Eigenschaften und Anwendungen von

FACHPUBLIKATION
EIGENSCHAFTEN UND ANWENDUNGEN
VON HOCHLEISTUNGSKERAMIK
AUS ZIRKONIUMOXID
Von Dr. A. Reckziegel, (i.R.) vorm. FRIATEC AG, Mannheim
Überarbeitung 2015
EINLEITUNG
Keramik aus ZrO2 zählt zu den ältesten oxidkeramischen Werkstoffen, konnte aber erst in einer relativ
jungen Vergangenheit zu einem Material mit Hochleistungseigenschaften weiterentwickelt werden.
Heute werden daraus hochgezüchtete Werkstoffe
mit besonderen elektrischen und mechanischen Eigenschaften hergestellt.
Der vorliegende Artikel beschreibt diese Entwicklung und die wichtigsten Werkstoff-Typen, erklärt
die Wirkungsmechanismen und stellt moderne Anwendungen vor.
DIE ANFÄNGE
Als vor etwa 80 Jahren die ersten oxidkeramischen
Werkstoffe hergestellt wurden, war neben Aluminiumoxid und Magnesiumoxid das Zirkonoxid von
Anfang an dabei. Die speziellen Nachteile des Zirkonoxids für die Herstellung dichter, rissfreier Sinterwerkstoffe, die reversible Phasenumwandlung
monoklin-tetragonal bei ca. 1100 °C, mit einer Volumenzunahme beim Abkühlen unterhalb des Umwandlungspunktes und der Rückbildung der monoklinen Phasen, konnte man bereits damals durch
spezielle Zusätze, den sog. Stabilisatoren, vermeiden.
Die ersten kommerziell hergestellten Werkstoffe
dieses Types kamen 1928 auf den Markt [1]. Diese
Materialien waren bereits mit MgO stabilisiert, erreichten aber nur eine relativ niedrige Sinterdichte.
Erste Produkte waren Tiegel für Metallschmelzen,
und zwar für Anwendungen, die so hohe Temperaturen erforderten, dass das konkurrierende Aluminiumoxid nicht mehr verwendbar war. Alternativ
zum MgO als Stabilisator wurde später mit Erfolg
auch CaO eingesetzt. Auch die Produkte daraus
blieben lange Zeit, etwa 30 Jahre lang, auf Hochtemperaturanwendungen beschränkt.
Die erste zusammenfassende Darstellung der oxidkeramischen Werkstoffe, auch der aus ZrO2 hergestellten, erfolgte nach dem zweiten Weltkrieg [2],
später mit einer erweiterten Auflage, in der die Eigenschaften der ZrO2-Werkstoffe bereits breiten
Raum einnehmen [3]. Das Gefüge, welches man damals anstrebte, bezeichnet man als vollstabilisiert,
d.h. es wurde so viel Stabilisator zugegeben, dass
sich bis herab zur Raumtemperatur alles ZrO2 in
der stabilen kubischen Modifikation befand. Dafür
ist bei den klassischen Stabilisatoren ein Anteil von
8-15 Mol% erforderlich.
Gegenüber gesintertem Aluminiumoxid zeigten
diese vollstabilisierten ZrO2-Werkstoffe jedoch
bestimmte Nachteile, nämlich eine viel geringere
Festigkeit und Temperaturwechselbeständigkeit.
Beschränkt auf bestimmte Hochtemperaturanwendungen fristeten sie neben Aluminiumoxid lange
Zeit ein Schattendasein. Erst seit etwa 35 Jahren
führten neuentdeckte Eigenschaften, z.T. erreicht
durch Variation von Art und Menge der Stabilisatoren, zu einem Durchbruch.
HOCHLEISTUNGSEIGENSCHAFTEN DER MODERNEN ZrO2-KERAMIK
Hochleistungskeramik nennt man heute Werkstoffe, bei denen sich urtypische keramische Merkmale
(Korrosionsbeständigkeit, Eignung für hohe Temperaturen) durch bisher untypische, z.B. nur bei
Metallen bekannte Eigenschaften (hohe Festigkeit
und Zähigkeit) ergänzen ließen. Zusätzlich dazu hat
die moderne Keramik durch bestimmte elektrische,
magnetische und thermische Eigenschaften Anwendungen gefunden. Je nach Hauptanwendung
kann man die Hochleistungskeramik untergliedern
in Funktionskeramik (elektrische oder magnetische
Funktion) und sog. Strukturkeramik oder Ingenieurkeramik (mechanische Funktion).
