Service 48 IMMOBILIEN BUSINESS_04/2015 Neue Regeln für den Zweitwohnungsbau Recht – Am 12. März hat das Parlament das Zweitwohnungsgesetz verabschiedet. Die neuen Bestimmungen sorgen für Rechtssicherheit – und geben den betroffenen Gemeinden wieder etwas Spielraum für Baubewilligungen. Von Michael Fischer, Samuel Ramp und Sara Müller Am 11. März 2012 hat das Schweizer Volk die Initiative «Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!» mit knapper Mehrheit angenommen. Gestützt auf den neuen Verfassungsartikel hat das Parlament Mitte März das Zweitwohnungsgesetz (ZWG) verabschiedet, welches die bisher geltende Verordnung des Bundesrates ablösen wird. Das Gesetz, welches voraussichtlich auf den 1. Januar 2016 in Kraft treten wird, sieht die folgenden Bestimmungen vor. Als «Zweitwohnung» gilt, was keine «Erstwohnung» ist Wie schon in der Verordnung beschränkt das ZWG Zweitwohnungen in einer Gemeinde sowohl in ihrer Anzahl als auch in ihrer Fläche: So beträgt der zulässige Anteil an Zweitwohnungen im Verhältnis zum Gesamtbestand der Wohneinheiten einer Gemeinde maximal 20 Prozent; auch die Bruttogeschossflächen der Zweitwohnungen dürfen nur 20 Prozent der Bruttogeschossflächen aller Wohneinheiten einer Gemeinde ausmachen. Als «Zweitwohnungen» gelten alle Wohnungen, die nicht als Erstwohnungen oder als den Erstwohnungen gleichgestellte Wohnungen qualifiziert werden. Typischerweise sind das Ferienwohnungen. Als «Erstwohnung» im Sinne des Zweitwohnungsgesetzes ist wiederum eine Wohnung zu verstehen, welche von mindestens einer Person genutzt wird, die niedergelassen ist. Niedergelassen ist eine Person dort, wo sie sich in der Absicht dauernden Verbleibens aufhält, um den Mittelpunkt ihres Lebens zu begründen. Die Autoren: Michael Fischer (o.l.), Samuel Ramp (o. M.) und Sara Müller (o.r.) sind als Rechtsanwälte und Immobilienspezialisten für die Wirtschaftsanwaltskanzlei Froriep tätig. Die Kanzlei ist mit 90 Anwälten an den Standorten Zürich, Genf, Lausanne, Zug, London und Madrid vertreten. «Den Erstwohnungen gleichgestellte Wohnungen» sind gemäss ZWG Wohnungen, die Personen zu Erwerbs- oder zu Ausbildungszwecken bewohnen, oder Leerwohnungen, die seit weniger als einem Jahr leer stehen, bewohnbar sind und zur dauernden Miete oder zum Kauf angeboten werden. Weiter zählen dazu auch Wohnungen zur kurzzeitigen Unterbringung von Personal und Dienstwohnungen für Personen des Gastgewerbes, Spital- oder Heimpersonal. Ausnahmen zum Grundsatz des Bauverbots von Zweitwohnungen Nach dem Zweitwohnungsgesetz ist der Bau von Zweitwohnungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen, auch wenn ihr zulässiger Anteil von 20 Prozent am Gesamtwohnungsbestand einer Gemeinde überschritten ist. Das ZWG sieht folgende Ausnahmen vor: Zulässiger Bau von Zweitwohnungen innerhalb von Bauzonen: In geschützten Baudenkmälern müssen Gemeinden mit einem Zweitwohnungsanteil von über 20 Prozent den Bau neuer Zweitwohnun- gen bewilligen. Voraussetzung ist, dass die dauernde Erhaltung der Baute nicht auf anderem Weg sichergestellt werden kann und dass die Baute in ihrem Schutzwert nicht beeinträchtigt wird (Erhaltung von äusserer Erscheinung und baulicher Grundstruktur). Ausserdem dürfen dem Bau der Zweitwohnung keine überwiegenden privaten und