mina-magazin.de OFFENSIVE | Die Pläne des neuen Opernintendanten KALLIGRAPHIE | Der Siegeszug der arabischen Linie GESPRÄCH | Konrad Beikirchers Leidenschaften Jenseits von Jammern Ausgabe 01 – 2016 FÜR DEN GUTEN TON SCHAUEN SIE DOCH MAL VORBEI: WWW.WUPPERTAL.BAYER.DE ODER WWW.KULTUR.BAYER.DE Editorial | Inhalt Was treibt Künstler an? Geld regiert die Welt, heißt es gemein hin. Und sehr wahrscheinlich stimmt das auch. Andererseits ist die Welt so einfach aber auch nicht erklärt. Geld ist nicht gleich Geld. Reichtum bemisst sich nicht unbedingt nach Euro und Cent. Sonst wäre nichts, wer nichts hat. Sonst wäre nichts, was nichts kostet. Denn wenn das so wäre, dann gäbe es weniger Kultur. Zählte nur der materielle Wert, wäre auch eine Stadt wie Wupper tal viel ärmer. Denn wenn es nur um Reichtum ginge, dann stünde Tinka Fürst sicher nicht re gelmäßig auf der Bühne des Theaters am Engelsgarten. Schauspieler in städti schen Ensembles häufen in den seltens ten Fällen Millionen an. Für manche sind die Stadttheater ein Sprungbrett vor die Filmkameras des Kinos. Für die meisten bedeuten sie ein Leben lang einfach nur die Welt. Zu ihnen zählt Tinka Fürst. Noch. Kim Münster und Luiza Budner stehen hinter der Kamera. Sie beobachten, sie 20 4 Vor der Wand Dietmar Wehr 6 News Tony Cragg, Feuertal-Festival und mehr 8 Oper Interview mit Berthold Schneider 12 Film Filmproduktion Treibsand 14 Sprechkultur Interview mit Olaf Reitz 3 zeichnen auf, sie begleiten. Aber sie arbeiten weder mit Millionenetats noch für ein Millionenpublikum. Die beiden Frauen produzieren Dokumentarfilme. Sie entschleunigen, sie halten inne, wo die schnelle Welt der neuen Medien Kurzatmigkeit erzeugt. Sie zeigen das Leben, wie es ist, sie zeigen den Tod, wie er sich ins Leben einschleicht. Auch in Zeiten wie diesen ist das nichts für die Kinokasse, aber Luiza Budner und Kim Münster finden es notwendig. Was treibt jene an, die sich der Kunst in ihren verschiedenen Ausdrucksformen verschrieben haben? Was leitet die, die wissen, dass sie mit ihrem Tun wirt schaftlich sehr wahrscheinlich nie auf einen grünen Zweig kommen werden? Es ist Leidenschaft, es ist die Überzeu gung, Maler, Musiker, Schauspieler oder Bildhauer sein zu müssen, um jeden Preis. Es gibt keine Alternative. Diese Menschen machen Gesellschaf ten reicher. Einige von ihnen, auch solche, die von ihrem Schaffen glück 14 licherweise ganz gut leben können, fin den Sie in der neuen Ausgabe unseres Kulturmagazins Mina. Ich wünsche Ihnen viel Freude an der Lektüre. Ihr Lothar Leuschen Stv. Chefredakteur Westdeutsche Zeitung Mit freundlicher Unterstützung der 12 16 Kunst Islamische Kalligraphie in der Gegenwart 30 Tacheles Interview mit Matthias Nocke 20 Klassik Interview mit Barbara Buntrock 32 Veranstaltungskalender März bis August 2016 22 Kabarett Konrad Beikircher 34 Retro Wagner-Muse Mathilde Wesendonck 26 Stadtkultur Hochhaussiedlung am Eckbusch 28 Theater Schauspielerin Tinka Fürst 35 Ausblick Gastbeitrag von Monika Heigermoser 01.2016 Foto: Süleyman Kayaalp Vor der Wand Dietmar Wehr | von Marc Freudenhammer Der Bass ist nicht genug: Dietmar Wehrs Aktivitäten gehen weit über seine Arbeit im Sinfonieorchester hinaus 01.2016 4 Alte Freunde Kontrabass, Fotografie, Zeichnen, Malerei – Dietmar Wehr kostet die Vielfalt des kreativen Schaffens voll aus. Und das merkt man, wenn man seine Wohnung betritt. Dietmar Wehr ist langjähriges Ensemblemitglied im Wuppertaler Sinfonieorchester. Seinen wuchtigen Kontrabass setzt der gebürtige Wuppertaler aber gerne auch mal im Namen des Free Jazz ein. Außerdem zeichnet er. Und er ist leidenschaftlicher Fotograf. Ein gerahmter Fotoabzug an der Wand des Wohnzimmers im Dachgeschoss zeigt vier charismatische Kartoffeln im fortgeschrittenen Zustand der altersbedingten Verschrumpelung vor weißem Grund. Wuchernde Keime wachsen aus dem einst runden Gemüse. Das Bild stammt aus seiner Fotoserie „Gemeinsam alt werden“, die mehrfach in der Region ausgestellt und sogar ausgezeichnet wurde. „Das Bild hing auch im letzten Jahr im Rahmen einer Gruppenausstellung in der Stadtsparkasse“, so Wehr. Der Titel: „Kleine Freunde Feierabend“. Bei den abgelichteten Nachtschattengewächsen handele es sich übrigens ausnahmslos um in der Küche liegengebliebene, die keiner im Haushalt mehr essen wollte, versichert Dietmar Wehr. „Die Kartoffeln auf dem Bild sind schon vier, fünf Jahre alt.“ Die Feuchtigkeit sei zu diesem Zeitpunkt bereits vollkommen aus dem Gemüse gewichen, erzählt er. Trotzdem: Die tiefen Furchen und die ausufernden Keime lassen sie lebendig wirken. Kartoffeln mit Charakter. Jede für sich einzigartig. Wehr dokumentiert den Alterungsprozess seiner Studienobjekte mit dem Makro-Objektiv. „Man muss immer eine gewisse Entfernung zu den Objekten haben und Tageslicht ist natürlich das Beste. Deshalb stand ich auch schon mal mit der Leiter auf dem Balkon. Da haben die Nachbarn schon etwas geguckt“, erzählt er und lacht. „Die Musik kam nach der Malerei. Angefangen habe ich mit einem E-Bass“, so der Sinfoniker. Beide Bereiche sind für ihn heute voneinander getrennt. „Bei der Kunst macht man, was man will, als Musiker im Sinfonieorchester bin ich eher Handwerker. Da darf nichts schief gehen. Und: Im Konzert gestaltet der Chef (Anm. d. Redaktion: der Dirigent) für dich.“ Musikalisch lebt sich der 60-Jährige aber auch abseits der klassischen Pfade aus. Zum Beispiel bei Klangprojekten in einem Jazz-Trio oder zusammen mit einem Dichter. Aktuell stellt er seine neuesten Werke – eine Serie aus organisch anmutenden Schwarzweiß-Zeichnungen – in einer Galerie in Velbert aus. „Das Zeichnen hatte mich plötzlich wieder gepackt“, so Wehr. „Ich habe jahrelang einen Block mit mir herumgeschleppt. Irgendwann dachte ich mir ‚Jetzt zeichne ich mal wieder!’“ © Andreas Fischer © Lars Langemeier ANZEIGE HigHligHts 2016 20 20 Sa. 5. März 2016, 20 Uhr HardMoves Superfinale Fight Club Edition 2015/2016 Public Viewing & Aftershowparty Di. 15. März 2016, 20 Uhr Fr. 27. Mai 2016, 20 Uhr Sa. 19. März 2016, 20 Uhr So. 20. März 2016, 18 Uhr Do. 2. Juni 2016, 20 Uhr © F. Holz © Marcus Hoehn HAIR - The American Tribal Love-Rock Musical Di. 5. April 2016, 20 Uhr © Axel Hess © Mark Wohlrab Hollywood auf dem Johannisberg 20 20 © Georgia Bertazzi © Mila Pavan Mi. 6. April 2016, 20 Uhr 20 20 Sa. 21. Mai 2016, 20 Uhr Klavier-Festival Ruhr: Sir András Schiff Max Raabe & Palast Orchester: Eine Nacht in Berlin 20 20 VNV Nation & Filmorchester Babelsberg Urban Priol: Jetzt. Fr. 11. März 2016, 20 Uhr 20 20 Sa. 7. Mai 2016, 20 Uhr Cindy aus Marzahn: „Ick kann ooch anders! Bayer Kultur-Klavierzyklus: Lars Vogt Sa. 18. Juni 2016, 19.30 Uhr Kurrende-Gastkonzertreihe: Internationale Knabenchöre So. 19. Juni 2016, 11 Uhr Mo. 20. Juni 2016, 20 Uhr Sascha Grammel: „Ich find’s lustig!“ 10. Sinfoniekonzert Do. 7. April 2016, 20 Uhr Suzanne Vega Massachusetts Das Bee Gees Musical Sa. 30. April 2016, 20 Uhr Ü30 Party „Exklusiv“ Mo. 11. Juli 2016, 20 Uhr Noch mehr Highlights und Infos rund um die Aktion 20|20: www.stadthalle.de Foto: Priska Ketterer News Von der Heydt-Museum, 19. April bis 14. August Erste Retrospektive zu Tony Cragg Historische Stadthalle, 21. Mai, 20 Uhr Sir András Schiff spielt Mendelssohn Weltklasse-Pianisten und erfolgversprechende Nachwuchsta lente versammeln sich beim Klavier-Festival Ruhr. Dreieinhalb Monate lang sind in den großen Konzertsälen der Region Solis ten, Kammerensembles, Orchester und auch Jazzpianisten zu Gast. In der Historischen Stadthalle am Johannisberg tritt Sir András Schiff mit dem Chamber Orchestra of Europe auf. Der ungarisch-stämmige Pianist spielte als Solist mit allen großen Orchestern der Welt und wurde 2014 in den britischen Adels stand erhoben. Der 62-Jährige vergleicht das Musizieren ger ne mit Kochen. Sein Mendelssohn-Programm für Wuppertal gleicht deshalb einem fein komponierten, opulenten Menü: Zur Vorspeise serviert er das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 d-Moll, als Zwischengang „Die Hebriden“ oder „Die Fin galshöhle“. Als Hauptspeise genießen die Zuhörer das Klavier konzert Nr. 1 g-Moll und zum Schluss die Sinfonie Nr. 3 a-Moll „Schottische“. Wer kosten will, muss sich beeilen: Der Vorver kauf für das Konzert läuft gut. Auf allen drei Etagen widmet das Von der Heydt-Museum Tony Cragg eine Ausstellung. Damit ehrt das Museum nicht nur den bedeutendsten britischen Bildhauer der Gegenwart, sondern auch einen engagierten Wupper taler, der mit seinem Skulpturenpark einen wichtigen Anziehungspunkt für Kunstfreunde geschaffen hat. In Themenräume geordnet widmet sich die Ausstellung der Materialvielfalt von Cragg, der sowohl Bronze und Edel stahl als auch Gips, Plastik und Glas für seine Skulpturen nutzt. Werkgruppen von frühen Wandarbeiten aus Plas tik und Early Forms bis zu Stapelarbeiten und „Vessels und Cells“ werden dargestellt. Während im Von der Heydt-Museum neben Skulpturen auch Zeichnungen und Druckgrafiken zu sehen sind, können die Besucher die großen Außenskulpturen im Skulpturenpark Waldfrieden erleben. Tony Cragg war bis 2013 Rektor der Kunstakade mie Düsseldorf und wurde mit dem Turner-Preis, dem Praemium Imperiale und den Ernennungen zum Cheva lier des Arts et des Lettres sowie zum Commander of the British Empire ausgezeichnet. ANZEIGE Mode ... täglich Anders! Foto: Michael Richter / © VG Bild-Kunst, Bonn 2015 Herz Gold MODE & mehr h im Luisenviertel ... HerzGold in Wuppertal-Elberfeld Luisenviertel: Ronsdorf: Friedrich-Ebert-Str. 53, Tel.: 0 15 73-8 50 55 35 Friedrich-Ebert-Str. 62, (Blue), Tel.: 0 15 73-1 58 85 95 GlücksMomente by HerzGold Friedrich-Ebert-Str.53, Tel.: 0 15 73-1 98 60 00 Lüttringhauser Str. 26, Tel.: 0 15 73-1 79 96 95 Like us on Find us on 01.2016 6 Archivfoto: Uwe Schinkel Skulpturenpark Waldfrieden, 9. April bis 9. Oktober Waldbühne Hardt, 26./27. August Feuertal-Festival mit ASP und Subway to Sally Der Vorverkauf läuft: Das Feuertal-Festival lockt jedes Jahr Fans aus ganz Deutschland auf die Hardt. Auch in diesem Jahr steht wieder das Freibad Mirke als Campingplatz mit Lager feuer und Frühstück für auswärtige Gäste zur Verfügung. Haupt-Act am Samstag ist die Frankfurter Rockband ASP mit Alexander Spreng und Matthias Ambré, die sich mit dem „Schwarzen Schmetterling“ einen Namen gemacht haben. Am Sonntag lockt Subway To Sally die Fans aufs Gelände. Beide Tage werden auch von diesen Bands moderiert. Neu im LineUp sind in diesem Jahr Paddy (Paddy goes to Hollyhead), Delva, Knasterbart (setzt sich aus Musikern von Mr. Hurley & die Pul veraffen und Versengold zusammen), Spielbann und die unga rische Band Firkin, die in ihrem Heimatland schon viele Preise gewonnen hat. Außerdem sind die Bands Faun und Unzucht mit dabei. Ab 13 Uhr dürfen die Gäste an beiden Tagen auf das Gelände, dann öffnet auch der dazugehörige Mittelalter markt. Rund ein Drittel der Tickets sind bereits verkauft – wer dabei sein will, sollte also nicht zu lange warten. Weiche Linien, die gleichzeitig abstrakt wirken und an ei nen Frauenkörper erinnern: Die riesigen Skulpturen von Henry Moore beeindrucken durch ihre Vitalität und ihren Ausdruck. In Berlin steht seine „Liegende“ vor der Akade mie der Künste, in London „Knife Edge Two Piece“ in der Nähe des Palace of Westminster. Der britische Bildhauer lehnte den Adels-Titel ab, wurde aber in den „Order of Merit“ aufgenommen und mit dem internationalen Anto nio-Feltrinelli-Preis ausgezeichnet. Tony Cragg zeigt im Skulpturenpark Waldfrieden – und zum ersten Mal in Deutschland – die Gips-Skulpturen von Henry Moore. Häufig gelten diese Arbeiten nicht als eigenständige Werke, sondern nur als Vorstufe zum endgültigen Guss in Bronze. Auch Moore zer störte die meisten seiner Gips-Plastiken. Erst später bewahrte er diese Originale auf. Manche seiner Werke hat der berühmte Bildhauer sogar nur in Gips geschaffen. Um die wertvollen und emp findlichen Skulpturen zu schonen, wurden sie bisher selten außerhalb Großbri tanniens gezeigt. Mit Hilfe der Henry Moore Foun dation präsentiert der Skulpturenpark ab April die seltenen Werke. Foto: © Henry Moore Foundation Gips-Skulpturen von Henry Moore ANZEIGE PÖ 151 Versicherungen drehen sich nicht nur um sich selbst Die Barmenia unterstützt die Kultur in Wuppertal. Barmenia Versicherungen I Barmenia-Allee 1 I 42119 Wuppertal Tel.: 0202 438-2250 I www.barmenia.de I E-Mail: [email protected] Oper Interview mit Berthold Schneider | von Anne Grages Macht mit uns Theater Foto: Süleyman Kayaalp Berthold Schneider hat viel vor. Der neue Opernintendant behält zwar den knappen Etat seines Vorgängers Kamioka. Doch er entwickelt offensiv Ansätze für ein ambitioniertes und abwechslungsreiches Programm. Keine Angst vor dem Wuppertaler Regen: Opernintendant Berthold Schneider geht seinen neuen Job optimistisch an 01.2016 8 Berthold Schneider tritt sein Amt offiziell zwar erst im Sommer an, bereitet aber bereits intensiv die nächste und übernächste Spielzeit vor. Das Etat bleibt bekannt knapp, doch der neue Opernintendant geht mit Schwung und vielen innovativen Ideen in die Offensive. Der 50-Jährige wirkt wach, verbindlich und klar in der Ansage. Wuppertaler ist Schneider schon, ordnungsgemäß angemeldet. Er hat eine Wohnung im Briller Viertel gefunden; „meine türkische Partnerin ist auch schon da“. Am liebsten erkundet er die Stadt bei Spaziergängen: „Ich bin ein großer Fan von Stadtarchitektur. Ich mag es gerne, wenn es alt und prächtig ist, aber auch wenn es modern ist und streng. Wuppertal hat dieses unvermittelte Nebeneinander – von der großen industriellen Vergangenheit, die die Stadt prägt, und der Moderne. Das ist schon spektakulär, das findet man in Deutschland nicht noch mal.