Agra-Europe, 19. 1. 2016 Außerlandwirtschaftliche Investoren weiter aktiv am Bodenmarkt Aeikens sieht dringenden Handlungsbedarf und verteidigt sein geplantes Agrarstrukturgesetz - Die Regulierung des Verkaufs von Unternehmensanteilen soll eine Beruhigung der Pacht- und Kaufpreisdynamik bringen - Agrarvertreter befürchten allerdings negative Folgen für regional verankerte größere Unternehmen - Jungehülsing und Fock bestätigen Regulierungsbedarf - 13. Agrarmanager-Bodenforum in Berlin BERLIN. Der Einfluss außerlandwirtschaftlicher Investoren am Bodenmarkt ist regional noch größer als bisher angenommen; mit der nötigen Antwort darauf tun sich alle Beteiligten jedoch schwer. Das ist beim 13. Bodenforum deutlich geworden, das vom agrarmanager-Magazin am Dienstag vergangener Woche (19.1.) am Rande der Internationalen Grünen Woche in Berlin ausgerichtet wurde. Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Dr. Hermann Onko Aeikens wies darauf hin, dass die Übernahme von Geschäftsanteilen oder ganzen Unternehmen inzwischen einen erheblichen Teil der Bodentransaktionen im Land umfasse, ohne dass dieser Erwerb registriert oder gar reguliert werde. Dieser Umstand, aber auch andere Probleme wie die Weiterveräußerung begünstigt erworbener Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) rechtfertigen aus seiner Sicht die Überarbeitung der bestehenden Gesetze und Verordnungen und deren Zusammenfassung in dem 2015 vorgelegten Referentenentwurf für ein Agrarstrukturgesetz. Der Geschäftsführer der Gerbstedter Agrar GmbH, Wolfgang Beer, befürchtet allerdings durch ein solches Gesetz auch negative Folgen für regional verwurzelte Unternehmen und lehnt den Entwurf deshalb vehement ab. Nach Einschätzung von Jobst Jungehülsing vom Bundeslandwirtschaftsministerium können die tatsächlich bestehenden Probleme am Bodenmarkt ohne eine Anpassung des Bodenrechts aber nicht gelöst werden. Sollte dies nicht gelingen, könnte ihm zufolge die Agrarstruktur in Deutschland Schaden erleiden. Laut Prof. Theodor Fock vom Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften der Hochschule Neubrandenburg sind außerlandwirtschaftliche Investoren allerdings kein neues Phänomen. Er verwies auf die Parallelen zwischen den heutigen Aktivitäten und dem Übergang ganzer Güter aus den Händen des Adels in die bürgerlicher Abnehmer im 19. Jahrhundert. Eingriff ins Eigentumsrecht gerechtfertigt Nach Auffassung von Aeikens spricht auch aus juristischer Sicht nichts gegen die Einführung eines Agrarstrukturgesetzes. So liege die Bodenmarktregulierung ohnehin in der Verantwortung der Bundesländer und die teils kritisierten Einschränkungen des Eigentumsrechts seien beispielsweise im Grundstücksverkehrsgesetz seit langem üblich und durch Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt, erläuterte der Minister. Er kündigte deshalb an, den Entwurf in der nächsten Legislaturperiode auf jeden Fall wieder in die parlamentarische Debatte einbringen zu wollen. Der CDU-Politiker will mit dem neuen Gesetz insbesondere die Vielfalt der landwirtschaftlichen Unternehmen und die Wertschöpfung im ländlichen Raum absichern. Durch die Einschränkung der Aktivitäten außerlandwirtschaftlicher Investoren erhofft sich Aeikens zudem eine Beruhigung der Pacht- und Kaufpreisdynamik. Eine zu starke Flächen- und Unternehmenskonzentration muss nach Darstellung des Ministers auch wegen der zunehmenden Diskussion um die Berechtigung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen verhindert werden. Sollten in wenigen Jahren vorrangig Brillen- oder Möbelhersteller zu den Hauptbeziehern dieser Gelder gehören, werde die Legitimation der Direktzahlungen noch schwerer, warnte Aeikens. Bedrohung für den regionalen Zusammenhalt Beer warf Aeikens vor, mit dem Agrarstrukturgesetz die Eigentumsrechte ganz bestimmter Agrarunternehmen beschneiden zu wollen. Er befürchtet dadurch insbesondere für juristische Personengesellschaften oberhalb einer bestimmten Flächenausstattung Nachteile bei Pacht und Kauf. Diese Firmen seien ab einer Fläche von 2 000 ha praktisch vom freien Bodenmarkt ausgeschlossen und müssten einen schleichenden Flächenverlust in Kauf nehmen, monierte der Landwirt. Er verwies auf die heute oft noch enge Anbindung von ostdeutschen