Dreikönigstagung vom 12. Januar 2016 Rede von Hanspeter Lebrument, Präsident Verband SCHWEIZER MEDIEN DER KERN DES STREITS Meine Damen und Herren National- und Ständeräte, Liebe Kollegen aus verwandten und uns zugewandten Branchen Liebe Journalisten und Journalistinnen Liebe Verleger-Kollegen Sie haben richtig gehört: In meiner Anrede habe ich die Parlamentarier im Bundeshaus zuerst begrüsst. Ich halte es für die Pflicht meiner Präsidiums-Kollegen und mir, die Politiker in unserem Land für unsere Auseinandersetzung mit der SRG zu sensibilisieren. Genau darum geht es auch in dieser Rede. Diese Auseinandersetzung steht im Mittelpunkt meiner Ausführungen. Trotz der fast verloren gegangenen Abstimmung über das Radio – und Fernsehgesetz und trotz des zunehmenden Unmuts weiter Kreise in der Bevölkerung über das selbstherrliche Gebaren der SRG, ist die Zahl der Parlamentariern noch immer hoch, welche die SRG als sakrosankten Teil der Bundesverwaltung betrachten. Die Zahl der Politiker, die sich an die SRG „gewöhnt“ haben, ist kleiner geworden, aber noch immer schätzen viele Parlamentarier eine staatsnahe, berechenbare Institution mit unzähligen Gremien, die entsprechend beaufsichtigt werden kann. Eine solche parastaatliche Organisation steht in einem natürlichen Gegensatz zu den kleinen und grossen privaten Medienunternehmen, die sich nicht so leicht an die Kandare nehmen lassen: Sie sind unberechenbarer und müssen den Grossteil ihrer Erträge in dauerndem Kampf über den Markt erarbeiten. Wir Verleger, wir Medienunternehmer wollen das so. Auch in Zukunft. Wir selbständigen privaten Medienunternehmer haben also einen Kampf an zwei Fronten zu bestehen: Da ist der Überlebens- und Anpassungskampf wegen des strukturellen Wandels. Unser traditionelles Geschäftsmodell ist in der Veränderung. Viele private Medienhäuser – ob klein oder gross spielt keine Rolle – sind in diesem Anpassungs-Prozess gut unterwegs. Ich erlaube mir deshalb folgende Prognose: Auch in zehn Jahren wird es aufgrund Verband SCHWEIZER MEDIEN Konradstrasse 14, Postfach, CH-8021 Zürich Telefon 044 318 64 64, Telefax 044 318 64 62 www.schweizermedien.ch, [email protected] Zürich, 12. Januar 2016 Seite 2 unternehmerischer Leistung, journalistischem Temperament und regionaler Unterschiedlichkeiten private Medienhäuser geben. Wir privaten Medienunternehmer werden auf allen Kanälen jene Leistungen erbringen, die Print-Leser, Internetnutzer, Zuschauer und Radiohörer erwarten. Und damit schaffen wir uns eine starke Wettbewerbsposition gegenüber den Werbeauftraggebern. Es gibt aber noch eine zweite Front: An dieser Front geht es um eine medien- und ordnungspolitische Auseinandersetzung, die uns von den SRG-Hierarchen seit Jahren aufgezwungen wird. Wir sollten diesen Kampf nicht beschönigen! Ich will die Kernfragen der Auseinandersetzung gleich am Anfang stellen: 1. Die Schweiz muss die Frage beantworten, ob sie auch in Zukunft Rahmenbedingungen schaffen und erhalten will, in denen sich private Medienunternehmen entwickeln können oder nicht. 2. Die Schweiz muss die Frage beantworten, ob eine staatliche abgesicherte SRG die Medienlandschaft dominieren darf oder nicht. 3. Die Schweiz muss die Frage beantworten, ob sie sich der unternehmerischen, kulturellen und politischen Vielfalt erinnern will, die bisher unser Land ausgezeichnet hat – eine Vielfalt, die unser Land gross und stark machte. Meine Damen und Herren, das sind die Kernfragen! Und diesen Kernfragen kann niemand ausweichen. Wir Verleger sind längst zu Medienunternehmern geworden. Wir arbeiten seit Jahren an der Weiterentwicklung einer auch für nachwachsende Generationen funktionierenden Medienlandschaft. Dafür brauchen wir aber entsprechende Rahmenbedingungen. Verband SCHWEIZER MEDIEN Konradstrasse 14, Postfach, CH-8021 