öffentlichen Interessen entgegenstehen. Zulässiger Neubau von Zweitwohnungen ausserhalb der Bauzonen: In sogenannten landschaftsprägenden Bauten ausserhalb der Bauzonen ist der Neubau von Zweitwohnungen ebenfalls möglich (soweit nach den Bestimmungen der Raumplanungsgesetzgebung zulässig). Gemäss dem neuen ZWG kann der Eigentümer eine bestehende ortsbildprägende Baute auch zu einer Zweitwohnung umnutzen oder zu einer solchen umbauen. Voraussetzung dafür ist, dass die Baute bedeutend ist und im Rahmen der Nutzungsplanung unter Schutz gestellt wurde. Umnutzung, Umbau und Erweiterung von «altrechtlichen Wohnungen»: Nach der geltenden Verordnung können Ei- IMMOBILIEN BUSINESS_04/2015 gentümer von Wohnungen, die am 11. März 2012 rechtmässig gebaut oder rechtskräftig bewilligt waren (sogenannte «altrechtliche Wohnungen»), unter Vorbehalt bestehender Nutzungseinschränkungen von Erst- in Zweitund von Zweit- in Erstwohnungen umgenutzt werden. Diese Regelung hat der Gesetzgeber auch in das neue Zweitwohnungsgesetz übernommen. Das Gesetz erlaubt zudem neu, dass altrechtliche Wohnungen erneuert, umgebaut oder aufgebaut werden dürfen. Ferner ist es dem Eigentümer gemäss dem neuen Zweitwohnungsgesetz auch erlaubt, altrechtliche Wohnungen um bis zu 30 Prozent ihrer Fläche auszubauen. Voraussetzung für die Erteilung einer solchen Baubewilligung ist jedoch, dass die Wohnung entweder als Erst- oder als touristisch bewirtschaftete Wohnung gilt (siehe dazu nächsten Abschnitt). Der flächenmässige Ausbau einer Zweitwohnung ist folglich unter den neuen Gesetzesbestimmungen nicht mehr möglich. Spezialfall der touristisch bewirtschafteten Wohnungen: Wie bereits in der heute geltenden Verordnung vorgesehen, haben Gemeinden nach dem neuen Zweitwohnungsgesetz auch dann eine Baubewilligung für den Bau von Zweitwohnungen zu erteilen, wenn deren Eigentümer diese als touristisch bewirtschaftete Wohnungen nutzen. Als «touristisch bewirtschaftete Wohnungen» gelten Wohnungen, welche Gästen dauerhaft zur ausschliesslich kurzzeitigen Nutzung angeboten werden und welche entweder im Haus des Eigentümers liegen (sogenannte Einliegerwohnung) oder welche als strukturierte Beherbergungsbetriebe bewirtschaftet werden. Ein strukturierter Beherbergungsbetrieb liegt gemäss Botschaft des Bunderats vor, wenn ein hotelähnliches Betriebskonzept (inklusive dazugehörender minimaler Infrastruktur wie Rezeption) vorhanden ist und der Betrieb eine minimale Grösse aufweist. Nicht darunter fallen jedoch sogenannte Plattformwohnungen, d.h. Wohnungen, die vom Eigentümer auf einer Online-Plattform zur Vermietung angeboten werden. Diese ursprünglich vorgesehene Kategorie von touristisch bewirtschafteten Wohnungen hat der Gesetzgeber bewusst Service 49 aus dem Gesetzesentwurf gestrichen, da Kritiker der Meinung waren, dass eine Gesetzesumgehung dadurch sehr einfach geworden wäre. Besondere Regelungen in Bezug auf Hotel- und strukturierte Beherbergungsbetriebe: Eine weitere Ausnahmeregelung, lässt den Bau von Zweitwohnungen zu, die zur Querfinanzierung eines nicht rentablen Beherbergungsbetriebs oder eines Hotelneubauprojekts erstellt und anschliessend verkauft werden sollen. Dabei ist stets zu beachten, dass die Führung des Beherbergungsbetriebs im Vordergrund zu stehen hat. Das