Agrargenossenschaften und GmbHs zur Dorfbevölkerung. Diese Unternehmen seien Arbeitgeber und Garant für soziale Strukturen und Wertschöpfung im ländlichen Raum. Das von Aeikens geplante Agrarstrukturgesetz stehe der Entwicklung der juristischen Betriebe jedoch im Wege, verstoße mit der angedachten Bevorzugung von Personengesellschaften gegen Gleichheitsgrundsätze und ziele ohnehin nur darauf ab, der Landgesellschaft Flächen zu verschaffen, kritisierte Beer. Übernahme von Agrarbetrieben weiter gefragt Nach Darstellung von Jungehülsing ist der Erwerb von Agrarflächen für außerlandwirtschaftliche Investoren ungeachtet der aktuellen Niedrigpreisphase nach wie vor äußerst attraktiv. Haupttreiber sei die fortgesetzte Niedrigzinspolitik der Notenbanken. Immobilien dienten dabei der sicheren Vermögenslage, für die es momentan wenige Alternativen gebe, erläuterte der Fachmann. In der Folge setze sich der Preisanstieg am Bodenmarkt fort und habe ein Niveau erreicht, das durch landwirtschaftliche Ertragsleistungen kaum noch gerechtfertigt sei. Jungehülsing, der hervorhob, nur die eigene Meinung zu vertreten, sieht insbesondere im außerlandwirtschaftlichen Erwerb von Unternehmensanteilen oder ganzer Agrarunternehmen ein besonderes Problem für den Bodenmarkt. Diese seien durch geltende Gesetze nicht erfasst, machten aber zumindest in den östlichen Bundesländern inzwischen einen erheblichen Teil der Transaktionen aus. Der Betriebskauf und die oft damit verbundene Zusammenfassung mehrerer Unternehmen in einer Holdingstruktur ermöglichten den Besitzern zudem die Umgehung der Grunderwerbssteuer und die Nutzung weiterer Steuerschlupflöcher, was den ländlichen Räumen Wertschöpfung entziehe. Strukturwechsel statt Strukturwandel Laut Jungehülsing hebelt der Unternehmenskauf durch außerlandwirtschaftliche Investoren auch wichtige Spielregeln im Agrarsektor aus. Ihm zufolge wandert die Fläche nicht mehr automatisch zum besten Bauern. Darüber hinaus werde der Vorrang der Landwirte beim Agrarflächenkauf umgangen und der Bodenpreis orientiere sich nicht mehr vorrangig an der Ertragskraft der Fläche. Nach Einschätzung des Fachmanns sollte deshalb bei der Eingliederung von Unternehmen in finanzkräftige Holdings nicht mehr von Strukturwandel, sondern vielmehr von Strukturwechsel gesprochen werden. Auch aus diesem Grund sieht Jungehülsing sowohl das Grundstücks- und das Landpachtverkehrsgesetz sowie das Reichssiedlungsgesetz in ihren Funktionen beeinträchtigt. Er verwies in diesem Zusammenhang auf den Zwischenbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Bodenmarktpolitik“, die sich im Spätsommer 2014 auf gemeinsame künftige bodenmarktpolitische Ziele geeinigt hatte. Dabei hatte man sich unter anderem darauf verständigt, den Anstieg der Kaufund Pachtpreise auf den landwirtschaftlichen Bodenmärkten zu begrenzen, eine breite Streuung des Bodeneigentums zu gewährleisten und marktbeherrschende Positionen auf regionalen Bodenmärkten zu vermeiden (AgE 36/14, Dokumentation). Die Vorschläge für einen Kurswechsel lägen also vor, erklärte Jungehülsing. Nun liege es an den Ländern, die Defizite beim Bodenrecht zu beheben. Investoren kein neues Thema Fock bestätigte Jungehülsings These, wonach Boden inzwischen verstärkt als Anlageobjekt gefragt sei, verwies aber darauf, dass die sogenannten außerlandwirtschaftlichen Investoren mit ähnlichen Motiven bereits vor über 100 Jahren ganze Agrargüter mit entsprechender Flächenausstattung übernommen hätten. Das heutige Engagement solcher finanzkräftiger Anleger erhöht Fock zufolge durchaus die Konkurrenz am Bodenmarkt und sorgt für eine nachlassende wirtschaftliche und soziale Anbindung der wirtschaftenden Betriebe an die Region. Die Politik steht nun nach Einschätzung Focks vor der Entscheidung, die Übernahme ganzer Betriebe einer Regulierung zu unterziehen oder die betreffenden Gesetze im Extremfall ganz abzuschaffen. Man könne nicht auf Dauer den Kauf und Verkauf von 5-ha-Parzellen im Grundstücksverkehrsgesetz regulieren und gleichzeitig die Übernahme von 500 ha großen Betriebsteilen ignorieren, so der Neubrandenburger Agrarökonom. Angesichts der hohen Dynamik riet er der Politik zu einem zügigen Vorgehen. AgE
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