Zürich Telefon 044 318 64 64, Telefax 044 318 64 62 www.schweizermedien.ch, [email protected] Zürich, 12. Januar 2016 Seite 3 Das geplante Joint Venture zwischen SRG, Swisscom und Ringier würde in dieser Form alle anderen Medienunternehmen entscheidend benachteiligen. Mit einem Schlag würde der grösste Vermarkter der Schweiz entstehen. Durch die beabsichtigte Bündelung der Angebote und der Einführung neuer personalisierter Werbeformen würde das geplante Joint Venture einen erheblichen Vorteil gegenüber allen Konkurrenten erlangen – teilweise mit erheblichen Gebührengelder finanziert. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang den unverdächtigen Medien-Professor Otfried Jarren zitieren, der später hier auch noch auftritt; er sagte wörtlich: «Werbung wie Sponsoring sind kein Kerngeschäft des öffentlichen Rundfunks. Und falls eine Personalisierung von Werbung geplant ist, passt diese nicht zu einem öffentlichen Medienunternehmen.» Dieser Joint Venture-Plan der SRG ist der bisherige Höhepunkt einer Strategie, die aus dem «System Hinterhalt» entwickelt worden ist. Die SRG-Führung hat in den letzten Jahren immer wieder bewiesen, dass sie mit den privaten Anbietern keinen Konsens und kein Auskommen finden will – im Gegensatz zu allen staatsmännischen und vaterländischen Verlautbarungen. Worte der SRG-Oberen erwiesen sich im Nachhinein immer als falsche Schallmaien-Töne! Deshalb benütze ich dieses Wort noch einmal: «Hinterhalt hat bei der SRG System»! Blenden wir zurück: Vordergründig wurde schon immer auf Eintracht gemacht, während im Hintergrund anders gehandelt wurde. Bereits Roger de Wecks Vorgänger, Generaldirektor Walpen, säuselte süsse Worte und gründete gleichzeitig einen Radio-Sender nach dem andern, um die privaten Anbieter so klein als möglich zu halten. Das zweite Beispiel beschäftigt die Branche heute noch und zeigt die Machtperfidie der SRG-Bosse, die Onlinewerbung. Der Vorgenannte Walliser Generaldirektor hatte einen Walliser Bundesrat für die Einführung der Onlinewerbung bei der SRG gewinnen können. Sein Argument: Die ARD und das ZDF, die öffentlichen Fernsehstationen Deutschlands, verkauften Onlinewerbung. Was den Deutschen recht sei, sollte den Schweizern billig sein. Wenige Tage vor der entscheidenden Bundesratssitzung, telefonierte mir ein Regierungsmitglied und sagte mir, dass das was Verband SCHWEIZER MEDIEN Konradstrasse 14, Postfach, CH-8021 Zürich Telefon 044 318 64 64, Telefax 044 318 64 62 www.schweizermedien.ch, [email protected] Zürich, 12. Januar 2016 Seite 4 Deutschland tue auch die Schweiz einzuführen gedenke. Ich bot im Schnellzugstempo einen ARD und einen ZDF-Vertreter auf, die einzelnen Bundesräten darlegten, dass für ZDF und ARD ein Online-Werbeverbot gelte. Damit war der Waliser Onlineplan gescheitert. Wer dachte, wir hätten nun Ruhe, irrte. Wenig später trat ein Zürcher-Mitglied aus der Landesregierung aus. Beim Austritt zeigte er sich gegenüber der ihm sehr gewogenen SRG erkenntlich. Er plante die Teileinführung der Onlinewerbung für die SRG in den Bereichen Sport und Unterhaltung. Stunden vor Sitzungsbeginn erhielt unser Verband Wind von diesem Plan. Der Bundesrat änderte den Vorschlag ab und Entschied, dass für die Onlinewerbung auch die Zustimmung der Privaten notwendig sei. Die SRG hat es nie geschafft, mit den Privaten einen gemeinsamen Weg in der Onlinewerbung zu finden. Auch das heutige Projekt der Werbeallianz ist heimlich gestartet worden. Noch während des Abstimmungskampfes, um die Haushaltsabgabe für Radio und Fernsehen, die den Nutzermarkt wesentlich zu Lasten der Privaten beeinflusst, wurde das Projekt Werbeallianz im Verborgenen vorbereitet. Bereits im Februar, also 4 Monate vor der RTVG-Abstimmung, wurde die Werbeallianz mit drei grossen Unternehmungen