“ Liegt Ihnen auch das Hügelige der Stadt? Muss eigentlich nicht sein. Ich brauche keine Täler (lacht). Aber das Wasser prägt eine Stadt. Ich richte meine Wohnung nicht nach Feng Shui ein, aber ein Wasser, das den Ballast aus einer Stadt spült, ist nicht verkehrt. Mit welcher Idee im Kopf sind Sie nach Wuppertal gekommen? Grob gesprochen – es ist natürlich eine schöne Aufgabe, ein Theater neu zu definieren und sich zu fragen: Was brauche ich, um Oper im 21. Jahrhundert zu machen? Was sind dafür Ihre Top 3? Als Erstes brauche ich Supersänger und Darsteller. Künstler, die das umsetzen können, Wollen Sie auch auf die freie Szene zugehen? Wir arbeiten mit großer Energie an einem Kernprogramm mit klassischen Opernaufführungen. Daneben wollen wir das Haus strukturell öffnen. Es wird eine Funktion geben, in der jemand immer für ein Jahr die Casten Sie schon? Wir sind mittendrin, es sind schon Entschei- Schnittstelle zwischen Theater und freier dungen gefallen. Wir brauchen ein Ensem- Szene sein wird. ble. Wir brauchen Sänger, die uns ein paar Monate als Residenten begleiten. Wir brau- Was reizt Sie an der freien Szene? Schier unglaubliche Dinge machen die einchen ein Opernstudio für junge Sänger. fach. Wir im Stadttheater müssen Tarifverträgen und anderen Dingen folgen – da ist Über wie viele Sänger sprechen wir? Insgesamt reden wir von etwa zehn Sängern, so etwas schlicht nicht vorgesehen. Vielmit denen wir fest assoziiert sein werden, mit leicht haben wir jetzt die Chance dazu, weil Residenten kommen wir auf zwölf, drei- dieses Theater im Moment so wenig festgezehn. Das wird durchlässig sein. Früher hat legt ist, denn es gibt nur wenige feste Mitsich das Leben eines Opernsängers darauf arbeiter. beschränkt, auf der Bühne zu stehen und zu üben, damit er das konnte. Heute müssen Wie viele Menschen haben Sie im Opernsie Oper vermitteln. Ich muss vielleicht einen haus überhaupt noch angetroffen? Liederabend machen oder mich mit Bür- Bei einem Intendantenwechsel ist es ja gern treffen, um gemeinsam die „Seguidilla“ normal, dass man sein Team mitbringt. Daaus „Carmen“ zu singen. Wir müssen über- für müssen am neuen Haus leider Nichtverlängerungen ausgesprochen werden. Das raschen, sonst geht es nicht. gehört zu den unangenehmsten Teilen dieIst das die Top 2 auf Ihrer Liste für die ser Arbeit – sich von Sängern und anderen Mitarbeitern zu trennen. Hier hatte ich moderne Oper? Genau. Der direkte Zugang zur Musik liegt den seltenen Fall, dass ganz wenige Mitarmir am Herzen. Wir laden die Bürger ein: beiter feste Verträge hatten. Von daher Macht mit uns Theater. „Unsere Oper“ – das können wir jetzt sehr, sehr viele Mitarbeiist das Stichwort. Es ist nicht meine Oper, ter engagieren, ohne sehr, sehr viele entnicht die vom Generalmusikdirektor, son- lassen zu müssen. dern unsere Oper. Wie viele Menschen stellen Sie ein? Bringen Sie die Oper auch in die Stadt – Insgesamt“ werden es etwa fünfzig Künstler sein, dazu kommen Regieteams, Pianisals Top 3? Ich kann mir viele Locations vorstellen, auch ten, Kostümbildner. Es werden an die hundert Verträge sein, die wir unterschreiben. Veranstaltungen draußen. was sich Regisseur, Dirigent und Intendant vorstellen. Sie können jedes Konzept in die Tonne treten, wenn die Sänger das nicht mittragen. ANZEIGE KULTUR NACHT SOLINGEN www.kultur-nacht-solingen.de AB 18 UHR SAMSTAG 09.04.16 Veranstalter: Kulturmanagement Solingen Vorverkaufsstellen: Bürgerbüros Solingen, Theater- und Konzertkasse, 0212 - 20 48 20 print@home und alle eventim-VVK-Stellen Online-Tickets: www.theater-solingen.de www.theater-solingen.de · /KulturmanagementSG 06.03.16 Muhsin Omurca Kabarett 09.03.16 Don Giovanni Oper 15.03.16 Margie Kinsky Comedy 17.03.16 Wir sind keine Barbaren 19.03.16 Der Maulkorb Schauspiel 23.04.16 So la la – Das A-cappella-Festival 30.04.16 Tanz in den Mai 4 Floors / Live-Acts 24.05.16 9. Philharmonisches Konzert Nicht hundert feste Stellen – dafür ist das Geld nicht da. Das wollen wir auch nicht, denn wir wollen ja beweglich bleiben. So viele Leute gibt der Etat her? Na ja, eigentlich nicht. Das können wir auch nur machen, wenn wir es schaffen, Hilfe von außen zu bekommen – Drittmittel einzuwerben. Wenn wir beweglichere Strategien haben als zu sagen: „Das wollen wir tun, das kostet soundso viel, und wenn wir es nicht haben, können wir es nicht machen.“ Das ist keine Option für uns. Wenn wir an die Dinge glauben, die wir tun wollen, dann müssen wir die Wege finden, um sie zu realisieren. Sie haben einen künstlerischen Etat von 1,87 Millionen Euro, davon müssen Sie alle – vom Statisten über Ensemblemitglieder bis zum Opernintendanten – bezahlen. Waren die Budgets an Ihren früheren Häusern auch so knapp? Alle Theater, in denen ich vorher als Direktor gearbeitet habe, waren finanziell wesent lich besser ausgestattet als dieses. Mein Vorteil ist, dass ich selber mal zehn Jahre in der freien Szene gearbeitet habe, einen Veranstaltungsort ohne externe Mittel aufgebaut habe – die „Staatsbank Berlin“. Von daher ist mir wirtschaftliches Denken und das Finden ungewöhnlicher Strategien, um Ideen jenseits von Jammern über nicht vorhandene Zuwendungen umzusetzen, vertraut. Das soll aber die Politik nicht entlasten, denn die Grundfinanzierung des Theaters stimmt nicht. Foto: Süleyman Kayaalp Oper Interview mit Berthold Schneider | von Anne Grages „Wir haben den gleichen Etat wie Herr Kamioka. Wir werden anders damit umgehen.“ ist: Wie soll Oper in unserer Stadt sein? Das muss man definieren und dann das Geld klug ausgeben. Es gibt keine Linie, wo man sagt, darunter kann ich keine Oper machen. Aber es gibt an jedem Haus Punkte, an die wir gelangen, wenn wir weiter an den finanziellen Stellschrauben drehen. Dann ver liert das Haus an Charakter und Qualität. Es gibt Häuser, da merken Sie gar nicht, wenn die erste Millionen weg ist. Ich kann Ihnen versichern: Darüber reden wir hier nicht. Wir sind komplett an der Kante. In den technischen Mannschaften dezidiert unter besetzt, wir haben einen zu kleinen Chor, wir haben zu wenig Geldmittel für Gäste. gend. Denn für diejenigen, die das sehen, dürfte es total egal sein, ob das an anderen Orten schon gelaufen ist – es muss nur gut sein. Womit wollen Sie am eigenen Haus punk ten? Wir brauchen Uraufführungen und Repertoire-Produktionen, die Aufmerksamkeit kreieren. Dass man sagt: „Aha, da passiert etwas in Wuppertal, was ich sonst nicht sehen kann. Da muss ich hin.“ Das wird nicht auf jede Produktion zutreffen. Aber ab und zu müssen wir ein sehr klar konturiertes Profil zeigen: Das ist made in Wuppertal. Wird es ab Herbst wieder mehr Vorstellungen geben? Wir bieten mehr Vorstellungen, mehr Produktionen und eine größere Zahl verschiedener Angebote. Einen Monat ganz ohne Oper wird es jedenfalls nicht geben. Sie machen sich gehörigen Druck zum Amtsantritt: Es muss sofort knallen. Ich weiß nur: Es knallt eh. Da kann ich nicht zurückweichen und sagen: „Ich mach jetzt mal zwei kleine Singspiele.“ Die Aufmerksamkeit wird da sein, auch national und international. Die Vorgeschichte ist einfach so gelegen, dass da jeder hinguckt. Mir ist es extrem wichtig, dass wir dann das Signal senden: Die Oper in Wuppertal ist lebendig, kann hohe Qualität liefern und überraschen. Haben Sie sich auch beworben, weil diese Ausgangssituation Sie gereizt hat? Ihr Ansatz klingt viel üppiger als das Wo sehen Sie Ansätze? Ja, aber nur in Kombination mit der sehr Stagione-Programm, das das Theater Es ist ja nicht nichts. Dieses Theater hat eine hohen Qualität des Orchesters, mit dem reseit Herbst 2014 fährt. große Vergangenheit, dieses Theater hat novierten Opernhaus und mit dem trotz Wir haben den gleichen Etat wie Herr Kami Federn gelassen, aber dieses Theater hat allem gut funktionierenden Chor. Nur desoka. Wir werden anders damit umgehen. Es eine hohe Grundqualität, die auch nicht ge- wegen, denn die Finanzmittel sind so, dass gibt Bereiche, da hat das Stagione-Prinzip brochen wurde durch diese Spar- und man draufguckt und sich fragt: „Tue ich Vorteile, und andere, da ist Repertoire-Be- Strukturdiskussion. Die Mitarbeiter haben, mir das an?“ Ein so tief verunsichertes trieb vorteilhafter. Ich habe in Italien, das merke ich in jedem Gespräch, die Moti- Haus ist auch nicht per se attraktiv. Wenn Amerika, England gearbeitet, wo man das vation zu hoher Qualität hinübergerettet. man sich nähert und merkt: Aha, die MenStagione-Prinzip hat, ich habe Erfahrung mit Das ist das Wichtigste, woran ich anknüp- schen wollen, die Qualität ist grundsätzlich Repertoire-Betrieb und in der freien Szene. fen kann. hoch – dann denkt man nach und sagt: Ja. Ich kann also klar analysieren, welche Struk tur in welchem Bereich sinnvoll ist. Werden Sie selbst Regie führen? Ab wann haben Sie Ja gesagt? Ich bin kein Regisseur fürs Standardreper- Die Lust auf Wuppertal hat sich in der AnDie Oper am Rhein hat für diese Spielzeit toire. Ich werde sicherlich szenisch aktiv näherung an die Stadt während des Findungs einen Etat von 48 Millionen Euro – und werden, aber nicht in dem klassischen Sinn, prozesses gesteigert. Ich habe lange überda wird auch geklagt. wie man das vielleicht erwartet. legt, ob ich mich überhaupt bewerben soll. Das ist ja fast vergleichbar. Es gibt keine abMir wurde abgeraten davon. Aber ich bin solute Zahl, mit der man Oper machen oder Setzen Sie auf Kooperationen? froh, dass ich die ersten Schritte getan nicht machen kann. Sie können auch mit Es wird das gesamte Spektrum umfassen. habe, mich auf die Stadt eingelassen habe Laien und ganz ohne Geld Oper machen. Wir werden Kooperationen machen. Wir und dann entdeckt habe, was hier an Aktiva werden auch komplette Produktionen von vorhanden ist. Und ich bin davon überDas ist dann aber etwas ganz anderes. außen übernehmen, aber eher in der Un- zeugt, dass wir mit diesen Aktiva wirklich Natürlich. Aber die entscheidende Frage terhaltung und im Bereich Kinder und Ju- arbeiten können. 01.2016 10 Kennt 921 verschiedene Bodenbeläge. Und weiß genau, welcher in Ihr Wohnzimmer passt. Sven Oppermann stellvertretender Filialleiter Top-Preise und noch viel mehr ... Click-Laminat Der Trendsetter Breitdiele in verschiedensten Naturholzoptiken. Die authentischen Oberflächen mit mattem Schimmer und naturnaher Maserung schaffen ein einzigartiges, warmes Wohlfühlambiente. Die umlaufende Fuge vollendet den Eindruck eines Dielenbodens. 8 mm stark, Nutzungsklasse 32/AC 4, 25 Jahre Garantie. 15. 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Sie sind ehrlich, schonungslos offen, unmittelbar, vor allem dann, wenn sie dokumentieren, wenn sie beschreiben, ohne hinzuzufügen, ohne wegzulassen. Luiza Maria Budner und Kim Münster leben von solchen Bildern. Die beiden jungen Frauen leben von Bildern, die Leben erzählen. Vor einem Jahr haben sie eine Firma gegründet. Treibsand produziert Dokumentarfilme. Das Geschäft geht gut. „Das Bedürfnis nach Auseinandersetzung mit der Realität wird größer“, sagt Kim Münster. Die 33 Jahre alte Produzentin, Regisseurin und Geschäftsführerin beschäftigt sich seit Jahren mit dem Genre. Sie studierte Film an der Fachhochschule Dortmund und ist seit geraumer Zeit unter anderem mit dem Wuppertaler Medienprojekt verbunden. Schon während ihres Studiums arbeitete Kim Münster als freie Filmemacherin. Fühlen sich wohl in der Doku-Nische: Kim Münster (li.) und Luiza Maria Budner von Treibsand 01.2016 12 Foto: Süleyman Kayaalp Treibsand für den Kopf Und immer waren die Geschichten des Alltages ihre Themen. Daran hat sich nichts geändert. Dokumentarfilme enthüllen, ohne sensations heischend zu sein. Sie beantworten Fragen, sie erklären, warum die Dinge sind, wie sie sind. Viele wollen das wissen. Dass sich eine Sendung wie die ZDF-Doku-Reihe „37 Grad“ bei all den Superlativ- und PrekariatspeopleShows so lange im Programm gehalten hat, spricht für sich. Und auch auf Spartenkanälen finden Dokumentarfilme regelmäßig gute Sendeplätze. Das ist gut für Treibsand, auch wenn die ganz große Bühne, sei es nun Fernsehen oder Kino, gar nicht unbedingt das Ziel der beiden jungen Frauen ist. Dokumentarfilme finden ihr Publikum eher im Kleinen. Jean-Jacques Arnauds Film „Der Bär“ war Ende der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts eine Ausnahme. „Das war aber auch kein reiner Dokumentarfilm“, erklärt Kim Münster. Das Leben als Drehbuch Im Herbst vergangenen Jahres hatte eine erste große Produktion der Zwei-PersonenFirma ihre Premiere. „Coming and Going“ erzählt in knapp anderthalb Stunden vom Schicksal von Wanderarbeitern in China. 180 Zuschauer kamen ins Rex am Kipdorf. Das ist für einen Dokumentarfilm ein sehr guter Wert. „Auf einem Festival in Mexico wurde er sogar zweimal gezeigt“, berichtet Kim Münster. „Dort ist die Arbeitswelt ähnlich der in China. Wanderarbeiter gibt es in Mexiko auch.“ Der Film schildert unter der Regie der Chinesin Tianlin Xu die Geschichte zweier Kinder, die auf die Rückkehr ihres Vaters, eines Wanderarbeiters, warten und gleichzeitig Pläne vom Leben in der großen Stadt schmieden. Er tut dies schnörkellos, frei von cineastischen Tricks oder Stilmitteln, einfach anhand des Alltags der Familie, anhand der Träume, Hoffnungen und Enttäuschungen. Es ist schwer, seine Heimat zu verlassen, schwerer ist es, zurückzukehren. Das Leben schreibt die Drehbücher der Dokumentationen, mit denen sich Kim Münster beschäftigt hat. Da ist der Film über Abtreibungen, der ihr schwerfiel, weil sie wäh rend der Arbeit daran schwanger war und ihre Tochter zur Welt brachte. Da sind die Frauen, die an Krebs erkrankten. Eine stirbt. Münster hat sie bis zuletzt begleitet und wurde von einer Tochter der Verstorbenen sogar gebeten, die Beisetzung festzuhalten. Da sind die Familien, die Kinder im Hospiz untergebracht hatten. Der Tod ist ein zent- liste auftauchen. Dokumentationen gehören nicht dazu. Dennoch haben sie ihr Publikum, die Beiträge des Wuppertaler Medienprojektes werden bundesweit ausgeliehen, und die Filme beispielsweise von Treibsand fin den auf Festivals überall auf der Welt Zuschauer. „Es ist schon schade, dass deutsche Filme in der Regel nicht einmal die Kosten einspielen“, sagt Kim Münster und meint damit Spielfilme. „Der Film ist immer auch der Ihre Werke finanzieren sich nicht über Ein trittskarten. Sie werden möglich durch Blick dessen, der ihn macht.“ Einrichtungen wie die NRW Filmstiftung Kim Münster oder das von Hollywood-Star Robert Redford gegründete Sundance Institute oder durch das sogenannte Crowdfunding, bei rales Thema des Lebens, er ist deshalb auch dem sich Privatleute an den Kosten eines ein zentrales Thema in den Filmen von Kim Projektes beteiligen. Bei „Coming and GoMünster. Aber er ist nicht das einzige. Und ing“ war das ebenso. Die Produktion dauerte die Filme der jungen Frau, die in Düsseldorf drei Jahre. „Wir sind jetzt dabei, Geschenke geboren wurde und in Velbert aufwuchs, wie Plakate und Postkarten aus China an die sind nicht schwermütig. Sie folgen der Äs- zu schicken, die uns mit Geld unterstützt thetik des Moments, sie sind eine subjektive haben“, sagt Kim Münster. Die Plakate, PostAuswahl von Menschen und deren Welt, sie karten und Ähnliches würden nicht von sind tragisch, wenn die Erlebnisse tragisch dem Geld bezahlt, mit dem die Stiftungen sind, und komisch, wenn die Umstände es den Film unterstützt haben. hergeben. In ihrer Diplomarbeit hat sich die Regisseurin mit dem Thema Perfektion Geschlechtsneutral beschäftigt. Ihr Film „Nur das Beste“ hinterfragt das Bestreben nach Fehlerlosigkeit, Umso schärfer müssen die Produktionen nach Perfektion, ohne die zurückbleibenden kalkuliert sein. Vom Budget für ein Projekt Fragen allerdings zu beantworten. „Die Fil- bezahlt Treibsand sechs bis acht Leute. Die me, die wir machen, lassen den Menschen Teams werden immer neu zusammengeerzählen, sie haben einen persönlichen Be- stellt. Festbeschäftigt sind bei der Wupperzug, sie sind nicht erklärend.“ Auch Doku- taler Produktionsfirma nur Kim Münster mentarfilme seien subjektiv, beispielsweise und Luiza Maria Budner. Diese Form der durch die Auswahl des Ortes und der Perso- Zusammenarbeit erfordert Konsequenz. nen oder durch die Art, wie die Filme nach- Denn zu den meisten in der Mannschaft beher geschnitten werden. „Der Film ist im- stehen teils seit Jahren freundschaftliche mer auch der Blick dessen, der ihn macht.“ Beziehungen. „Treibsand ist unser Weg zu Sehenswert sei „Nur das Beste“ trotzdem, noch mehr Professionalität“, erklärt Kim vielleicht auch deswegen, befand die Kritik. Münster. Das galt auch schon für die Suche des Firmennamens. Das Filmgeschäft ist Weltweite Nische männlich. Nur ganz wenigen Frauen gelingt es in dieser Branche, Familie und BeDass dieser Empfehlung allzu viele Leute ruf unter einen Hut zu bringen. Die meisfolgen werden, ist aber sehr unwahrschein- ten Kollegen der beiden Wuppertalerinnen lich. Dokumentarfilme führen auch in stellen sich diese Frage erst gar nicht. „Wir Deutschland ein Nischendasein. Was in wollten keinen blumigen Namen“, sagt deutschen Landen hergestellt wird, füllt Kim Münster. „Nichts, was direkt darauf die Kinos nur, wenn Leute wie Til Schwei- hinweist, dass die Firmengründer Frauen ger oder Jan Josef Liefers in der Darsteller- sind.“ 235 x 53 plus 5 mm Anschnitt.qxp_Layout 1 04.02.16 12:06 Seite 1 ANZEIGE Olaf Reitz legt Wert auf Texte mit gesellschaftspolitischer Haltung Foto: Süleyman Kayaalp Sprechkultur Interview mit Olaf Reitz | von Anne Grages The Voice of Wuppertal Olaf Reitz ist Schauspieler und Theatermacher. Wenn irgendwo in der Stadt ein Sprecher gebraucht wird, steht meist er auf der Bühne. Doch der 46-Jährige ist keineswegs nur Lokalmatador. Ob der „Karneval der Tiere“ im Menschenaffenhaus oder ein Lyrikabend, ob Viertelsprecher im Mirker Quartier oder eine Literaturperformance mit Kirchtürmen, ob eine szenische Lesung um Else Lasker-Schüler oder die Klanginstallation „Der letzte Schrei“ – wenn irgendwo in der Stadt ein Sprecher auftritt, heißt er sehr oft Olaf Reitz. Der Schauspieler und Theatermacher ist sozusagen die „Voice of Wuppertal“. Kennzeichen: sonore Stimme, nüchterne Sprechweise, sanfter Unterton. Lust an Sprache und Spiel hat er von Anfang an. Olaf Reitz macht schon im Kindergarten beim Krippenspiel mit und hört mit dem Schauspielen danach nie mehr auf. Dennoch entscheidet er sich nach dem Abitur für etwas vermeintlich Ordentliches: ein Physikstudium. Das läuft gut bis zu dem Tag, an dem sein Professor bunte Punkte auf eine Folie malt: „Die roten und blauen stehen für ganz und halbwegs gesicherte Erkenntnisse. All die gelben, grünen und schwarzen symbolisieren Sachverhalte, die wir nicht erklären können.“ Das ist Reitz zu vage, das Physikstudium für ihn schlagartig beendet. Er mäandert noch ein wenig durch die Studiengänge, dann entscheidet er sich für seine Leidenschaft, fürs Schauspiel. und Räuberhauptmann in Robin-Hood-Manier, dem 1874 unter großer Anteilnahme der Bevölkerung auf der Gerichtsinsel der Prozess gemacht wird. Das kann aktuell sein wie in der Oase, dem Oberbarmer Kulturprojekt im Bauwagen, wo Besucher erzählen und lesen. Für sein Engagement braucht der Vater einer 15-jährigen Tochter nicht mal zwingend Publikum, ist beispielsweise seit 16 Jahren im Vorstand des Nachbarschaftsheims am Platz der Republik. Den Wuppertaler hört man ihm nicht an, Heimatgefühle hat er trotzdem: „Ich finde es toll zu wissen, mit wem man es zu tun hat. Als Wuppertaler Urgestein ist es nicht schwierig, Anknüpfungspunkte oder Leute für ein Projekt zu finden. Auch wenn man Barmer und Elberfelder nur schwer in einen Topf kriegt.“ Reitz ist aber keineswegs nur Lokalmatador, seine Stimme wird bundesweit gehört. Arte, 3Sat, ZDF neo, National Geographic oder RTL Crime buchen ihn überwiegend für Dokumentationen; „unfassbar viel – all die Sender brauchen Programm“. Im Hörfunk ist er ebenfalls gefragt („Ich mache sehr gern Zeitzeichen“), dazu kommt die Synchronarbeit. 51 Rollen in Serien und Filmen listet die deutsche Synchronkartei aktuell auf: „Glücklicherweise synchronisiere ich keinen Alles selbst angeeignet bekannten Schauspieler, dann kann man nämlich kaum noch jemand anderen maDie Richtung ist klar: „Ich brauchte keine chen.“ Hörbücher spricht er auch – vom Schauspielschule, weil ich nie fest an ein „Hamlet“ bis zur Reihe „Morgenstern“. Und Theater wollte, wo man warten muss, welche Rollen der Intendant einem zuweist.“ Er hat sich alles selbst angeeignet, „immer wieder Leute gefragt, die ich gut fand“. Heute hat der 46-Jährige ein breites Arbeitsfeld Information zwischen literarischen Texten, eigenen AkOlaf Reitz hat am Dortmunder Theater im Depot „Offene Zweier tionen und Theater. beziehung“ mit Jule Vollmer und Olaf Reitz schätzt es, wenn eine gesellschaftsThomas Kemper inszeniert. Am politische Haltung transportiert wird – ohne 1. und 2. April gastiert das Stück Erkenntniskeule, aber mit kleinen Widerim Theater am Engelsgarten. haken, die sich beim Publikum festsetzen. Das kann historisch sein wie das Hörbuch über Carl Biebighäuser, den Barmer Färber 15 wer darauf achtet, hört ihn auch bei Computerspielen und E-Learning-Systemen. Olaf Reitz tritt leise auf, entwickelt bei Auftritten aber ein Kraftfeld, das ihn sehr präsent werden lässt. „Ich genieße die Konzentration. Da kommt man in eine besondere Wachheit, ich höre mir selber zu und bekomme zugleich viel vom Publikum mit.“ Natürlich will er klingen, „als ob ich das erzählen würde“, doch selbstverständlich hat er sich intensiv vorbereitet: „Ich kann nicht irgendwo hingehen und einfach mal was vorlesen. Jeden Text muss ich mir in den Mund legen, eine Haltung finden – wenn nicht, wird es beliebig und langweilig.“ Den Autor nennt er nicht Dann ist da noch die Sache mit der HörerErwartung: „Wenn Leute den Namen eines Autors hören, dann klappt die Aufmerksamkeit oft weg – weil sie denken, sie würden etwa ihren Heine oder Brecht schon gut kennen. Deshalb sage ich meist nicht, von wem die Texte sind.“ Neulich hat er das mit der Ring-Parabel aus Lessings „Nathan der Weise“ so gehandhabt, „die Geschichte über gegenseitige religiöse Toleranz ist ja gerade ziemlich aktuell. Da haben sich viele hinterher gewundert, dass sie den Text eigentlich schon kannten“. Und der Theatermacher bleibt unverdrossen dran: „Dafür, dass es in den Kommunen eigentlich keine Mittel gibt, machen wir ganz schön viel.“ Im Sommer wird er wieder im poetOmobile, einem dreirädrigen Miniauto, mit dem Komponisten Thomas Beimel durch die Stadt fahren, um Passanten zum Spielen mit Gedichten zu verführen. Die Literaturperformance mit den Kirchtürmen mit Andy Dino Iussa weitet sich aufs Bergische Land aus. In Dortmund hat er vor kurzem ein Theaterstück wie eine Fernsehserie in fünf Teilen inszeniert, das nach Fortsetzung schreit. „Es bleibt unübersichtlich“, sagt Olaf Reitz. Und freut sich. 01.2016 Kunst Islamische Kalligraphie | von Marc Freudenhammer Spiel mit der Tradition: Hassan Hashemi nutzt die Formsprache der arabischen Kalligraphie als Inspiration 01.2016 16 Geometrie der Seele Die traditionelle persisch-arabische Kalligraphie ist eng mit dem Islam verknüpft. Heute steht die Ästhetik im Vordergrund. Ihr Einf luss auf die europäische Kunst ist seit den Anfängen der Moderne sichtbar. Hassan Hashemi über Tradition und Gegenwart. Für ungeübte, europäische Augen wirkt persisch-arabische Kalligraphie wie ineinander verschlungene Linien aus einer anderen Welt. Ästhetisch und doch fremd – für manche Betrachter vielleicht sogar bedrohlich. Inhaltlich handelt es sich dabei meist um sogenannte Suren, kurze Absätze aus dem Koran, vergleichbar mit den Versen in der Bibel. Islamische Kalligraphie ist per Defi nition eine abstrakte, auf Sprache basierte Kunstform. In der traditionellen Variante geht es dabei immer um die präzise Ausführung und um einen vorgegebenen Rhythmus. Jeder Schwung, jeder Strich hat eine ganz bestimmte Länge. Es existieren exakte Regeln der Verwendung, die jeder Kalligraph zuallererst verinnerlichen muss. Schrift im Bild Darüber hinaus gibt es unzählige Schriftarten, deren Namen klingen wie aus 1001 Nacht: Kufi, Naskhi, Talik oder Thulut. „Im Prinzip nichts anderes als heutige, westliche Schriftarten, wie sie auch in jedem Textverarbeitungsprogramm zu finden sind“, erklärt der Künstler und Galerist Hassan Hashemi. Der seit 1986 in Wuppertal lebende und arbeitende Iraner beschäftigt sich seit seiner Jugend mit islamischer Kalligraphie. Aktuell betrachtet er vom wissenschaftlichen Standpunkt aus die Einflüsse auf die westliche Kunstwelt. „Die Kufi ist die älteste der ara bischen Schriftarten – und die bekannteste. Wenn man so will, die Arial des 14. Jahrhunderts.“ Und genau wie bei den heimischen Schriften, gibt es auch dort verschiedene Schriftarten, die dem Schriftbild einen ganz 17 01.2016 Kunst Islamische Kalligraphie | von Marc Freudenhammer Kalligraphische Komposition, Kufi-Schrift, Radierung auf Kupferdruckpapier, 30 x 42 cm Die arabischen Kalligraphen sehen in ihrer Schreibkunst die „Geometrie der Seele“ widergespiegelt. Die Bezeichnung „Kalligra phie“ stammt allerdings aus dem Griechischen (kalós = schön, gráphein = schreiben, Kunst des Schönschreibens). Die spezielle persisch-arabische Kalligraphie wird auch als Khat al Arabi (die arabische Linie) über setzt. Charakteristisch sind dabei nicht nur die Linienführung, sondern auch die Verbin dungen der einzelnen Buchstaben miteinan der sowie die Schreibrichtung von rechts nach links. Im Gegensatz zur chinesischen oder japanischen Ausprägung geht es bei der traditionellen islamischen Kalligraphie nicht um eine impulsive Handschrift, im Vordergrund steht vielmehr die exakte Um setzung. Darüber hinaus werden die Schrift zeichen dazu genutzt, um figürliche Motive zu formen, die gemäß Islam verboten sind. Inspiration Hassan Hashemi hat 1984 sein Diplom an der Kunsthochschule in Teheran gemacht, anschließend studierte er freie Kunst in Köln und Kommunikationsdesign in Wuppertal. Er hat bereits früh damit angefangen, sich mit der kalligraphischen Tradition seines Heimatlandes auseinanderzusetzen. „Die Kunst der Linie“, wie er es nennt. „Früher war Kalligraph ein ganz normaler Beruf, ein Kunsthandwerk.