Agape und Liebe Christian Hagen

Agape und Liebe
Christian Hagen
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Agape und Liebe
Christian Hagen
Die Liebe ist nicht alles, aber ohne die Liebe ist alles nichts.
Liebe Gemeinde,
die Liebe ist nicht alles, aber ohne die Liebe ist alles nichts. So lautet ein geflügeltes Wort.
Unsere Unti-Abschlüsser haben das Thema „Lass mich der Beweis Deiner Liebe sein“ gewählt
und uns damit vor eine Herausforderung gestellt. Denn was bedeutet schon Liebe? Hat
dieses Wort denn überhaupt noch eine Bedeutung? Ist es nicht mittlerweile ausgelutscht wie
ein alter Kaugummi, der gar keinen Geschmack mehr besitzt? Beim Thema Nächstenliebe
sagte einer unserer Schüler: „Ich kann ja nicht jeden lieben.“ Und das stimmt. Wenn ich
Liebe nur als ein Gefühl verstehe, kann ich wirklich nicht jeden lieben. Das schafft mein
schwaches Herz gar nicht. Da käme mein Herzrhythmus ins Stolpern. Herzinfarktgefahr! Aber
wenn ich Liebe recht verstehe, dann kann ich es vielleicht doch.
Die deutsche Sprache ist sehr genau, exakt, definiert. Viele Worte kann man ganz klar
abgrenzen. Dinge können unmissverständlich benannt werden. Liebe aber ist im Deutschen
etwas schwammiges. Wir sagen „Liebe“ und meinen damit ganz unterschiedliche Dinge. Das
Griechische hat für die Liebe in ihren Unterschieden dagegen 4 (!) Worte, die ich Euch kurz
vorstellen möchte.
„Eros“ ist das wohl bekannteste Wort. Hiervon stammt die Erotik ab. Eros meint das
leidenschaftliche, begehrende Lieben. Die Liebe, die sich nach Verschmelzung sehnt.
Für den Akt der Verschmelzung verwenden wir den groben und ungenügenden
Ausdruck „Liebe machen“. Die Liebe kann im Deutschen eben auch ein
handwerklicher Akt sein, etwas das man macht. Hier zeigt sich, wie unromantisch
unsere Sprache mitunter ist.
Philia: Hier geht es um eine Zuneigung zu Menschen (und Dingen), die einem
nahestehen, die man gerne hat und um die man sich sorgt. Philadelphia zB. ist die
Bruderliebe. Philosophie ist die Liebe zur Weisheit.
Stergo: Auch hier geht es um das „Gerne-haben“.
Und dann gibt es noch die AGAPE.
Von Agape spricht Paulus in 1. Korinther 13, unserem heutigen Text. Klären wir also, was
Agape bedeutet. Agape meint die Liebe bzw. eigentlich die Liebesfähigkeit, die IMMER zuerst
von Gott kommt. Das heisst: alle Liebe kommt von Gott. Es gibt keine Liebe, die nicht ihren
Ursprung in Ihm hätte. Seine Liebe wurde ausgegossen in unsere Herzen, heisst es Röm 5,5.
Und weil Seine Liebe in den Menschen wirksam ist, können sie lieben, sind sie fähig zu
lieben. Dabei ist „Liebe“ nicht mit einem einfachen Gefühl zu verwechseln. Liebe ist nicht
Sympathie und Gernhaben. Liebe, im Sinne von Agape, ist eine Lebenseinstellung, eine
Lebensweise, eine Haltung.
Das ist wichtig. Das sollten wir uns hinter die Ohren schreiben. Liebe ist eine Haltung, die wir
einnehmen. Liebe ist deshalb auch eine Entscheidung, die wir bewusst zu treffen haben.
Lieben heisst, auf meinen Nächsten zu achten. Lieben heisst Abkehr von Egoismus und
Hinwendung zum Mitmenschen. Lieben heisst, eine grundsätzlich wohlwollende Haltung zu
ALLEN Menschen zu haben, sogar zu meinen Feinden und Verfolgern. Ich kann als Mensch
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meine Feinde und Verfolger nicht gefühlsmässig lieb haben. Ich habe keine romantischen
Gefühle für sie. Und das hatten die Apostel für ihre Verfolger sicherlich auch nicht. Aber ich
kann mich entscheiden, auch meine Feinde als Menschen zu sehen. Hinter all dem
Schrecklichen, das sie vielleicht tun, Menschen zu erkennen, die Jesus brauchen. Ich kann
mich entscheiden, sie durch die Augen Gottes zu sehen und zB für sie beten, ihnen Gutes
tun, sie segnen.
Meine Gefühle entstehen oft so, dass ich sie nicht kontrollieren kann. Wie Seifenblasen
steigen sie in mir auf und zerplatzen an meiner Innenseite. Ich kann mir nicht aussuchen,
wen ich nett finde und wen nicht, wer mir sympathisch ist und wen ich nicht riechen kann.