In vielen Fällen ist es heute möglich, ausgewählte
Eigenschaftskombinationen maßgerecht zu schneidern. Lehrbücher der Keramik berichten darüber
ausführlich [4]. Das gilt ganz besonders für die
modernen ZrO2-Werkstoffe, die im Folgenden beschrieben werden.
Eigenschaften und Anwendungen von Hochleistungskeramik aus Zirkoniumoxid
2
FESTSTOFF-ELEKTROLYTE
Die Stabilisierung, ursprünglich nur durchgeführt
zur Verhinderung der Phasenumwandlung, hatte
Nebenwirkungen, die inzwischen zu wichtigen Produkten geführt haben, weit bedeutsamer als die ursprünglichen Hochtemperatur-Anwendungen.
Bei der Stabilisierung werden nämlich Zr-Ionen
durch die Ionen des Stabilisators ersetzt. Da die
letzteren eine kleinere elektrische Ladung enthalten
als die Zirkonium-Ionen, entstehen dadurch Leerstellen im Teilgitter der Sauerstoff-Ionen. Bei höheren Temperaturen können nun Sauerstoff-Ionen
in diese Lücken springen, lassen so neue Lücken
entstehen und führen so zu einem sog. FeststoffElektrolyten mit Sauerstoff-Ionen-Leitfähigkeit. Mit
Hilfe dieses Effektes lassen sich Sauerstoffkonzentrationen messen. Neben den bereits erwähnten
Stabilisatoren aus Erdalkalioxiden (MgO und CaO)
hat sich gerade für diese Anwendung die Seltene
Erde Y2O3 besonders bewährt. Solche, mit Y2O3 stabilisierte Werkstoffe ermöglichen Anwendungen
bei verhältnismäßig niedrigen Temperaturen sowie
unter sehr korrosiven Bedingungen.
Die höchste elektrische Leitfähigkeit erhält man
mit den vollstabilisierten Werkstoffen, muss dann
aber auch die Nachteile geringer Festigkeit und
Temperaturwechselbeständigkeit in Kauf nehmen.
Unbedingt erforderlich ist dieses Maximum an elektrischer Leitfähigkeit nur bei speziellen Anwendun-
gen, wie z.B. in Brennstoffzellen. Bei der Messung
von Sauerstoffkonzentration werden Potenzialdifferenzen gemessen, für die bereits eine geringere
elektrische Leitfähigkeit ausreicht. Man kann daher
hier fast immer auch mit teilstabilisierten Werkstoffen arbeiten, die bessere mechanische Eigenschaften als vollstabilisierte Werkstoffe aufweisen.
Diese Teilstabilisierungen entstehen dann, wenn
weniger Stabilisator zugegeben wird, als es zur Ausbildung einer durchgehend kubischen Struktur erforderlich ist. In einem so hergestellten Gefüge befindet sich nur ein Teil der Kristallite in der stabilen
kubischen Phase, der Rest bleibt umwandelungsfähig zwischen monoklin unterhalb und tetragonal
oberhalb der Umwandlungstemperatur. An einigen
solcher, zuerst mehr zufällig hergestellten dichten
teilstabilisierten Materialien wurden erstaunlicherweise eine gegenüber dem vollstabilisierten Werkstoff drastisch erhöhte Festigkeit und (oder) Temperaturwechselbeständigkeit gemessen. Trotz der
volumenvergrößernden Umwandlung der nicht stabilisierten Teilphase ließen sich daraus rissfreie Bauteile fertigen. Gerade die ursprünglich gefürchtete
Phasenumwandlung bewirkt beim Abkühlen diese
Festigkeitssteigerungen, allerdings unter bestimmten Voraussetzungen, siehe folgende Kapitel.