“ Die Schrift wurde und wird dabei als Gebrauchsgrafik eingesetzt. Doch der Einfluss dieser traditionellen Kunstform reicht weit über diese Anwendung hinaus: Wesentliche Elemente aus der arabischen Kalligraphie finden sich bis heute in der 01.2016 Privatarchiv Hassan Hashemi europäischen Kunst oder im Grafikdesign wieder. Losgelöst von der ursprünglich strengen islamischen Lehre entfaltet sich die Kunst der Linie aktuell sogar zu einer neuen stilis tischen Spielart. Tradition und Moderne „Die freie Verwendung ist definitiv ein aktu eller Trend, beispielsweise im Bereich Tattoos. Wahrscheinlich auch, weil die arabische Kalligraphie schwungvoll ist, eine sehr musi kalische Schrift“, berichtet Hashemi. Aber ihr Einfluss ist keineswegs ein Phänomen der heutigen Zeit. Die Liste derjenigen, die sich in der Vergangenheit inspirieren ließen, ist lang: dazu zählt zum Beispiel Paul Klee. Im April 1914 sammelte dieser seine Einflüsse dafür während seiner legendären Tunis reise. Zusammen mit den Malerfreunden August Macke und Louis Moilliet bereiste er für knapp zweieinhalb Wochen die Haupt stadt Tunesiens. Ein kunsthistorisches Schlüsselereignis des 20. Jahrhunderts. Nicht nur das Licht und die leuchtenden Farben des Orients beeinflussen den Maler und seine Kollegen, sondern eben auch die abstrakte Formsprache der Kalligraphie, die nach dem Aufenthalt in Tunis immer wieder in abgewandelter Form in seinen Bildern auftaucht. Viele weitere Künstler setzten sich in der Vergangenheit mit den Schriftzeichen aus dem Orient auseinander. Der russische Maler und Kunsttheoretiker Wassily Kandinsky beschäftigte sich lange Zeit mit der Schrift als künstlerisches Element und folgerte: Kalligraphische Komposition, Serigraphie, Radierung auf Büttenpapier, 30 x 42 cm „Buchstaben sind praktische und nützliche Zeichen, aber ebenso reine Form und innere Melodie.“ Picasso entwickelte einen ganz eigenen Ansatz, um die ornamentale Ästhe tik in einigen seiner Bilder zu verwenden. Er soll sogar einmal gesagt haben: „Wenn ich gewusst hätte, dass es so etwas wie die islamische Kalligraphie gibt, hätte ich nie zu malen begonnen.“ Weitere Beispiele aus der Gegenwart sind unter anderem die Werke der Künstler A. R. Penck oder Keith Haring, die sich ebenfalls an der Schrift als Quelle der Inspiration bedient haben. Auch Hassan Hashemi versucht sich in seiner Kunst an der Fusion von Tradition und Gegenwart. In einigen seiner Bilder verarbeitet er seine iranischen Wurzeln, indem er kalligraphische Elemente mit abstrakter Malerei vereint. Eine sehr ästhetische Verbindung, die in unsere Zeit passt. Und die Frage nach dem Inhalt der Schriftzeichen stellt sich dann auch nicht mehr. Was zählt, ist die reine Form. Galerie Hashemi Vor über 15 Jahren gründeten Hassan Hashemi und Petra Frixe die Galerie Hashemi in der Rathaus-Galerie. Die beiden Künstler kennen sich seit der Studienzeit und teilen sich auch ein gemeinsames Atelier. Angeboten werden neben den eigenen Werken auch Kunst- und Digitaldrucke, Einrahmungen und das Aufspannen von Leinwänden auf Keilrahmen. Willy-Brandt-Platz 15, 42105 Wuppertal, Tel.: 0202 4297467 Foto: Süleyman Kayaalp Privatarchiv Hassan Hashemi individuellen Charakter verleihen. Die auf Arabisch „Khat“ genannte Schreibkunst war lange Zeit die vorherrschende Kunstform unter den bildenden Künsten in der islamischen Welt. Ein Grund dafür ist das Bilderverbot im Islam. „Menschen dürfen nicht realistisch dargestellt werden, abstrakte Formen sind aber erlaubt“, erklärt Hassan Hashemi. 18 ANZEIGE 70 Jahre erfolgreich mit Büchern handeln Mitten in Elberfeld, am schönen Laurentiusplatz, befindet sich die Buchhandlung v. Mackensen. 1946 gegründet, feiert die Buchhandlung in diesem Jahr ihr 70jähriges Bestehen. Aus einer Leihbücherei entstanden, entwickelte sich die Buchhandlung ab 1959 zu einer bedeutenden Fachbuchhandlung für Recht, Wirtschaft und Steuer. 1973 wurde die Geschäftsfläche deutlich erweitert, 1998 erfolgte ein „Seitenwechsel“, die Buchhandlung zog von der Friedrich-Ebert-Straße 10 auf die andere Straßenseite direkt gegenüber von St. Laurentius. Die Geschäftsfläche wurde damit erneut vergrößert. Freude an schönen Büchern, interessante Veranstaltungen, ob am Welttag des Buches oder in Kooperation mit verschiedenen kulturellen Institutionen der Stadt, machen die Buchhandlung zu einem lebendigen Treffpunkt in Elberfeld. »Ein neues Bild der Reformation« Volker Reinhardt, Luther, der Ketzer, C.H. Beck, 2016, 352 Seiten, geb., € 24,95 »Der Krieg, der die Entwicklung Europas entscheidend beeinflusste.« Klaus-Jürgen Bremm, 1866: Bismarcks Krieg gegen die Habsburger, Theiss, 2016, 304 Seiten, geb., € 24,95 »Ein Roman über verlorene und wiedergewonnene Illusionen.« Emanuel Bergmann, Der Trick, Diogenes, 2016, 400 Seiten, geb., € 22,00 »Der große Deutschland-Roman« Michael Kozinowski und das Team der Buchhandlung v. Mackensen Obwohl auch heute noch das Rechnungsgeschäft mit den Bibliotheken, mit Anwälten und vielen Firmen in Wuppertal einen großen Anteil am Umsatz ausmacht, begeistern sich die Buchhändlerinnen und Buchhändler besonders für schöne, ausgefallene Bücher, auch abseits der Bestsellerlisten. Engagierte, kompetente Mitarbeitende haben das Vertrauen vieler Stammkunden gewonnen und freuen sich immer wieder auf die Begegnung mit Bücherfreunden und Literaturbegeisterten in der Buchhandlung v. Mackensen. Christoph Hein, Glückskind mit Vater, Suhrkamp, 2016, 527 Seiten, kt., € 22,95 Bücher, was sonst! Friedrich-Ebert-Straße/ Telefon: 0202/304001 post @ mackensen.de Ecke Laurentiusstr. 12 Telefax: 0202/305911 www.mackensen.de 42103Wuppertal-Elberf. Buchhandlung.v.Mackensen Foto: Süleyman Kayaalp Klassik Interview mit Barbara Buntrock | von Marc Freudenhammer Professorin mit Durchblick: Barbara Buntrock lehrt seit Ende 2015 an der Robert Schumann Hochschule in Düsseldorf Im Namen der Klassik Festival 3B, Musik auf dem Cronenberg – die Bratschistin Barbara Buntrock gehört zu denjenigen, die die Kultur in Wuppertal regelmäßig bereichern. Und das, obwohl sie bereits seit einigen Jahren nicht mehr in ihrer Heimatstadt wohnt. Wenn Barbara Buntrock über Musik spricht, leuchten ihre Augen. Seit dem fünften Lebensjahr widmet sie sich den klassischen Streichinstrumenten. Die Mutter war CelloLehrerin an der Musikschule und der Vater Geigenbauer. Ihr Violaspiel genießt mittlerweile international einen außerordentlich guten Ruf und wurde in den vergangenen Jahren mehrfach ausgezeichnet. Im Oktober letzten Jahres ist sie von Berlin nach Düsseldorf gezogen und lehrt dort als Professorin an der Robert Schumann Hochschule. Ihr Ziel: Die 33-Jährige möchte ihre Studenten praxisnah auf das Leben als Musiker vorbereiten. Was erwartet uns dieses Jahr bei „Musik auf dem Cronenberg“? Eine sehr intime und angenehme Atmosphäre. Die Konzerte in der Reformierten Kirche und dem Zentrum Emmaus sind außerdem alle kostenfrei. Wir bitten aber um freiwillige Spenden. Die Kammermusikreihe wurde ja vor etlichen Jahren von Werner Dickel ins Leben gerufen, ich bin seit letztem Jahr dabei. In Cronenberg haben wir ein sehr treues und aktives Publikum. Das läuft alles völlig unkompliziert und ohne den üblichen Werbeaufwand, wie er zum Beispiel beim Festival 3B nötig ist. Werner und ich planen jeweils drei Konzerte im Jahr, manchmal spielen wir selbst mit, manchmal nicht. Sie wohnen jetzt wieder etwas näher an Wuppertal. Was ändert sich dadurch für Sie? „Da kommen auf eine Ich bin gerne in meiner Heimatstadt. Es fühlt Orchesterstelle gerne mal sich gut an, wenn man bei einem Konzert weiß, es sitzen viele bekannte Gesichter im 250 bis 300 Bewerber.“ Publikum. Das ist schon sehr familiär. Lampenfieber habe ich natürlich trotzdem heute noch, man braucht das auch für die Konzen- Wie war der Start in die neue Stelle? Was tration. Das gehört einfach dazu. Aber man wollen Sie Ihren Studenten mitgeben? ist in einer bekannten Umgebung wesent- Ich habe ja die letzten vier Jahre schon in lich entspannter, auch wenn es im Vorfeld Lübeck an der Musikhochschule unterrichdann doch manchmal turbulent zugeht. tet, deswegen ist die Professur jetzt keine ganz neue Erfahrung für mich. Aktuell sind Wie geht es mit dem Festival 3B weiter? noch nicht so viele Studenten in der Klasse. Das Festival 3B ist momentan in einer krea- Das läuft gerade erst alles an. Neben der tiven Schaffenspause. Ich würde das schon musikalischen Ausbildung ist mir wichtig, gerne weiterführen, nur im Moment haben die Studenten auch auf das Leben nach dem wir uns eine Pause gegönnt. Wir ziehen jetzt Studium vorzubereiten. Es ist zum Beispiel nach drei Jahren das erste Resümee, gucken nicht so einfach, eine Orchesterstelle zu uns an, wie viele Besucher da waren, was bekommen, obwohl es in Deutschland verhat gut funktioniert und was nicht so gut. gleichsweise viele Orchester gibt. Der durchGrundsätzlich ist eigentlich alles positiv ge- schnittliche Musikstudent weiß nicht, ob laufen, aber es gibt natürlich immer Dinge, er hinterher sein Geld damit verdienen kann. die man noch besser machen kann. Da kommen auf eine Stelle gerne mal 250 21 bis 300 Bewerber. Aber es gibt viele andere Möglichkeiten in der klassischen Musik. Aktuell gibt es eine sehr aktive freiberufliche Szene, die sich entwickelt. Das ist eine große Chance. Aber die Musikhochschulen hinken im Moment noch etwas hinterher, weil das ganze Drumherum, wie mache ich Fundraising oder wie mache ich eine Projektbeschreibung, das wird noch wenig unterrichtet. Was würden Sie heute machen, wenn Sie nicht Musikerin geworden wären? Früher hatte ich mal daran gedacht, Geigenbauer zu werden wie mein Vater. Jetzt würde ich wohl eher sagen, irgendetwas im Bereich Kulturmanagement. Ich habe ja auch bei anderen Festivals in der Organisation mitgearbeitet. Das macht mir schon großen Spaß und ist ein bisschen zu einer Art Hobby geworden. Ich bin aber auch jemand, der Steuererklärungen total gerne macht. (lacht) Die Belege ordnen und so, das ist für mich eine Art Ausgleich. Beim Spielen hat man ja hinterher nichts in der Hand, was man sehen oder anfassen kann, eine Steuererklärung ist irgendwann einfach fertig. Gibt es Berührungspunkte mit Kollegen jenseits der klassischen Musik? Das vermischt sich eher wenig, leider. Aber es gibt tatsächlich wenige Schnittpunkte. Das fängt schon mit der musikalischen Ausbildung an. An den Musikhochschulen wird meistens in Richtung klassische Musik gelehrt, eventuell etwas Pop. Dadurch sind das eher geteilte Welten. In meiner Freizeit höre ich natürlich auch andere Musik – jetzt nicht unbedingt Schlager. Wenn man sich mit Musik beschäftigt, dann sollte es nicht nur Klassik geben. Das gehört für mich auch dazu. 01.2016 Kabarett Interview mit Konrad Beikircher | von Anne Grages Die Leidenschaften des Konrad B. Der Kabarettist ist prominenter Gast bei der Wuppertaler Literatur Biennale und spricht vorab über Klassik und Kochen, über Heimatgefühl und die Liebe zur Bühne. „Wie isset?“ – die rheinische Begrüßungsformel kann man sich bei Konrad Beikircher kaum verkneifen. „Wat soll ich sagen: Jot“, antwortet der Kabarettist prompt. Die Sätze sind ein Titel aus seiner rheinischen Trilogie und eins seiner Markenzeichen – „es passiert dauernd, dass Leute auf mich zukommen und meine eigenen Sachen zitieren. Ich bin da nicht so empfindlich“. Nur kor rekt sollten die Zitate sein, „sonst nervt das schon ein bisschen“. Das sind sie aber selten. Über alte, neue und vergangene Leidenschaften soll unser Gespräch gehen – und davon pflegt er wahrlich viele. Seit mehr als 37 Jahren steht Konrad Johann Aloysia Beikircher auf der Bühne. Das lässt schon mal auf eine gewisse Leidenschaft schließen, zumal er seinen festen Beamtenjob als Gefängnispsychologe 1986 just dann gekündigt hat, als die Beförderung zum Regierungsrat anstand. „Ich muss ich selber sein auf der Bühne, weil ich nur so gut bin.“ Mit Programmen über rheinische Sprache und Eigenarten ist der gebürtige Südtiroler bekannt geworden. Aber längst hat er sein Themenspektrum erweitert um vieles, was ihm am Herzen liegt. Isset denn möchlich? Er schreibt lockere Opernführer und ernsthafte Kochbücher, lässt sich auch zur katholischen Kirche aus, obwohl er ihr nicht mehr angehört. Er singt Gedichte von H. C. Artmann und Lieder von Adriano Celentano – was man ihm im deutschsprachigen Südtirol schwer übelnimmt: Italienisches geht auch heute noch nicht, nicht mal bei seinem ältesten Bruder. Mit dem gewissen Alter – er ist im Dezember 70 Jahre alt geworden – drängen die Erinnerungen an früher heran. „Als Strohhalme noch aus Stroh waren“, heißt der Rückblick auf Kindertage, daraus wird er am 26. Mai bei der Wuppertaler Literatur Biennale lesen. „Es ist wichtig, einen realistischen Blick auf die Kindheit zu haben und sie nicht nur zu verklären“, sagt der Mann aus Bruneck. „Der Blick zurück hat mich das Verhältnis zwischen Heimat und Geburtsort unterscheiden gelernt. Heimat ist nicht da, wo du geboren bist, sondern da, wo dich das Leben hineingeworfen hat. Für mich sind das heute die Kinder, die Freunde, der Blick aufs Siebengebirge“ – in Bonn hatte er in den 60er Jahren Psychologie, Musik und Philosophie studiert. Heute wohnt der fünffache Vater in Bad Godesberg. „Ich beneide die Menschen, die dort wurzeln, wo sie geboren sind. Wir haben Landwirte im Freundeskreis, bei ihnen gibt es ein unglaublich unverfälschtes, natürliches Heimatgefühl – das habe ich natürlich nicht. Dafür kann ich jetzt auf Südtirol mit rheinischer Brille gucken und sagen: ,Ja, isset denn möchlich?