Referat: Inhouse-Vergaben Arbeitsunterlagen 1.) Einleitungstext Professor Säcker 2.) Gesetzestext §§ 108, 109 GWB mit Amtlicher Begründung 3.) Art. 12-14 der Vergaberichtlinie 4.) Art. 17 der Konzessionsrichtlinie 5.) Art. 28 der Sektorenrichtlinie 6.) Entwicklung der Privatkapitalausnahme im EU-Gesetzgebungsverfahren 7.) Die Rechtsprechung des EuGH zum Inhouse-Geschäft und Quasi-InhouseGeschäft 8.) Wichtige Originalzitate des EuGH zum Kontrollkriterium als Voraussetzung einer Inhouse-Vergabe in deutscher und englischer Fassung 9.) Bericht des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vom 11.1.2013 10.) EU-Council: Proposal of the final compromise - Text vom 12.7.2013 11.) Consideration of Imco-amendments (Ergebnis der Trilog-Verhandlungen) vom 21.12.2012 12.) Kompromisstext des Vorsitzes vom 30.11.2012 13.) Stellungnahme der Bundesregierung zum Grünbuch der EU-Kommission zur Modernisierung des Vergaberechts vom 18.5.2011 14.) Beschluss des Bundesrates zum Grünbuch der EU-Kommission vom 18.3.2011 Prof. Dr. Dr. Dres. h.c. Franz Jürgen Säcker Die Inhouse-Vergabe nach deutschem Recht Ist ein Leistungserbringer derselben juristischen Person zugeordnet wie der Auftraggeber, hat die Auftragsvergabe keine Außenwirkung. Es handelt sich um ein nicht dem Vergabeverfahren unterworfenes Inhouse-Geschäft, das ohne Vertrag i.S. der §§ 145 ff. BGB abgewickelt wird.1 Die Rechtsprechung hat dem klassischen Inhouse-Geschäft unter engen Kriterien gleichgestellt die Auftragsvergabe an eine von ihr beherrschte Tochtergesellschaft (Quasi-Inhouse-Geschäft). Im Regierungsentwurf des Vergabemodernisierungsgesetzes2 wird die Inhouse- und Quasi-Inhouse-Vergabe in § 108 GWB erstmals ausdrücklich gesetzlich geregelt. Dabei sollen die europarechtlichen Vorgaben möglichst 1:1 umgesetzt werden.3 I. Bisherige Rechtslage Die Freistellung von Inhouse- und Quasi-Inhouse-Geschäften vom Vergaberecht beruht auf den in der Teckal-Entscheidung4 des EuGH aufgestellten Kriterien, die in zahlreichen weiteren Urteilen durch die Rechtsprechung weiterentwickelt wurden (s. Homepage des Instituts für Energie- und Regulierungsrecht). Der Beschaffungsvorgang eines öffentlichen Auftraggebers fällt wegen rechtlicher bzw. wirtschaftlicher Identität nicht unter das Vergaberecht, „wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche (zu beauftragende) Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft verrichtet, die ihre Anteile innehat“. Im Urteil vom 19.4.2007 hält der EuGH – Asemfo – bereits 10% Fremdumsatz für schädlich. Erst bei kumulativem Vorliegen 1 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl 2014, § 99 GWB Rn. 101 ff.; Das deutsche Recht unterwirft in § 46 Abs. 5 EnWG allerdings auch solche Inhouse-Geschäfte bei Energie- und Wasserkonzessionen der Ausschreibung. 2 Regierungsentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts v. 8.7.2015, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Wirtschaft/Oeffentliche-Auftraege-und-Vergabe/reform-desvergaberechts.html (zuletzt abgerufen am 13.7.2015). 3 Art. 12 RL 2014/24/EU v. 26.2.2014. 4 EuGH, Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107/98. 