DER FALL: E erwarb von einem Bauträger eine Eigentumswohnung

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BAUTRÄGER & RECHT: Pflicht zur Eigentumsumschreibung trotz offenem Kaufpreis
DER FALL: E erwarb von einem Bauträger eine Eigentumswohnung. Bei der Übergabe werden
Mängel an der Elektro-, Alarm- und Lüftungsanlage festgestellt. E und der Bauträger vereinbaren,
dass der E einen Teil des Kaufpreises erst zahlen muss, wenn der im Auftrage des E tätige Architekt die Funktionsfähigkeit der Elektro-, Alarm- und Lüftungsanlage bestätigt.
Nachdem der Bauträger Mangelbeseitigungsarbeiten ausgeführt hat, fordert er den E zur Auszahlung des noch offenen Kaufpreises (150.000,00 €) auf. Dieser wendet ein, dass die Mängel noch
nicht vollständig beseitigt seien, verweigert die Auszahlung des offenen Kaufpreises und verlangt
vom Bauträger die Bewilligung der Eigentumsumschreibung.
Der Bauträger verweigert die Bewilligung der Eigentumsumschreibung mit der Begründung, dass
der Kaufpreis teilweise noch offen ist und ihm deshalb insoweit ein Zurückbehaltungsrecht an der
Bewilligung der Eigentumsumschreibung zustünde.
Der Bauträger nimmt E klageweise auf Zahlung des Kaufpreises in Anspruch. E begehrt widerklagend die Eigentumsumschreibung.
(Der Fall ist dem Urteil des OLG Hamburg vom 17.04.2015, AZ: 9 U 35/14 nachgebildet.)
DIE ENTSCHEIDUNG: Das OLG Hamburg geht aufgrund der Ausführungen eines Sachverständigen davon aus, dass zumindest die Alarmanlage als nicht funktionsfähig einzustufen ist und sich
die Kosten einer Mangelbeseitigung auf ca. 72.000,00 € belaufen. E stünde somit ein Zurückbehaltungsrecht in der doppelten Höhe der Mangelbeseitigungskosten zu. Nach Ansicht des OLG
Hamburg ist der Bauträger trotz der noch nicht vollständigen Zahlung des Kaufpreises verpflichtet, die Eigentumsumschreibung zu bewilligen. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes durch den Bauträger verstoße gegen Treu und Glauben. Den Verstoß gegen Treu und Glauben
begründet das OLG Hamburg unter anderem damit, dass nur ein verhältnismäßig geringer Anteil
des Kaufpreises (10 %) offen ist und es der Bauträger ja selbst in der Hand habe, die Voraussetzungen für die Zahlung des noch offenen Kaufpreises zu schaffen.
STELLUNGNAHME: Der Entscheidung des OLG Hamburg ist grundsätzlich zuzustimmen – ein
Anspruch auf Eigentumsumschreibung kann bereits bestehen, obwohl der vereinbarte Kaufpreis
noch nicht vollständig bezahlt worden ist. § 320 II BGB regelt jedoch, dass, wenn von einer Seite
(hier E) teilweise (hier 90 % des Kaufpreises) geleistet worden ist, die Gegenleistung (hier die
Bewilligung der Eigentumsumschreibung durch den Bauträger) dann nicht verweigert werden
kann, wenn die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhältnismäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils (hier 10 % des Kaufpreises), gegen Treu und Glauben verstoßen würde. Das OLG Hamburg geht davon aus, dass der von E zurückbehaltene Teil des Kaufpreises nur einen verhältnismäßig geringen Anteil am vereinbarten Kaufpreis ausmacht. Meiner
Ansicht nach übersteigen 10 % jedoch die Geringfügigkeitsgrenze, weshalb ich zu dem Ergebnis
gekommen wäre, dass E (noch) keinen Anspruch auf Eigentumsumschreibung hat.
diesen Beitrag hat erstellt:
Rechtsanwalt Stefan Heiden
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht