KRANKENHAUS Brandschutz Neue Konzepte gesucht Evakuierung demenzkranker Menschen Im Rahmen der Modernisierung bestehender Pflegeheime sowie für die Errichtung neuer Stationen für demenzkranke Menschen ist ein schutzzielorientiertes Brandschutzkonzept durch den Brandschutzsachverständigen zu erarbeiten. Den neuen Therapieansätzen folgend, kann hierfür die derzeit gültige Krankenhausbauverordnung (KhBauVO) als Sonderbauvorschrift nicht mehr in letzter Konsequenz in Ansatz gebracht werden. Im Rahmen der Genehmigungsplanung sind daher bei der Bearbeitung der Brandschutzkonzepte die Schutzziele neu zu definieren und in die Planung zu integrieren. Bild 1: Im Brandfall erfolgt die Evakuierung über verschiebbare Betten horizontal in einen anderen Brandabschnitt. D ie KhBauVO kennt bisher lediglich aneinander gereihte Pflegezimmer, die unmittelbar in einen brandlastfreien notwendigen Flur münden. Über diesen Flur werden zwei unabhängige Rettungswege, in der Regel Treppenräume, zur Evakuierung herangezogen. In Krankenhäusern erfolgt die Evakuierung über verschiebbare Betten horizontal in einen anderen Brandabschnitt (Bild 1). Bisheriger Sicherheitsstandard In Pflegeheimen wird die Evakuierung von in der Bewegung eingeschränkten Personen in der Regel mit Evakuierungstüchern durchgeführt. Für demenzkranke Menschen ist eine selbstständige Evakuierung durch das vorhandene Pflegepersonal nicht möglich, da jeder Patient durch eine Begleitperson betreut und beaufsichtigt werden muss. 38 Auch nach der Evakuierung des Demenzkranken in einen sicheren Bereich kann das Aufsichtspersonal nicht wieder zurücklaufen, um noch weitere Personen zu retten, da die Kranken ständig beaufsichtigt werden müssen. Die erforderliche Personaldichte zur Evakuierung einer gesamten Station von etwa 20 bis 25 Personen ist jedoch sowohl tagsüber als auch nachts meist nicht vorhanden. Bft Cognos hat in Zusammenarbeit mit Betreibern von Demenzabteilungen eine neue Konzeption von Pflegestationen erarbeitet. Ziel ist es, die Bewohner möglichst mit geringem Personalaufwand und in kürzester Zeit innerhalb der Station in sichere Bereiche zu evakuieren. Eine Evakuierung außerhalb der Station kann in Abstimmung mit der Feuerwehr durchgeführt werden. Zu diesem Zeitpunkt, also ungefähr 20 bis 25 Minuten nach Ausbruch eines Brandes, sind genügend Betreuungskräfte für die Be- Bild 2: Beispiel für die Ausgestaltung von Flurzonen im modernen Krankenhausbau wohner der Pflegestation vor Ort. Ein gelungenes Beispiel für das neue Evakuierungskonzept ist die Pflegestation für Demenzkranke im Maria Hilf Stift Monschau. Baulicher Brandschutz Auf jeder Pflegestation wird ein zentraler Gemeinschaftsraum eingerichtet, der den dementen Bewohnern vertraut ist und in einem möglichen Schadensfall als sicherer Zufluchtsort dient. Der Raum wird feuerbeständig und rauch- Y AUTOR Dipl.-Ing. Stefan Peters ist Prokurist der Sachverständigengesellschaft bft COGNOS GmbH, Aachen Tel.: 0241/41358-501 E-Mail: [email protected] www. bft-cognos.de W&S KRANKENHAUS 5/2006 [ HINTERGRUND Bild 3: Beispiel einer Pflegestation für Demenzkranke – Maria Hilf Stift Monschau wenn die Zimmertür von dem Pflegepersonal im Brandfall verschlossen wird. Die Möblierung und die Stoffbezüge im Bereich der Verkehrswege sind schwer entflammbar auszubilden (Bild 2). Alle Zugangstüren zu den Pflegerstationen für demenzkranke Menschen werden im Tagesbetrieb verschlossen, sodass sich kein Bewohner unbemerkt von der Station entfernen kann. Bei der Ausbildung dieser Verschlusssysteme muss eine exakte Planung in Abstimmung mit der Auslegung der Brandmeldeanlage stattfinden, um im Ernstfall der Feuerwehr einen ungehinderten Zutritt zu den Stationen zu gewährleisten und eine gefahrlose Evakuierung der