HOCHFESTE WERKSTOFFE DURCH DIE UMWANDLUNGSVERSTÄRKUNG
Der Begriff der Umwandlungsverstärkung wurde
für den Mechanismus gewählt, der es ermöglicht
hat, ZrO2-Werkstoffe maßzuschneidern, mit einer
Festigkeit, die man bisher bei Keramik für unerreichbar gehalten hatte. Wichtige Erkenntnisse in
dieser Richtung sind durch Entwicklungen am MPI
für Metallforschung in Stuttgart gewonnen worden
[5, 6].
Dieser Mechanismus lässt sich vereinfacht so beschreiben: Tetragonale Teilchen unterhalb einer
kritischen Größe (weit unterhalb 1 μm) können in
einem dicht gesinterten Gefüge bis hinab zu Raumtemperatur in dieser Form erhalten bleiben, allerdings metastabil. Ein unter Belastung wachsender
Mikroriss löst in seinem Wirkungsfeld bei diesen
Teilchen die Umwandlung in die stabile monokline
Modifikation aus. Diese energiefreisetzende Umwandlung verlangsamt das Risswachstum oder
spaltet den Riss in kleinere, weniger gefährliche
Risse auf. Das ist die Ursache der erhöhten Festigkeit. Die erreichbare Festigkeitsgrößenordnung
hängt vom Umwandlungspotential dieser metastabilen Teilchen ab, d.h. ihrer inneren Struktur mit
den jeweiligen Stabilisator-Atomen, ihrer Größe,
der Gefügematrix, und wird beeinflusst von Art
und Menge des Stabilisators, der Teilchengröße des
ZrO2-Ausgangsmaterials, den Restverunreinigungen und der Temperaturführung beim Aufheizen,
Sintern und Abkühlen.
In der Tabelle 1 sind ausgewählte Eigenschaften der
umwandlungsverstärkten ZrO2-Hochleistungskeramik zusammengefasst, im Vergleich zu Werkstoffen der klassischen Keramik, der bisher bekannten
Oxidkeramik und zu metallischen Konstruktionswerkstoffen. Die starke Streuung der Eigenschaften
innerhalb der Gruppe der umwandlungsverstärkten
ZrO2-Hochleistungskeramik beruht darauf, dass
hier zahlreiche Variationen möglich sind. So kann
man zuerst zwei Basismaterialien unterscheiden:
den PSZ-Typ und den TZP-Typ. Es handelt sich um
Abkürzungen aus der englischen Sprache, und zwar
von Partially Stabilized Zirconia und Tetragonal Zirconia Polycristals. Damit werden heute grundsätzlich unterschiedliche Gefügestrukturen bezeichnet.
Jedes Basismaterial kann darüber hinaus in sich
so modifiziert werden, dass sich bestimmte Eigenschaftskombinationen ergeben.
Eigenschaften und Anwendungen von Hochleistungskeramik aus Zirkoniumoxid
3
Werkstoffe mit
dichter Struktur
Härte1)
Mohs
Biegefestigkeit1)
N/mm
E-Modul1)
105 N/mm
Wärmeleitung1)
W/mK
Wärmeausdehnung2)
10-6 K
TWB
Porzellan,
Steinzeug
7-8
50 - 150
1-2
1-5
4,5 - 6
mittel bis gut
Oxidkeramik
aus Al2O3
ca. 9
250 - 500
3,5 - 4
ca. 30
ca. 7,5
mittel
ZrO2
vollstabilisiert
ca. 7
100 - 200
ca. 2
ca. 3
ca. 9,5
schlecht
ZrO2
teilstabilisiert
ca. 7
300 - 1500
ca. 2
ca. 3
ca. 11
gut bis
sehr gut
hochfester
Stahl
6-8
1000 - 2000
ca. 2
ca. 50
ca. 16
sehr gut
Tabelle 1: Werkstoffvergleich, Größenordnung der Eigenschaften
2)
1)
bei Raumtemperatur
im Bereich Raumtemperatur bis ca. 600 °C
DER PSZ-TYP
Die Bezeichnung PSZ galt ursprünglich generell
für teilstabilisiertes ZrO2 und wird teils auch aktuell
noch für alle nicht vollstabilisierten Werkstoffe benutzt. Wie in der Literatur gebräuchlich, soll sie hier
jedoch nur auf das klassische teilstabilisierte Material angewendet werden.