neue Zweitwohnungsgesetz schränkt die Möglichkeit des querfinanzierenden Baus und Verkaufs von Zweitwohnungen insoweit ein, als der Anteil solcher neu zu bauenden Wohnungen an der gesamten Nutzfläche der Zimmer und der Wohnungen 20 Prozent nicht übersteigen darf. Hat ein strukturierter Beherbergungsbetrieb am 11. März 2012 bereits während mindestens 25 Jahren bestanden und kann dieser wirtschaftlich nicht mehr weitergeführt werden, besteht für den Eigentümer bzw. Betreiber des Betriebs die Möglichkeit, die Anlagen des Betriebs bis zu einer Quote von 50 Prozent der Gesamtfläche des Beherbergungsbetriebs zu Zweitwohnungen umzubauen bzw. umzunutzen. Fazit Es wird deutlich, dass das Zweitwohnungsgesetz die Möglichkeit zur Erstellung neuer Zweitwohnungen erheblich einschränkt. So ist es grundsätzlich künftig nicht mehr möglich, eine Baubewilligung für den Bau von Ferienwohnungen zu erhalten, wenn der Zweitwohnungsanteil von 20 Prozent überschritten wird. Doch immerhin können unter gewissen Voraussetzungen in denkmalgeschützten Bauten innerhalb der Bauzone oder in landschaftsprägenden Bauten ausserhalb der Bauzone neue Ferienwohnungen errichtet werden. Besser gestellt durch das neue Zweitwohnungsgesetz werden Eigentümer von bereits bestehenden Ferienwohnungen, da sie ihre Wohnung unter den geltenden baurechtlichen Vorschriften frei renovieren, umbauen und sogar (bis zu einer gewissen Quote) erweitern dürfen. HEV Schweiz Das Zweitwohnungsgesetz – ein «guter Kompromiss» Die laufende Umsetzungsphase des Zweitwohnungsgesetzes brachte für viele Eigentümer eine grosse Rechtsunsicherheit mit sich und lähmte neue Projekte in den betroffenen Gemeinden in unterschiedlichsten Bereichen. Diese Phase ist mit der Verabschiedung des Zweitwohnungsgesetzes nun beendet. Für den HEV Schweiz, der sich in der Zweitwohnungsdebatte für die eigentumsrechtliche Bestandsgarantie, den Werterhalt der Gebäude und eine rasche Wiederherstellung der Planungssicherheit eingesetzt hatte, stellt das nun vorliegende Zweitwohnungsgesetz einen «tragfähigen Kompromiss» dar. Das Bundesparlament habe mit dem ZWG den Weg für eine rasche Inkraftsetzung des Gesetzes geebnet. «Die eingegangenen Kompromisse verletzen die Besitzstandsgarantie nicht und sind für den HEV Schweiz annehmbar, wenn dadurch ein Referendumskampf vermieden werden kann», heisst es in einer Verbandsmitteilung. Die Besitzstandsgarantie war für den HEV Schweiz das zentrale Anliegen im Gesetzgebungsprozess. Die Nutzungsmöglichkeiten bestehender Gebäude sollten nicht weiter eingeschränkt oder mit zusätzlichen Auflagen verknüpft werden. Die Umnutzung in eine Zweitwohnung sollte bei einer altrechtlichen Wohnung bewilligungsfrei möglich bleiben. Dieses Hauptziel sieht der Verband nun erreicht. «Zudem setzten wir uns für den Werterhalt der bestehenden Gebäude ein. Dazu und für eine zeitgemässe Wohnnutzung war es unabdingbar, dass die Eigentümer weiterhin das Recht auf eine massvolle Erweiterung (ohne Nutzungsauflage) haben, wo dies das kommunale Baureglement zulässt», heisst es in der HEV-Mitteilung weiter. Auch dieses Anliegen sei im neuen Zweitwohnungsgesetz berücksichtigt. Der HEV hofft, dass das Zweitwohnungsgesetz nun rasch in Kraft treten kann. (bw)
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