Wohnen 2015-11 044 045 (PDF

DIE DENKMALPFLEGERISCHE
UNTERSCHUTZSTELLUNG
RECHT
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Im Zusammenhang mit Bauvorhaben besteht auch bei Baugenossenschaften nicht
selten Klärungsbedarf, ob eine Wohnsiedlung unter den Schutz der Denkmalpflege
zu stellen ist. Gegebenenfalls ist das Erneuerungsprojekt mit der Denkmalpflege in
Einklang zu bringen. Ein frühzeitiger Kontakt lohnt sich.
öffentlichen Interesse an der Erhaltung
der Baute stehen. Wiederum bewirkt der
Inventareintrag keine verbindliche Unterschutzstellung. Der Grundeigentümer
kann im Nutzungsplanverfahren oder,
wenn seit Errichtung des Inventars kein
solches durchgeführt worden ist, im Baubewilligungsverfahren die Schutzbedürftigkeit bestreiten (Art. 10d Abs. 2 BauG;
Art. 13c Abs. 2 BauV). In beiden Fällen ist
Zürcher Modell
die kantonale Fachstelle (Kantonale
Die gesetzlichen Grundlagen finden sich
Denkmalpflege/Archäologischer Dienst)
hauptsächlich im Planungs- und Baugeobligatorisch durch die Baubesetz (PBG, LS 700.1)2 sowie in der
willigungsbehörde in das Verfahkantonalen Natur- und Heimatren einzubeziehen, sofern die
schutzverordnung (KNHV, LS
MARTIN BACHMANN, RECHTSDIENST
Objekte von überkommunaler
702.11). Die Unterschutzstellung
Bedeutung sind (im Inventar als
beginnt in aller Regel mit der InK-Objekte bezeichnet). Diese erventarisierung einer Baute im
stellt einen Fachbericht. Die
überkommunalen oder kommuBauherrschaft hat kein Anhönalen Denkmalschutzinventar
rungsrecht durch die Fachstelle,
durch das Amt für Raumentbevor diese nicht Bericht erstatwicklung beziehungsweise den
tet hat.7 Indem die DenkmalpfleGemeinde- oder Stadtrat.3 Die
Inventaraufnahme bedeutet aber
ge bereits bei der Projektierung
erst eine Schutzvermutung. Sie
einbezogen wird, kann das Verist zwar nicht eigentümer-, jefahren aber allemal vereinfacht
doch behördenverbindlich. Das
werden. Zum Schluss ist darauf
Telefonische Auskünfte: 044 360 28 40
Gemeinwesen ist verpflichtet, im
hinzuweisen, dass unter beMo–Do 8:30–11:30 Uhr
Inventar eingetragene Bauten
stimmten Bedingungen für die
und Anlagen zu schonen und zu erhalten. privaten und öffentlichen Interessen. Erhaltung oder Restaurierung von BauDaher lässt sich eine inventarisierte Rein finanzielle Interessen des Grundei- denkmälern Finanzhilfen gewährt werWohnsiedlung nicht ohne Weiteres sanie- gentümers sind nicht ausschlaggebend. den.8
ren oder umbauen. Der Ersatzneubau In die Bewertung sollte aber meines Ersetzt sogar den vollständigen Verzicht auf achtens der Umstand einfliessen, dass die
die Unterschutzstellung voraus. Es ist also Baugenossenschaften dem knappen An- 1 BGE 1C_300/2011 vom 03.02.2012 E. 5.1.2
ein definitiver Entscheid über die Schutz- gebot auf dem Wohnungsmarkt mit Woh- 2 §§ 203 – 217 PBG
würdigkeit und allfälliger Schutzmass- nungen zu tragbaren finanziellen Bedin- 3 Die Inventare stehen bei den Gemeindeverwaltungen am Ort der gelegenen Sache, die überkommunagungen entgegentreten.5
nahmen zu treffen.
len überdies bei der Baudirektion zur Einsicht offen.
Hierzu kann der Grundeigentümer ein
4 Fritzsche/Bösch/Wipf, Zürcher Planungs- und Baurecht, Band 1: Planungsrecht, Verfahren und Rechtssogenanntes Provokationsbegehren beim Kanton Bern
schutz, 5. Aufl., 2011, S. 227
Gemeinderat schriftlich stellen, soweit er Auch der bernische Gesetzgeber sieht In- 5 Zum Ganzen die vom Amt für Raumentwicklung
herausgegebene Broschüre «Inventare Denkmalein aktuelles Interesse glaubhaft machen ventare vor. Besonders von Interesse ist
schutz – Erläuterungen zur Erarbeitung, Festsetzung
6
kann (zum Beispiel konkrete Bauabsich- das Bauinventar. Darin enthalten sind
und Anwendung» und Wegleitung im Umgang
mit Wohnsiedlungen im kommunalen Inventar für
ten, Erbteilung, Verkauf). Der Gemeinde- die schützens- und erhaltenswerten Bauschützenswerte Bauten und Anlagen der Stadt
Zürich des Regionalverbands Zürich
rat überweist das Begehren der Baudirek- denkmäler. Im Gegensatz zu ersteren
tion, wenn ein Schutzobjekt in einem können die erhaltenswerten Baudenk- 6 Dazu Art. 10d f. Baugesetz (BauG, BSG 721.0) und
Art. 13 ff. Bauverordnung (BauV, BSG 721.1)
überkommunalen Inventar betroffen ist. mäler abgebrochen werden, wenn deren 7 Zaugg/Ludwig, Kommentar zum Baugesetz, Band I,
4. Aufl., Bern 2013, Art. 10f N. 17, S. 166
Das zuständige Gemeinwesen hat spätes- Erhaltung unverhältnismässig ist. Dies ist
iehe «Merkblatt für den Ablauf von Bauvorhaben
tens innert Jahresfrist über das Provokati- dann der Fall, wenn die Sanierungskosten 8 Sund
für das Beitragsgesuch» der Denkmalpflege des
Kantons Bern
onsbegehren zu entscheiden. Die Kosten in keinem vernünftigen Verhältnis zum
in Denkmalschutzobjekt ist wichtiger Zeitzeuge1 und geniesst – gewollt
oder ungewollt – Schutz. Dieser Schutz ist
schwergewichtig eine kantonale Aufgabe
(Art. 78 Abs. 1 BV). Anhand der Regelungen der Kantone Zürich und Bern soll ein
Überblick über das Verfahren zur Unterschutzstellung verschafft werden.
zwecks Abklärung der Schutzwürdigkeit
sind vom Gemeinwesen zu tragen.4 Anstatt die Schutzwürdigkeit verfügungsweise festsetzen zu lassen, kann eine Unterschutzstellung durch Vertrag mit dem
Gemeinwesen ins Auge gefasst werden.
In jedem Fall ist ratsam, das Bauprojekt
frühzeitig mit der Denkmalpflege abzusprechen. Letztlich geht es bei der Schutzabklärung vor allem um eine Interessenabwägung zwischen dem Interesse der
Denkmalpflege und entgegenstehenden
WOHNEN 11 NOVEMBER 2015
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