Diese klassischen Werkstoffe enthalten die metastabilen umwandlungsfähigen Teilchen in Form von
feinkristal-linen Ausscheidungen ≤ 0,1 µm innerhalb
kubischer Kristalle einer Größenordnung um ca.
50 µm. Dieser Werkstofftyp war bereits mit unterschiedlichen Stabilisierungen empirisch hergestellt
worden, bevor man die besonderen Wirkungsmechanismen aufgeklärt hatte. Die Methoden zu seiner Herstellung sind von Theorie und Praxis her
gut bekannt: Sintern in einem Temperaturbereich,
in dem nur die kubische Phase existent ist (dazu
sind Temperaturen >1700 °C erforderlich, was auch
die Ausbildung des grobkristallinen Gefüges zur
Folge hat), definiertes Abkühlen oder Abschrecken und anschließendes Tempern in ausgewählten
Bild 1:Gefügestruktur im Materialinnern des Werkstoffes Mg-PSZ
Temperaturbereichen; dann scheiden sich die metastabilen Teilchen in den kubischen Kristallen ab.
Das technische Know-how der Hersteller besteht in
den Bedingungen, unter denen sich diese Teilchen
in der optimalen Größe und in maximaler Zahl ausbilden lassen. Nach der Art der Temperaturbehandlung kann man Werkstoffe maximaler Festigkeit
herstellen oder Materialien, die sich bei geringerer
Festigkeit durch eine besonders hohe Temperaturwechselbeständigkeit auszeichnen. Dieser Werkstofftyp wurde im Hinblick auf maximale Festigkeit
und Temperaturwechselbeständigkeit vor allem
von einer australischen Forschergruppe optimiert
[7,8,9].
Bild 1 zeigt die Gefügestruktur im Materialinnern
eines auf diese Weise mit MgO stabilisierten Werkstoffs, Bezeichnung Mg-PSZ. Bild 2 ist ein stark vergrößerter Bereich von Bild 1. Man erkennt hier deutlich auf der Oberfläche der großen Kristalle eine
Feinstruktur, bedingt durch die erwähnten feinsten
Ausscheidungen.
Bild 2: stark vergrößerter Bereich von Bild 1
Eigenschaften und Anwendungen von Hochleistungskeramik aus Zirkoniumoxid
4
DER TZP-TYP
Diese Werkstoffe wurden nach den Erkenntnissen
der Mechanismen für die Umwandlungsverstärkung
konzipiert. Die Grundidee bestand in der Vorstellung, dass es möglich sein müsse, ein dichtes Gefüge allein aus sehr kleinen tetragonalen Kristalliten
aufzubauen, die zumindest im Werkstoffinnern, bis
zur Raumtemperatur metastabil erhalten bleiben
und so für die Umwandlungsverstärkung zur Verfügung stehen. Daher der Name TZP. Diese Idee
ließ sich, mit extrem feinkristallinen chem. gefällten
ZrO2-Rohstoffen durchführen, in denen der Stabilisator (bisher meist Y2O3) homogen verteilt ist. Auf
diese Weise kann ein hochdichtes Gefüge gesintert
werden, in dem alle Einzelkristallite die kritische
Größe unterschreiten, oberhalb der die tetragonalen Teilchen bei Raumtemperatur nicht mehr metastabil erhalten bleiben. Nachdem es inzwischen
gelungen ist, TZP-Werkstoffe aus nahezu 100% metastabilen tetragonalen Kristalliten herzustellen, ist
es verständlich, dass man damit die Festigkeit der
PSZ-Typen (hier kann nur ein Teil des Gefüges die
Form metastabiler tetragonaler Ausscheidungen
annehmen) noch deutlich steigern konnte. Bild 3
zeigt ein optimales Gefüge, am Beispiel des sog.
Y-TZP. Die Grundlagenuntersuchungen für diesen
Werkstofftyp sind zuerst von amerikanischen Forschergruppen durchgeführt worden [10, 11, 12]. Dagegen waren die Japaner die ersten, die mit praktschen Anwendungen begonnen haben.
