: 80-7211-9
Vermerk «Sternenwoche/Ne­pal»
www.sternenwoche.ch
Fotos: Tomas Wüthrich, Heinz Storrer
FLÜCHTLINGE. Unser Bericht über
das Zusammenleben von Flücht­
lingen und Einheimischen in der
Berner Gemeinde Riggisberg
(Nr. 38 vom 17. September) hat viele
positive Reaktionen ausgelöst.
Wir erhielten zahlreiche Briefe von
Leserinnen und Lesern, die den
Riggisbergern für ihre Hilfsbereit­
schaft gegenüber den Bewohnern im
Asylzentrum danken. Natürlich
gab es auch kritische Stimmen, aber
den 50 freiwilligen Helfern der
Gemeinde geht es nicht um Einwan­
derungspolitik, sondern um Mensch­
lichkeit. Wenn die EU und die Uno,
ja die ganze Welt in der Verhinde­
rung von Krieg und Flüchtlingsströ­
men versagen, ist dies nicht die
Schuld der Opfer, die bei uns
ankommen.
Diese Menschen haben Schreckliches
erlebt und verdienen es, menschlich
behandelt zu werden. So wie in
Riggisberg. Integration ins Dorfleben
ist zudem die beste Strategie gegen
kulturelle Konflikte – auch das zeigt
Riggisberg. Für ihren beherzten
Einsatz haben die freiwilligen Helfer
nun den Sozialpreis des Verbandes
Avenir Social erhalten. Gemeinde­
pfarrer Daniel Winkler stimmt die
Ehrung in erster Linie nachdenklich.
Er findet es selbstverständlich,
dass man respektvoll mit Menschen
umgeht, die vor Krieg und Unter­
drückung fliehen. Nein, Herr
Winkler, leider ist das nicht selbst­
verständlich. Und darum hat dieser
Preis Bedeutung. Interview mit
Daniel Winkler ab SEITE 16
AUSWANDERER. Im 19. Jahrhundert
verliessen Tausende von Schweizern
ihre verarmten Dörfer und wagten
die Überfahrt nach Amerika. In
Kanada erinnert heute noch vieles an
die Siedlerzeiten. Und noch heute
zieht uns die unberührte Wildnis
des Landes magisch an. Redaktor
Heinz Storrer hat die kanadischen
Rocky Mountains im Panoramazug
von Vancouver nach Banff bereist.
Was er unterwegs erlebt hat, erzählen
seine grossartigen Bilder und
Reisenotizen. Träumen Sie mit ab
SEITE 60.
Herzlich, Ihr Daniel Dunkel,
Chefredaktor
Schweizer Familie 44/2015
3
Nr. 44 vom 29.10.2015 – MIT TV TÄGLICH
INHALT
10
➳ Menschen
Traumfänger������������������������� 8
Jeff Turner, Countrymusiker
Jaël Malli, ExFrontfrau von
Lunik, hat zu sich
gefunden, lebt
gesund – und gibt
ihr erstes Solo­
album heraus.
Jaël Malli..............................10
Die Sängerin im Interview
Asylprojekt...........................16
Riggisberger werden für ihr
Engagement ausgezeichnet
Nina Vetterli-Treml.............20
Autoexpertin und Musikerin
➳ Wissen
52
32
Helle Farben, hübsche
Kästchen, raffinierte
Details – schon
sieht die Küche
wieder aus wie neu.
Köstlich und im
Nu gemacht:
Omeletten gibts in
allen Variationen.
James Bond.........................24
007 kämpft selbst angeschossen – geht das überhaupt?
➳ Essen
Saisonküche.........................32
Omeletten, Frittata, Tortillas
➳ Familienleben
Jugendliche Autoren...........38
Die schönsten Stilblüten,
gesammelt in einem Buch
Ratgeber...............................41
Xenia Frenkel über Erziehung
DIEive
r
k eat E
IDE
➳ SchönerLeben
Scheitern..............................44
Niederlagen gehören
zum Leben
24
Kreativ..................................52
Mit wenig Aufwand
die Küche auffrischen
Ab nächster
Woche lässt
es Daniel
Craig als 007 wieder
krachen. Wie
realistisch sind die
Action-Szenen?
Monatsgarten......................56
Arbeiten im November
➳ Reisen
Kanada..................................60
Auf malerischer Bahnfahrt
durch British Columbia
Weekendtipp........................75
Im Wildpark Roggenhausen
in Aarau
60
➳ Gesundheit
Angina...................................78
Was hilft bei entzündeten
Gaumenmandeln?