‘“ Die Programme über das Rheinische haben ihn berühmt gemacht. Denn er macht sich nicht über die Leute in seiner Wahlheimat lustig, sondern würdigt ihre Besonderheiten mit einem Augenzwinkern. „Mir haben die Rheinländer immer ein bisschen leidgetan, weil sie sich für ihre Sprache geschämt haben. In Südtirol ist das anders, da sind die Leute stolz auf ihren Dialekt“, sagt Beikircher mit seinem hellen Kichern. „Ich weiß noch, als ich 1965 angefangen habe zu studieren, habe ich auf der Straße mitbekommen, wie eine Bonner Hausfrau ihrem Sohn das Rheinische verboten hat: ,Sprich anständiges Deutsch!‘. Dabei konnte sie selber kein Hochdeutsch. Heute bin ich schon ein bisschen stolz, dass ich den Rheinländern nicht nur den berühmten Spiegel vorgehalten, sondern ihnen auch Selbstbewusstsein gegeben habe.“ Guten Tag, Herr Bach Foto: Klaus Arras Aber eigentlich ist Musik sein großes Thema. Konrad Beikircher hat als kleines Kind Mundharmonika und Klavier gespielt, später wollte er Geiger werden. Doch ein Vorspiel bei dem bekannten Geiger Sándor Végh beendete seine Solisten-Träume. Sein Trugschluss: „Wer Paganini spielt, ist auch Paganini.“ Trotzdem ist Musik immer noch seine größte Leidenschaft. Ob Oper oder 50er-Jahre-Schlager, ob Klassik oder das Programm Amore et Passione: Beikircher singt gern selbst – „Mozart klappt natürlich nicht mehr so“ –, moderiert Konzerte, nimmt CDs auf wie „Guten Tag, Herr Bach“. Er erklärt ausgesprochen gerne und gut, locker und flockig: „Ja klar, ich bin freudig 01.2016 22 Oper Sinfonieorchester Schauspiel Wuppertal Oper MADAMA BUTTERFLY Giacomo Puccini 26./28. März 2./4. Juni Schauspiel Sinfonieorchester GIFT. Eine Ehegeschichte HOLLYWOOD AUF DEM JOHANNISBERG von Lot Vekemans 5./6./18./20. März 20./29./30. April 7. Mai 5. April 2016 Filmmusik im Konzert Historische Stadthalle #gönndirwas LULU TARTUFFE 8. SINFONIEKONZERT Alban Berg 14./16./26./29. MAI Komödie von Molière Schauspiel im Opernhaus 9./10./13./14. April 20. Mai 14./15./22./23. Juni alle Termine im Vorverkauf 10./11. April 2016 Villa-Lobos, Ginastera, Piazzolla, Romero, Revueltas und Márquez Historische Stadthalle TOSCA Giacomo Puccini 2./5./9. JULI KINDER DER SONNE facebook.com/operwuppertal von Maxim Gorki Premiere 3. Juni 4. CHORKONZERT 5. Juni 2016 Mozart: Vesperae de Domenica Salieri: Messe Nr. 1 D-Dur Historische Stadthalle facebook.com/schauspielwuppertal facebook.com/sinfonieorchesterwuppertal Telefon 0202 563 7666 www.kulturkarte-wuppertal.de www.wuppertaler-buehnen.de Kabarett Interview mit Konrad Beikircher | von Anne Grages der Aufklärung verpflichtet. Das ist gar keine Absicht, das fließt einfach aus mir raus. Ich mache mir auch keine großartigen Konzepte, wenn ich Programme schreibe.“ Das Erklären hat aber Grenzen: „Ich habe mal sechs oder sieben Jahre in Bad Münster eifel an der Rechtspflegeschule Psychologie unterrichtet. Ein ganz schlechter Lehrer war ich, viel zu ungeduldig.“ Gutes Essen ist auch so eine Leidenschaft, früher ist er mit seiner Frau hunderte von Kilometern bis zu den Restaurants mit Michelin-Stern gefahren: „Wir haben uns rauf gegessen bis in die Schweiz.“ Heute ist es „nicht mehr ganz so wichtig, weil ich es oft erlebt habe. Das muss ich heute nicht mehr machen – na gelegentlich, wenn wir Lust haben. Ist eben auch viel Blendwerk dabei“. Ernüchtert haben ihn vorgeblich gastronomische Groß-Events, bei denen er etwas zur Herkunft und Geschichte der Gerichte erzählt hat: „Ich habe in der Kölner Flora 18 Weihnachtsabende mit den besten Köchen gemacht. Und ich weiß jetzt: Du kannst nicht für 400 Leute sternekochen.“ Was er auch noch weiß: „Die Leute interessieren sich nicht für das kulturhistorische Drumherum. Sie wollen einfach essen, viele auch fressen, und nicht so viel dafür bezahlen.“ Knubbeln in der Küche Die Freude am Genuss ist geblieben, gern auch vom eigenen Herd – „Kochen ist wie Komponieren: Man fügt entweder die Zutaten oder die Noten zusammen“. Zum Beispiel bei Erbsensuppe: „Daran musste ich mich anfangs in der Kantine sehr gewöhnen“, sagt der Südtiroler. „Wenn man die Konrad Beikircher hat zwar ein Kochbuch geschrieben, kocht aber nicht mehr oft selbst: „Am Tisch bin ich besser als am Herd.“ 01.2016 aber ein bisschen schlanker macht und am Ende frische Minze reintut – dann wird die so was von leicht.“ Seine Frau Anne, er ist zum dritten Mal verheiratet, sei darauf gekommen. Zum Thema Kochen zitiert Beikircher aber mittlerweile Reiner Calmund: „Am Tisch bin ich besser als am Herd.“ „Ich habe mal sechs oder sieben Jahre in Bad Münstereifel an der Rechtspflegeschule Psychologie unter richtet. Ein ganz schlechter Lehrer war ich, viel zu ungeduldig.“ Das gilt nicht fürs Darüberschreiben: Ende 2015 ist das Kochbuch „Die original rheinische Alpenküche“ erschienen. „Kochen ist ja vielleicht nach Sex der kommunikativste Lebensbereich. Ich kenne keinen anderen Bereich, in dem man sich näher käme. Wo knubbeln sich die Leute denn auf einer Fete – in der Küche.“ Früher hat er auch „sehr, sehr gern geraucht“, seit dem Herzinfarkt 2003 nicht mehr. „Morgens um halb elf habe ich die erste Zigarette angezündet, da hat es mich buchstäblich ins Gras gehauen.“ In der Ambulanz habe er zwei Gedanken gehabt: „Jetzt musst du endlich dein Testament machen (was bis jetzt nicht passiert ist). Und zweitens: Damit hat sich das Rauchen erledigt. Ist mir auch gar nicht schwer gefallen. Bis heute kann ich das gut riechen.“ Radio ist auch eine Leidenschaft von Beikircher geworden. Weil es viel interaktiver sei als Fernsehen: „Du erzählt etwas, dann entstehen beim Zuhörer Bilder im Kopf.“ Die lässt er einmal im Monat in der Sendung „Pasticcio musicale“ im SWR 2 aufsteigen, in der er über Musik plaudert und Geschichten erzählt. Mit dem Fernsehen hat er es dagegen nicht so: „Ich war nie viel im Fernsehen, habe es auch nicht wirklich gepflegt. Über die Jahre habe ich beobachtet, wie heftig die Kollegen baggern, um ins Programm zu kommen. Ich habe das nie gemacht und war auch nicht bei jeder Fete dabei. Heute sehe ich junge Kollegen, die bei ProSieben gehyped werden und die ein Jahr später keiner mehr kennt.“ Er sei aber auch Opfer der neuen Politik im WDR geworden, die „mehr zu den Jungen geht. Mir ist es ein Rätsel, warum der Sender mit Gewalt in die Konkurrenz mit den Privaten strebt“. Bühne bis zum Umfallen Mit 70 geht auf der Bühne weiter die Post ab: „Rocking my life away – mein Leben in Musik“, heißt sein aktuelles Musikprogramm. „Es geht vielen von uns so, auch wenn sie es nicht zugeben, dass sie auf die Bühne wollen, bis sie umfallen. Dazu gehöre ich natürlich auch.“ Die ständige Herumreiserei, ob mit Musik oder dem aktuellen Kabarettprogramm „Bin völlig meiner Meinung“, mache ihm nichts aus. Sie ist ihm auf jeden Fall lieber als Dauerengagements von zwei oder vier Wochen: „Die gibt es heute ja nicht mehr. Früher bin ich bei so etwas fast wahnsinnig geworden.“ Was Konrad Beikircher von manch anderen Kollegen unterscheidet: Man glaubt ihm, was er sagt, auch wenn seine Geschichten manchmal nur fast wahr oder ganz erfunden sind („Auf die bin ich besonders stolz“). „Erfahrungsgemäß hat es keinen Zweck, wenn ich mich auf der Bühne verstelle“, sagt er. „Es gibt Kollegen, die passen genau auf, welches Thema gerade angesagt ist – das funktioniert bei mir nicht. Ich muss ich selber sein, weil ich nur so gut bin. Da muss man auf der anderen Seite furchtbar aufpassen, dass man nichts Privates ausplaudert. Ich bin immer froh, wenn meine Frau mir sagt, wenn ich zu weit gehe. Neulich habe ich mich glatt mit meinen eigenen finanziellen Geschichten ganz schön verplappert.“ Wuppertaler Literatur Biennale 2016 Konrad Beikircher liest im Rahmen der Literatur Biennale am 26. Mai im Barmer Bahnhof aus seinen Buch „Als die Strohhalme noch aus Stroh waren“ – Erinnerungen an seine Kindheit in Südtirol. Thema der dritten Literatur Biennale ist „Utopie Heimat“. Vom 24. Mai bis 5. Juni werden international bekannte wie regionale Autorinnen und Autoren darüber lesen und disku tieren. Das Programm wird am 6. April bekanntgegeben, gleichzeitig star tet der Kartenvorverkauf für die mehr als 30 Veranstaltungen an Orten in der ganzen Stadt. 24 Hochzeit Schmuck Uhren Hochzeit Schmuck Uhren „Das besondere Geschenk für Sie & Ihn” „Das besondere Geschenk für Sie & Ihn” zwei Rin ge – eine zw ei Ringe – eineLiebe Liebe Friedrich-Ebert-Str. 12, Elberfeld, 12, Friedrich-Ebert-Str. Tel.: 02 02-87 0 2 84 05 Elberfeld, ANZEIGE: Tel.: 02 02-87 0 2 8410 0500–1830 Öffnungszeiten: Mo.–Fr. SUULIN SUULIN 1/2 Seite / Suulin (R) 00 Uhr · Sa. 10Mo.–Fr. –1600 Uhr Öffnungszeiten: 1000–1830 Uhrwww.suulin.de · Sa. 1000–1600 Uhr www.suulin.de Da kommt Freude auf! Lesen Sie die WZ jetzt zusätzlich digital! WZ digital für PrintAbonnenten nur 4,90 € monatlich Mit WZ digital lesen Sie alle acht Ausgaben auf bis zu fünf Endgeräten. Und das bereits ab 22 Uhr am Vorabend. Schauen Sie vorbei: www.wz-digital.de Foto: Süleyman Kayaalp Weitblick nach draußen und urgemütliche Atmosphäre drinnen: Das Ehepaar Ernestus wohnt gerne im Hochhaus am Eckbusch Stadtkultur Hochhaussiedlung am Eckbusch | von Marc Freudenhammer Hoch hinaus Anonymität, Kriminalität, Massenabfertigung – Hochhäuser genießen nicht gerade den besten Ruf. Die Siedlung am Eckbusch will so gar nicht in dieses Schema passen. Ob das an der guten Aussicht liegt? Nein, eine Schönheit ist sie nicht. Grau, wuchtig und unübersehbar stehen die Betonklötze nebeneinander auf dem grünen Hügel. Aus der Ferne sind die Hochhäuser am Eckbusch eine Landmarke, die aus der Ferne als praktische Orientierungshilfe taugt. Auch weil Wuppertal in Sachen Hochhäuser ansonsten eher zurückhaltend ist. In der Siedlung wohnen zurzeit über 4500 Menschen, denen eine gute Aussicht wichtiger ist als drei Meter hohe Altbaudecken mit Stuck. Der ganze Komplex ist auf Effizienz ausgelegt, so wie es sich für Hochhaussied- Gekommen, um zu bleiben: Der Pensionär zog lungen gehört. Und dennoch: Hier lebt man einst wegen der Kinder zum Eckbusch gerne, hier gibt es noch so etwas wie nachbarschaftliche Gemeinschaft. Ein Gemeindezentrum, Theater, ein Lesekreis, regelmäßige Ein Bewohner der ersten Stunde ist Horst Treffen und Feste, ein eigener Bürgerver- Ernestus, ehemaliger Direktor der Wupperein. Man grüßt sich, man kennt sich. Ein taler Stadtbibliothek. Im November 1972 herzliches Klima, das so gar nicht zu dem ist er mit seiner Frau Ursula und den zwei Ruf von Hochhaussiedlungen passen will. acht und zehn Jahre alten Söhnen von Köln nach Wuppertal gezogen. Äußere rechte Klingelreihe, die Aufzüge geradeaus durch, siebter Stock, erklärt mir Ernestus am Telefon. Diese Beschreibung ist nicht ganz unwichtig. 190 Klingelschilder befinden sich am Eingang. Da ist Orientierung eine echte Hilfe. Der 90-jährige ist Hobbyfotograf und präsentiert stolz seine ganz private Ausstellung im Treppenhaus auf seiner Etage. Es sind Detailaufnahmen seiner Modelschiffe – früher war er bei der Marine –, Naturszenen und Fotos von der Umgebung, die Ernestus von seinem Balkon aus gemacht hat. Als er sich vor über 40 Jahren dazu entHochhaus als Motiv: Fotocollage von Horst schied, hier eine Wohnung zu mieten, ging Ernestus 27 es vor allem um die Kinder. „In Köln haben wir auch in einem Hochhaus gelebt und da waren immer sehr viele Kinder, mit denen unsere Söhne spielen konnten. Hier waren am Anfang aber fast ausschließlich junge Ehepaare“, erinnert sich Horst Ernestus. Doch die spannende neue Umgebung war ein guter Ersatz für die fehlenden Spielkameraden. Gemeint sind die riesige Baustelle direkt vor der Tür und das kleine Wäldchen, auf das man vom Balkon aus blickt. Horst Ernestus erinnert sich noch ganz genau: „Am Anfang war hier Chaos. Keine Infrastruktur, nur eine Telefonzelle und keine richtige Straße, sondern nur die schlammige Baustellenzufahrt. Als meine Frau mit ihrem Auto an der Tankstelle Nevigeser Straße ankam, sagte der Tankwart ‚Wenn Sie nicht ein Kölner Kennzeichen hätten, würde ich sagen, Sie kommen vom Eckbusch’.“ Doch die Vorteile überwiegen für das Ehepaar Ernestus. Damals wie heute. Es gibt zum Beispiel genügend Aufzüge, sodass immer gewährleistet ist, dass mindestens einer funktioniert – das macht die Wohnungen altersgerecht. Die Gemeinschaft der Bewohner ist herzlich. Und vor allem natürlich: diese unglaubliche Aussicht. Die Siedlung am Eckbusch ist die höchste Wohngelegenheit in ganz Wuppertal. Während viele Nordstadt-Bewohner oft nicht weiter blicken können als bis zum Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite, gönnt man sich hier gerne einen weit schweifenden Blick in Richtung Düsseldorf. „Das Schattenspiel im Wohnzimmer, wenn die Sonne morgens hier rein scheint, ist wirklich toll“, schwärmt Horst Ernestus. Wir fühlen uns hier wohl Nur eine Sache bereitet dem Ehepaar Sorgen: die Nahversorgung. „Früher gab es mal einen Bäcker. Insgesamt fünfmal hat der Besitzer gewechselt, inzwischen ist er ganz weg“, erzählt Ursula Ernestus. Auch einen Lebensmittelmarkt oder eine Drogerie sucht man hier oben vergeblich. Ein Problem, das allerdings den gesamten Katernberg betrifft. Aufgrund der schwierigen Busverbindungen – vor einigen Jahren wurde der gerne genutzte Schnellbus in die City eingespart – sind die Bewohner meist aufs Auto angewiesen. „Die alternative Busverbindung dauert doppelt so lange“, erklärt Horst Ernestus. Ein Grund, um der Siedlung den Rücken zu kehren, ist das für ihn aber nicht. „Wir fühlen uns hier sehr wohl“, sagt er voller Überzeugung. Er ist ganz offensichtlich nicht der einzige „Eckbuscher“, der das so sieht. 