Station sicherzustellen. dicht von der Pflegestation abgeschottet. Falls dies aus Platzmangel nicht durchführbar ist, ist ein Gemeinschaftsraum in einem benachbarten Brandabschnitt einzurichten. Der Gemeinschaftsraum wird mit einem direkten Ausgang ins Freie oder zu einem weiteren baulichen Rettungsweg ausgestattet. Somit ist eine sichere Evakuierung aus dem Gemeinschaftsraum in Abstimmung mit den Hilfskräften der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) möglich. Jede Station erhält einen zweiten baulichen Rettungsweg, der auch als Angriffsweg für die Feuerwehr dient. Da der Flurbereich aus therapeutischen Gründen nicht brandlastfrei gehalten werden soll und die Pflegezimmer in der Regel ständig offen stehen, werden alle Pflegezimmer untereinander feuerhemmend abgeschottet. Diese Zellenbauweise begrenzt ein mögliches Schadensereignis lokal, W&S KRANKENHAUS 5/2006 Technischer und organisatorischer Brandschutz Grundsätzlich muss die Pflegestation eine flächendeckende Brandmeldeanlage erhalten, um frühestmöglich eine Brandentstehung feststellen zu können. Die Alarmierung sollte nicht über Hupen, sondern als stille Alarmierung über Diensttelefone erfolgen. Da die Station meist nicht sofort geräumt werden kann, muss eine Sicherheitsbeleuchtung in den Verkehrszonen und in dem Gemeinschaftsraum eingebaut werden. Die Sicherheitsbeleuchtung sollte auch auf die Fluchtwege im Außenbereich, also zum Beispiel Treppenanlagen oder Wege, ausgedehnt werden (Bild 3). Die Brandschutzordnung regelt die Zuständigkeiten des organisatorischen Brandschutzes. Jeder Mitarbeiter muss diese Vereinbarung kennen und entsprechend handeln. Im Alarmfall muss das Pflegepersonal organisatorisch in der Lage sein, alle Bewohner in den Ge- Das Krankheitsbild der Demenz ist hauptsächlich durch die Abnahme von Gedächtnisleistungen und Denkvermögen bestimmt. Dies äußert sich durch Orientierungsprobleme, Einschränkung der Urteilsfähigkeit, Verlust der Sprach- und Rechenfähigkeit sowie durch massive Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur. Daher ist es notwendig, vertraute Umgebungen zu schaffen. Eine eigenständige Evakuierung ohne eine direkte Betreuung jedes Bewohners ist auszuschließen. meinschaftsraum zu bringen und dort zu betreuen. Gemeinsam mit der Feuerwehr ist dann bei Bedarf eine weitere Evakuierung aus dem Gemeinschaftsraum möglich. Um ein Panikverhalten auszuschließen, wird eine stille Alarmierung, die organisatorisch exakt festzulegen ist, vorgenommen. Die Bedienung von Feuerlöschern ist regelmäßig zu üben. Um ein Brandereignis lokal zu begrenzen, sind zum Beispiel die Zimmertüren zu schließen. Der Personenschutz für die Bewohner und Angestellten steht dabei an oberster Stelle. Fazit Diese neuen Bewertungsansätze gehen über die bisher standardisierten Abschottungsprinzipien der bereits im Jahr 1978 eingeführten KhBauVO hinaus und sind im Rahmen der Brandschutzkonzepterstellung zu begründen. Im einzelnen sind diese mit der Brandschutzdienststelle und Bauaufsichtsbehörde abzustimmen. Die Balance zwischen größtmöglicher Sicherheit im Brandfall und einer krankheitsgerechten Lebensart wird durch den kombinierten Einsatz mehrerer Sicherheitseinrichtungen erreicht. Im Fall von Demenzkranken ist die alleinige Anwendung der Krankenhausbauverordnung nach heutigem Kenntnisstand nicht mehr ausreichend, da das erforderliche Personal zur Betreuung der Bewohner im Evakuierungsfall nicht mehr zur Verfügung steht. Durch die Schaffung von sicheren Bereichen, in Verbindung mit baulichen und technischen Schutzeinrichtungen, werden neue Sicherheitskonzepte für Pflegeheime entwickelt. [ BUCH ZUM THEMA „Fluchtplan direkt“ bei www.forum-verlag.com/fluchtplan 39
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