Lichtigfeld-Schule in Frankfurt am Main (Grundschule)

Frankfurter Neue Presse
So sehen Sieger aus
03.07.2015
Von Thorben Pehlemann
Warum kämpften deutsch-jüdische Soldaten im 1. Weltkrieg? Und wie gehen jüdische Familien
mit dem Holocaust um? Neuntklässler der Lichtigfeldschule lieferten Antworten – und wurden
Landessieger im „Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten“.
Foto: Heike LydingLeroy Schwarz (15), Yael Hillebrecht (15), Noah Aron (14), Cori Lott (15) und
Klassenlehrerin Dr. Elke Maiwald (von links) freuen sich über den Landessieg im Geschichtswettbewerb.
Nordend.
„Wir wollten verstehen, warum Juden Anfang des 20. Jahrhunderts unbedingt ins Militär
wollten“, erklärt Cori Lott, Neuntklässlerin der Isaak-Emil-Lichtigfeldschule. Gemeinsam mit den
Mitschülern Yael Hillebrecht und Maximilian Novikov wälzte sie die Geschichtsbücher und
andere Dokumente – dann erstellten die drei ein 50-seitiges Buch mit Antworten. Ähnlich erging
es den Mitschülern Leroy Schwarz und Noah Aron. „Wie gehen jüdische Familien mit dem
Holocaust um?“, fragten sie sich – und machten einen emotionalen Dokumentarfilm über
Großmutter, Mutter und Schwester von Leroy Schwarz.
Beide Werke, das Buch und der Film, entstanden als Projektarbeiten zum Thema „Anders sein.
Außenseiter in der Geschichte“ im Rahmen des „Geschichtswettbewerbs des Bundespräsidenten“.
Dieser wird bundesweit seit 1973 ausgeschrieben, mehr als 136 000 Jugendliche beteiligten sich
seither. Die Lichtigfeldschüler sicherten sich indes einen besonderen Platz unter den Teilnehmern:
Sie wurden unter den 5000 Jugendlichen des Jahrgangs 2015 (wie auch Teilnehmer aus Idstein,
Langen, Gießen und Marburg) als hessische Landessieger ausgewählt und haben nun die Chance,
einen von fünf Bundespreisen zu gewinnen.
Ausgrenzung
Lott, Hillebrecht und Novikov wunderten sich, warum Juden für Deutschland an die Front im
Ersten Weltkrieg wollten, waren sie doch schon lange vorher und insbesondere hinterher
gesellschaftlicher Ausgrenzung ausgesetzt. Schließlich diente die sogenannte „Dolchstoßlegende“
später rechtsnationalen Gruppierungen zur Rechtfertigung, Menschen jüdischen Glaubens für die
Niederlage im Ersten Weltkrieg verantwortlich zu machen – und zum Anstoß der
Stimmungsmache, die im Holocaust enden sollte.
Schon im 19. Jahrhundert wurden Juden aus dem kaiserlichen Militär ausgegrenzt, im Gegensatz
zu den Armeen in England, Frankreich oder USA. Yael Hillebrecht erklärt: „Die Juden überlegten
damals, wie sie auf dieselbe Anerkennungsebene wie ihre Mitbürger kämen. ,Ich muss doch
anerkannt werden, wenn ich für mein Vaterland sterbe’, dachten sie.“ Wie historische Dokumente
den Schülern erklärten, war dies ein Irrtum: Zwar kämpften viele Juden als Soldaten, doch blieben
sie von Offizierslaufbahnen und gesellschaftlichem Aufstieg ausgeschlossen – weil es unter der
christlichen Ehre stehe, sich von einem Juden befehligen zu lassen. „Sogar wenn sie kämpfen,
wird es immer Vorurteile gegen Juden geben“, resümiert Hillebrecht.
Etwas versöhnlicher, aber nicht weniger tragisch, erscheint derweil die Geschichte der jüdischen
Familie Schwarz, die Leroy Schwarz und Noah Aron in dem Film „Drei Frauen – Drei
Generationen“ festhalten. Leroys Großmutter, Eva Szepesi (83), seine Mutter Anita (51) und seine
Schwester Celine (17) schildern darin den generationsübergreifenden Umgang mit dem Holocaust
und dessen Einfluss auf die Familie. Im Fokus steht dabei die Biografie von Eva Szepesi, die ihre
Erlebnisse auch in dem Buch „Ein Mädchen allein auf der Flucht“ schildert: Wie ihr Vater im
Arbeitsdienst starb, sie selbst als Kind aus Budapest floh, dabei Mutter und Bruder verlor und
schließlich ins Konzentrationslager Theresienstadt gebracht wurde. Wie stark der Einfluss auf die
Familie, die in den 1950ern nach Frankfurt übersiedelte, trotz der Rettung durch das russische
Militär war, wird greifbar in der langen Sprachlosigkeit von Szepesi: „Ich habe nicht einmal mit
meinem Mann darüber gesprochen“, sagt sie im Film. Die erste Tochter erfuhr wegen des
Traumas erst mit neun Jahren, dass sie jüdischer Abstammung ist – Szepesi verheimlichte es ihr
aus Angst vor weiteren Repressionen.
Trauma verarbeitet
Dass die Familie das Trauma mittlerweile verarbeitet hat, zeigt schon die Möglichkeit, einen
derart persönlichen Film zu machen. Dass man sich wegen jüdischen Glaubens aber gerade in
Deutschland noch immer „anders“ fühlen kann oder manchmal auch muss, wie es das Thema des
Wettbewerbs andeutet, zeigen Aussagen der jüngsten Generation Schwarz: Im Sprachcamp habe
ein Kind geglaubt, Juden seien allesamt „ausgestorben“, berichtet Celine. Und Leroy stellt
hinsichtlich der Sicherheitslage jüdischer Deutscher und etwa der Lichtigfeldschule fest: „Solange
jüdische Schulen von der Polizei geschützt werden müssen, braucht es solche Projekte.“