01.2016 Theater Schauspielerin Tinka Fürst | von Marc Freudenhammer Die Gänge sind eng und verwinkelt. Der Weg kommt einem länger vor, als er in Wirklichkeit ist. Überall weiße Wände, graue Stahltüren. Wir befinden uns im Erdgeschoss des Wuppertaler Opernhauses. Backstage. Von Bühnenluft und Glamour ist hier nichts zu spüren. Ankunft im Proberaum Drei. Hier sind die Wände schwarz, schlichte weiße Linien auf dem Boden markieren den „Spielraum“. Hinter einem schweren, dunkelgrauen Vorhang befindet sich eine Wand. Von oben fällt etwas Tageslicht durch die Deckenfenster. An diesem Ort proben Tinka Fürst und ihre acht Kolleginnen und Kollegen vom Schauspielensemble ihre Stücke. „Die Oberlichter sind klasse“, sagt sie. „Auf den meisten Probebühnen, die ich kenne, gibt es nur Kunstlicht.“ Vor anderthalb Jahren ist die heute 27-Jährige für ihre Anstellung im Ensemble nach Wuppertal gezogen. Geboren und aufgewachsen ist sie in Berlin. Am Max-Reinhardt-Seminar in Wien hat sie die Schauspielerei gelernt, anschließend lebte sie in Hamburg und zwischendurch arbeitete sie als Flugbegleiterin. Die Schauspielbühne hat sie durch ein glückliches Missverständnis für sich entdeckt: „Ich habe als Kind getanzt und wollte zu einem Ballett-Casting im FriedrichstadtPalast. Ich bin aber dann aus Versehen bei der Schauspielgruppe gelandet“, erzählt Tinka Fürst und lacht. „Hinterher dachte ich dann ‚Hey, da kann man sprechen und tanzen, das ist ja viel besser.’ Da war ich zwölf.“ Der Startschuss für ihren Weg in Richtung Schauspiel. „Ich mag Wuppertal. Hier ist zwar alles etwas kleiner als in Berlin, dafür sind die Menschen irgendwie interessierter. Ich habe schon jede Menge coole Leute kennengelernt“, so Tinka Fürst. „Leider wissen viele Wuppertaler gar nicht, dass es die neue Spielstätte gibt. Das ist schon ziemlich traurig.“ Der Neustart im kleinen Theater am Engelsgarten gestaltete sich für das Ensemble und die Intendantin Susanne Abbrederis etwas holprig. Doch inzwischen läuft es runder. Es gab einige Publikumserfolge, die dann auch verlängert wurden. „Man merkt langsam, dass wir immer mehr angenommen werden. Und dass sich die Menschen freuen, dass es das neue Schauspiel gibt.“ habe ich gerade als Minna geprobt und war total stolz. Das war schon etwas absurd, als ich dann zig SMS wegen dem Tatort bekommen habe“, erinnert sie sich. YouTube Am liebsten arbeitet Fürst selbst an ihren Stücken mit. Sehen konnte man das unter anderem während ihres Soloabends – der sogenannten Visitenkarte der Schauspieler –, an dem sie intensiv mitgearbeitet hat. Es ist eine Neuinterpretation des Romans „Das kunstseidene Mädchen“ von Irmgard Keun. In der Aufführung transformiert sie die Erlebnisse des Berliner Mädchens Doris aus der Weimarer Republik der Dreißigerjahre in das heutige Umfeld der „Generation YouTube“. Zwischen Selfies und Videoblog erzählt sie von ihren Gefühlen und Erlebnissen. Über eine Livekamera spricht Doris Tatort mit dem Publikum, das die Szenerie aus dem Blickwinkel eines YouTube-ZuschauTinka Fürsts wichtigste Arbeit während ihrer ers beobachtet. Das künstlerische Konzept ersten Spielzeit war die Hauptrolle in Les- kam an: „Ich fand es schön, dass auch viele sings „Minna von Barnhelm“. Die meisten ältere Menschen von der Aufführung beReaktionen bekam sie allerdings für eine geistert waren. Zumal diese Generation mit andere, in der sie zur selben Zeit zu sehen der Form ja gar nicht so richtig vertraut war: als Mordopfer im Tatort. Zwei Drehtage ist“, erzählt sie. waren dafür angesetzt. Eine sehr interes- Die Protagonistin Doris Plischke hat im sante aber vergleichbar kleine Rolle für die Rahmen der Aufführung sogar einen eigeSchauspielerin. „Als das gesendet wurde, nen YouTube-Kanal spendiert bekommen. Für Tinka Fürst selbst kommt das aber nicht infrage: „Ich habe noch das Leben ohne Internet mitgekriegt und bin auch sonst nicht besonders aktiv im Netz. Ich würde mein Privatleben nie auf YouTube ausbreiten. Aber diese Selbstdarstellung in den sozialen Medien ist ein Phänomen, das nicht mehr wegzudenken ist. Das wirkt sich auch auf unsere Sehgewohnheiten aus.“ Der digitale Raum ist für Fürst aber auch aus einem anderen Grund interessant: zur Vorbereitung auf ihre Rollen: „Ich versuche immer in die Welt meiner Figuren einzutauchen. Ich frage mich zum Beispiel, was würde meine Figur anziehen? Was macht sie, wenn sie alleine ist? Welche Musik hört sie? Im Netz kann ich das Umfeld ganz gut kennenlernen, zum Beispiel in Foren.“ Klar ist: Schauspielerei bedeutet viel Arbeit. Als Doris Plischke entführte Tinka Fürst bei Vorbereitung, Recherche, Texte lernen, Auftritte. Ohne eine große Portion Idealismus ihrem Soloabend die Zuschauer in die Welt funktioniere das nicht, erzählt Fürst. „Ich mache meinen Beruf ja nicht, um viel Geld der Videoblogs. Aber auch vor ausgewachsenen zu verdienen. Ich finde, es ist ein Privileg, Filmkameras fühlt sie sich wohl. Immer mit die Möglichkeit zu haben, viele verschiedene Rollen zu leben. Das ist toll.“ dabei: eine große Portion Idealismus. Spielraum 01.2016 28 Foto: Süleyman Kayaalp „Ich mache meinen Beruf nicht, um viel Geld zu verdienen. Es ist ein Privileg, die Möglichkeit zu haben, viele verschiedene Rollen zu leben.“ 29 01.2016 Tacheles Interview mit Matthias Nocke | von Lothar Leuschen Luft nach oben Was muss, kann und darf Wuppertal sich an Kultur leisten? Acht konkrete Fragen an Matthias Nocke (53, CDU), den Kulturdezernenten der Stadt. Wie viel Kultur kann Wuppertal sich leisten? Die Stadt Wuppertal gibt im Doppelhaushalt 2016/17 die Summe von 38,642 Millionen Euro aus. Nimmt man die Ausgaben für die Bergische VHS, das Kultursekretariat NRW und den Zoo hinzu, macht das zusammen 50,862 Millionen Euro; das sind 3,9 Prozent des städtischen Haushalts. Matthias Nocke: Kultur als wichtiger Standortfaktor Wie viel Kultur darf sich eine hochverschuldete Stadt leisten? Auch Wuppertal muss sich so viel Kultur leisten, dass es im Standortwettbewerb um Lebensqualität bestehen kann. Das ist zwischen Rheinschiene und Ruhrgebiet untrennbar mit einem attraktiven Kultur- und Bildungsangebot verbunden. Eine 350 000Einwohner-Stadt mit Universität und weiteren Hochschulen, Sitz bedeutender Unternehmen und Oberzentrum des Bergischen Landes ist ohne eine lebendige und kreative freie Kulturszene nicht vorstellbar. Sie trägt zur Integration von Menschen aus anderen Kulturen wesentlich bei, fördert den Zusammenhalt, gibt wichtige Impulse zur Stadtentwicklung. Denken Sie nur an den Mirker Bahnhof/Utopiastadt oder den Bürgerbahnhof Vohwinkel. Wuppertal benötigt auch den Marketingfaktor Kultur: Das Tanztheater Pina Bausch trägt unseren Namen wie die Schwebebahn rund um die Welt, allerdings kostet der Betrieb der Bahn jährlich das Siebenfache des Tanztheaters und aus gutem Grund stellen wird beides nicht infrage. Das gilt auch für Stadthalle, Orchester, Oper, Theater und Von der Heydt-Museum. Wenn dann noch – dank Tony Cragg – etwas so Faszinierendes und Einzigartiges wie der Skulpturenpark entsteht, ist das ein großes Glück. Kultur ist auch ein harter Standortfaktor. Wenn ein Weltkonzern wie Bayer an seinem Gründungs-, Forschungs- und Produktionsstandort fast 400 Millionen Euro investiert und wieder größter Arbeitgeber der Stadt sein wird, haben wir ein Interesse daran, dass seine Mitarbeiter in Wuppertal wohnen. Dazu brauchen wir ein gutes Kultur- und Bildungsangebot. War die Abschaffung des Opernensembles demnach ein Fehler? Am Anfang steht eine Erfolgsgeschichte: Professor Toshiyuki Kamioka, Von der HeydtPreisträger und Publikumsliebling, hat unser herausragendes Sinfonieorchester in einem der besten Konzertsäle Europas auf ein beeindruckendes musikalisches Niveau geführt. Nach zehn Jahren hat er den Wunsch geäußert, zu verlängern und wie Georg Solti in Essen in Personalunion auch Opernintendant zu werden. Zunächst wollte er sich zu Beginn einer Spielzeit nicht fragen: Was kannst du mit deinem Ensemble besetzen?, sondern: Was Foto: Süleyman Kayaalp Herr Nocke, wie viel Kultur muss Wuppertal sich leisten? Kultur gehört zur Daseinsvorsorge. Wenn Sie von „muss“ sprechen, beginnen wir mit der Basisausstattung, den Angeboten der kulturellen Bildung: Unsere Musikschule mit ihren etwa 3800 Schülerinnen und Schülern, die Stadtbibliothek als modernes Medienzentrum mit neun Zweigstellen, die Bergische Volkshochschule und nicht zuletzt das Historische Zentrum, denn was ist eine Stadt ohne ihr Gedächtnis? Dazu gehören im Kern das Stadtarchiv, das Museum für Frühindustrialisierung und das Engelshaus. Auch und gerade die theater- und orchesterpädagogische Arbeit, die Museumspädagogik oder das zoopädagogische Zentrum sind unersetzlich. willst du spielen? Deshalb haben Politik und „Ich will, dass jeder Schüler Verwaltung seinem Wunsch entsprochen, in Wuppertal wenigstens zunächst für zwei bis drei Spielzeiten auf ein festes Ensemble zu verzichten. Jedoch einmal im Theater war, darf man die gewachsene Anhänglichkeit ehe er die Schullaufbahn des Publikums zu „seinem“ Ensemble nicht unterschätzen. Der Ensemblegedanke gebeendet.“ hört eben zum Wesenskern des deutschen Stadttheaters. Auch kommunikativ ist diese Entscheidung aus dem Ruder gelaufen. schen erreichen, indem es sie bereichert Aufführungen sind nur in einer Serie zu se- und berührt. Das ist ein Live-Erlebnis zum hen und lassen sich nicht wiederholen. Preis einer Kinokarte. Auch wenn das ein Dieses Angebot ist mit den Sehgewohnhei- großes Ziel sein mag: Ich will, dass jeder ten des Publikums nicht vereinbar. Die Fol- Schüler in Wuppertal wenigstens einmal gen, den Ensemblebetrieb auch nur befris- im Theater war, ehe er die Schullaufbahn tet zu suspendieren, sind also gravierend. beendet. Das Sinfonieorchester beweist, dass Unserem designierten Opernintendanten es neue Zuhörer gewinnen kann. Das OrBerthold Schneider wünsche ich beim Auf- chester konnte die Zuschauerzahl seit 2008 bau eines neuen Ensembles eine glückliche um mehr als 10 000 auf 42 000 steigern. Hand. Dann verbietet sich eigentlich eine DisWie beurteilen Sie die Entwicklung des kussion über eine Fusion mit den BergiTheaters am Engelsgarten? schen Symphonikern. Das Theater ist mit 1,5 Millionen Euro an pri- Diskussionen verbieten sich nie, sie sind vatem Spendengeld gebaut worden, 900 000 immer erlaubt. Wenn das Orchester eine Euro hat allein die Dr. Werner Jackstädt-Stif- abgehobene Veranstaltung wäre, das die tung gegeben. Es soll etwas Lebendiges Menschen nicht begeistert, dann wäre eine sein, da soll gespielt werden. Was die Zahl solche Diskussion plausibel. Es ist ein echder Aufführungen angeht, ist da sicher noch tes Schwergewicht und für die Musikstadt Luft nach oben. Ich wünsche mir mehr Pro- Wuppertal nicht wegzudenken. Ich sehe duktionen. Darüber bin ich in einem guten auch nicht, wie wir unseren Nachbarn Gedankenaustausch mit Frau Abbrederis, wirksam helfen sollten. Remscheid gibt pro Jahr ca. 800 000 Euro für sein Orchester aus der Intendantin. Die Relevanz des Theaters drückt sich auch und muss sparen. Wir müssen eigene Anin den Zuschauerzahlen aus. Wenn wir strengungen unternehmen, um Orchester aber mehr Zuschauer erreichen wollen, und Theater lebens- und leistungsfähig zu müssen wir spielen. Theater muss die Men- erhalten. Wir brauchen für die Theater- und Orchester GmbH jährlich etwa 350.000 Euro mehr oder wir müssen im selben Umfang die Kosten senken. Einsparungen sind in einem Betrieb, dessen Kosten zu 85 Prozent aus Personalkosten bestehen, schwierig. Wir arbeiten an Ideen zur Restrukturierung, aber es wird in beide Richtungen nicht einfach werden. Ein Schwergewicht ist auch das Tanztheater. Wird Wuppertal ein Pina-BauschZentrum bekommen? Ich werde mir die Zuversicht, dass dieses Projekt erfolgreich realisiert wird, und die ich mir seit 2010 leiste, nicht nehmen lassen. Es ist gelungen, viele von den Chancen zu überzeugen, die das Pina-Bausch-Zentrum für Wuppertal bedeutet. Dieses Projekt ist selbst im Tanzland NRW ebenso einzigartig wie das Tanztheater Wuppertal selbst. Internationales Produktionszentrum, Heimat des Tanztheaters Wuppertal Pina Bausch, Sitz der Pina Bausch Foundation und Bürgerforum Wupperbogen sind alles Faktoren mit großem Nutzen und Ausstrahlung für unsere Stadt. Aber ganz in trockenen Tüchern ist die Sache noch nicht, oder? Das ist sicher eine Herkulesaufgabe für alle Beteiligten, für Wuppertal, für das Land und für den Bund, da es um die dauerhafte Finanzierung des Betriebes geht. Es gibt noch Fragen, die wir beantworten müssen, damit der Stadtrat zustimmen kann. Meine Zuversicht gilt: Stadt, Land und Bund werden erfolgreich zusammenarbeiten. ANZEIGEN 24. MAI – 4. JUNI 2016 Hirschstraße 12 · 42285 Wuppertal · 0202 47898120 www.skulpturenpark-waldfrieden.de HENRY MOORE PLASTERS 9. 