Aktion Menschlichkeit für Flüchtlingsheim Marbachshöhe, Kassel – Eltern backen Kuchen für Heimbewohner Ein Bericht von Laurent Schaible, Vater und Elternbeirat in der educcare Kita GlücKSkinder Die meisten von uns fahren fast täglich mit unseren Kindern auf dem Weg zu der GlücKSkinderKita an den gelben zweistöckigen Kasernengebäuden der Amalie Wündisch Straße vorbei. Seit August 2015 hat sich das Straßenbild leicht verändert: Weiß verkleidete Bauzäune mit überhängenden Kinderkleidern, See Container, mind. 20 temporäre Dixi-Klo Batterien, ein zwischen den Kasernengebäuden aufgebautes weißes Festzelt sowie auf der Straße spielende Kinder sind neuer Bestandteil der GlücKSkinder Nachbarschaft und neues Zuhause für ca. 30 Familien (200 Menschen) aus Krisenländern. Am 10.09.2015 wurde die Idee zum „Kaffee, Tee und Kuchen Nachmittag“ von der Kitaleitung ins Leben gerufen: Die Eltern und Erzieherinnen statten den Flüchtlingen einen nachbarschaftlichen Besuch ab und bieten ihnen dadurch eine kleine Abwechslung zum Alltag und setzen ein Zeichen der Begegnung. Im Vorfeld wurden die Räumlichkeiten besucht, ein liebevolles, viersprachiges Informationsplakat erstellt und ausgehängt sowie Organisatorisches mit der Heimleitung geklärt. Am 22.10.2015 ist es soweit, wir besuchen unsere neuen GlücKSkinder-Nachbarn. Die Heimanlage wird von Security-und Ordnungsleuten in Warnwesten bewacht. Anfangs noch misstrauisch werden diese jedoch schnell durch unseren Besuch zunehmend freundlich und offenherziger. Im Eingangsbereich sind schon Heimbewohner und vor allem viele Kinder gehen ein und aus. Ich frage Mustafa, einen der Security-Leute an der Eingangstür, wie die grundsätzliche Stimmung hier sei? Er berichtet mir, dass er gerne hier im Familienheim arbeitet – in anderen Flüchtlingsheimen, so berichtet er mir, sei die Stimmung nicht so gut... Bei den Kindern erwacht jetzt eine gewisse freudige Erwartungshaltung, bei den Erwachsenen verspürt man eine nette, aufmerksame Zurückhaltung indem sie ihren gewohnten Beschäftigungen nachgehen. Einige unterhalten sich, andere machen Wäsche, Besorgungen oder räumen auf. Wir fühlen uns nicht unwohl und sind gespannt, wie gut unsere Aktion bei den Heimbewohnern ankommen wird. Die Kinder spielen und wehen mit Deutschlandfahnen am Eingangsbereich und können unsere Ankunft kaum erwarten. Im Familienheim werden die Bierbankgarnituren in einem größeren Kasernenzimmer, welches als Essraum und gleichzeitig als zentrale Materialausgabestelle dient, von der Kitaleitung, Erfahrungsbericht- Aktion Flüchtlingsheim GlücKSkinder- 22.10.2015 L.Schaible Kitamitarbeiterinnen und vereinzelten Heimbewohnern herbstlich geschmückt. Aufgrund der hohen Bewohnerzahl ist im umzäunten provisorischen Innenhof (Teilabschnitt Straße) zwischen den zwei Gebäuden ein beheiztes Zelt aufgebaut, welches ebenfalls eingerichtet und etwas festlicher dekoriert wird. Die Beteiligung der GlücKSkinder-Eltern ist groß – um 14:00 Uhr machen sich Eltern und Mitglieder des Elternbeirates (insgesamt 13 Leute) mit fast 20 Kuchenblechen in den Händen auf den Weg ins Flüchtlingsheim. Bei den Kindern leuchten die Augen, als sie uns mit so viel Kuchen ankommen sehen. Wir teilen uns in zwei Gruppen auf und werden von Security Leuten und Kindern jeweils in die Räume begleitet. Diese füllen sich schnell und die Kinder haben viel Spaß sich gegenseitig schon einmal die Sprühsahne auf ihre Teller zu verteilen. Einige Kinder finden schnell heraus, dass die als Dekoration dienenden Kastaniennüsse eher ungenießbar sind und nehmen sich dann doch lieber ein, und oder mehrere Stück Kuchen. Die Kuchen schmecken allen hervorragend und haben eine sehr kurze Lebensdauer. Die Erwachsenen gesellen sich zwischen die Kinder und trauen sich ebenfalls an die Kuchen. Leider kommt es aufgrund von Sprachbarrieren nur zu spärlichen Konversationen. Wir bekommen trotzdem einen kleinen Einblick in einzelne Schicksale. Überraschenderweise spricht eine Frau aus Afghanistan ganz gut deutsch. Sie ist mit Ihren zwei Kindern alleine nach Deutschland gekommen und hat sich nun zur Aufgabe gemacht, einigen Heimbewohnern ein paar Grundlagen der deutschen Sprache zu lehren. Ab und an, so berichtet sie, kommen Ehrenamtliche und unterrichten Deutsch im Heim. Sie ist sehr froh hier in Deutschland in Sicherheit zu sein und bedankt sich liebevoll bei uns für die Kuchenaktion. Sie betont mehrmals wie glücklich sie ist, hier in Kassel zu sein. Die meisten Familien sind aus Afghanistan und Pakistan. Radha und seine Frau sind mit ihren drei Kindern aus Karachi, Pakistan geflohen. Der Werftteilbesitzer hat bei Ankunft am Frankfurter Flughafen politisches Asyl beantragt und hofft, jetzt in Sicherheit zu sein. Er erzählt mir auf Englisch von seinen Sorgen. Er könne seit Tagen keinerlei Kontakt mehr zu seiner Familie Zuhause aufbauen und wisse nichts über deren Wohlbefinden. Sein Sohn isst seit einigen Tagen nicht mehr richtig und er macht sich zunehmend Sorgen um die Zukunft seiner Familie. Er hofft, dass jetzt bald etwas Ruhe in seine Familie kommt – der Statuswechsel zum Flüchtling, so Radha, sei nicht gerade leicht. Auch habe er von seiner besorgten Schwester, die in England Asyl gefunden hat, erfahren, dass es vermehrt zu Unruhen gegenüber Flüchtlingen in Deutschland gekommen sei – ich höre ihm zu und versuche ihn zu beruhigen, erzähle ihm von den potentiellen Ängsten der Deutschen und bemühe mich, seine Ängste mit Erklärungen zu besänftigen. (Ich erfahre wenig später, dass am gleichen Tag etwas früher am Morgen eine Familie von der Polizei abgeholt worden sei. Dies hat heute wohl für etwas Unruhe im Heimleben gesorgt.) Zum Abschied bedanken sich die Heimbewohner sehr herzlich bei uns für die liebe Geste und die Mühen rund um die Kuchenaktion. Wir verbleiben mit Eindrücken und Geschichten aus einem anderen Leben hier bei uns in der unmittelbaren Nachbarschaft unserer GlücKSkinder. Erfahrungsbericht- Aktion Flüchtlingsheim GlücKSkinder- 22.10.2015 L.Schaible
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