Aber ich trage die Verantwortung dafür, wie ich zu den Menschen stehe, welche Haltung ich
ihnen entgegenbringe.
Als Christen wissen wir uns von Gott bedingungslos geliebt und angenommen. Diese Liebe ist
ausgegossen in unsere Herzen (Röm 5,5). Sie macht unser Herz liebesfähig.
Das Herz ist nach biblischem Verständnis der Ort, wo die Vernunft sitzt, wo Pläne
geschmiedet werden und Lebenshaltungen entstehen. Wenn in unserer Lebenshaltung keine
Liebe ist, sind wir nichts.
Schauen wir kurz an, wie Paulus das verdeutlicht. Ich versuche, seinen Text ein wenig
umzuwandeln und für heute nutzbar zu machen.
Wenn ich die Leute mit meiner Sprache in den Bann ziehen könnte, wenn ich sie fesseln
kann mit meinen Worten und meinem Auftreten, aber damit nur um mich selbst kreise und
mich profilieren und ins Rampenlicht stellen will – dann bin ich nichts. Die Gabe der Sprache
soll den Menschen dienen.
Wenn ich alle Geheimnisse Gottes und Seine Pläne durchschauen würde, wenn ich seinen
Heilsplan entschlüsselt hätte, aber damit nur mich selbst aufspielen möchte vor den
Menschen – dann bin ich nichts. Mein Wissen nützt nichts, wenn es nicht für andere nutzbar
gemacht wird und die Menschen zu Gott führt.
Ja, sogar wenn ich alles weggebe, was ich habe, und bereit bin zu sterben für meinen
Glauben, aber dies im Ende nur für mich selber tue– dann bin ich nichts. Ein Martyrium zu
erdulden, nur um meine eigene Seele zu retten, ist blosser Ausdruck der Angst vor einem
strafenden Gott. Ich bin erschrocken, als ich entdeckte, dass auch ein christliches Martyrium
nur Ausdruck eines extrem Egoismus sein kann, dem es nur um das eigene Seelenheil geht.
So ein Martyrium hat mit Liebe nichts zu tun; viel eher wohl mit Fanatismus und Irrglaube.
Ein liebender Mensch nimmt den Anderen wichtiger als sich selbst. Er bläht sich nicht
künstlich auf. Er versucht, niemanden zu verletzen oder bloss zu stellen. Er ist bereit zu
vergeben und sinnt nicht auf Rache. Ein liebender Mensch freut sich über die Wahrheit und
kämpft für Gerechtigkeit. Ein liebender Mensch kann mehr ertragen, als er meint. Er vertraut
auf Gott und hofft auf dessen Verheissungen.
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Alles, was uns umgibt und was uns ausmacht, ist nur Stückwerk. Es wird eine Zeit kommen,
da wir das alles nicht mehr brauchen werden, weil wir in Gott aufgehoben sein werden
(vollendet!). Für die Zeit bis dahin aber gilt, dass uns drei Dinge bleiben: Glaube (also
unendliches Vertrauen auf Gott), Hoffnung (also die Erwartung, dass uns ALLES zum Guten
dient), Liebe, diese drei. Die grösste unter ihnen aber ist die Liebe – unsere Haltung
gegenüber Gott und den Menschen. Das ist das Wichtigste! Ohne diese Haltung sind wir
nichts, nur schepperndes Blech. Hier bohrt sich der Bibeltext ganz tief in mich hinein und
fragt mich: „Christian, hast Du die richtige Haltung gegenüber den Menschen oder dreht sich
Dein Glaube und Deine Hoffnung nur um Dich selbst? Sind Dir die Menschen wichtig?
Möchtest Du, dass sie gerettet werden? Oder ist es Dir am Ende egal? Hauptsache, Du selbst
bist bei Gott! Du hast das grösste Geschenk bekommen, das ein Mensch bekommen kann –
Beziehung mit Gott! Willst Du dieses Geschenk teilen und vermehren oder für Dich behalten
und eifersüchtig darauf achten, dass es niemand zu Gesicht bekommt? Bist Du Christ, weil
Du eine Einzimmerwohnung im Himmel haben möchtest? Oder möchtest Du im Himmel in
einer riesigen Wohngemeinschaft leben? Bist Du bereit, von dieser Wohnung, die dort
wartet, den Menschen zu erzählen und sie auch dorthin zu führen? Oder möchtest Du nur
ein Plätzchen für Dich selbst? Hast Du die richtige Haltung oder bist Du Egoist?“
Lass mich der Beweis für Deine Liebe sein. Das ist ein wunderschöner Wunsch. Dafür lohnt
es sich zu beten, dafür lohnt es sich morgens aufzustehen. Es ist an uns, unsere Haltung
gegenüber unseren Mitmenschen und gegenüber Gott zu definieren. Unsere UntiAbschlüsser fordern uns dazu heraus.
Lasst uns Liebe leben! In Wort und in Tat!
Denn die Liebe ist nicht alles, aber ohne die Liebe ist alles nichts.
AMEN
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