4. – 9.10.2016 www.wuppertaler-literatur-biennale.de Veranstaltungskalender MÄRZ Frank Goosen liest 8. März, Barmer Bahnhof, 20 Uhr Frank Goosen stellt seinen neuen Roman „Förster, mein Förster“ vor. Darin triffft der Schriftsteller Förster, dem nichts mehr ein fällt, auf Nachbar Dreffke, den wohlstands verwahrlosten Teenie Finn und die ver wirrte Saxofonistin Frau Strobel. Der Gott des Gemetzels 12. März, Taltontheater, 20 Uhr Zwei Elternpaare treffen sich, um den Kon flikt ihrer elfjährigen Söhne zu lösen. Doch nach und nach zerbröckelt die Fassade. Die Situation eskaliert und die wahren Motive und Hintergründe der Personen kommen zum Vorschein. Weitere Aufführungen am 13.3., 18 Uhr, sowie 15./16.4., 20 Uhr. Die Vorstadtkrokodile 12. März, Kinder- und Jugendtheater, Berufskolleg Elberfeld, 16 Uhr Bei der Mutprobe der Vorstadtkrokodile bricht Hannes durchs Dach und kann nur in letzter Minute gerettet werden. Dadurch lernt er Kurt kennen, der im Rollstuhl sitzt. Doch Kurt hat die Einbrecherbande beob achtet und darf deshalb nun bei den Vorstadtkrokodilen mitmachen. Weitere Termine am 16.3., 18 Uhr, sowie im April. Max Raabe und das Palast Orchester 19. März, Historische Stadthalle, 20 Uhr Max Raabe nimmt sein Publikum wieder mit in die 20er Jahre. „Eine Nacht in Berlin“ heißt sein neues Programm mit so schönen Liedern wie „Bar zum Krokodil am Nil“ oder „Let’s Do It“. Zusätzlich am 20. März, 18 Uhr. Bis zum letzten Mann 20. März, Theater im Tanzhaus, 18 Uhr Maria Liedhegener, die Penny aus „Currywurst mit Pommes“, zeigt ihr Solo programm. In „Bis zum letzten Mann“ zieht sie vor einem Rendezvous Bilanz zwischen freier Liebe und Online-Partnervermittlung. APRIL Die blonde Carmen 2./3. April, Kammerspielchen, 20 Uhr Die Swing Kabarett Revue ist zu Gast im Kammerspielchen. Inge Annette Konrad spielt die blonde Carmen, die sich als Sän gerin bei einem Jazzorchester bewirbt. Dafür schlüpft sie in die Rollen von Zarah Leander, Marlene Dietrich und Greta Garbo. Hollywood auf dem Johannisberg 5. April, Historische Stadthalle, 20 Uhr Das Sinfonieorchester Wuppertal unter Leitung von Nic Raine spielt die Musik aus den größten und schönsten Filmklassikern. Dazu erzählt Nic Raine Anekdoten aus der Welt der Stars und Sternchen. Tartuffe 9. April, Opernhaus, 19.30 Uhr Im Haus des wohlhabenden Orgon hat sich Tartuffe eingenistet, der den Frommen spielt, aber eigentlich nur das Geld von Orgon möchte. Die Wuppertaler Bühnen zeigen das Stück um Betrug und Ehrlichkeit, um scheinheilige Konventionen und die Furcht vor dem Skandal. Zu den Leisen 9. April, Kunststation im Bahnhof Vohwinkel, 18 Uhr Andreas M. Wiese zeigt Bilder, Objekte, Ins tallationen (bis 8. Mai). Brenda Boykin mit W-Tal Five 13. April, Färberei, 19.30 Uhr Die bekannte Jazz-Sängerin Brenda Boykin tritt nun schon seit fünf Jahren regelmäßig in der Färberei auf. Diesmal hat sie ein besonderes Schmankerl dabei: Sie stellt ihre neue CD vor. Außerdem beteiligt sich ein afrikanischer Kongaspieler an dem Kon zert. Revue über die Comedian Harmonists 15. April, TiC-Atelier, 20 Uhr „Mein kleiner grüner Kaktus“ oder „Wochenend und Sonnenschein“ – die Lie der der Comedian Harmonists sind unver gesslich. Das TiC-Ensemble widmet sich in seiner neuen Revue der A-cappella-Gruppe der 30er Jahre. Premiere von Sascha Gutzeit 20. April, Bandfabrik, 20 Uhr Sascha Gutzeit präsentiert seine neue Ein-Mann-Kriminalkomödie „Mord bis der Arzt kommt“. Auch diesmal ist wieder eine urkomische Mischung aus Theater, Musical, Live-Hörspiel und Comedy garantiert – im Outfit der 70er und 80er Jahre und mit vie len neuen Songs. MAI Musikhochschule präsentiert junge Talente 13. Mai, Historische Stadthalle, 19.30 Uhr Im großen Rahmen der Stadthalle treten besondere Talente der Musikhochschule Köln, Abteilung Wuppertal, auf. Unter der Leitung von Werner Dickel sind Kammer musik und solistische Darbietungen zu hören. Lulu von Alban Berg 14. Mai, Opernhaus, 19.30 Uhr Muse, Geliebte, Verführerin, Hure – Lulu hat viele Gesichter. Die Oper von Alban Berg nach dem Text von Frank Wedekind hat bei den Wuppertaler Bühnen am 14. Mai Premiere. Weitere Vorstellungen sind am 16., 26. und 29. Mai jeweils um 16 Uhr. Friday Night Jazz Club 27. Mai, Bandfabrik, 20 Uhr Seit zehn Jahren organisiert Bernd Fasten rath den Friday Night Jazz Club in der Band fabrik. Zum Jubiläum tritt das bekannte Jazz-Ensemble Düsseldorf auf. Ab 18.45 Uhr werden Antipasti serviert. Eine rechtzeitige Kartenreservierung wird empfohlen. Cindy aus Marzahn 27. Mai, Historische Stadthalle, 20 Uhr Die rosarote Prinzessin zeigt in ihrer neuen Show „Ick kann ooch anders!“ eine ganz neue Seite: „Steht auf oder bleibt sitzen, aber habt eine Meinung“, fordert sie und wettert gegen die großen und kleinen Ungerechtigkeiten. Tangos von Piazzolla 29. Mai, Taltontheater, 18 Uhr Straßenmusik trifft Musikhochschule: Klaus der Geiger, bekannt und ausgezeichnet für seine Straßenmusik, spielt gemeinsam mit dem jungen Gitarristen Marius Peters. Neben Jazz und Improvisationen spielen sie vor allem argentinische Tango-Stücke von Astor Piazzolla. JUNI Der Räuber Hotzenplotz 1. Juni, Müllers Marionettentheater, 16 Uhr Weißenborns bringen mit dem „Räuber Hotzenplotz“ wieder einen Kinderbuchklas siker auf die Bühne des Marionettenthea ters. Bis zu den Sommerferien können Kin der von vier bis zwölf Jahren die Kasperl-Geschichte genießen. Impressum Mina, mina-magazin.de Verlag Westdeutsche Zeitung GmbH & Co. KG, Otto-Hausmann-Ring 185, 42115 Wuppertal Geschäftsführung Kersten Köhler Chefredaktion Ulli Tückmantel Redaktion Lothar Leuschen, Anne Grages, Marc Freudenhammer (wppt) Verlagsleitung Wuppertal (verantwortlich für Anzeigen) Jochen Eichelmann Anzeigen und Projektkoordination Nicole Wessel, [email protected] Gestaltung und Satz wppt:kommunikation GmbH, Treppenstraße 17–19, 42115 Wuppertal, wppt.de (Süleyman Kayaalp, Beatrix Göge) Druck Rheinisch-Bergische-Druckerei GmbH Erscheinungstermin 5. März 2016 Die nächste Ausgabe von Mina erscheint am 27. August 2016. 01.2016 32 Bayer Klavierzyklus mit Lars Vogt 2. Juni, Historische Stadthalle, 20 Uhr Die Goldberg-Variationen von Bach – eines der schwersten Stücke für Klavier über haupt – präsentiert Lars Vogt im Bayer Kul tur-Klavierzyklus. Dazu gesellt der mehr fach ausgezeichnete Pianist Beethovens Klaviersonate c-Moll op. 111. JULI AUGUST Suzanne Vega 11. Juli, Historische Stadthalle, 20 Uhr „Tales From the Realm of the Queen of Pen tacles” heißt das neue Album von Suzanne Vega. In Wuppertal stellt sie daraus ihre Songs voller hintergründiger Texte vor. Wuppertaler Kurrende und Winds bacher Knabenchor 18. Juni, Historische Stadthalle, 19.30 Uhr In der Reihe „Internationale Knabenchöre“ lädt die Wuppertaler Kurrende den Winds bacher Knabenchor ein, der nun vom ehe maligen Kurrende-Leiter Martin Lehmann dirigiert wird. Gemeinsam singen die beiden Chöre geistliche A-cappella-Chor musik. Sommertheater 17. Juli, Botanischer Garten, 16 Uhr Bei schönem Wetter draußen, bei Regen im Gewächshaus bietet das Theater Lakritz Erzähltheater mit Objekten für die Allerkleinsten. Es geht um Hase und Igel, um Wahrheit und Erfindung, und vor allem um das Geschichten-Erzählen. Der Eintritt ist frei, weitere Aufführungen am am 24. und 31. Juli. Tanztee mit dem Swing Kabarett 7. August, Kontakthof, 15 Uhr Nostalgische Tänze wie Charleston, Ones tep oder Ragtime zeigt das Tanzlehrer-Ehe paar Brüning aus Duisburg. Heute steht im Mittelpunkt der Castle Foxtrott. Ab 16 Uhr sorgt die Swing Kabarett Revue für beschwingte Musik aus den 20er Jahren. Konzert mit den Lochis 28. August, Waldbühne Hardt, 18 Uhr Die Zwillinge Heiko und Roman Lochmann – genannt die Lochis – sind bei Youtube Stars. Schon mit 13 Jahren wurden sie berühmt für ihre Sketche und Parodien auf Chart-Hits. Es folgte ein erfolgreicher Kino film und jetzt das Debütalbum. Als Support tritt Meltem Acikgöz von „Deutschland sucht den Superstar“ auf. ANZEIGE Tony Cragg, Versus, Bronze, 2012, Foto: Michael Richter, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016 VON DER HEYDT-MUSEUM WUPPERTAL 19.4. - 14.8.2016 TONY CRAGG PARTS OF THE WORLD RETROSPEKTIVE Jetzt bestellen: Karten und Kombitickets für Museum und Skulpturenpark Ermöglicht durch: Kunst- und Museumsverein Wuppertal Mobilitätspartner: tonycragg-ausstellung.de ANZEIGE 12. + 13. März 2016 5.–8. Mai 2016 Knospe, Spaten und Feines – für die kommende Gartensaison Textilmarkt Mode, Stoff und Stil Workshops, Kinderwerkstatt, Modenschau Öffnungszeiten: 11–18 Uhr | Eintritt: 5,- € | Kinder bis 12 Jahre frei | Dauerkarte Tuchfühlung: 8,- € | Anfahrt und Parken: www.schloss-luentenbeck.de | Schloss Lüntenbeck, 42327 Wuppertal Retro WagnerMuse Mathilde Wesendonck | von Anne Grages Liebe! Liebe! Die Elberfelderin Mathilde Wesendonck und Richard Wagner waren sich in Zürich jahrelang innig verbunden, inspirierten einander und verursachten einen saftigen Skandal. Schreibweise bürgerte sich nach 1900 ein), heißt eigentlich Agnes. Die Tochter des Kommerzienrates Carl Luckemeyer heiratet 1849 den Seidenhändler Otto Wesendonck, auch er stammt aus Elberfeld. Er trauert noch um seine erste Frau Mathilde, die 1844 auf der Hochzeitsreise gestorben war, und verfügt: „Da der Name Agnes nicht gefiel, wurde der Vorname Mathilde gebraucht.“ 1850 zieht das Ehepaar nach Zürich, lernt Richard Wagner kennen, der nach der Revolution 1848 mit seiner Frau Minna aus Dresden geflohen war. Mathilde verehrt ihn bald, Otto finanziert ihn. Als Wagner an M. W. nach einem Gemälde von Dorner, Foto dpa „Sie ist meine erste und einzige Liebe“, schwelgte Richard Wagner 1863 in der Erinnerung an Mathilde Wesendonck. Die gebürtige Elberfelderin (1828 – 1902) und den Komponisten (1813 – 1883) verbindet mehr als die Schwärmerei einer reichen Kaufmannsgattin für einen angesagten Musiker. Es ist eine Geschichte der gegenseitigen Inspiration und der großen Gefühle. Ihre fünf Wesendock-Lieder sind die einzigen Fremdtexte, die er je vertont hat, zwei dienten ihm als Studien zu „Tristan und Isolde“. Mathilde, an die seit 1935 die Wesendonkstraße in Elberfeld erinnert (die kürzere Die fünf Wesendonck-Lieder, das Erstlingswerk von Mathilde, sind die einzigen Fremdtexte, die Richard Wagner je vertont hat seinem 40. Geburtstag ein Konzert dirigiert, regnet es Blumensträuße, die ein Diener von Mathilde vorher verteilt hat. Der Künstler seinerseits entdeckt in der zweifachen Mutter eine „mitschwingende Seele“. Als Otto Wesendonck 1955 ein Grundstück auf dem Grünen Hügel über dem Zürichsee erwirbt und dort eine Villa bauen lässt, kauft er das Fachwerkhaus nebenan mit und überlässt es den Wagners: „Der Meister“ soll in Ruhe arbeiten können. Ständchen im Treppenhaus Die enge Nachbarschaft führt zu fast täglichen Besuchen. Sie ist seine wichtigste Muse, das zeigen die Widmungskürzel in den Skizzen zur „Walküre“ wie „W.d.n.w.G“ – Wenn du nicht wärst, Geliebte. An Mathildes Geburtstag stellt der Künstler frühmorgens acht Züricher Musiker ins Treppenhaus, die das vertonte Wesendonck-Gedicht „Träume“ spielen – Mathilde ist beglückt, ihr abwesender Ehemann weniger. Am 7. April 1858 schreibt er Mathilde einen liebestrunkenen Brief, die berühmte Morgenbeichte: „Dies Gebet ist Liebe! Liebe!“ Und am Ende: „Dann gibt es eben kein Objekt und kein Subjekt mehr; da ist alles eines und einig, tiefe, unermessliche Harmonie!“ Seine Frau Minna fängt den Brief ab und beschuldigt Mathilde, ihr den Ehemann abspenstig zu machen. Und droht, diesen Brief Otto Wesendonck zu zeigen. Das entrüstet Mathilde, die ihrem Mann den Brief selber zeigt. Der schreibt empört an Minna, dass ihr Mann sie wohl nicht über die „Reinheit dieser Beziehungen“ belehrt habe. Die Züricher Gesellschaft hat besten Erregungs-Gesprächsstoff – wer hat mit wem oder doch nicht? In einer Aussprache mit Otto Wesendonck im Juni verspricht der Komponist, den Umgang mit dem Ehepaar abzubrechen, falls er in seinem Haus bleiben kann. Direkt danach schreibt er an Mathilde und schlägt vor, sie könnten sich von ihren Ehepartnern trennen und heiraten. Sie lehnt ab. Die Situation wird so peinlich, dass Wagner im August auszieht, Mathilde und er treffen sich nie mehr unter vier Augen. Die Wesendoncks besuchen aber viele Aufführungen im Bayreuther Festspielhaus, dessen Bezeichnung „Grüner Hügel“ auf ihre Villa anspielt. Mathilde schreibt weiter, vorwiegend historische und Kinderbücher. Wagners inbrünstige Briefe an Mathilde kennt man, denn die Empfängerin hat sie aufbewahrt. Was sie ihm geschrieben hat, ist unbekannt, denn Wagners zweite Frau Cosima wollte die Erinnerung an das enge Verhältnis tilgen und verbrannte Mathildes Briefe. 