2 dieser Voraussetzungen wird eine Ausnahme vom Vergaberecht gemacht.5 Den Grund dafür sieht der EuGH darin, dass einer öffentlichen Stelle die Möglichkeit offen stehen soll, ihre dem Allgemeininteresse unterfallende Aufgabe mit ihren eigenen Mitteln zu erfüllen, ohne sich an externe Dienstleister wenden zu müssen. Dieser Grundsatz findet aber seine Grenze im System unverfälschten Wettbewerbs: „Zum anderen kann eine solche Zusammenarbeit öffentlicher Stellen das Hauptziel der Gemeinschaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen – einen freien Dienstleistungsverkehr und die Eröffnung eines unverfälschten Wettbewerbs in allen Mitgliedstaaten – nicht in Frage stellen, solange die Umsetzung dieser Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, und der in der Richtlinie 92/50 genannte Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten gewährleistet ist, do dass kein privates Unternehmen besser gestellt wird als seine Wettbewerber (vgl. in diesem Sinne Urteil Stadt Halle und RPL Lochau, Randnrn. 50 und 51).“ II. EU-Richtlinienpaket vom 17.4.2014 Am 17.4.2014 sind die neuen EU-Vergaberichtlinien in Kraft getreten, die die zuvor nicht normierten EU-Inhouse-Vergaberegeln kodifizieren. Die frühere Richtlinie über die Auftragsvergabe (2004/18/EG) wurde abgelöst durch RL 2014/24/EU (VRL). Die bisherige Sektorenkoordinierungsrichtlinie 2004/17/EG wurde ersetzt durch RL 2014/25/EU (SRL). Neben einer umfassenden Überarbeitung der bisher schon bestehenden Vergaberichtlinien wurde ergänzend eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe (2014/23/EU) (Vergabe von Baukonzessionen) erlassen (KVR). Die Sektoren- und Konzessionsrichtlinie enthalten zusätzliche Bestimmungen, die mit der herkömmlichen Inhouse-Vergabe vergleichbare Fälle von Auftragsvergaben im Zusammenhang mit anderen von diesen Richtlinien erfassten Auftraggebern regeln. Art. 28 SRL und Art. 17 KVR stimmen bis auf wenige unwesentliche Abweichungen mit Art. 12 5 OLG Düsseldorf, Beschl. V. 4.5.2009. 3 VRL überein. Somit gelten die gleichen Voraussetzungen für eine Inhouse-Vergabe6 in allen drei Bereichen. Im Kern sind die in der „Teckal“-Entscheidung herausgebildeten Kriterien übernommen. Der Begriff „Inhouse-Vergabe“ wird dabei nicht genutzt. Stattdessen wird von Vergabe „öffentliche(r) Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors“ gesprochen. III. Vergabemodernisierungsgesetz Die Vorschriften des Art. 12 der Richtlinie 2014/24/EU und die Besonderheiten der beiden anderen Richtlinien zur Öffentlich-Öffentlichen Zusammenarbeit (Inhouse-Geschäfte und interkommunale Kooperationen) werden 1:1 ins deutsche Recht übertragen.7 Gemäß § 108 GWB müssen folgende Kriterien erfüllt sein, um eine ausschreibungsfreie Inhouse-Vergabe zu gewährleisten: Der öffentliche Auftraggeber übt eine ähnliche Kontrolle aus wie über seine eigenen Dienststellen. Es besteht keine direkte private Kapitalbeteiligung an der kontrollierten juristischen Person mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die in Übereinstimmung mit den Verträgen durch nationale gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln. Mehr als 80 % der Tätigkeit der kontrollierten juristischen Person dient der Ausführung der Aufgaben, mit denen sie betraut wurde. Das Kontrollkriterium ist in § 108 Abs. 1 S. 1 GWB genauer beschrieben. Danach wird die Ausübung einer Kontrolle vermutet, wenn der öffentliche Auftraggeber einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der kontrollierten Person ausübt. 6 Art. 12 RL 2014/24/EU und der dazu gehörige Erwägungsgrund Nr. 32; nahezu wortgleich Art. 28 RL 2014/25/EU und Art. 17 RL 2014/23/EU. 7 Regierungsentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts v. 8.7.2015, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Wirtschaft/Oeffentliche-Auftraege-und-Vergabe/reform-desvergaberechts.html (zuletzt abgerufen am 13.7.2015). 