Überraschende Töne aus Xiamen

TIPPS UND TRENDS
Am Stand der Huada Superabrasives Tool Technology Co Ltd., Quanzhou, des
grössten chinesischen Anbieters von Diamantwerkzeugen und Diamantseilsägen
Schon seit vier Jahren beteiligen sich jeweils etwa zehn französische Natursteinanbieter im Rahmen eines Gemeinschaftsstandes. Fotos: Robert Stadler
Überraschende Töne aus Xiamen
Das Zentrum der internationalen Natursteinwirtschaft verlagert
sich zunehmend nach Asien. Wer daran noch zweifeln sollte, dem
sei ein Besuch der chinesischen Fachmesse »Xiamen Stone Fair«
empfohlen. Allerdings: Steigende Lohn- und Transportkosten sowie
zunehmende Aufwendungen für den Umweltschutz und für mehr
Sicherheit dürften das Wachstum in der chinesischen Steinindustrie
in den nächsten Jahren abschwächen.
Best Cheer, das größte Natursteinproduktionswerk
Chinas, spricht seine deutschsprachige Kundschaft in Xiamen gezielt an.
2 N aturstein
06 |12
Die Cristallina SA aus Cevio/Tessin war erstmals in
Xiamen und kam mit ihrem ganz aus »Swissness«
ausgerichteten Auftritt gut an.
ie Einladung kam überraschend.
Am Abend des ersten Messetages,
noch bevor sich Aussteller und geladene Gäste beim traditionellen
Eröffnungsbuffet an leckeren chinesischen
Köstlichkeiten gütlich tun konnten, lud
Zou Chuansheng, der Präsident des chinesischen Natursteinverbandes, einige ausgewählte internationale Branchenrepräsentanten und Fachjournalisten zu einem Erfahrungs- und Meinungsaustausch ein.
Zou informierte erst über die aktuelle wirtschaftliche Lage seiner Branche und erkundigte sich dann, wie man im Westen
über die chinesische Natursteinindustrie
denke. Dass diese – insbesondere in Bezug
auf Arbeitsbedingungen, Arbeitssicherheit
und Umweltschutz – nicht den besten Ruf
genießt, ist man sich auch in China bewusst. Teils auf Druck der Regierung, teils
Feierliche Eröffnung der Xiamen Stone Fair 2012
vor viel Publikum
STONE DESIGN FORUM
Stein materialgerechter
einsetzen
Gelbgrüner Onyx aus Pakistan am Stand von Wanlong Stone, Shuitou, Provinz Fujian/China.
Aufwendig gestalteter Stand von Best Cheer.
Das Bodenbelagsmuster besteht aus einem
dunkelgrauen Naturstein in sandgestrahlter
und polierter Oberflächenbearbeitung.
aus eigenem Antrieb strebt die chinesische
Steinindustrie in den genannten Bereichen
jetzt Verbesserungen an. Sein Verband,
dem etwa 1000 Unternehmen angehören,
habe 2011 einen entsprechenden Maßnahmenkatalog erarbeitet, der gegenwärtig
noch bei der Regierung liege, sagte Zou.
Bei den vorgesehenen Maßnahmen geht
es um die Bekämpfung übermäßiger
Staub- und Lärmbelastung in den Betrieben, um Klärschlammentsorgung, Abwasserreinigung usw. In all diesen Bereichen
sieht Zou gute Möglichkeiten einer intensiveren Zusammenarbeit mit westlichen
Unternehmen und Organisationen, dies
nicht nur auf technischem Gebiet, sondern
auch im Bereich des Managements. Einer
der Hintergründe für solche Anstrengungen ist der zunehmende Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Die Arbeit in den
Steinbrüchen und Verarbeitungswerken ist
hart und oft extrem gesundheitsschädigend. Um noch genügend Personal zu finden, müssen nach übereinstimmenden
Aussagen mehrerer chinesischer Steinunternehmer heute fast doppelt so hohe
Löhne wie noch vor fünf Jahren bezahlt
werden. Dies und steigende Frachtkosten
sowie die tendenziell immer stärker werdende chinesische Währung verteuern die
Exporte. Die Wirtschaftskrise in großen
Teilen der Welt macht der chinesischen
Steinexportwirtschaft zusätzlich zu schaffen und dürfte sich auf den Außenhandel
schon bald noch negativer als bisher auswirken.
