Archäologische Ausgrabung 2015 im „Gewerbegebiet südlich der

Wiesbaden, 10. Februar 2016
Archäologische Ausgrabung 2015 im „Gewerbegebiet südlich der
Voltastraße“ in Hattersheim
Im Zuge der Erschließung des Gewerbegebietes südlich der Voltastraße in Hattersheim waren
2015 großflächige archäologische Ausgrabungsarbeiten notwendig, da Voruntersuchungen
deutliche Hinweise auf eine archäologische Fundstelle lieferten.
Die Ausgrabung wurde von der hessenARCHÄOLOGIE unter der Leitung des Landes- und
Bezirksarchäologen Dr. Udo Recker und der örtlichen Grabungsleiterin Dr. Franka Schwellnus
Anfang April 2015 begonnen und Ende November abgeschlossen.
Auf der insgesamt ca. 4 ha großen Erschließungsfläche wurde eine große Anzahl von Gruben
unterschiedlicher Tiefe freigelegt, die zum Teil bis in eine Tiefe von ca. 250 cm unter die heutige
Oberfläche reichten.
In der Regel dienten in der Vorgeschichte angelegte Gruben der Lagerung von Lebensmitteln, der
Abfallentsorgung oder der Entnahme von Rohmaterial wie Lehm oder Ton.
Eine der Gruben enthielt Scherben von Tongefäßen aus der Jungsteinzeit, welche mit einer
charakteristischen Verzierung von flächig aufgebrachten, kleinen Kerben versehen war. Dabei
handelte es sich um Töpfe oder Schüsseln, wie sie in der damaligen Zeit als Koch- und/oder
Essgeschirr gebraucht wurden. Die Scherben aus einer anderen Grube konnten zu einem beinahe
vollständig erhaltenen Gefäß zusammengefügt werden, welches sogar noch Schmauchspuren
vom Herdfeuer an seiner Unterseite aufweist.
Zahlreiche Pfosten ergänzen das Befundspektrum, wobei von diesen jeweils die Verfärbung der
verrotteten Pfosten im Boden erhalten war.
Drei große ovale Gruben, die durch eine Rampe betreten oder befahren werden konnten, dürften
als Lehmentnahmegruben gedient haben. Möglicherweise wurden auf den Äckern außerhalb der
Stadt Feldbrandziegeleien betrieben - ein vorindustrielles, saisonales Gewerbe, um den erhöhten
Ziegelbedarf beim Hausbau zu decken. Der Boden um Hattersheim bot guten Lösslehm zur
Herstellung von Ziegeln oder Backsteinen.
Ein vollständiges Pfostengebäude ließ sich rekonstruieren, bestehend aus zwei Reihen à vier
Pfosten und jeweils einem Firstpfosten an den beiden Schmalseiten. Daraus ergab sich ein
Gebäudegrundriss von ca. 5 x 9 m, wobei Holzpfosten von etwa 30 cm Durchmesser benutzt
wurden.
Der spektakulärste Fund der Grabung bisher war das Grab einer Frau, welche mit angehockten
Beinen in der Grabgrube lag. Ihr war ein kleines Steinbeil beigegeben, welches geringe
Gebrauchsspuren aufwies und dessen Schneide noch geschärft war. Die hölzerne Schäftung des
Beils hatte sich im Boden nicht erhalten. Dieses Beil datiert das Grab in die Jungsteinzeit.
Das Skelett konnte dokumentiert und geborgen werden, obwohl die Knochen bereits stark porös
waren. Es kann nach Beendigung der Ausgrabung unter Laborbedingungen weiter ausgewertet
werden.
„Wir sind stolz auf diese Funde und würden uns freuen, wenn wir die Ausgrabungsergebnisse
schon in naher Zukunft, als Dauerleihgabe in unserer Stadt ausstellen könnten“, so
Bürgermeisterin Antje Köster. „Sind diese Funde doch ein Zeichen dafür, dass man bereits vor
rund 6000 Jahren gerne bei uns in Hattersheim gelebt hat!“
Zusammenfassend betont der hessische Landesarchäologe Dr. Udo Recker, dass sich die bisher
untersuchte Fläche im Rand- oder Außenbereich einer vorgeschichtlichen Siedlung befindet, wobei
die datierenden Funde in die Jungsteinzeit weisen:
“Hier wurden einige Gruben und Häuser angelegt, allerdings liegen die Siedlungsspuren weit
verstreut, praktisch über die gesamte ergrabende Fläche verteilt. Diese Befunde sind von hohem
wissenschaftlichem Wert und fanden in der bisherigen Forschung zu wenig Beachtung, liefern sie
doch Einblicke in die damalige Lebenswelt im Umfeld einer jungsteinzeitlichen Siedlung im RheinMaingebiet.“
Landesarchäologe Recker dankt in diesem Zusammenhang der Stadt Hattersheim für die seit
Jahren bewährte gute Zusammenarbeit bei der Untersuchung archäologischer Bodendenkmäler
und zeigt sich gespannt, was die Archäologen auch in Zukunft über die Hattersheimer Vorfahren
erforschen werden.
Ein besonderer Dank des Landesarchäologen gilt auch der Hessischen Landgesellschaft mbH, die
nicht nur in Hattersheim als Träger der Bodenbevorratung durch kollegiale und kooperative
Zusammenarbeit dazu beigetragen hat, dass die Belange der Bodendenkmalpflege systematisch
und zuverlässig abgearbeitet werden konnten. So konnte der Denkmalschutz seinen
landesgesetzlichen Aufgaben Kulturdenkmäler als Quellen und Zeugnisse menschlicher
Geschichte und Entwicklung zu schützen und zu erhalten in idealer Weise nachkommen. Die
Bodenbevorratung, wie Sie seitens der Hessischen Landgesellschaft betrieben wird, hält hierzu
ausreichend Zeitfenster vor, in denen archäologische Befunde und Funde erfasst, dokumentiert
und geborgen werden können.
Holger Ullrich betont in diesem Zusammenhang für die Hessische Landgesellschaft, dass die
Belange der Denkmalpflege häufig von Investoren und Kommunen als Entwicklungshemmnis
empfunden werden:
„Durch die langjährige gute Zusammenarbeit mit der hessenARCHÄOLOGIE bestehen jedoch
mittlerweile ausreichend Erfahrungswerte, die zuverlässige Kostenansätze und Terminpläne
erlauben, so dass insgesamt Planungssicherheit und Projektstabilität durch die Bodenbevorratung
erreicht werden kann.“
Für diese bewährt gute Kooperation sprach Ullrich im Namen der Hessischen Landgesellschaft
seinen herzlichen Dank aus.
i. A.
Dr. Eveline Grönke
Öffentlichkeitsarbeit hessenARCHÄOLOGIE
Tel. 0162-7790946, [email protected]
hessenARCHÄOLOGIE
Archäologische und Paläontologische Denkmalpflege – Archäologieservice - Dezentrales Archäologisches
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