Bild 3: optimales Gefüge am Beispiel
von Y-TZP
MÖGLICHKEITEN UND GRENZEN
In Tabelle 2 sind die wesentlichen Unterschiede
zwischen dem PSZ- und dem TZP-Typ zusammengefasst, am Beispiel der mit MgO bzw. Y2O3 stabilisierten Werkstoffe mit den Kurzbezeichnungen
Mg-PSZ und Y-TZP. Es ist zu erkennnen, dass von
beiden Gruppen weitere Variationen mit ausgewählten Zieleigenschaften entwickelt wurden. So
kann man beim Mg-PSZ durch die Art des Temperns entweder die Festigkeit oder die Temperaturwechselbeständigkeit optimieren. Beim Y-TZP lässt
sich die gegenüber Mg-PSZ bereits höhere Festigkeit durch eine heiß isostatische Nachverdichtung
(HIP - Hot Isostatic Pressing) noch weiter erhöhen.
Bemerkenswert ist, dass man in beiden Fällen die
höchste Festigkeit nach einer Schleifbehandlung
der gesinterten Proben erhält. Dadurch werden in
Oberflächenschichten die tetragonalen Teilchen in
die monokline Form umgewandelt, und die resultierende Volumenerhöhung führt auf der Oberfläche
zu Druckspannungen, welche die Festigkeit weiter
erhöhen. Im Gegensatz zu anderen, modernen, Keramik-Werkstoffen (z.B. auf Basis Al2O3, SiC, Si3N4)
wird also die Festigkeit durch eine Nachbehandlung erhöht, die in der Praxis bei vielen Bauteilen
zur Herstellung enger Toleranzen immer erforderlich ist. Dieser die Festigkeit erhöhende Effekt ist
beim TZP-Typ besonders ausgeprägt.
Demgegenüber hat der PSZ-Typ einen anderen besonderen Vorteil: Hier werden in einem optimierten Gefüge Festigkeitswerte mit besonderes enger
Streuung gefunden.
Eigenschaften und Anwendungen von Hochleistungskeramik aus Zirkoniumoxid
5
Werkstoff / Material
Gefügebesonderheiten
Wichtige Anwendungseigenschaften
Mg-PSZ
Grobkristallin
A) getempert im Hinblick auf Festigkeit
Feinstruktur überwiegend tetragonal
Biegefestigkeit
400 - 800 N/mm²
TWB: mittel
B) getempert im Hinblick auf TWB
Feinstruktur mit hohem
monoklinen Anteil
Biegefestigkeit
300 – 500 N/mm²
TWB: gut
Y-TZP
Feinkristallin
A) normal gesintert
Dichte 96 – 98% der
Theorie
B) nachverdichtet (HIP) Dichte > 99% der Theorie
Preis
mittel bis hoch, abhängig vom Rohstoff, den
Sinter- und Temperaturbedingungen
Biegefestigkeit
700 – 1100 N/mm²
TWB: gut
sehr hoch,
teure Rohstoffe
Biegefestigkeit
1200 – 1800 N/mm²
TWB: gut
besonders hoch
Tabelle 2: PSZ- und TZP-Keramik: Eigenschaften der wichtigsten Variationen
Tabelle 3 weist am Beispiel wichtiger Anwendungseigenschaften auch auf die Risiken bei Verwendung
dieser Werkstoffe hin. So steht dem Vorteil der Umwandlungsverstärkung der Nachteile gegenüber,
dass mit steigender Temperatur der Umwandlungsdruck der metastabil-tetragonalen Teilchen
abnimmt und als Folge auch die dadurch bedingte Festigkeitssteigerung. Oberhalb der Umwandlungstemperatur gibt es also keine Umwand-lungsverstärkung mehr. Die hier beschriebenen PSZ- und
TZP-Typen sind also keine Hochtemperaturwerkstoffe, wenn man auf Hochtemperaturfestigkeit besonderen Wert legt.