4 § 108 Abs. 1 Nr. 3 GWB setzt eine neue Regelung der Vergabe-Richtlinie um, die es als Ausnahme zuvor nicht gegeben hatte. Das Verbot privater Kapitalbeteiligung wird entgegen der Rechtsprechung auf direkte Formen beschränkt. Eine indirekte private Kapitalbeteiligung wird zugelassen. Der EuGH hatte entschieden, dass die Minderheitsbeteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausschließt.8 Das EU-Parlament sprach sich dagegen für eine Lockerung dieses Kriteriums aus9 und konnte sich durchsetzen. Grund waren insbesondere nationale Besonderheiten. Private Beteiligungen sind in Deutschland, Frankreich und Belgien in speziellen Sektoren gesetzlich zwingend vorgeschrieben (z.B. Wasserwirtschaftsverbände, soziale Wohnungsbaugesellschaften).10 „Nicht-beherrschende Formen der privaten Kapitalbeteiligung“ sollen in diesen Fällen deshalb eine Inhouse-Vergabe nicht ausschließen. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, wird in Erwägungsgrund 32 der Vergaberichtlinie umschrieben: „An kontrollierte juristische Personen vergebene öffentliche Aufträge sollten nicht der Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren unterliegen, wenn der öffentliche Auftraggeber über die betreffende juristische Person eine Kontrolle ausübt, die mit der vergleichbar ist, die er über seine eigenen Dienststellen ausübt, vorausgesetzt die kontrollierte juristische Person führt mehr als 80% ihrer Tätigkeiten in Ausführung der Aufgaben aus, mit denen sie von dem kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen durch diesen öffentlichen Aufraggeber kontrollierten juristischen Personen betraut worden ist, und zwar ungeachtet des Begünstigten der Ausführung des Auftrags. Diese Ausnahme sollte sich nicht auf Situationen erstrecken, in denen ein privater Wirtschaftsteilnehmer am Kapital der kontrollierten juristischen Person unmittelbar beteiligt ist, da die Vergabe eines öffentlichen Auftrags ohne Wettbewerbsverfahren dem am Kapital der kontrollierten juristischen Person beteiligten privaten Wirtschaftsteilnehmen einen unzulässigen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern verschaffen würde. Mit Blick auf die besonderen Merkmale öffentlicher Einrichtungen mit Pflichtmitgliedschaft, wie die für Verwaltung oder die Ausführung bestimmter öffentlicher Dienstleistungen verantwortlichen Organisationen, sollte dies jedoch nicht in Fällen gelten, in denen die Beteiligung bestimmter privater Wirtschaftsteilnehmer am Kapital der kontrollierten juristischen Person durch eine nationale gesetzliche Bestimmung im Einklang mit den Verträgen vorgeschrieben ist, sofern es sich nicht um eine beherrschende Form der Beteiligung oder eine Form der Beteiligung mit Sperrminorität handelt und sofern die Beteiligung keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der kontrollierten juristischen Person ausübt. Es sollte ferner klargestellt werden, dass das entscheidende Element allein die direkte private Beteiligung an der kontrollierten juristischen Person ist. Eine private Kapitalbeteiligung 8 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03. Bericht des Europäischen Parlaments v. 11.1.2013, http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=//EP//TEXT+REPORT+A7-2013-0007+0+DOC+XML+V0//DE, zuletzt abgerufen am 21.7.2015. 