4. 1 4.1 Die Ökosysteme der Erde sind in Gefahr

4 Globale Umweltveränderungen und Nachhaltigkeit
4.1
4.1 Die Ökosysteme der Erde sind in Gefahr
Club of Rome
Internationale Vereinigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik, die es
sich zum Ziel gemacht haben, globale Analysen von weltweiten Problemen zu fördern, die
Öffentlichkeit darüber zu informieren und zu
entschlossenem Handeln aufzufordern.
Jeden Tag
belasten
107 Millionen Tonnen
Kohlendioxid (CO2)
die Atmosphäre
werden
35 000 Hektar
Wald
vernichtet
sterben
150 Tier- und
Pflanzenarten
aus
werden
397 000 Tonnen
Fische
gefangen
Mit unserer gegenwärtigen Art und Weise Wohlstand zu schaffen werden wir die Öko- und Sozialsysteme der Erde innerhalb kürzester Zeit
ernsthaft gefährden. Wie es zu dieser Situation gekommen ist, wird in
diesem Kapitel erläutert.
Eine stark wachsende Weltwirtschaft missachtet die
Grenzen der Biosphäre
Wirtschaftswachstum ist der Schlüssel des Erfolgs für alle Nationen und
wird daher von jeder Regierung zum wirtschaftspolitischen Ziel Nummer
eins erhoben. Die Faktoren, die wirtschaftliche Aktivitäten zurzeit vorantreiben, sind unter anderem das rasche Wachstum der Erdbevölkerung,
der freie Handel und ungehinderte Kapitalströme. Diese Entwicklung
beschleunigt jedoch den Ressourcenverbrauch und die Abfallproduktion
in dramatischer Art und Weise. Wälder, Wasser, Boden, Luft sowie Flora
und Fauna werden davon in Mitleidenschaft gezogen (M 1). Viele Wissenschaftler/innen sind überzeugt, dass ein menschenwürdiges Leben
auf der Erde gefährdet ist, wenn dieser Kurs beibehalten wird. Die ökologische Tragfähigkeit unseres Planeten ist bereits überstrapaziert.
Dieses auf Wachstum basierende Wirtschaftsmodell verursacht auch
gravierende soziale Probleme. Es hat die Einkommenskluft zwischen
den Reichen und Armen lokal, regional und global verschärft – und diese
Kluft wächst weiter.
Von den „Grenzen des Wachstums“
werden
10,9 km3
Frischwasser
verbraucht
nimmt das
verfügbare
Ackerland um
19 000 Hektar ab
Quelle: OECD, Weltbank, WWF
M 1 Tagesbilanz der Umweltzerstörung
M 2 Gewinner/innen oder Verlierer/innen?
ARBEITSAUFGABEN
Interpretieren Sie die Karikatur M 2.
Erklären Sie, warum die „Politik der
billigen Naturzufuhr“ eine Grundlage für den
Wohlstand der industrialisierten Länder ist
(M 3).
90
Im Jahr 1972 erschien das Buch Die Grenzen des Wachstums, herausgegeben vom Club of Rome, dessen Inhalt die interessierte Öffentlichkeit schockierte. Darin wurde die These vertreten, dass das geschlossene System Erde innerhalb der kommenden hundert Jahre an die
Grenzen des Wachstums stoße und diese sogar überschreite, wenn die
Industrialisierung nicht eingebremst würde (M 2). Mit Modellen und exponenziellen Wachstumskurven wurde nachzuweisen versucht, dass
Umweltverschmutzung, Ressourcenverbrauch und Bevölkerungswachstum zu einem ökologischen und ökonomischen Kollaps führen. Auch
wenn diese Studie wegen ihrer mangelnden Datenbasis und der einfachen Prognosemodelle stark kritisiert wurde und der vorausgesagte
globale „Kollaps“ bis heute nicht eingetreten ist, war sie doch mit Sicherheit die Geburtsstunde vieler Umweltbewegungen. Das Wort „Ökologie“ ist seit dieser Zeit nicht mehr aus dem Wortschatz der Öffentlichkeit wegzudenken.