und unter Ausschluss fast aller privaten Medienhäusern geboren. Die SRG wollte nicht nur im Nutzer- sondern auch im Werbemarkt die Privaten stark schwächen. Am Wochenende wurden die privaten Medien wiederum überfallen. Knapp vor dieser Tagung schlug die SRG-Generaldirektion in einer merkwürdigen Aktion altbekannte Zusammenarbeitsformen vor. Dies ohne mit den Verlagen zu reden oder gar vorab zu verhandeln. Diese Vorschläge bringen den Privaten gar nichts. Dennoch wird der Verband SCHWEIZER MEDIEN – wie er es immer getan hat – das Gespräch mit der SRG aufnehmen, um seine Vorstellungen darzulegen. Die Privaten sind nicht auf noch mehr SRGUnterstützung angewiesen, sondern auf vermehrte Werbeeinnahmen die ihnen die SRG streitig machen will. Vordergründig wird den Politikern und dem Volk vorgegaukelt, die SRG wolle gemäss Service-Public-Definition nur das tun, was die privaten Unternehmer nicht könnten. In Tat Verband SCHWEIZER MEDIEN Konradstrasse 14, Postfach, CH-8021 Zürich Telefon 044 318 64 64, Telefax 044 318 64 62 www.schweizermedien.ch, [email protected] Zürich, 12. Januar 2016 Seite 5 und Wahrheit wissen wir längst, dass diese Aussage nicht stimmt, schlimmer noch: nie stimmte seit die Herren Walpen und de Weck an der Macht waren und sind. Nicht nur wir Verleger sind betroffen und enttäuscht von dieser SRG-Machtpolitik: Vor einigen Tagen kritisierte der SP-Nationalrat und Medienpolitiker Matthias Aebischer den (ich zitiere) «knallharten Machtausbau der SRG-Spitze». Der sozialdemokratische Politiker sagte wörtlich: «Den Dienstleistungscharakter, den Service, der im Wort Service public steckt, spüre ich zu wenig. Stattdessen baut man knallhart seine Macht aus.» Medien- und Ordnungspolitik sind elementare Teile der Staatsführung und der Gesellschaftspolitik: Aufgrund der geschilderten Erfahrungen mit den SRG-Chefs komme ich deshalb zu einem eindeutigen Schluss: Die SRG-Führung hat ein anderes Staatsverständnis als wir. Und damit sind wir beim Kern der Debatte über den Joint-Venture-Vertrag. Diesen lehnen wir in der geplanten Form ab. Eine SRG, die sich auf ein demokratierelevantes Medienangebot konzentriert, wird von uns selbstverständlich unterstützt. Werbeeinnahmen sind für dieses Angebot aber nicht notwendig. Die SRG kann sich dann auf die Service public-relevanten Inhalte konzentrieren und braucht sich nicht den Bedürfnissen der Werbewirtschaft anzupassen. Auch eine Kommerzialisierung des Digitalangebotes braucht die SRG nicht: sie soll sich auf ihr Kerngeschäft, Radio und Fernsehen, konzentrieren. Diese Angebote kann sie auch über das Internet verbreiten, muss aber auf weitergehende Angebote verzichten. Öffentlich finanzierte Service-Public-Inhalte sollen allen der Gesellschaft verpflichteten Medienanbietern, die sie weiterverbreiten wollen, kostenlos zur Verfügung stehen. In einem solchen medienpolitischen Umfeld bildet sich die vielgestaltige Wirklichkeit der Schweiz ab: Regional und föderalistisch, wirtschaftlich und kulturell, privat und nicht staatlich. Nur so finden wir eine Balance zwischen der zum selbstherrlichen Moloch gewordenen SRG und der Wirklichkeit unseres Landes. Lassen Sie mich noch einmal Professor Jarren zitieren: «Wir benötigen einen kritischen, anstossenden, herausfordernden Journalismus. Den haben private wie gesellschaftliche Gruppen oder Verlage bisher ermöglicht – dieses private, innovative Potential benötigen wir weiterhin.» Auch die SRG sei weiterhin notwendig, sagt Professor Jarren; sie müsste aber Verband SCHWEIZER MEDIEN Konradstrasse 14, Postfach, CH-8021 Zürich Telefon 044 318 64 64, Telefax 044 318 64 62 www.schweizermedien.ch, [email protected] Zürich, 12. Januar 2016 Seite 6 als öffentliche Einrichtung mit ihren Radio- und TV-Programmen einen anderen Auftrag erfüllen. Bei