10 Schwab/Giesemann, VergabeR 2014, 351, 354. 9 5 am kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder den kontrollierenden öffentlichen Auftraggebern schließt daher die Vergabe öffentlicher Aufträge an die kontrollierte juristische Person ohne die Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren nicht aus, da solche Beteiligungen den Wettbewerb zwischen privaten Wirtschaftssteilnehmern nicht nachteilig beeinflussen. Es sollte auch klargestellt werden, dass öffentliche Auftraggeber wie Einrichtungen des öffentlichen Rechts, bei denen eine private Kapitalbeteiligung bestehen kann, in der Lage sein sollten, die Ausnahmeregelung für eine horizontale Zusammenarbeit in Anspruch zu nehmen. Sind alle anderen Bedingungen im Zusammenhang mit der horizontalen Zusammenarbeit erfüllt, so sollte sich die Ausnahmeregelung für die horizontale Zusammenarbeit folglich auf solche öffentlichen Auftraggeber erstrecken, bei denen der Auftrag ausschließlich zwischen öffentlichen Auftraggebern geschlossen wird.“ Was aber genau eine solche Form indirekter Beteiligung ist, bleibt legislativ offen.11 Dabringhausen12 fasst darunter stille Beteiligungen. Knauff13 will nur die in Erwägungsgrund 32 der Vergaberichtlinie genannten gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungen gelten lassen. Dieser Ansicht schließt sich Greb14 an und macht auf Abgrenzungsschwierigkeiten u.a. bei atypischen stillen Beteiligungen aufmerksam. Der durch solche atypischen Gestaltungen entstehende unternehmerische Einfluss des Teilhabers ist durchaus vergleichbar mit jenem Einfluss, welchen der EuGH15 als schädlich für eine ausschreibungsfreie Vergabe ansieht. § 108 GWB erklärt, den europäischen Vorgaben folgend, folgende Inhouse-Fälle für ausschreibungsfrei: Aufträge zwischen Tochtergesellschaften verschiedener Auftraggeber,16 (§ 108 Abs. 3 Var. 2) Aufträge zwischen Enkelgesellschaften verschiedener Auftraggeber,17 (Abs. 2 S. 2) Aufträge von Tochtergesellschaften an die beherrschende Muttergesellschaft (sog. „Bottom-Up-Vergabe“)18. (§ 108 Abs. 3 Var. 1) Schließlich enthält § 108 GWB (ebenso wie die EU-Richtlinie) Hinweise zur Berechnung des Drittgeschäfts. Dieses darf künftig bis zu 20 % (bisher: 10 %) des Umsatzes ausmachen.19 Vgl. dazu näher Säcker, Nichtkontrollierende-Minderheitsbeteiligungen (Non-controlling Minority Shareholdings) im deutschen und europäischen Wettbewerbsrecht, in: Festschrift für Helmut Köhler, 2015, S. 565 ff. 12 Dabringhausen, VergabeR 2014, 512, 516. 13 Knauf, EuZW 2014, 486, 488. 14 Greb, VergabeR 2015, 289, 292. 15 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03 ff; näher Säcker, aaO. 16 § 108 Abs. 3 Var. 2 GWB. 17 § 108 Abs. 2 S. 2 GWB. 18 § 108 Abs. 3 Var. 1 GWB. 11 6 Ebenso wie die EU-Richtlinie lässt § 108 GWB bezüglich des Drittgeschäfts offen, ob die beauftragte Gesellschaft bei einem horizontalen Inhouse-Geschäft nur für die gemeinsame Mutter oder auch für die beauftragende Schwestergesellschaft tätig sein darf. Stuft man die Tätigkeiten für die Schwestergesellschaft als Tätigkeit für die gemeinsame Mutter ein, spricht viel für die zweite Auffassung. Voraussetzung dafür ist, dass es nur eine beherrschende Mutter gibt. Inhouse-Aufträge zwischen „Halbschwestern“, deren Muttergesellschaften nicht vollständig identisch sind, sind jedenfalls ausschreibungspflichtig. 