Messe baut weiter aus
Von all dem war auf der »Xiamen Stone
Fair 2012« vom 6. bis 9. März allerdings
Dürfen auf keiner chinesischen Messe fehlen:
Steinskulpturen – von
Herkules bis Madonna
mit Kind ...
Am zweiten Messetag fand im Kongresszentrum Xiamen erstmals das »Stone Design
Forum« statt. Fünf Referenten aus ebenso vielen Ländern befassten sich mit aktuellen
Trends in der Verwendung von Naturstein in
Design und Architektur. Einer der Redner war
der Berliner Fachjournalist und
Verleger Peter Becker von der
Internetplattform www.stoneideas.com. Was in den letzten
Jahren unter dem Titel SteinDesign entwickelt wurde, sei größtenteils
Unsinn, befand Becker. An Beispielen nannte
er massive steinerne Badewannen, die unnötig viel Energie verbrauchten, um das Wasser
auf einer angenehmen Badetemperatur zu
halten, oder massive Gebrauchsgegenstände
wie Stühle, die sich in Wohnräumen nicht oder
nur mit großer Anstrengung verschieben lassen. Becker plädierte für einen materialgerechteren Einsatz von Naturstein – auch und
gerade bei Designprodukten. Die materialspezifischen Eigenschaften wie etwa das hohe
Gewicht oder die Langlebigkeit müssten
zweckmäßiger und am richtigen Ort genutzt
werden: »Wichtig ist, dass der Designer genau
weiß, was Stein kann und was er eben nicht
kann«.
Einen anderen Akzent setzte der
Schweizer Bildhauer Ernesto
Ghenzi aus Rapperswil/St. Gallen. Er machte den rund hundert vorwiegend asiatischen Besuchern klar, dass Design-Massenanfertigungen in der Schweiz und anderen europäischen
Ländern nicht gefragt seien. »Der Schwerpunkt liegt bei uns bei individuellen, eigenständigen und handwerklich gut gestalteten
Arbeiten«, sagte er. »Zudem bevorzugt unser
Design klare, prägnante Linien und keine
Schwülstigkeiten.«
Zwei weitere Forum-Beiträge befassten sich
mit Steintrends in den USA und in Japan. Der
japanische Redner, ein Architekt, zeigte Bilder
von Natursteinfassaden in betont vertikaler
Ausrichtung. Ist dies vielleicht bereits die Gegenbewegung zu den bei uns mittlerweile allgegenwärtigen horizontal geschichteten Riemchenfassaden? Den Schlusspunkt der vom
Schreibenden dieser Zeilen moderierten Veranstaltung setzte eine Vertreterin aus Pakistan. Sie stellte ein Unterstützungsprojekt der
Unido (United Nations Industrial Development)
vor, das pakistanischen Investoren den Zugang zur Steinbranche als Unternehmerinnen
und Produzentinnen erleichtern soll, wobei
ein Schwerpunkt im Bereich Fertigung und
Handel von Steinmosaiken gesetzt wird.
Robert Stadler
N aturstein
06 |12 3
S TAT E M E N T S
TIPPS UND TRENDS
MEINUNGEN ZUR MESSE IN XIAMEN
Partner und Problemlöser
von A bis Z
Stärken vermehrt ausspielen
Wolfram Glaudo, Export Director der H. Geiger GmbH,
Stein- und Schotterwerke,
Kinding/Pfraundorf:
Michael Holzäpfel (l.), Managing Director
der Juma GmbH & Co. KG, WaltingGungolding zusammen mit Exportmanager
Johannes Mayer:
»Ziel unserer Messeteilnahme in Xiamen war es, den chinesischen und anderen internationalen Kunden zu zeigen, dass wir ihnen nicht nur Fertigprodukte aus Naturstein liefern, sondern sie bei komplexen konkreten Projekten von A bis Z unterstützen können. Wir haben dies mit dem kürzlich
abgeschlossenen Auftrag für eine große repräsentative chinesische Shopping Mall in Nanjing bereits eindrücklich unter Beweis gestellt. Bei diesem
Auftrag lieferten wir fast 60 000 m2
Fassaden- und Bodenplatten ›Made in
Germany‹. Auf dieser Schiene möchten
wir weiter fahren: als kompetenter
Partner und Problemlöser von A bis Z.
