Prof. Dr. Jan Henrik Klement Sommersemester 2015 Staatsrecht II (Grundrechte) Arbeitsgemeinschaft – Papier 4: Ronald McDonald Inhalte: Freiheit der Kunst (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG); Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG); Werturteile und Tatsachenbehauptungen; Allgemeines Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG); Grundrechtskonkurrenzen; Juristische Personen als Träger von Grundrechten Sachverhalt: S ist Ernährungswissenschaftler, Gourmet und leidenschaftlicher Vertreter der sog. SlowFood-Bewegung. Fast-Food-Restaurants und ungesundes Essen sind ihm zuwider. Nachdem S die ungesunden Ernährungsgewohnheiten der Deutschen mit wachsender Sorge betrachtet hat, beschließt er, aktiv zu werden. Auf seiner Homepage und in Infobroschüren, die er massenhaft drucken lässt, beschwört S das Ende der Fettleibigkeit und den Beginn eines neuen Zeitalters gesundheitsbewusster Ernährung. Er informiert über die gesundheitlichen Risiken von Übergewicht wie Diabetes, Bluthochdruck und Atembeschwerden und die positiven Effekte von vollwertiger, biologischer Ernährung. Ausdrücklich wendet er sich gegen die marktführenden Fast-Food-Ketten McDonald‘s und Burger King, zu deren Meidung er aufruft. Um seine Kritik bildlich zu untermauern und ein breites Publikum anzusprechen, verwendet S das Maskottchen der Fast Food-Kette McDonald‘s, Ronald McDonald, den er in mehreren detailreichen Zeichnungen als extrem fettleibig darstellt. Unter anderem zeigen die Zeichnungen den stark übergewichtigen Ronald McDonald schweißüberströmt beim Treppensteigen und peinlich berührt am Strand in einer Badehose. Die McDonald‘s Corporation (M) erwirkt, gestützt auf § 823 Abs. 1 BGB, eine Verurteilung des S zur Leistung von Schadensersatz. Außerdem wird es S vom Gericht in analoger Anwendung des § 1004 Abs. 1 BGB untersagt, weiterhin dazu aufzurufen, McDonald’s zu meiden, und die Zeichnungen des fettleibigen Ronald McDonald der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der entrüstete S beschreitet gegen das Urteil den Zivilrechtsweg, doch auch der Bundesgerichtshof weist schließlich sein Rechtsmittel ab. S sieht seine Aufklärungstätigkeit gefährdet. Es gehe ihm darum, ein Umdenken in der Bevölkerung zu erreichen. Ohne plakative Bilder und wertende Äußerungen sei ihm dies nicht effektiv möglich. Durch die zivilgerichtlichen Urteile fühlt er sich „zensiert“. Außerdem habe er die betroffenen Zeichnungen von Ronald McDonald bei dem bekannten Cartoonisten C in Auftrag gegeben, die Bilder seien somit auch von künstlerisch hohem Wert. Hat die Verfassungsbeschwerde des S gegen die zivilgerichtlichen Urteile Aussicht auf Erfolg? Bearbeitervermerk: § 1004 Abs. 1 BGB lautet: Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. § 823 Abs. 1 BGB lautet: Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Von der Verfassungsmäßigkeit der § 1004 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 1 BGB ist auszugehen. Bei Ronald McDonald handelt es sich um ein als Marke in das vom Patentamt geführte Register eingetragenes Zeichen, dem somit Markenschutz nach dem MarkenG zukommt. Lesehinweise: Zur Vorbereitung auf die Arbeitsgemeinschaft: B. Pieroth/B. Schlink/T. Kingreen/R. Poscher, Grundrechte Staatsrecht II, 30. Aufl. 2014, Rn. 589–684; H. J. Papier/C. Krönke, Grundkurs Öffentliches Recht 2, 2012, S. 28– 38. Zur Vertiefung: BVerfG, Beschl. v. 24.2.1971 – Az. 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173–200 (Mephisto); BGH, Urt. v. 16.12.2014 – Az. VI ZR 39/14, Juris. Aus der Fallbearbeitung: B. Schmidt am Busch/C. Gregor, Anfängerklausur – Öffentliches Recht: Grundrechte – Jeder Mensch ein Künstler? JuS 2015, 37–42.
© Copyright 2024 ExpyDoc