19 § 108 Abs. 1 Nr. 2 GWB. Referat: Inhouse-Vergaben Arbeitsunterlagen 1.) Einleitungstext Professor Säcker 2.) Gesetzestext §§ 108, 109 GWB mit Amtlicher Begründung 3.) Art. 12-14 der Vergaberichtlinie 4.) Art. 17 der Konzessionsrichtlinie 5.) Art. 28 der Sektorenrichtlinie 6.) Entwicklung der Privatkapitalausnahme im EU-Gesetzgebungsverfahren 7.) Die Rechtsprechung des EuGH zum Inhouse-Geschäft und Quasi-InhouseGeschäft 8.) Wichtige Originalzitate des EuGH zum Kontrollkriterium als Voraussetzung einer Inhouse-Vergabe in deutscher und englischer Fassung 9.) Bericht des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz vom 11.1.2013 10.) EU-Council: Proposal of the final compromise - Text vom 12.7.2013 11.) Consideration of Imco-amendments (Ergebnis der Trilog-Verhandlungen) vom 21.12.2012 12.) Kompromisstext des Vorsitzes vom 30.11.2012 13.) Stellungnahme der Bundesregierung zum Grünbuch der EU-Kommission zur Modernisierung des Vergaberechts vom 18.5.2011 14.) Beschluss des Bundesrates zum Grünbuch der EU-Kommission vom 18.3.2011 Prof. Dr. Dr. Dres. h.c. Franz Jürgen Säcker Die Inhouse-Vergabe nach deutschem Recht Ist ein Leistungserbringer derselben juristischen Person zugeordnet wie der Auftraggeber, hat die Auftragsvergabe keine Außenwirkung. Es handelt sich um ein nicht dem Vergabeverfahren unterworfenes Inhouse-Geschäft, das ohne Vertrag i.S. der §§ 145 ff. BGB abgewickelt wird.1 Die Rechtsprechung hat dem klassischen Inhouse-Geschäft unter engen Kriterien gleichgestellt die Auftragsvergabe an eine von ihr beherrschte Tochtergesellschaft (Quasi-Inhouse-Geschäft). Im Regierungsentwurf des Vergabemodernisierungsgesetzes2 wird die Inhouse- und Quasi-Inhouse-Vergabe in § 108 GWB erstmals ausdrücklich gesetzlich geregelt. Dabei sollen die europarechtlichen Vorgaben möglichst 1:1 umgesetzt werden.3 I. Bisherige Rechtslage Die Freistellung von Inhouse- und Quasi-Inhouse-Geschäften vom Vergaberecht beruht auf den in der Teckal-Entscheidung4 des EuGH aufgestellten Kriterien, die in zahlreichen weiteren Urteilen durch die Rechtsprechung weiterentwickelt wurden (s. Homepage des Instituts für Energie- und Regulierungsrecht). Der Beschaffungsvorgang eines öffentlichen Auftraggebers fällt wegen rechtlicher bzw. wirtschaftlicher Identität nicht unter das Vergaberecht, „wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche (zu beauftragende) Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft verrichtet, die ihre Anteile innehat“. Im Urteil vom 19.4.2007 hält der EuGH – Asemfo – bereits 10% Fremdumsatz für schädlich. Erst bei kumulativem Vorliegen 1 Dreher, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl 2014, § 99 GWB Rn. 101 ff.; Das deutsche Recht unterwirft in § 46 Abs. 5 EnWG allerdings auch solche Inhouse-Geschäfte bei Energie- und Wasserkonzessionen der Ausschreibung. 2 Regierungsentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts v. 8.7.2015, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Wirtschaft/Oeffentliche-Auftraege-und-Vergabe/reform-desvergaberechts.html (zuletzt abgerufen am 13.7.2015). 3 Art. 12 RL 2014/24/EU v. 26.2.2014. 4 EuGH, Urt. v. 18.11.1999, Rs. C-107/98. 