Auf dem gesamten internationalen
Markt – nicht nur auf dem chinesischen. Die Aussichten sind positiv.«
Im Blockhandel unser
wichtigster Markt
Andreas Rohm, Exportmanager, Franken-Schotter
GmbH & Co. KG, Dietfurt:
»Wir beteiligten uns zum
dritten Mal an dieser
Messe. Die Veranstaltung hat sich innerhalb weniger Jahre
sehr positiv entwickelt und ist heute
zweifellos die bedeutendste Fachveranstaltung Asiens, wenn nicht gar weltweit. Wir hatten allerdings das Gefühl,
dass es diesmal in den Ausstellungshallen etwas ruhiger war als in den
Vorjahren. Das mag auch etwas mit
dem ständigen Weiterausbau des Ausstellungsgeländes zusammenhängen.
Mit einem bedeutenden Anteil im Bereich des Rohblockhandels ist China
für uns der mit erheblichem Abstand
wichtigste Absatzmarkt. Wir liefern
aber auch Unmaßplatten und teilweise
sogar Fertigware. Weil Xiamen immer
häufiger Händler aus aller Welt anzieht, kommen internationale Anbieter
an dieser Messe künftig kaum mehr
vorbei.«
4 N aturstein
06 |12
»Wir haben in den letzten Jahren bedeutende
Mengen an Jura-Marmor-Rohblöcken
nach China liefern können. Jetzt
möchten wir den inzwischen bereits
soliden Kundenkreis weiter ausbauen.
Der Jura-Marmor ist ja ein international
bekannter Naturwerkstein und in technischer Hinsicht den meisten farbähnlichen Kalksteinen aus anderen Ländern
überlegen. Vielen weltweit planenden
Architekten ist dies bekannt und sie
schätzen die Qualitäten des Jura-Marmors insbesondere auch als Material
für die Aussenfassade. Weltweit findet
man eindrucksvolle und erfolgreiche
Anwendungsbeispiele, die dies beweisen. Diese Stärke muß man nutzen, um
das Anwendungsspektrum noch weiter
auszudehnen.«
Überraschend international
Franz Killing, Geschäftsführer der Albert Killing
Natursteine GmbH,
Anröchte:
»Die Internationalität
der Messe war beeindruckend; im Vergleich dazu verblasst die
Stone+tec in Nürnberg. Wir präsentierten in Xiamen unseren Anröchter Stein
sowie Dalmatia Beige, einen Kalkstein
aus Kroatien. Mit dem Anröchter stießen wir auf großes Interesse. Viele
während der Messe geknüpfte Kontakte erachten wir als sehr viel versprechend, sodass wir im nächsten Jahr
höchst wahrscheinlich wieder teilnehmen werden. Nicht ganz zufrieden waren wir allerdings mit der Logistik beim
Aufbau unseres Messestandes. Am
Vorabend der Messeeröffnung mussten wir viel improvisieren, damit
schließlich doch noch alles rechtzeitig
klappte.«
Stolz auf unsere Weltneuheit
Cesare Maurino, CEO
der Cristallina SA,
Cevio/Tessin, Schweiz:
»Internationale Natursteinhändler sind ständig auf der Suche nach
exklusiven Materialien. Mit der erstmaligen Präsentation unseres CristallinaMarmors stießen wir beim Publikum in
Xiamen daher auf großes Interesse.
Die meisten Besucher hatten keine Ahnung, dass es in der Schweiz auch echten Marmor gibt. Wir stellten sieben
unserer insgesamt neun Cristallina-Varietäten vor, die wir im kürzlich erworbenen eigenen Steinbruch im Tessin
abbauen – seit Neuestem übrigens unterirdisch. Wir sind stolz, diese Weltneuheit in China präsentiert zu haben
und sind aufgrund der zahlreichen interessanten Kontakte gespannt auf die
Reaktionen.«
Spannende Entwicklung
Jacques Thibaut,
CEO Thibaut Maschinen,
Vire Cedex Frankreich:
»Am chinesischen Markt
sind wir nicht interessiert, wohl aber am internationalen. Deshalb sind wir hier,
denn in Xiamen treffen wir fast alle unsere internationalen Kunden. Xiamen
hat sich zu einem internationalen
Treffpunkt wie Verona entwickelt. Die
Messe dürfte jetzt allmählich ihren
höchsten Level erreicht haben. Die
Preise und Löhne steigen in China momentan stärker als anderswo auf der
Welt. Das ist eine spannende Entwicklung. Heute ist China die Fabrik der
Welt. Doch wenn die Preise weiterhin
so stark steigen und die Währung einmal aufgewertet wird, könnte dies bald
wieder anders aussehen. Vielleicht ist
es dann interessant, auch wieder in
Europa zu produzieren ...«
Messe ist fast zu groß
Markus Goltz, Inhaber
und Geschäftsführer der
Markus Goltz Naturstein,
Geestgottberg/Seehausen,
Sachsen-Anhalt:
»Ich war als Besucher
das erste Mal in China und bin sehr
überrascht, wie modern und fortschrittlich sich Xiamen präsentiert. Die
Messe empfand ich als riesig, ja als
fast zu groß, um sie noch in vernünftiger Zeit bewältigen zu können. Ich
selbst interessierte mich vor allem für
figürliche Objekte im Bereich Gartenund Landschaftsbau. Hier hatte ich mir
allerdings ein noch etwas vielfältigeres
und größeres Angebot vorgestellt.