Puls.....................83
Zu Hause leben
bis zuletzt
Les
Lauschige Seen, schroffe
Schluchten, farbige Wälder:
Entdecken Sie die
traumhaften Landschaften
im Westen Kanadas.
KANerreise
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➳ Rubriken
Aus dem Fotoalbum......................9
Spielspass...................................36
Sudoku.........................................42
Rätsel........................................... 49
Medientipps................................ 84
Horoskop......................................86
Impressum..................................86
Leserforum..................................87
Lösungen.....................................87
Titelfoto: Tanja Demarmels, ddp Images, Heinz Storrer; Fotos Inhalt: Tanja Demarmels, Marcel Koch, Le Menu, INTERTOPICS, Heinz Storrer, Fotolia
Marktplatz...................................88
Frölein Da Capo...........................90
Gewinnen Sie............................... 91
Schweizer Familie 44/2015
5
MENSCHEN
Die LunikSängerin
Jaël 2010 auf
dem Gurten.
«Ich habe meine
KARTEN NEU GEMISCHT»
Bekannt geworden als Sängerin der Band Lunik, geht JAËL
nun ihren eigenen Weg. Sie startet ihre Solokarriere,
ist Schauspielerin – und hat dank gesunder Ernährung
und Yoga ihre Leiden in den Griff bekommen.
Interview Roland Studer
Jaël, letzten Freitag ist Ihr erstes
Soloalbum erschienen, es heisst
«Shuffle the Cards» – «Die Karten
mischen». Wieso dieser Titel?
Die Auflösung von Lunik hat mein Leben
durchgeschüttelt. Ich musste herausfinden,
wie es weitergehen soll, und habe meine
Karten neu gemischt.
Fünfzehn Jahre waren Sie die Sängerin von Lunik. Die erfolgreiche
Popband löste sich Ende 2013 auf.
Was haben Sie in den vergangenen
eineinhalb Jahren getan?
Ich spielte im Film «Unser Kind» des
Schweizer Fernsehens, im Freilichtspekta­
kel «1476» über die Schlacht von Murten
und im Theaterstück «Remake». Zudem
war ich längere Zeit in Schweden, Berlin
und London, wo ich mit Songschreibern
und Produzenten an meinem Soloalbum
gearbeitet habe. Anfangs wusste ich nicht,
in welche Richtung ich musikalisch steu­
ern soll. Das forderte mich heraus.
Wobei?
Als Komponistin. Bei Lunik lieferten
meistens Bandmitglieder die Akkorde, zu
denen ich Texte und Melodien schrieb.
10
Schweizer Familie 44/2015
Fotos Tanja Demarmels
Aber auch als Managerin, weil jetzt alle Fä­
den bei mir zusammenliefen. Ich musste
abwägen und entscheiden – und die Kon­
sequenzen meiner Entschlüsse selber tra­
gen. Ich habe manche Nacht kaum ge­
schlafen, weil so viel zu tun war.
Versetzen Sie sich auch gerne in
andere Menschen?
Hatte das Arbeiten allein
auch Vorteile?
In der Fernsehsendung «100 Prozent
Schweizer Musik – Polo Hofer &
➳
Ich bin mein eigener Chef und muss keine
langen Diskussionen mehr mit Menschen
führen, die besser zu wissen glauben, was
gut für mich ist.
Wieso haben Sie das Album mit
privaten Sponsoren finanziert?
Einerseits habe ich den Markt und meinen
Marktwert überschätzt. Die Plattenfirmen
boten mir nicht den Vertrag, den ich er­
wartet hatte. Auf der anderen Seite wollte
ich unabhängig sein und mir weder beim
Texten noch beim Produzieren reinreden
lassen.
Im Titellied «Shuffle the Cards» über
verlorene Liebe singen Sie: «Ich bin
davongerannt, ich bin schuld.» Wie
autobiografisch ist das?
Ich suche Schuld tendenziell bei mir, weil
ich sehr selbstkritisch bin.
Ja, aber zurückhaltender als früher. Ich
sauge nicht mehr alle Sorgen meiner Mit­
menschen auf wie ein Schwamm. Ich habe
gelernt, mich abzugrenzen.