2 dieser Voraussetzungen wird eine Ausnahme vom Vergaberecht gemacht.5 Den Grund dafür sieht der EuGH darin, dass einer öffentlichen Stelle die Möglichkeit offen stehen soll, ihre dem Allgemeininteresse unterfallende Aufgabe mit ihren eigenen Mitteln zu erfüllen, ohne sich an externe Dienstleister wenden zu müssen. Dieser Grundsatz findet aber seine Grenze im System unverfälschten Wettbewerbs: „Zum anderen kann eine solche Zusammenarbeit öffentlicher Stellen das Hauptziel der Gemeinschaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen – einen freien Dienstleistungsverkehr und die Eröffnung eines unverfälschten Wettbewerbs in allen Mitgliedstaaten – nicht in Frage stellen, solange die Umsetzung dieser Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, und der in der Richtlinie 92/50 genannte Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten gewährleistet ist, do dass kein privates Unternehmen besser gestellt wird als seine Wettbewerber (vgl. in diesem Sinne Urteil Stadt Halle und RPL Lochau, Randnrn. 50 und 51).“ II. EU-Richtlinienpaket vom 17.4.2014 Am 17.4.2014 sind die neuen EU-Vergaberichtlinien in Kraft getreten, die die zuvor nicht normierten EU-Inhouse-Vergaberegeln kodifizieren. Die frühere Richtlinie über die Auftragsvergabe (2004/18/EG) wurde abgelöst durch RL 2014/24/EU (VRL). Die bisherige Sektorenkoordinierungsrichtlinie 2004/17/EG wurde ersetzt durch RL 2014/25/EU (SRL). Neben einer umfassenden Überarbeitung der bisher schon bestehenden Vergaberichtlinien wurde ergänzend eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe (2014/23/EU) (Vergabe von Baukonzessionen) erlassen (KVR). Die Sektoren- und Konzessionsrichtlinie enthalten zusätzliche Bestimmungen, die mit der herkömmlichen Inhouse-Vergabe vergleichbare Fälle von Auftragsvergaben im Zusammenhang mit anderen von diesen Richtlinien erfassten Auftraggebern regeln. Art. 28 SRL und Art. 17 KVR stimmen bis auf wenige unwesentliche Abweichungen mit Art. 12 5 OLG Düsseldorf, Beschl. V. 4.5.2009. 3 VRL überein. Somit gelten die gleichen Voraussetzungen für eine Inhouse-Vergabe6 in allen drei Bereichen. Im Kern sind die in der „Teckal“-Entscheidung herausgebildeten Kriterien übernommen. Der Begriff „Inhouse-Vergabe“ wird dabei nicht genutzt. Stattdessen wird von Vergabe „öffentliche(r) Aufträge zwischen Einrichtungen des öffentlichen Sektors“ gesprochen. III. Vergabemodernisierungsgesetz Die Vorschriften des Art. 12 der Richtlinie 2014/24/EU und die Besonderheiten der beiden anderen Richtlinien zur Öffentlich-Öffentlichen Zusammenarbeit (Inhouse-Geschäfte und interkommunale Kooperationen) werden 1:1 ins deutsche Recht übertragen.7 Gemäß § 108 GWB müssen folgende Kriterien erfüllt sein, um eine ausschreibungsfreie Inhouse-Vergabe zu gewährleisten: Der öffentliche Auftraggeber übt eine ähnliche Kontrolle aus wie über seine eigenen Dienststellen. Es besteht keine direkte private Kapitalbeteiligung an der kontrollierten juristischen Person mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die in Übereinstimmung mit den Verträgen durch nationale gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln. Mehr als 80 % der Tätigkeit der kontrollierten juristischen Person dient der Ausführung der Aufgaben, mit denen sie betraut wurde. Das Kontrollkriterium ist in § 108 Abs. 1 S. 1 GWB genauer beschrieben. Danach wird die Ausübung einer Kontrolle vermutet, wenn der öffentliche Auftraggeber einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der kontrollierten Person ausübt. 6 Art. 12 RL 2014/24/EU und der dazu gehörige Erwägungsgrund Nr. 32; nahezu wortgleich Art. 28 RL 2014/25/EU und Art. 17 RL 2014/23/EU. 7 Regierungsentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts v. 8.7.2015, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/DE/Themen/Wirtschaft/Oeffentliche-Auftraege-und-Vergabe/reform-desvergaberechts.html (zuletzt abgerufen am 13.7.2015). 