dieser harten Auseinandersetzung zwischen der SRG und dem Verband SCHWEIZER MEDIEN hat der Bundesrat vor Jahren in einer ähnlichen Situation, wo es um die Einführung der Online-Werbung bei der SRG ging, einen salomonischen Entscheid gefällt. Er hat verfügt, dass die SRG und der Verband der Privaten eine gemeinsame Position finden müssen. Das würde heute bedeuten: Keine Umsetzung des Joint-Ventures bis die Verleger und die SRG eine gemeinsame Basis gefunden haben. Dies, so meinen wir, ist möglich bei den kommenden Verhandlungen. Genau dafür macht sich auch weiterhin der Verband SCHWEIZER MEDIEN stark. Hinter den Kulissen, aber auch im öffentlichen Diskurs. Dieser Verband hat sich in seiner weit über 100-jährigen Geschichte immer wieder spektakuläre Auseinandersetzungen geliefert: Zornige Debatten, Streit und Austritte sind Teil der Identität. Schliesslich sind wir publizistische Temperamente und politische Köpfe – und gleichzeitig auch Unternehmer. Deshalb nehme ich mich hier nicht raus. Einiges zu früheren Austritten von Mitgliedern unseres Verbandes, weil diese Frage durch den Austritt von Ringier zur Zeit in der Branche diskutiert wird. In den 80er Jahren trat der Tagesanzeiger mit einigen anderen aus dem Verband aus. Grund waren kleinere und mittlere Verlage, die Verhinderten, dass nicht nur zwei, sondern alle drei Grossen NZZ, Tagesanzeiger und Ringier in den Vorstand gewählt werden sollten. Die Kleinen wollten damit die Macht der Grossen beschränken. Darauf hin trat der Tagesanzeiger aus dem Verband aus. Rund 10 Jahre später, in der Dotcom-Krise stimmten die grossen Verlage gegen die kleineren und mittlerem einem gut dotierten GAV zu. Ihre Stimmenmehrheit sicherte ihnen den Entscheid. Als Rädelsführer mit rund 20 Verlagen, trat ich aus dem Verband aus. Wir glaubten, einen solchen Luxus-Vertrag nicht erfüllen zu können. Die austretenden Verleger von damals, unter anderem Hans Heinrich Coninx und der Sprechende, sind später wider in den Verband zurückgekommen. Die beiden genannten haben dann während vieler Jahre den Verband präsidiert. Verband SCHWEIZER MEDIEN Konradstrasse 14, Postfach, CH-8021 Zürich Telefon 044 318 64 64, Telefax 044 318 64 62 www.schweizermedien.ch, [email protected] Zürich, 12. Januar 2016 Seite 7 Deshalb weiss ich, dass wir am Ende immer wieder zusammenkommen – zugunsten dieser vielgestaltigen privaten Schweizer Medienlandschaft. Die Unterstützung für uns nimmt tagtäglich zu – in der Politik, in der Wirtschaft und am Wichtigsten: Bei den Mediennutzern. Die letzte Volksabstimmung war ein deutliches Zeichen. Wir haben Grund, zuversichtlich zu sein. Es gibt aber auch positives zu vermelden. In den letzten Wochen hat der Verband andernorts wichtige Erfolge errungen. Am 18. November hat das Bundesverwaltungs-gericht uns in der langwierigen und von Seiten des Verbandes intensiv geführten Auseinander-setzung mit der Schweizerischen Post Recht gegeben. Die einseitigen Preiserhöhungen waren nicht in Ordnung. Auch wenn der Fall noch ans Bundesgericht weitergezogen werden kann, sind wir zuversichtlich. Am 3. Dezember hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, an der indirekten Presseförderung festzuhalten. Der Verband SCHWEIZER MEDIEN konnte darlegen, wie wichtig diese Form der Presseförderung für die Sicherung der Medienvielfalt in der Schweiz ist. Schon früher im Jahr 2015 haben wir eine Gleichstellung der gedruckten und digitalen Presseprodukte beim reduzierten Mehrwertsteuersatz erreicht. Unser Einsatz hat sich gelohnt und wird sich auch zukünftig auszahlen. Ich danke Ihnen. Verband SCHWEIZER MEDIEN Konradstrasse 14, Postfach, CH-8021 Zürich Telefon 044 318 64 64, Telefax 044 318 64 62 www.schweizermedien.ch, [email protected]
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