VIELSEITIG BEGABT
Jaël Malli, 36, wuchs als Rahel Krebs in
Bern auf. Sie nannte sich Jaël, weil sie
als Kind ihren Vornamen nicht richtig
aussprechen konnte. Heute steht die­
ser Vorname in ihrem Pass. Von 1997
bis 2013 war sie Leadsängerin der
Schweizer Popgruppe Lunik. Nach der
Auflösung der Band nahm sie Schau­
spielunterricht, spielte in einem Fern­
sehfilm und trat in einem Freilicht­
theater auf. Mit der CD «Shuffle The
Cards» beginnt sie als Jaël ihre
Karriere als Solokünstlerin. Sie wohnt
mit Ehemann Roger, 38, einem
selbständigen Grafiker, in Bern.
Fotos: Keystone
Jaël mixt sich
in ihrer Küche
in Bern einen
Powerdrink aus
Gurken, Spinat,
Cashewmousse,
Reismilch, Sojajoghurt mit Zitrone, Äpfel und
Haferflocken.
MENSCHEN
Jaël praktiziert seit
fünf Jahren Yoga und
beherrscht den Lotussitz einwandfrei.
Unten: Die Gitarren
der Musikerin in
ihrem Arbeitsraum.
Wenn ich zu Hause arbeite, tendiere ich
dazu, mich vor lauter Konzentration zu
vergessen – stundenlang. Deshalb plane
ich regelmässige Pausen, um abzuschal­
ten. Einmal am Tag gehe ich spazieren,
was ich «Mit mir selber Gassi gehen» nen­
ne. Und viermal in der Woche ins Fit­
nesscenter. Nach dem Krafttraining dehne
ich die Muskeln mit Yoga.
Wie lange machen Sie schon Yoga?
Seit fünf Jahren.
Mit welcher Wirkung?
Es stärkt meine Muskula­
tur. Ich bin sehr beweg­
lich, hatte aber bisher zu
wenig Kraft.
Was mögen Sie sonst
am Yoga?
Den tänzerischen Fluss
der Übungen. Und «the
crazy stuff», wie meine
Lehrerin sagt – die ver­
rückten Sachen. Ich mag
die intensiven Verren­
kungen, weil ich meinen
Körper spüren will.
Warum?
Es fühlt sich gut an. Ich
tanzte als Kind und Ju­
gendliche intensiv Bal­
lett, bevor ich mich fürs
Musizieren entschied.
Seither ist mir Bewegung
wichtig.
«Ich mag beim Yoga den
tänzerischen Fluss und die
intensiven Verrenkungen.»
Friends» sangen Sie letzten Samstag
das Mani-Matter-Lied «Warum syt
ihr so truurig». Wieso dieses Lied?
Es sprach mir aus der Seele. Ich bin ein
Fan von Mani Matter. Sein Lied stellt die
Frage «Warum syt ihr so truurig?» vor
jeder Strophe. Das regt einen an, sich zu
hinterfragen.
In der Sendung traten nebst Ihnen
auch Büne Huber, Sina, Stefanie
Heinzmann und Stephan Eicher auf.
Sind Sie mit diesen Popgrössen
befreundet?
Eher kollegial verbunden. Man begegnet
sich ab und zu hinter der Bühne eines Fes­
12
Schweizer Familie 44/2015
Welche Übung ist Ihr
tivals oder sonst wo im kleinen Schweizer
Musikmarkt. Allerdings meistens bloss
kurz. Was schade ist, denn mit manchen
würde ich gerne länger Zeit verbringen,
um sie besser kennenzulernen.
Favorit?
Nebst der Musik und der Zweitkarriere als Schauspielerin schreiben
Sie auch an einem Drehbuch. Wie
bringen Sie alles unter einen Hut?
Was gehört für Sie nebst
Spazieren und Yoga zu einem
ausgeglichenen Leben?
Es ist schwierig. Ich habe dieses Jahr zwei
Filmproduktionen abgesagt, weil es zeitlich
nicht passte. Je ein Theaterstück und Film­
projekt pro Jahr wäre perfekt.
Wie finden Sie den Ausgleich
zwischen Beruf und Privatleben?
Zurzeit der Kopfstand. Obwohl ich ihn
erst einige Sekunden halten kann, bin ich
stolz darauf, weil er ein Ziel von mir war,
für das ich lange geübt habe.
Vor allem zwei Dinge: Das eine ist positi­
ves Denken.
Was verstehen Sie darunter?