„Politik der billigen Naturzufuhr“
An die Stelle privilegierter Zuweisung der Ressourcen an die exportorientierten
Wirtschaftszweige ist eine Politik der möglichst ungehinderten Naturbeanspruchung durch alle getreten. Konkret angesprochen sind dies: die Politik der billigen
Energie, der billigen Rohstoffe und der billigen Abfall- und Abwasserentsorgung,
der billigen Mobilität der Arbeitskräfte, der unbeschränkten Raumerschließung und
schließlich die Politik der billigen technologischen Großrisiken (Haftungsbeschränkungen bei Unfällen).
Das Instrumentarium dieser Art von Politik reicht von der Nichtberücksichtigung
volkswirtschaftlicher Kosten für die Umweltschäden über verschiedene Formen
indirekter und direkter Verbilligung (Steuerbefreiungen und -vergünstigungen, Subventionen), über angebotsorientierte Infrastrukturpolitik (welche Straßen braucht
die Wirtschaft?) bis hin zu diplomatischen und militärischen Interventionen (besonders bei mineralischen Rohstoffen).
Gekürzt und verändert nach: Minsch, J. (2006): Nachhaltige Entwicklung: Gedanken zu einer
politischen Kultur der Nachhaltigkeit. Unterlagen zum Referat am zwölften gesamtösterreichischen
Treffen der GW-Fachdidaktiker/innen in Haiming/Tirol
M 3 Die Natur als billiger Produktionsfaktor
Der ökologische Fußabdruck
Da Ökonominnen und Ökonomen das komplexe System der Wirtschaft
meist nur betriebs- und volkswirtschaftlich und nicht ökologisch analysieren, wird ein anderer Blickwinkel – eine andere einheitliche „Währung“ –
benötigt, um die Grenzen des Systems Erde zu erfassen. Umweltorganisationen ziehen dazu jene Fläche heran, die ein Mensch in Anspruch
nimmt, um jene Dinge zu erhalten, die er für seine Lebensweise benötigt.
Mithilfe des ökologischen Fußabdrucks lässt sich messen, wie nachhaltig
man lebt. Die Methodik setzt zwei Flächen zueinander in Beziehung: Die
für einen Menschen durchschnittlich verfügbaren biologisch produktiven
Land- und Wasserflächen (= Biokapazität) und diejenigen Land- und Wasserflächen, die aufgrund der spezifischen Lebensweise dieses Menschen
in Anspruch genommen werden, um seinen Bedarf zu produzieren und
den dabei erzeugten Abfall aufzunehmen (= ökologischer Fußabdruck).
Die weltweite Inanspruchnahme zur Erfüllung menschlicher Bedürfnisse
überschreitet nach Daten des „Global Footprint Network“ derzeit die
Kapazität der verfügbaren Flächen um 50 %. Danach werden gegenwärtig
pro Person 2,7 gha (globale Hektar) verbraucht, es stehen allerdings nur
1,8 gha pro Person im weltweiten Durchschnitt zur Verfügung (M 1). Die
Werte sind räumlich sehr unterschiedlich: Die EU-25 benötigt beispielsweise 4,7 gha pro Person, kann aber nur 2,2 gha selbst zur Verfügung
stellen. Die USA benötigt 7,2 gha/Person, Katar gar 11,7, Bangladesch
jedoch nur 0,6 und Mosambik 0,7 (Werte für 2012).
Ökologischer Fußabdruck
Der ökologische Fußabdruck gibt an, wie viel
biologisch produktive Fläche (also Ackerland,
Wald und Wiesen) nötig wäre, um in verschiedenen Weltregionen bzw. Gesellschafts- oder
Wirtschaftssystemen den aktuellen Verbrauch einer Person an Energie und materiellen Ressourcen für Kleidung, Ernährung,
Transport und Wohnen abzudecken oder –
anders ausgedrückt – wie viel biologisch produktive Fläche eine Person benötigt, um mit
der von ihr verwendeten Technologie ihre
Konsumgewohnheiten und -bedürfnisse zu
befriedigen.