Sehr stark vertreten waren dafür die
Anbieter von Mosaiken aller Art.«
Vorführung einer CNC-gesteuerten
Waterjet-Anlage beim chinesischen
Produzenten Foshan Yongshengda
Machinery Co., Ltd.
Mit Licht effektvoll in Szene gesetzt: zwei aus Granit
gefertigte Grabmale in typisch japanischem Stil
noch wenig zu spüren. Wie bereits in Naturstein 5/2012 berichtet, setzte die Messe
ihren seit elf Jahren ungebrochenen Aufwärtstrend fort. Sämtliche Ausstellungshallen waren bis auf den letzten Platz belegt. Über hundert Interessenten hätten
auf das kommende Jahr vertröstet werden
müssen, teilten die Organisatoren mit. Bis
dahin sollen weitere Messehallen, ein
neues Service-Center und ein vergrößertes
Freigelände zur Verfügung stehen. Das
Messezentrum umfasst inzwischen eine
Gesamtfläche von 11,5 Hektar; nächstes
Jahr sollen es bereits 15 Hektar sein. Mit
inzwischen mehr als 120 000 registrierten
Eintritten und über 1500 Ausstellern aus
allen Kontinenten liegt die Xiamen Stone
Fair zumindest quantitativ heute klar vor
der Marmomacc in Verona.
Auffallend einmal mehr, wie viele Länder
sich auf der Messe mit Gemeinschaftsständen beteiligten. Aus Europa waren es
Alle wichtigen Produzentenländer der
Welt sind in Xiamen mit Gemeinschaftsständen vertreten. Xiamen ist heute
ausgesprochen international.
diesmal Italien, Spanien, Portugal, Frankreich, Griechenland und die Türkei, aus
anderen Teilen der Welt u. a. Brasilien,
Iran und Ägypten. Aus Deutschland waren mehrere Anbieter von Jura-Marmor
und Solnhofener Platten mit Einzelständen anzutreffen, einzelne davon das erste Mal. Auch aus der Schweiz waren
zwei Steinanbieter vertreten (vgl. dazu
»Meinungen zur Messe«).
Ein schier unerschöpflicher Markt
Teure europäische Natursteine in einem
Billiganbieterland wie China – kann diese
Rechnung aufgehen? Ja, durchaus. Ein
Grund ist der wachsende Wohlstand eines
Teils der chinesischen Gesellschaft. Vor allem in den Großstädten hat sich eine Be-
völkerungsschicht gebildet, die sich Luxusprodukte leisten kann – und aus Prestigegründen auch leisten will. Bei solchen
Menschen spielt der Preis eine untergeordnete Rolle. Das zeigt sich nicht nur bei
Luxusgütern wie Autos, Uhren, Schmuck,
teuren Designerkleidern, Wein oder Edelschokoladen, sondern auch bei exklusiven
Natursteinen. Erstaunlicherweise ist China heute weltweit nicht nur der größte
Exporteur, sondern inzwischen auch der
bedeutendste Importeur von Naturstein.
Allerdings sind die chinesischen Händler
in der Regel nur an Rohblöcken interessiert. Diese werden in China zu tieferen
Kosten verarbeitet und danach nicht nur
auf dem wachsenden Heimmarkt abgesetzt, sondern teilweise wieder nach
Robert Stadler
Übersee exportiert.
1/4 Anzeige quer
N aturstein
06 |12 5