Das Gute statt das Schlechte zu sehen.
Mich nicht auf Dinge zu konzentrieren,
die ich nicht besitze, sondern dankbar zu
sein für das, was ich habe.
MENSCHEN
Jaël kuschelt sich
gern in warme Kleider
und Decken.
Unten: Bücherregal
mit altem Telefon und
neuem Yoga-Buch.
später zurück. Trotzdem ernähre ich mich
seither teilweise vegan.
Also nicht konsequent?
Nein, weil mir dadurch Vitamin B12 und
Eisen fehlen. Ich ernähre mich ausge­
wogen, saisonal und möglichst natürlich
aus einem Mischmasch verschiedener
Ernährungslehren.
Sie praktizieren den Jaëlismus?
Genau.
Hadern Sie mit Ihrem
hochsensiblen Körper?
Statt zu jammern, habe
ich mein Schicksal in die
Hände genommen und
mich zu einer gesunden
Ernährung erzogen. Dar­
auf bin ich stolz. Heute
habe ich kaum noch
Allergien. Das motiviert
mich, weiterhin gesund
zu essen.
Hat das viele Leiden
wegen dieser
Krankheiten Ihr
Gemüt geprägt?
«Ich liebe den Herbst, die
melancholische Stimmung,
die Farben der Natur.»
Und das andere, das Ihr Leben
ausgleicht?
Gesundes Essen, um mich wohlzufühlen.
Sie haben sich monatelang vegan
ernährt, also ohne tierische Zutaten.
Wieso?
Ich hatte seit Kindheit viele gesundheit­
liche Beschwerden: Allergien, Angina,
Bronchitis, Verdauungsprobleme, Rücken­
schmerzen. Wegen des Asthmas sass ich
nächtelang im kühlen Badezimmer auf
dem Boden, weil ich sonst kaum atmen
konnte. Das dauernde Kranksein machte
mich depressiv. Ich probierte etliche
Therapien aus: Psychologie, Hypnose,
14
Schweizer Familie 44/2015
Homöopathie, Bioresonanz, Kinesiologie.
Manches half, anderes nicht. Als ein Be­
kannter sagte, veganes Essen könne meine
Beschwerden lindern, stellte ich meine
Ernährung um.
Mit welchem Resultat?
Da ich keine Milch mehr zu mir nahm,
entdeckte ich eine Laktoseintoleranz als
Grund für meine gestörte Verdauung.
Auch die anderen Beschwerden spürte ich
nach drei Wochen nicht mehr.
Nein, obwohl ich zu
Schwermut neige. Die ge­
hört jedoch zu meinem
Charakter, so war ich
schon als Kind.
Mögen Sie den
Herbst?
Ich liebe ihn, die melan­
cholische Stimmung, die
wunderbaren Farben der Natur. Ausser­
dem kuschele ich mich gerne in warme
Kleider oder Decken ein.
Was als Familie noch schöner sein
könnte. Möchten Sie Kinder?
Zurzeit nicht. Dafür arbeite ich zu viel.
Ausserdem schätze ich meine Ruhe. Da­
mit wäre es mit Kindern vorbei.
●
Sie waren geheilt?
Leider nicht. Der Verzicht auf tierische
Produkte hatte die Beschwerden gelin­
dert. Sie kehrten jedoch sechs Monate
Jaël: «Shuffle the Cards»
Zealand Records, 21.90 Fr.
www.jaelmusic.ch
MENSCHEN
MENSCHEN
MENSCHEN
AUS FREMDEN
wurden Freunde
Vor einem Jahr wurde in RIGGISBERG ein Asylzentrum eröffnet. Die
Kritik war laut. Inzwischen leben in der Berner Gemeinde Einwohner
und Flüchtlinge zusammen. Freiwillige helfen den Migranten im
Alltag. Ihre Projekte sind im Asylbereich zukunftsweisend.
Text Daniel Röthlisberger
48 Frauen und
Männer aus
Riggisberg engagieren sich ehrenamtlich
für Asylsuchende,
die in einem Zentrum
im Dorf leben.
Fotos Tomas Wüthrich
In Nr. 38 vom 17. Sep­
tember berichtete die
«Schweizer Familie»
über das Asylprojekt
von Riggisberg BE.
