Offener Brief Pfarrer Wagner

Offener Brief des katholischen Pfarrers von Königswiesen
zur Stimmungsmache gegen eine geplante Flüchtlingsunterkunft
Sehr geehrte Frau Schott, sehr geehrter Herr Kumbach und Unterstützer!
„Rassismus gefährdet die geistige und emotionale Entwicklung Ihrer
Kinder“ - so steht es auf einem Plakat der Aktion „Pro Asyl“. Dieser Satz
fiel mir wieder ein, als ich von Ihren Äußerungen bei der kürzlich
stattgefundenen Versammlung mit Oberbürgermeister Wolbergs gelesen
habe. Ihre Stimmungsmache gegen Menschen in Not ist sachlich falsch
und menschlich erbärmlich.
Wider besseres Wissen haben Sie auf einem Flugblatt Lügen verbreitet
und damit Menschen aus unserem Stadtteil zu Unterschriften angestiftet.
Weder wird aus dem Jugendzentrum ein Asylheim noch wird ein
Naturschutzgebiet weggerissen! So viel zu Ihrem Verhältnis zur Wahrheit!
Und dann folgt aus Ihrem Mund wieder der nur zu gut bekannte Satz:
„Wir haben grundsätzlich nichts gegen Flüchtlinge, aber hier ist natürlich
der falsche Platz“.
Seien Sie doch wenigstens so ehrlich und geben Sie zu, dass Sie gegen
Flüchtlinge Stimmung machen wollen und die Ängste mancher
Bürgerinnen und Bürger dazu benutzen! Ich habe Ihre Namen bisher im
Zusammenhang mit sozialem Einsatz für andere Menschen noch nicht
gehört oder gelesen.
Nein, Sie „sind nicht das Volk“, Sie sind keine Patrioten (sonst würden Sie
sich für eine Heimat für alle Menschen einsetzen), Sie vertreten auch
nicht die Meinung einer Mehrheit der Menschen hier in Königswiesen!
Seit 1998 bin ich Pfarrer in diesem Stadtteil und kenne die Menschen hier
als sehr tolerant und aufgeschlossen. Seit Jahrzehnten bemühen sich die
Menschen hier vor allem um die Integration der Russland- oder
Rumäniendeutschen und es ist - trotz manch anfänglicher Schwierigkeiten
- ein gutes Miteinander im Wohnviertel, in Kindergarten, Schule und
Pfarrgemeinde entstanden. Genauso wird es gelingen, den Flüchtlingen,
die jetzt bei uns Hilfe und Heimat suchen, zu helfen. Wir - und ich weiß die
grosse Mehrheit unserer Menschen hier hinter mir - werden die
Flüchtlinge jedenfalls gerne bei uns aufnehmen und ihnen zur Seite
stehen, wie es das Gebot der Nächstenliebe von uns erwartet.
Die Menschen in Königswiesen haben die Kraft dazu. Unsere Pfarrei
kümmert sich schon seit einiger Zeit um junge Leute aus Syrien und hat
ihnen eine Wohnung zur Verfügung gestellt. Und ich bin mir sicher, dass
sich viele aus St. Paul und darüber hinaus bereit erklären werden, auch
dann zu helfen, wenn die Unterkunft beim Jugendzentrum errichtet ist übrigens ein sehr sinnvoller Ort, der viele Kontakte und Begegnungen
ermöglicht! Und: Angst habe ich nicht vor Flüchtlingen am Rande des
Parks, sondern vor rechtspopulistischen Äußerungen und denen, die
solchen Parolen nachlaufen und Hass verbreiten!
Danke an dieser Stelle Herrn Oberbürgermeister Wolbergs für seine
umsichtige Politik und seine überaus grosse Geduld, sich immer wieder
auch mit Leuten auseinanderzusetzen, die mit hämischen Kommentaren
und Gebrüll sich einer sachlichen Auseinandersetzung verweigern und
darüber hinaus jeden Anstand vermissen lassen. Danke auch den
Verantwortlichen im Familienzentrum für ihre Standhaftigkeit.
Sie, Frau Schott, Herr Kumbach und Ihre Unterstützer fordere ich auf, Ihre
Stimmungsmache in unserem Stadtteil zu beenden! Verwenden Sie Ihre
Energie für soziales Engagement, da ist sie nämlich besser aufgehoben!
Und wenn Sie Ihre Zeit dazu nutzen würden, mit Menschen zu sprechen,
die aus ihrer Heimat fliehen mussten oder mit denen, die die Flüchtlinge
in unserer Stadt schon lange mit grossem Einsatz unterstützen, dann
würde Ihnen vermutlich so manche leicht daher gesagte Parole im Hals
stecken bleiben!
Das eingangs zitierte Plakat von „Pro Asyl“ enthält übrigens noch einen
weiteren Satz: „Rassismus enthält vergiftende Inhaltsstoffe wie
menschenfeindliche Einstellung und soziale Verantwortungslosigkeit.
Gegen Abhängigkeit und Gebrauch hilft der Einsatz des Denkvermögens“.
Mehr Nachdenklichkeit wünscht Ihnen
Pfarrer Horst Wagner