Außerdem gibt es beim Vergleich von Mg-PSZ und
Y-TZP noch folgende Unterschiede: Mg-PSZ zersetzt sich oberhalb 900 °C allmählich. Y-TZP hat einen kritischen Temperaturbereich zwischen ca. 200
und 400 °C, in dem es sich bei ungünstiger Gefügeausbildung (Fehler durch Verunreinigungen, ungleichmäßige Verteilung des Stabilisators, zu hohe
Sintertemperaturen) ebenfalls zersetzen kann. Bei
höheren Temperaturen bleibt Y-TZP stabil.
In der chemischen Beständigkeit gegenüber Säuren
und Laugen, vor allem bei höheren Temperaturen,
zeigt sich ein deutlicher Vorteil des PSZ-Typs. Bei
Verwendung reiner Rohstoffe ergibt sich für dieses
Material eine hervorragende Korrosionsbeständigkeit. Y-TZP in den bisher entwickelten Variationen
ist gegen Korrosionseinflüsse empfindlicher. Gefügeanomalien, die, wie bereits erwähnt, bereits bei
Temperaturen von 200 – 400 °C das Material instabil machen, führen in Gegenwart von Säuren oder
Laugen schon bei Temperaturen unterhalb 100 °C
zu einer drastischen Abnahme der chemischen
Beständigkeit. Dann können Mikrorisse entstehen,
die sich durch den Werkstoff ausbreiten und nach
einem Mechanismus, den man in Analogie zu bestimmten Metallen als Spannungs-Riss-Korrosion
bezeichnen kann, das Material zerstören.
Die Materialien des Typs PSZ und TZP erfordern daher noch mehr als andere Hochleistungskeramiken
ein besonderes Know how bei der Optimierung ihrer Eigenschaften, über das nur der erfahrende Hersteller verfügt.
Eigenschaften und Anwendungen von Hochleistungskeramik aus Zirkoniumoxid
6
Werkstoff
Verhalten bei höheren Temperaturen
Chem. Beständigkeit gegenüber
Säuren und Laugen bis ca. 150 °C
Mg-PSZ
Festigkeitsabnahme:
erreicht bei 500 °C ca. 80% der
Raumtemperatur – Festigkeit,
Zersetzung oberhalb 900 °C
überwiegend gut, abhängig von der
Reinheit der Rohstoffe
Y-TZP
kritischer Temperaturbereich bei
200 – 400 °C: Zersetzungsgefahr abhängig von der Gefügestruktur
keine Zersetzung bei höheren Temperaturen, zunehmend plastische
Verformbarkeit
überwiegend problematisch, abhängig von der Gefügestruktur: Gefahr
von Spannungs-Riss-Korrosion
Tabelle 3: PSZ- und TZP-Keramik: Vorzüge und Risiken
ANWENDUNGSBEISPIELE
Tabelle 4 fasst die ZrO2-Werkstoffe zusammen, die
heute als Feststoff-Elektrolyte mit Sauerstoffionen-
leitung für die Messungen von Sauerstoffkonzentrationen verwendet werden.
Anwendungsbeispiele für O2-Sonden
Eingesetzte Werkstoffe
Gasdruckströme Messgeräte für Gasanalysen mit aufgeheizter Keramik:
Messung im optimalen Temperaturbereich
Ca-FSZ, Mg-FSZ, Y-FSZ
Direkte Messung in Ofenatmosphären bei unterschiedlichen Temperaturen:
häufige Belastung durch unterschiedlichen Temperaturwechsel und
Korrosion
Ca-FSZ, Y-PSZ, Y-TZP
Kontrolle des Luft-Treibstoff-Verhältnisses in Automobilen
(Lambda-Sonde):
Messung bei niedrigen Temperaturen; Belastung durch Temperaturwechsel und Korrosion
Y-PSZ, Y-TZP
Tauchsonden für Messungen in Stahlschmelze:
hohe Temperaturen, starker Temperaturwechsel
Mg-PSZ
Tabelle 4: Elektrische Anweundungen als Feststoff-Elektrolyte vollstabilisiertes ZrO2 = FSZ von fully stabilized zirconia
teilstabilisiertes ZrO2 = PSZ und TZP
Tabelle 5 gibt Hinweise auf Anwendungsmöglichkeiten für PSZ- und TZP-Hochleistungswerkstoffe,
für die ein abriebfestes und bruchfestes und (oder)
korrosionsbeständiges keramisches Material die
Voraussetzung ist.