FLÜCHTLINGSKATASTROPHE – WELTWEIT SUCHEN MENSCHEN SCHUTZ
Ende 2014 waren welt­
weit knapp 60 Millionen
Menschen auf der
Flucht. Dies ist die
höchste Zahl, die jemals
vom Flüchtlingshoch­
kommissariat der
Vereinten Nationen
verzeichnet wurde.
14
Grundsätzlich nehmen
reichere Länder weit
weniger Vertriebene
auf als weniger reiche.
Knapp neun von
zehn Flüchtlingen
(86 Prozent) befanden
sich 2014 in Entwick­
lungsländern und ge­
langten nicht nach
Europa.
In der Schweiz wurden
im ersten Halbjahr 2015
11 873 Asylgesuche ge­
stellt. 2014 erhielten
6199 Personen Asyl, und
9367 wurden vorläufig
aufgenommen. Ins­
gesamt wurden 2014
23 765 Asylgesuche ge­
stellt, 50 Prozent weni­
ger als 1999, als unter
anderem wegen des
Konflikts in Ex­Jugos­
lawien 47 513 Gesuche
eingereicht wurden. Für
dieses Jahr rechnet
Schweizer Familie 38/2015
das Staatssekretariat
für Migration mit 29 000
Asylgesuchen.
2014 und 2015 stamm­
ten die meisten Asyl­
suchenden, die in die
Schweiz gelangten,
aus Eritrea, gefolgt von
Syrien und Sri Lanka.
Schweizer Familie 38/2015
15
«Wir können von den
FLÜCHTLINGEN LERNEN»
Freiwillige setzen sich in Riggisberg für Asylsuchende ein.
Dafür erhalten sie jetzt einen Sozialpreis. Die Begegnung mit den
Menschen aus Syrien und Eritrea ist für Pfarrer
DANIEL WINKLER eine Bereicherung.
Interview Daniel Röthlisberger
Daniel Winkler, Sie spielen in
Riggisberg in der Freizeit Volleyball
mit Flüchtlingen. Warum tut das
ein Pfarrer?
Warum?
Inwiefern?
Was können Sie als Gruppe von
Freiwilligen bewirken?
Weil das eine wunderbare Ergänzung zu
meiner Tätigkeit ist, wenn ich mit Flücht­
lingen Sport treibe. Das ist ebenso erfül­
lend und wertvoll wie predigen.
Ich kann für Menschen, die viel Leid erfah­
ren haben, Positives tun. Im Durchgangs­
zentrum leben die Flüchtlinge auf engs­
tem Raum, sind zum Nichtstun verdammt.
Im Sport können sie sich bewegen. Er­
leben nicht nur Ungewissheit und Angst,
sondern auch entspannte Momente. Sie
dürfen spielen und fröhlich sein.
Sie gehören zur Leitung eines Teams
von 50 Freiwilligen, die sich für die
Flüchtlinge im Asylzentrum engagieren. Dafür wurden Sie alle mit dem
Sozialpreis des Verbandes Avenir
Social ausgezeichnet. Was bedeutet
Ihnen und Ihrem Team dieser Preis?
Wir fühlen uns geehrt. Und wir hoffen,
dass andere unserem Beispiel folgen und
die Begegnung mit Flüchtlingen wagen.
Doch der Preis stimmt uns auch nach­
denklich.
16
Fotos Tomas Wüthrich
Schweizer Familie 44/2015
Weil er etwas honoriert, was man eigent­
lich nicht auszeichnen müsste. Denn es ist
doch selbstverständlich, dass man mit
Menschen, die vor Krieg und Gewalt in
unser Land geflüchtet sind, freundlich
und respektvoll umgeht. Dass man ihnen
beisteht.
Wir können den Flüchtlingen etwas von
ihrer Würde zurückgeben, die sie auf der
Flucht verloren haben. Können Räume
der Geborgenheit schaffen. Und wir brin­
gen den Asylsuchenden Wertschätzung
entgegen und heissen sie in unserem Land
willkommen.
«Nicht nur die Flüchtlinge
brauchen uns – auch wir brauchen
die Flüchtlinge», sagten Sie an
der Preisverleihung. Wie meinen
Sie das?
Wir können von den Flüchtlingen lernen.
Sie zeigen uns, dass man Momente des
Glücks und der Dankbarkeit erleben kann,
selbst dann, wenn man es unheimlich
schwer hat im Leben.
Welche Momente dürfen Sie
miterleben?