34 Viele Wuppertalerinnen und Wuppertaler lieben die hiesige Kulturszene für ihre künstlerische Vielfalt, ihre Innovationsbereitschaft und ihren Mut, Grenzen zu überschreiten. Die Wuppertaler Kulturszene genießt auch über die Stadtgrenzen hinaus große Anerkennung. Wie kann das sein in einer Stadt, die seit Jahren unter kommunalem Sparzwang steht und die Kultur dabei nicht schont? In der freien Kulturszene scheint es eine Dennoch-Haltung zu geben, die Kraft entfaltet und viel bewirkt. Der finanzielle Förder rahmen des Kulturbüros ist zwar geringer geworden, dennoch kommen unglaublich viele freie Kulturprojekte – Konzerte, Performances, Ausstellungen, Lesungen – zustande. Kulturschaffende, vor allem junge Künstlerinnen und Künstler, finden heute neue Möglichkeiten, ihre Projekte zu finanzieren: Unterstützung durch öffentliche Förderprogramme, durch Sponsoren, Crowdfunding oder den Hut, der im Publikum herumgeht. Das alles funktioniert nur mit hohem bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Engagement. Materiell ist dies vor allem für die Kulturschaffenden ein riskantes Unternehmen. Zur Dennoch-Haltung gehören die großen Kulturprojekte, die das Kulturbüro in den vergangenen Jahren zu „Marken“ in der Stadtgesellschaft gemacht hat. Eigentlich waren die Wuppertaler Literatur Biennale, Viertelklang oder die PerformanceNacht zum Zeitpunkt ihrer Entstehung utopisch. Dennoch gibt es sie heute, weil alle Partner zur Zusammenarbeit beigetragen haben und dadurch wertvolle Synergien entstanden sind. Es gibt sie auch, weil das Kulturbüro Foto: Privatarchiv Ausblick Gastbeitrag von Monika Heigermoser Dipl.-Pädagogin Monika Heigermoser, Leiterin des Kulturbüros Wuppertal Dennoch! zum Meister der Mittelakquisition geworden ist: Eigene finanzielle Mittel werden so ver vielfacht. 2016 wird es wieder eine Wuppertaler Literatur Biennale geben. Als die Entscheidung für das Motto „Utopie Heimat“ fiel, lag die Brisanz dieses Themas noch in weiter Ferne. Das Programm der Biennale nimmt Stellung, mit einer Lesung mit Navid Kermani, dem Träger des Deutschen Friedenpreises 2015, mit Jenny Erpenbeck und ihrem Flüchtlingsroman „Gehen, ging, gegangen“ oder mit „Die große Wanderung“, einer Lesung mit Angela Winkler und Nina Hoger. Auch Viertelklang hat mit dieser DennochHaltung zu tun. Die gesamte Wuppertaler Musikszene – von Klassik bis Jazz, von Neuer Musik bis Rock – zu einem Festival einzuladen und dabei ein Stadtviertel mit seinen charakteristischen Orten zu bespielen, war ein Wagnis. Heute ist Viertelklang ein Publikumsmagnet und auch ein Vorzeigeprojekt der bergischen Zusammenarbeit. Viertelklang wird die Blaupause sein für das „22-km-Festival“, das im Spätsommer 2017 Kunst und Kultur entlang der gesamten Nordbahntrasse präsentieren wird. Kultur profitiert hin und wieder von inter essanten Off-Orten in Fabriken oder leerstehenden Lokalen. Stabilität geben aber vor allem Veranstaltungsorte mit professioneller Infrastruktur. Hier zeigt sich in Wuppertal eine Schieflage. Aufgrund der Haushaltssituation musste die Stadt den Bereich der institutionellen Förderungen (regelmäßige finanzielle Förderungen für freie Kultureinrichtungen) einfrieren. Tatsache ist aber, dass in den letzten Jahren viele neue Kulturorte entstanden sind, engagierte Arbeit leisten und keine stabile Unterstützung erhalten (dürfen). Das TalTonTheater, der Bürgerbahnhof Vohwinkel oder Mare e. V. im Café Ada können ein Lied davon singen, was das bedeutet. Hier wünsche ich mir weiterhin eine DennochKultur und Möglichkeiten, diese wichtigen Kulturorte unterstützen zu können. Die Kultur braucht diese Orte. Die Wuppertaler Kulturszene soll stark bleiben. ANZEIGE wppt : kommunikation gmbh Gesellschaft für visuelle Kultur www.wppt.de HAND AUFS HERZ! Gutes Design ist immer anders. Ausgezeichnete Ideen aus Wuppertal. Die 132. Ausstellung der Stadtsparkasse Wuppertal in ihrer Reihe s Kunst in der Sparkasse 131 Anna Solecka Vera Christians Sebastiaan Spit Oktober 2015 130 Sylvie Hauptvogel Dietmar Wehr Matthias Neumann März 2015 129 Graziella Drössler und Wolfgang Schmitz März 2014 128 Anke Eilergerhard Lothar Götz September 2013 Silke Kammann Jörg Lange RolfLöckmann Uwe Schinkel Sigurd Steinprinz Bjørn Ueberholz Mai 2009 117 Jo Wood-Brown Jorgo Schäfer Barbara Friedman Gwenn Thomas Jo Wood-Brown Maura Sheehan Sandi Slone Erika Windemuth Georg Janthur Jorgo Schäfer Stadtsparkasse Wuppertal in Kooperation mit der Galerie Epikur, Wuppertal August 2006 110 change/exchange: Sheila Graber Sharon Melrose Kathryn Wakeman David G Wilkinson Regina Friedrich-Körner Renate Löbbecke Nanny de Ruig bodo berheide Peter Klassen Jörg Lange September 2004 Miron Sima Juli 2002 101 Regio Arte BrindlArt, Christophe Cherry-Pellat, Olaf Engel, Petra Frixe, Georg Janthur, Michael Kemmerich, Eckehard Lowisch, meino.de, Zbigniew Pluszynski, Andre P., Manfred Rademacher, Martin Smida September 2001 100 Tony Cragg Juni 2001 99 Januar 1996 90 Frank Breidenbruch „Bombay – Carrara – Wuppertal“ September 1995 89 13 verschiedene Künstlerinnen „Künstlerinnen der GEDOK“ Mai 1995 88 Eva-Maria Kentner „Malerei 1990 - 1994“ Januar 1995 87 Anneliese und Horst Danos Papadopoulos Juli 1992 78 Renate Löbbecke „Bilder“ März 1992 77 Achim Knispel „Malerei und sonstiges“ Januar 1992 76 Nicole Aders, Bodo Berheide, Angela B.-Clement, Peter Klassen, R.M.E. Streuf, Rüdiger Tag, Ike Vogt Kultur im Stadtteil: Gerd Hanebeck Juni 1989 65 Dietrich Maus Januar 1989 64 Hilde und Johannes Birkhölzer September 1988 63 Michael Schröter Kultur im Stadtteil, April 1988 62 Peter Schmitz Februar 1988 61 Franz-Johann Brandau Wolfgang Schmitz und Graziella Drößler Juni 1984 50 Joseph Beuys Januar 1984 49 Rita und Peter Caspary Fotoradierungen, aquarellierte Fotografien, Objekte, Collagen, Zeichnungen und Grafik März 1983 48 Willi Dirx Sptember 1982 47 Otto Coester Fritz Bernuth, Wolgang vom Schemm, Otto Coester „30 Jahre Eduard von der Heydt-Preis – die 50er Jahre“ Januar 1980 33 Gerhard Mauel September 1979 32 „Wuppertaler Künstler sehen Wuppertal“ Arensmeier, Aretz, Besenthal, Blau, Breul, Dirx, Dollerschell, Dost, Flores, Freese, Hoffmann, Horn, Jentgens, März 1975 17 Günter Blau Februar 1975 16 Walter Wohlfeld September 1974 15 Peter Schmitz Wanderausstellung: „Reisezeichnungen“ März 1974 14 Kurt Nantke „Zeichnungen und Ölbilder“ Februar 1974 13 127 Gruppe Kairos: Anna Stöcker Klaudia Anosike Kirsten Rönfeld März 2013 126 Hans Reichel featuring Maurycy September 2012 125 Harald Hilscher Ike Vogt Klaus Küster Februar 2012 124 Hans-Jürgen Hiby – Gerd Hanebeck September 2011 123 Rob de Vry – Masaki Yukawa März 2011 122 figura magica – bodo berheide Catherine Schlingmann Marion Settekorn David Mega Tetsuya Hasegawa Alejandra Rudoff Shuzo Azuchi Gulliver Julissa Moncada Lopez Folly Koumouganh Pablo Pupiro Dominic Sansoni September 2010 121 Andrea Hold-Ferneck Stefan Bräuniger Musik: Yuko Igarashi, Andreas Heimann Mai 2010 120 Michael Alles Marlies Blauth Jürgen Darski Krzysztof Juretko Enric Rabasseda Annika Weber Erik Schönenberg Januar 2010 119 Georg Janthur Andreas Komotzki September 2009 118 Nicolas Stiller Dr. Hermann Ühlein Katy Martin Michael Zwack Rob Brown Shazzi Thomas Ute Völker Februar 2009 116 Ute Becker Joanna Danovska Petra Göbel Hildegard Harwix Sylvie Hauptvogel Vassiliki Karampataki Renate Löbbecke Irmhild Löffert-Kresse Monika Ortmann Duda Voivo Erika Windemuth IMO Zimmermann Hanne Horn Mai 2008 115 „Shona trifft Tinga Tinga” März 2008 114 Uwe Becker Eugen Egner Jorgo Peter Kaczmarek Ari Plikat Polo Eberhard Schlichting Sobe R.M.E. Streuf Peter Thulke Januar 2008 113 Nicht in Arkadien Dietmar Fecke Annette Marks Hans Schulte August 2007 112 Konstruktion und Formerlebnis: Max Burchartz, Werner Graeff, Jupp Ernst Werkbund und freie Kunst Juni 2007 111 Dialog Wil Sensen – Peter Caspary Eine Ausstellung der 109 Malerei X 3: Nina Fandler, Sarah Pelikan, E. M. Kentner Mai 2004 108 Die Langheimer: Hohe Tiere, wilde Bestien, sanfte Lämmer und die Kunst Robert Hartmann Werner Reuber Ulrike Zilly Februar 2004 107 Rudolf Schoofs / Werner Schriefers „Gemälde und Zeichnungen“ September 2003 106 „Gut angelegt“ 10 Künstlerinnen der GEDOK Wuppertal Ioanna Danovska Anita Herzog-Graf Vassiliki KarampatakiFiene Felicitas LensingHebben Irmhild Löffert-Kresse Uta Majmudar Ulla Schenkel Daniela SchmidtBaumann Dagmar Stöcker Erika Windemuth Mai 2003 105 Jens, Manuel und Rolf Löckmann Januar 2003 104 Die Werft Eckehard Lowisch, meino.de, Björn Borgmann, Kurt Majewski, Andre P. (Przybylak) September 2002 103 „Karambolage“: Felix Baltzer / Arvid Boecker / Udo Dziersk Januar 2003 102 Renate Löbbecke, Nanny de Ruig, Irene Warnke Januar 2001 98 Helge Hommes, Christian von Grumbkow, Sebastiaan Spit September 2001 97 „... über Grenzen gehen ...“: bodo berheide, Anne Büssow, Irini Bratti, Eckhard Froeschlin, David Klammer, Akoueté Amouzou-Glikpa, Peter Kowald, Peter Klassen, Regina Friedrich-Körner, Jörg Lange Januar 2000 96 Nicole Aders, Holger Bär Januar 1999 95 Anne Büssow, Eckhard Froeschlin September 1998 94 Hildegard Tolkmitt September 1997 93 Michael Seeling „Träger des KunstPreises der Sparkasse“ März 1997 92 Sabine Tschirschky, Helga Elben, Eugen Busmann, Kurt Luhn, Enric Rabaseda, Rainer Storck „6 Künstler der BKG“ September 1996 91 Jürgen Grölle, UweKampf, Josef Scherrer BollengrabenHülsenbeck Oktober 1994 86 Ulrike Arnold, Georg Janthur, Andreas Junge, Daniela Schmidt-Baumann, Juliane Steinbach, Dino Alic, Sali Almuça Mumajesi, Irini Bratti, Ismail Çoban, Hassan Hashemi-Dehkordi, Juri Ilin-Adaev, Martin Smida „Fremde wahrnehmen – ausländische und deutsche Künstler in Wuppertal“ September 1994 85 Bodo Berheide April 1994 84 „Kunst aus Kroatien“ März 1994 83 Dietrich Maus, Jürgen Grölle, Marita G. Weiden, Ulle Hees, Andreas Junge, KH.W. Steckelings, Björn Ueberholz „Kunst auf der Talsohle“ September 1993 82 Christa Zimmermann September 1993 81 verschiedene Künstler „Shona-Skulpturen: Neue Kunst aus Zimbabwe“ März 1993 80 Wolfgang Schmitz August 1992 79 „Kaiser-Linden“ November 1991 75 siebenundzwanzig verschiedene Künstler „Aus allen Richtungen“, internationale Künstler in Wuppertal September 1991 74 Susanne Kessler „Arbeiten 1990 - 1991“ Juni 1991 73 Hans Limberg Kultur im Stadtteil, April 1991 72 Ulrike Arnold April 1991 71 Ute Klophaus „Herbstreise nach Kosiçe 1989“ Oktober 1990 70 Jutta Jahn Kultur im Stadtteil: „Zeichnungen und Malerei“ September 1990 69 Jochen Fischer „Bilder 1986 - 1990“ Mai 1990 68 Adelheid Goedeking, Barbara Jendritzko, Doris Rathke „Textilbilder“ Februar 1990 67 Hans-Jürgen Hiby „Skulturen und Skizzen“ Oktober 1989 66 „aus Anlass des 75. Geburtstages“ Juni 1987 60 verschiedene Künstler „Figurale Skulpturen aus dem Von der HeydtMuseum“ Februar 1987 59 Bettina Mauel „Unterwasserbilder“ September 1986 58 Hermann Ueberholz „Landschaften und Objekte“ Februar 1986 57 Ernst Oberhoff November 1985 56 KH.W. Steckelings Kultur im Stadtteil: „Lichtbilder“ Mai 1985 55 Rolf Escher „Arbeitsprozesse – Skizzen, Zeichnungen und Radierungen“ Mai 1985 54 Inge Hagedorn und Günter Krings „Tanztheater Pina Bausch“ März 1985 53 Hermann Ueberholz Kultur im Stadtteil: Januar 1985 52 Jürgen Störr Oktober 1984 51 Juni 1982 46 Wil Sensen „Die Entstehung einer Radierung“ September 1981 45 Ernst Oberhoff Juli 1981 44 Rita Caspary Kultur im Stadtteil: Juni 1981 43 Michael Schröter Kultur im Stadtteil: „Venecia Aprile MCMLXIII – Spurensicherung in Vendig“ Februar 1981 42 Studenten der BUGH, Fachbereich V Wuppertal Januar 1981 41 Regina Friedrich-Körner September 1980 40 Peter Caspary Kultur im Stadtteil: August 1980 39 Franz-Johann Brandau August 1980 38 Gerd Hanebeck, Wolfgang Schmitz, Günther Blau, Alfred Leithäuser, Udo Meyer August 1980 37 Wilfried Reckewitz, Rudolf Schoofs, Wilhelm Hüsgen, Willi Dirx, Paul Wellershaus Mai 1980 36 Klaus Losch April 1980 35 Irmhild Löffert März 1980 34 Max Burchartz, Georg Meistermann, Kühn, Kresse, Lang, Leithäuser, Löffert, Losch, Mauel-Beseler, Nantke, Oberhoff, Paling, Platte, Priebe, Reckewitz, Reichard, Reimers, Ritter, Röder: Adolf, Georg, Helmut, Eva; Schatz, Schnell, Schmitz, Sehlbach, Wächter, Wellershaus, Wolff. Februar 1979 31 Heinz Velten März 1979 30 Gerd Aretz September 1978 29 Studenten der BUGH, Fachbereich V Februar 1978 28 Franz-Johann Brandau September 1977 27 Erich Kresse Juli 1977 26 Peter Freese Februar 1977 25 Charlotte Encke, Rosemarie LandsiedelEicken, Marita Niederstrasser, Klaus Burandt Dezember 1976 24 Wolfgang Schmitz September 1976 23 Johannes Birkhölzer Juli 1976 22 Erwin Heerich April 1976 21 Marta Schmetz Februar 1976 20 Ismail Çoban September 1975 19 Ludwig Wilding Juni 1975 18 Ernst Oberhoff Adolf Luther „Licht und Materie“ September 1973 12 Ernst Oberhoff „Farbige Grafik und Multiples“ März 1973 Georg F. Schorer Mai 1973 11 Wolfgang vom Schemm Januar 1973 10 Erich Kresse April 1972 9 Johannes Birkhölzer Februar 1972 8 Wilhem Geißler September 1971 7 Willi Dirx, Enric Rabaseda Juni 1971 6 Otto Schulze März 1971 5 Peter Schmitz November 1970 4 Guido Jendritzko, Hans-Jürgen Hiby März 1970 3 Paul Wellerhaus, Erich Kresse, Walter Wohlfeld, Ernst Oberhoff Januar 1970 2 K. H. Ueberholz, Adolf Röder, Wilfried Reckewitz, Ernst Oberhoff September 1969 1 Herbert Wächter Dezember 1968 MAUS & PAULUS Eröffnung am Mittwoch, den 6. April 2016, 19.30 Uhr Sparkassenforum am Islandufer in Wuppertal-Elberfeld Es spricht: Dr. Oliver Zybok, Kunsthistoriker Musik: Annette Gadatsch Querflöte, Harald Mohs Flügel namakemono Musik von Hans Reichel Dauer der Ausstellung bis zum 3. Juni 2016. Es erscheint ein Katalog.
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