Eigenschaften und Anwendungen von Hochleistungskeramik aus Zirkoniumoxid
7
Anwendungsbeispiele
Spezielle Forderungen
Eingesetzte Werkstoffe
Mahlkörper, Mahlgefäße
Verschleißfestigkeit
Mg-PSZ, Mg/Ca-PSZ, Y-TZP
Umformwerkzeuge für Kalt- und
Warmformung
Bruchfestigkeit, Verschleißfestigkeit, niedriger Reibungskoeffizient, TWB
Mg-PSZ, Mg/Ca-PSZ
Pumpenbauteile
Verschleißfestigkeit,
Korrosionsbeständigkeit
Mg-PSZ, Y-TZP
Fadenführer
Verschleißfestigkeit,
niedriger Reibungskoeffizient
Mg-PSZ, Mg/Ca-PSZ
Messerklingen
Besonders hohe Bruch- und Verschleißfestigkeit, Schlagfestigkeit
Y-TZP
Tabelle 5: Mechanische, thermische und chemische Anwendungen
(Teilstabilisiertes ZrO2 = PSZ und TZP)
Die folgenden Bilder zeigen Anwendungsbeispiele für O2-Sonden, wie sie in Tabelle 4 beschrieben
sind, sowie Bauteile für einige der in Tabelle 5 erwähnten Anwendungen:
Bild 4: O2-Sonden aus Y-PSZ
Bild 6: Spalttopf aus Mg-PSZ für Magnetkupplungspumpen
Bild 5: Verlötete O2-Sonde aus Y-PSZ
Bild 7: Umformwerkzeug aus Mg-PSZ
Eigenschaften und Anwendungen von Hochleistungskeramik aus Zirkoniumoxid
8
NEUESTE ENTWICKLUNGEN
Während der klassische PSZ-Typ in seinem Entwicklungsstand weitgehend ausgereift ist, sind bei
den TZP-Werkstoffen noch weitere Entwicklungen
erforderlich, vor allem im Hinblick auf eine reproduzierbare Gefügestabilisierung. Neuere Arbeiten
haben außerdem versucht, einen Zwischentyp zu
konstruieren, der die positiven Eigenschaften des
PSZ- und des TZP-Typs in sich vereinen soll [13].
Aus Japan sind spezielle Entwicklungen bekannt,
die ausgehend vom TZP-Typ die Materialeigenschaften in verschiedene Richtungen variieren lassen, so wurde unter anderem durch Zugabe von
Aluminiumoxid die hydro-thermale Beständigkeit
gesteigert.
Dazu zählen sog. superplastische Werkstoffe, die
sich bei hohen Temperaturen plastisch verformen
lassen. Nach den bisher vorliegenden Mitteilungen
handelt es sich um ein extrem feinkristallines Y-TZP.
Ob damit das bisher als unerreichbar scheinende
Ziel einer duktilen Keramik im Blickfeld ist, wird die
Zukunft zeigen. Natürlich kann eine superplastische
Keramik kein Hochtemperaturwerkstoff sein.
Literatur
[1] Ryshkewitch, E.: Deutsche Patente Nr. 519796 und 542320, erteilt für
die Firma Degussa.
[2] Ryshkewitch, E.: Oxidkeramik der Einstoff-Systeme, Springer-Verlag,
Berlin 1948.
[3] Ryshkewitch, E.: Oxide Ceramics, Phxsical Chemistry and Technology,
Academic Press, New York and London, 1960 (Kapitel 5 “Zirconia“ Seiten
350 – 396)
[4] Salmang-Scholze: Keramik, Teil 2 Keramische Werkstoffe, 6. Auflage
(von H. Scholze), Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo
1983.
[5] Claussen, N.: Umwandlungsverstärkte keramische Werkstoffe, Z. Werkstofftech. 13, 138-147 (1982).
[6] Claussen, N.: Transformation toughened ceramics (TTC); Ceramics in
advanced energy technologies; Proceedings; Riedel Publ. Co. 1984, 51-86.