Diese Menschen besitzen fast nichts und
sind doch unglaublich herzlich und gast­
freundlich. Wir Freiwilligen werden im
Durchgangszentrum immer wieder zum
Kaffee oder zum Tee eingeladen. Wir
werden an den Tisch gebeten und mit
feinem Essen bewirtet. Dabei wird uns
bewusst, wie brüchig unser Leben, unser
Lebensglück ist. Und dass wir Menschen
einander brauchen. Wir sind aufeinander
angewiesen, sind eine grosse Schicksals­
gemeinschaft.
Was ist die grösste Schwierigkeit
in der Freiwilligenarbeit?
ENGAGIERTER PFARRER
Daniel Winkler, 48, ist seit zehn
Jahren Pfarrer in Riggisberg BE.
Winkler ist gelernter Kaufmann und
studierte auf dem zweiten Bildungs­
weg Theologie. Seit dem Sommer
2014 leitet Winkler zusammen mit
der Psychologin Doris Eckstein und
mit Karin Zehnder, Präsidentin des
Kirchgemeinderates, das Freiwilligen­
projekt im Asylbereich. Daniel Winkler
ist verheiratet und Vater von vier
Töchtern. Er wohnt in Riggisberg.
➳
MENSCHEN
«Es ist doch selbst­
verständlich, dass man
Menschen beisteht,
die vor Krieg und Gewalt
geflüchtet sind»: Pfarrer
Daniel Winkler, 48.
Schweizer Familie 44/2015
17
MENSCHEN
Wir tragen die Last der Flüchtlinge mit.
Und wir müssen jeden Tag befürchten,
dass seelisch und körperlich verwundete
Menschen, die uns ans Herz gewachsen
sind, wieder abgeschoben werden und im
Ausland auf der Strasse landen. Das be­
lastet uns.
Wie gehen Sie und Ihr Team
damit um?
Wir sprechen viel miteinander, machen
uns gegenseitig Mut. Und wir setzen uns
für unsere Freunde ein. Wir schalten
auch mal einen Anwalt ein, schreiben
Briefe an die zuständigen Stellen und
können so die eine oder andere Abschie­
bung verhindern.
Welche zum Beispiel?
Jene von Mohammed Ali aus Eritrea. Der
32­Jährige, der an Kinderlähmung leidet,
flüchtete in die Schweiz und kam nach
Riggisberg. Im März sollte er nach Italien
abgeschoben werden. Doch im letzten
AUSGEZEICHNETE RIGGISBERGER
Avenir Social, der Berufs­
verband der Professio­
nellen der sozialen Arbeit,
Sektion Bern, zeichnete am
16. Oktober 2015 das Frei­
willigenprojekt im Asyl­
bereich in Riggisberg mit
dem Sozialpreis über 1500
Franken aus. Der Respekt,
die menschliche Wärme
und die Solidarität mit
Menschen, die fast alles
verloren hätten, seien bei­
spielhaft, begründeten die
Preisstifter. 50 Freiwillige
aus Riggisberg BE unter­
stützen seit Sommer 2014
Flüchtlinge im Asylzentrum
im Dorf («Schweizer Fami­
lie» Nr. 38 vom 17. 9.). Sie
schaffen Begegnungs­ und
Beschäftigungsmöglich­
Karin Zehnder, Daniel Winkler, Doris Eckstein und Essay
Ghebrekristos aus Eritrea (v. l.) mit dem Sozialpreis.
keiten. Freiwillige führen
das Café Regenbogen, wo
sich Flüchtlinge und Ein­
heimische begegnen. Sie
helfen Asylsuchenden
beim Deutschlernen, füh­
ren eine Kleiderbörse und
ein Nähatelier. Spielen mit
Flüchtlingen Volleyball und
Fussball.
crbasel
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«Viele Flücht­
linge sind mir
ans Herz
gewachsen»:
Daniel Winkler
in der Riggis­
berger Kirche.
Nicole verrät Tipps zum
digitalen Lifestyle aus
dem Swisscom Shop.
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Die Heizung,
die mitdenkt
Langsam wird es draussen kalt, die Menschen
kommen mit roten Nasen und in dicke Jacken
gehüllt zu mir in den Shop. Da rückt auch das
Thema Heizen wieder in den Fokus. «Was hat
denn nun Swisscom mit Heizungen am Hut?»,
fragen Sie sich. Die Erklärung ist einfach: Im
Rahmen von sogenannten intelligenten Stromnetzen (Smart Grids) arbeitet Swisscom Energy
Solutions stetig daran, unser Heizen noch effizienter zu machen.