4 § 108 Abs. 1 Nr. 3 GWB setzt eine neue Regelung der Vergabe-Richtlinie um, die es als Ausnahme zuvor nicht gegeben hatte. Das Verbot privater Kapitalbeteiligung wird entgegen der Rechtsprechung auf direkte Formen beschränkt. Eine indirekte private Kapitalbeteiligung wird zugelassen. Der EuGH hatte entschieden, dass die Minderheitsbeteiligung eines privaten Unternehmens am Kapital einer Gesellschaft, an der auch der öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausschließt.8 Das EU-Parlament sprach sich dagegen für eine Lockerung dieses Kriteriums aus9 und konnte sich durchsetzen. Grund waren insbesondere nationale Besonderheiten. Private Beteiligungen sind in Deutschland, Frankreich und Belgien in speziellen Sektoren gesetzlich zwingend vorgeschrieben (z.B. Wasserwirtschaftsverbände, soziale Wohnungsbaugesellschaften).10 „Nicht-beherrschende Formen der privaten Kapitalbeteiligung“ sollen in diesen Fällen deshalb eine Inhouse-Vergabe nicht ausschließen. Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, wird in Erwägungsgrund 32 der Vergaberichtlinie umschrieben: „An kontrollierte juristische Personen vergebene öffentliche Aufträge sollten nicht der Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren unterliegen, wenn der öffentliche Auftraggeber über die betreffende juristische Person eine Kontrolle ausübt, die mit der vergleichbar ist, die er über seine eigenen Dienststellen ausübt, vorausgesetzt die kontrollierte juristische Person führt mehr als 80% ihrer Tätigkeiten in Ausführung der Aufgaben aus, mit denen sie von dem kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen durch diesen öffentlichen Aufraggeber kontrollierten juristischen Personen betraut worden ist, und zwar ungeachtet des Begünstigten der Ausführung des Auftrags. Diese Ausnahme sollte sich nicht auf Situationen erstrecken, in denen ein privater Wirtschaftsteilnehmer am Kapital der kontrollierten juristischen Person unmittelbar beteiligt ist, da die Vergabe eines öffentlichen Auftrags ohne Wettbewerbsverfahren dem am Kapital der kontrollierten juristischen Person beteiligten privaten Wirtschaftsteilnehmen einen unzulässigen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern verschaffen würde. Mit Blick auf die besonderen Merkmale öffentlicher Einrichtungen mit Pflichtmitgliedschaft, wie die für Verwaltung oder die Ausführung bestimmter öffentlicher Dienstleistungen verantwortlichen Organisationen, sollte dies jedoch nicht in Fällen gelten, in denen die Beteiligung bestimmter privater Wirtschaftsteilnehmer am Kapital der kontrollierten juristischen Person durch eine nationale gesetzliche Bestimmung im Einklang mit den Verträgen vorgeschrieben ist, sofern es sich nicht um eine beherrschende Form der Beteiligung oder eine Form der Beteiligung mit Sperrminorität handelt und sofern die Beteiligung keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der kontrollierten juristischen Person ausübt. Es sollte ferner klargestellt werden, dass das entscheidende Element allein die direkte private Beteiligung an der kontrollierten juristischen Person ist. Eine private Kapitalbeteiligung 8 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03. Bericht des Europäischen Parlaments v. 11.1.2013, http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=//EP//TEXT+REPORT+A7-2013-0007+0+DOC+XML+V0//DE, zuletzt abgerufen am 21.7.2015. 10 Schwab/Giesemann, VergabeR 2014, 351, 354. 9 5 am kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder den kontrollierenden öffentlichen Auftraggebern schließt daher die Vergabe öffentlicher Aufträge an die kontrollierte juristische Person ohne die Anwendung der in dieser Richtlinie vorgesehenen Verfahren nicht aus, da solche Beteiligungen den Wettbewerb zwischen privaten Wirtschaftssteilnehmern nicht nachteilig beeinflussen. Es sollte auch klargestellt werden, dass öffentliche Auftraggeber wie Einrichtungen des öffentlichen Rechts, bei denen eine private Kapitalbeteiligung bestehen kann, in der Lage sein sollten, die Ausnahmeregelung für eine horizontale Zusammenarbeit in Anspruch zu nehmen. Sind alle anderen Bedingungen im Zusammenhang mit der horizontalen Zusammenarbeit erfüllt, so sollte sich die Ausnahmeregelung für die horizontale Zusammenarbeit folglich auf solche öffentlichen Auftraggeber erstrecken, bei denen der Auftrag ausschließlich zwischen öffentlichen Auftraggebern geschlossen wird.“ Was aber genau eine solche Form indirekter Beteiligung ist, bleibt legislativ offen.11 Dabringhausen12 fasst darunter stille Beteiligungen. Knauff13 will nur die in Erwägungsgrund 32 der Vergaberichtlinie genannten gesetzlich vorgeschriebenen Beteiligungen gelten lassen. Dieser Ansicht schließt sich Greb14 an und macht auf Abgrenzungsschwierigkeiten u.a. bei atypischen stillen Beteiligungen aufmerksam. Der durch solche atypischen Gestaltungen entstehende unternehmerische Einfluss des Teilhabers ist durchaus vergleichbar mit jenem Einfluss, welchen der EuGH15 als schädlich für eine ausschreibungsfreie Vergabe ansieht. § 108 GWB erklärt, den europäischen Vorgaben folgend, folgende Inhouse-Fälle für ausschreibungsfrei: Aufträge zwischen Tochtergesellschaften verschiedener Auftraggeber,16 (§ 108 Abs. 3 Var. 2) Aufträge zwischen Enkelgesellschaften verschiedener Auftraggeber,17 (Abs. 2 S. 2) Aufträge von Tochtergesellschaften an die beherrschende Muttergesellschaft (sog. „Bottom-Up-Vergabe“)18. (§ 108 Abs. 3 Var. 1) Schließlich enthält § 108 GWB (ebenso wie die EU-Richtlinie) Hinweise zur Berechnung des Drittgeschäfts. Dieses darf künftig bis zu 20 % (bisher: 10 %) des Umsatzes ausmachen.19 Vgl. dazu näher Säcker, Nichtkontrollierende-Minderheitsbeteiligungen (Non-controlling Minority Shareholdings) im deutschen und europäischen Wettbewerbsrecht, in: Festschrift für Helmut Köhler, 2015, S. 565 ff. 12 Dabringhausen, VergabeR 2014, 512, 516. 13 Knauf, EuZW 2014, 486, 488. 14 Greb, VergabeR 2015, 289, 292. 15 Vgl. EuGH, Urt. v. 11.1.2005, Rs. C-26/03 ff; näher Säcker, aaO. 16 § 108 Abs. 3 Var. 2 GWB. 17 § 108 Abs. 2 S. 2 GWB. 18 § 108 Abs. 3 Var. 1 GWB. 11 6 Ebenso wie die EU-Richtlinie lässt § 108 GWB bezüglich des Drittgeschäfts offen, ob die beauftragte Gesellschaft bei einem horizontalen Inhouse-Geschäft nur für die gemeinsame Mutter oder auch für die beauftragende Schwestergesellschaft tätig sein darf. Stuft man die Tätigkeiten für die Schwestergesellschaft als Tätigkeit für die gemeinsame Mutter ein, spricht viel für die zweite Auffassung. Voraussetzung dafür ist, dass es nur eine beherrschende Mutter gibt. Inhouse-Aufträge zwischen „Halbschwestern“, deren Muttergesellschaften nicht vollständig identisch sind, sind jedenfalls ausschreibungspflichtig. 19 § 108 Abs. 1 Nr. 2 GWB.
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