[7] Garvie, R.C., et al: Teilweise calciumoxidstabilisiertes ZirkoniumoxidKeramikmaterial und Verfahren zu seiner Herstellung. DE 2634149
[8] Garvie, R.C., et al: Partially Stabilized Zirconia Ceramics; Methods of
Making Said Ceramics. EP 0013599 B.
[9] Swain, M.V.: Thermal Shock Behaviour of Magnesia Partially Stabilized
Zirconia. – Aust. Ceram. Conf. Sydney Aug. 27-29, 1980, Kensington, NSW,
Aust. Ceram. Soc. 1980, 269.
[10] Rieth, P.H., Reed, J.S.: Fabrication and Flexural Strength of UltrafineGrained Yttria-Stabilized Zirconia, Amer. Ceram. Soc. Bull.,55 (8), 717-721
(1976).
[11] Gupta, T.K., Lange, F.F., Bechthold, J.H.: Effect of Stres-Induced Phase Transformation on the Properties of Polycristalline Zirconia Containing
Metastable Tetragonal Phase; J. Mater. Sci. 13 (1978), 1464 – 1470.
Die bisher unvermeidliche Festigkeitsabnahme bei
höheren Temperaturen als Folge der abnehmenden Wirkung der Umwandlungsverstärkung lässt
sich, wieder nach neueren japanischen Arbeiten
[14, 15, 16], durch bestimmte Zusätze zum TZP-Gefüge kompensieren. Mit derartigen Variationen soll
bei Raumtemperatur eine Biegebruchfestigkeit bis
2500 N/mm² erreicht worden sein, die bei Temperaturerhöhung auf 1000 °C nur auf ca. 1000N/mm²
abnimmt. Damit wären also auch auf der Basis von
ZrO2 Werkstoffen mit extremer Hochtemperaturfestigkeit herstellbar. Das ist eine Entwicklungsrichtung, die mindestens ebensoviel erwarten lässt wie
die vorher erwähnten superplastischen Werkstoffe.
[12] Lange, F.F.: Transformation Toughening: III. Experimental Observations
in the ZrO2 – Y2O3 System, J. Mater. Sci., 17 (1), 240 – 6 (1982).
[13] Claussen, N., Schubert H.: Hochfester und temperaturbeständiger
Formkörper aus Zirkoniumoxid (ZrO2) und Verfahren zu seiner Herstellung; DE 3415803 E.
[14] Tsukama, K., Shimada, M.: Hot Isostatic Pressing of Y2O3-Partially Stabilized Zirconia – Am. Ceram. Soc. Bull. 64 [2]310 – 3 (1985).
[15] Tsukuma, K., Ueda, K.: Strength and Facture Toughness of Isostatically
Hot-Pressed Composites of Al2O3 and Partially-Stabilized ZrO2 - J.Am.
Ceram. Soc. 68[1] C4-C5 (1985).
[16] Tsukuma, K., Ueda, K.: High Temperature Strength and Fracture
Toughness of Y2O3-Partially-Stabilized ZrO2 /Al2O3 Composites – J.Am.Soc.
68 [2], C56 – C58 (1985).
Literatur zu den neusten Entwicklungen auf allen Gebieten der ZrO2-Keramik findet man in den Sammelbänden der Zirconia-Konferenzen.
Heuer A.H., et al (Editors) Science and Technology of Zirconia, Advances
in Ceramics, Volum 3, p. 479 (Proceedings of the First International Conference on the Sciene on Technology of Zirconia, Cleveland, hio 1980), The
American Ceramic Society, Inc. (1981).
Claussen, N. et al (Editors), Science and Technology of Zirconia II, Advances in Ceranics, Volume 12, p.842 (Proceedings of the Second International
Conference on the Science and Technology of Zirconia, Stuttgart, 1983),
The American Ceramic Society, Inc. (1984).
Eigenschaften und Anwendungen von Hochleistungskeramik aus Zirkoniumoxid
9
FRIATEC Aktiengesellschaft – Division Keramik
Steinzeugstraße 50 – 68229 Mannheim
Tel. +49 621 486 1349 – Fax +49 621 486 251349
[email protected]
www.friatec.de