Der ökologische Fußabdruck ist demgemäß in
stark konsumorientierten Industrie- und
Dienstleistungsgesellschaften mit hohem
Energieverbrauch wesentlich höher als beispielsweise in traditionellen Subsistenzwirtschaften oder in nachhaltigen, umweltorientierten Wirtschaftsformen. Da die Menschen
– insbesondere in den Industrie- und Schwellenländern – nicht nur die Ressourcen und
ökologischen Funktionen ihres eigenen Umlandes, sondern auch jene aus vielen anderen
Teilen der Welt beanspruchen, um ihre Konsumansprüche decken zu können, ist für die
Größe des ökologischen Fußabdrucks nicht
die Anzahl der Menschen, die in einer Region
leben, entscheidend, sondern die Menge an
Ressourcen, die diese benötigen, um ihre
spezifische Lebensweise aufrechtzuerhalten.
Beispiele für ökologische Fußabdrücke
Ernährung: In Österreich werden jährlich 1,73 globale Hektar pro Person
für die Ernährung verbraucht. 1,53 Hektar gehen dabei auf den Konsum
tierischer Produkte zurück. Denn die Masttiere fressen Futter aus Plantagen, die den Menschen vor Ort Flächen für den Nahrungsmittelanbau
wegnehmen. Wer weniger Fleisch isst, kann daher seinen Fußabdruck
deutlich verkleinern.
Wohnen: Auch die Art zu wohnen beeinflusst den Fußabdruck. Wer in
einem Einfamilienhaus wohnt, verbraucht etwa 0,7 Hektar. Wer in einem
Mehrfamilienhaus mit der gleichen Fläche wohnt, benötigt 0,5 Hektar.
Eine gute Wärmedämmung kann bis zu 80 Prozent an Energieeinsparung bringen. Der Umstieg auf alternative Energieträger trägt ebenfalls
zur Verringerung des ökologischen Fußabdrucks bei.
Mobilität: Etwa ein Viertel des ökologischen Fußabdrucks entfällt auf
den Verkehr. Hauptverursacher sind Autos und Flugzeuge. So hat das
Autofahren etwa einen zehn Mal größeren Fußabdruck als das Reisen
mit der Bahn. Fliegen hat eine noch schlechtere Ökobilanz. Wer jährlich
etwa 80 000 Flugkilometer zurücklegt, verbraucht 4,8 Hektar. Wer viele
seiner Wege zu Fuß, mit dem Rad oder öffentlichen Verkehrsmitteln
zurücklegt, verringert seinen Mobilitätsfußabdruck beträchtlich.
Konsum: Alle Güter, die produziert werden, verbrauchen Rohstoffe und
Energie, hinterlassen daher einen ökologischen Fußabdruck. Dinge lange
zu benutzen, auf Wiederverwertung, also Recycling achten, und generell
einfach weniger zu kaufen, verringert den persönlichen „Footprint“.
Globales Hektar
Als Maßeinheit für die Größe des ökologischen Fußabdrucks wird in der Wissenschaft
das „globale Hektar“ verwendet. Dieses entspricht einem Hektar durchschnittlicher biologischer Produktivität weltweit. Es ist quasi
eine einheitliche „Währung“, die die unterschiedliche Fruchtbarkeit von Böden ausgleicht. Eine hohe oder niedrige Zahl von globalen Hektar gibt die Größe des ökologischen
Fußabdrucks an, den eine Person bzw. eine
Bevölkerung mit ihren derzeitigen Lebensund Verbrauchsgewohnheiten bzw. Konsumansprüchen auf der Erde „hinterlässt“.
Innerhalb eines Jahres braucht die Menschheit 150 %
der eigentlich zur Verfügung stehenden Ressourcen
und damit die Jahresleistung von 1,5 Erden.
menschlicher „Fußabdruck“
Biokapazität der Erde
gha pro Person
2,7 gha
1,8 gha
= 1,5
M 1 Das globale Hektar
91
4 Globale Umweltveränderungen und Nachhaltigkeit
Viele Menschen sind nach wie vor der Meinung, dass die ökologischen
und sozialen Kernprobleme in den Medien stark übertrieben werden.
Sie sehen nur einen geringen Bezug zwischen diesen Problemen und
ihrem persönlichen Lebensstil bzw. dem gegenwärtigen Wirtschaftssystem und weisen jede Verantwortung von sich. Mithilfe verschiedener Berechnungsgrundlagen sollen daher diese Zusammenhänge veranschaulicht werden.
4.2
3.2 „Ökologischer
4.2
Die Tropen
Fußabdruck“ und „ökologischer Rucksack“