Dank tiko können Sie zum Beispiel ganz einfach
einen Beitrag zum umweltbewussteren Heizen leisten. Auch Ihr Portemonnaie wird es
Ihnen danken, denn Sie können Ihre Heizzeit
um bis zu 60% reduzieren, sollten Sie abwesend sein.
«Wir werden die Flüchtlinge
weiter unterstützen. Ihnen helfen,
Wohnungen und Arbeit zu finden.»
Moment wurde er aus der Ausschaffungs­
haft entlassen und konnte bleiben. Das
war ein bewegender Moment.
Riggisberg gilt als Modellfall
im Asylbereich. Ist das Dorf eine
heile Welt?
Auch in Riggisberg ist nicht alles rosa. Es
gibt auch hier Menschen, die Ängste vor
Fremden haben und die Begegnung mit
Flüchtlingen meiden. Menschen, die den
Asylsuchenden mit Vorurteilen begegnen
und sie als Wirtschaftsflüchtlinge sehen.
Solche Kritiker erklären, in
Riggisberg werde in Bezug auf
die Flüchtlinge viel beschönigt.
Was sagen Sie?
Es gab Probleme mit Flüchtlingen. Kurz
nach der Eröffnung des Zentrums kam es
zu einer Schlägerei. Das war für mich der
Tiefpunkt. Flüchtlinge liessen Abfall lie­
gen. Sie telefonierten nachts im Freien laut.
Tranken zu viel Bier, mussten erbrechen.
Was unternahmen Sie?
Die Leitung des Durchgangszentrums und
wir vom Freiwilligenteam suchten immer
wieder das Gespräch. Wir erklärten den
Flüchtlingen, was bei uns toleriert wird
und was nicht. Die Probleme verschwan­
den weitgehend, und das Asylzentrum
wird heute von einer Mehrheit der Be­
völkerung akzeptiert.
Trotzdem wird das Zentrum Ende
Jahr geschlossen. Ein Widerspruch?
Ja. Doch der Gemeinderat hat der Bevöl­
kerung von Anfang an zugesichert, dass
das Projekt bis Ende 2015 befristet ist.
Deshalb tragen wir den Beschluss des
Gemeinderates mit. Obwohl wir traurig
sind, dass das Zentrum geschlossen wird.
«Wir werden unsere Freunde nicht
im Stich lassen», sagten Sie
Mitte September in der «Schweizer
Familie». Was heisst das?
Wir werden die Flüchtlinge weiter unter­
stützen. Wir werden ihnen helfen, Woh­
nungen zu finden und Arbeit zu suchen.
Und vielleicht werden wir das Café Re­
genbogen, unseren Treffpunkt, auch im
nächsten Jahr offen halten. Dann könnten
wir Freiwilligen uns dort weiter mit
Flüchtlingen treffen. Das ist eine wunder­
●
schöne Vorstellung.
«Heizzeit um bis zu
60% reduzieren»
Falls Sie über eine elektrische Heizung verfügen, steht der Nutzung von tiko nichts mehr im
Wege. Das System bietet weitere Vorteile: Bei
einer Störung an Ihrer Heizanlage werden Sie
umgehend per SMS oder E-Mail informiert und
können schnell reagieren. Zudem haben Sie
dank der zugehörigen App jederzeit die volle
Transparenz über Ihren Verbrauch.
Die kostenlose Installation des Systems direkt
im Verteilerkasten wird von einem Fachmann
übernommen. Über ein Kommunikationsmodul im Wohnbereich werden Steuerung und
Datenübermittlung gewährleistet. Zusätzlich
hilft Ihre Heizung so als Speicher mit, Schwankungen im Schweizer Stromnetz auszugleichen.
Dies wird zunehmend wichtiger, da durch Solarund Windanlagen die Stromversorgung immer
komplexer wird. Aktuell umfasst tiko mehr als
6000 Teilnehmende und ist somit bereits jetzt
eines der grössten aktiven intelligenten Stromnetze der Welt.
Und nun wünsche ich Ihnen viele gemütliche
Winterabende auf dem heimischen Sofa – vielleicht ja sogar mit dem vielfältigen Programm
von Swisscom TV 2.0.
Haben Sie nun Lust,
in einer richtigen
«Schweizer Familie»
zu blättern?
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