Marco Nink, Strategic Consul- tant bei der Unternehmensbe

Marco Nink, Strategic Consultant bei der Unternehmensberatung Gallup, erhebt seit
2001 jährlich eine Studie zur
Motivation von Arbeitnehmern.
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kompetenz
„ES LIEGT IMMER AM VORGESETZTEN“
Nur 17 Prozent der Beschäftigten weltweit sind laut einer Studie des Gallup-Instituts engagiert bei der Arbeit,
18 Prozent haben innerlich bereits gekündigt. Unternehmensberater Marco Nink gibt dabei nicht den
Arbeitnehmern die Schuld. Für ihn ist es eine schlechte Unternehmenskultur, die Mitarbeiter demotiviert.
Foto: Hans Scherhaufer
MAN Forum: Herr Nink, seit acht Jahren weisen Sie mit Ihrer
Studie nach, dass ein großer Teil der Arbeitnehmer in westlichen Industriestaaten innerlich gekündigt hat. Wie werden
aus hoch motivierten Leuten Verweigerer?
Nink: Indem man ihre Bedürfnisse und Erwartungen bei der Arbeit über einen längeren Zeitraum schlichtweg ignoriert. Man
fragt sie beispielsweise nicht nach ihrer Meinung, gibt ihnen kein
Feedback, interessiert sich nicht für sie als Mensch oder lässt sie
einen Job machen, der nicht 100-prozentig zu ihnen passt. Die
Hauptrolle spielt fast immer der direkte Chef. Wir fragten Arbeitnehmer für unsere jüngste Studie, ob sie ihren Vorgesetzten
entlassen würden, wenn sie das könnten. Die Nichtengagierten
würden dies mit großer Mehrheit tun – und ich vermute mal:
auch mit dem größten Vergnügen. Die wenigsten Arbeitnehmer
verlassen ein Unternehmen allein wegen der Vergütung oder
weil sie nicht weiterkommen. Fast immer ist eine Kündigung ein
Statement gegen die direkte Führungskraft. Das ist ein Abstumpfungsprozess: Viele Arbeitnehmer steigen hoch motiviert in ein
Unternehmen ein, werden dann aber zunehmend desillusioniert.
Und sie verabschieden sich irgendwann ganz, wenn man sie
vernachlässigt. Sie kündigen sozusagen innerlich. Dies geschieht
nicht über Nacht, sondern vollzieht sich als Prozess aufgrund
von vielen Erlebnissen im Arbeitsalltag.
Solange sie weiter ihren Job machen, ist das für das Unternehmen doch eigentlich kein Problem, oder?
Doch, natürlich: Weil es handfeste wirtschaftliche Auswirkungen
auf ein Unternehmen hat, wie motiviert die Angestellten sind. In
der Gruppe der hochgradig Engagierten gibt es weniger Diebstähle,
weniger fehlerhafte Produkte, weniger Arbeitsunfälle, eine geringe-
re Fluktuation, und die Angestellten fehlen seltener. Und das sind
nur die direkten Kosten. Aus unserer Forschung wissen wir, dass
engagierte Mitarbeiter auch produktiver arbeiten, innovativer sind,
besser auf Kunden eingehen und so die Profitabilität des Unternehmens weiter erhöhen. Kurz: Hochgradig engagierte und motivierte Mitarbeiter sind gleichzeitig auch die Arbeitnehmer, die eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitsplatz haben.
„Gute Rahmenbedingungen wie
flexible Arbeitszeiten sind nicht alles.
Ob Mitarbeiter engagiert sind
oder nicht, liegt allein in den Händen
der jeweiligen Führungskraft.“
Hat das immer mit dem Unternehmen zu tun? Oder haben
manche Arbeitnehmer einfach irgendwann keine Lust mehr
zu arbeiten?
Das ist ein Trugschluss. Arbeitnehmer, die nicht engagiert sind,
sind nicht zwangsläufig faul. Ein interessantes Detailergebnis
unserer Studie ist die Antwort auf die Frage „Angenommen, Sie
würden so viel Geld erben, dass Sie nicht mehr arbeiten bräuchten, würden Sie Ihrer Arbeit dann weiterhin nachgehen, oder
würden Sie Ihrer Arbeit nicht weiter nachgehen?“. Immerhin sieben von zehn Beschäftigten in Deutschland würden trotz Erbe,
das ihnen ein finanziell sorgenfreies Leben ermöglichen würde,
nicht kündigen. Dieser Anteil ist stabil seit Beginn der Studie
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kompetenz
2001. Aus meiner Sicht zeigt dies deutlich, was für ein positives
Verhältnis die Deutschen grundsätzlich zur Arbeit haben. Selbst
bei denjenigen, die kurz vor der Rente stehen, würden trotz großem Erbe immer noch zwei Drittel weiter arbeiten.
Wenn man sich den Anteil der hoch engagierten Arbeitnehmer
im internationalen Vergleich anschaut, werden große Unterschiede sichtbar: In angelsächsischen Ländern ist die Belegschaft am motiviertesten, Kontinentaleuropa liegt im Mittelfeld, Asien auf den hinteren Plätzen. Sind amerikanische Arbeitnehmer leichter zufriedenzustellen als Japaner?
Nein. Die Bedürfnisse der Arbeitnehmer sind überall auf der Welt
gleich. Sie wollen beispielsweise Lob und Anerkennung für gute
Arbeit – ein zentraler Motivationsfaktor. Diese Erkenntnis klingt
trivial, wird aber viel zu selten beherzigt. In Deutschland etwa gibt
es eine Kultur, in der Chefs meinen: Nicht geschimpft ist Lob genug. Die Leute wollen aber, wenn es angebracht ist, Anerkennung
erfahren. Die Unterschiede haben mit der vorherrschenden
> ENGAGEMENT
Unternehmenskultur und Organisation zu tun. In angelsächsisch
geprägten Ländern sind die Hierarchien oft flacher, was einen
offenen Austausch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern ermöglicht. Sechs von zehn Arbeitnehmern in Deutschland beschreiben das Verhalten ihrer Führungskraft als herablassend,
nach dem Motto: Ich bin hier der Chef. In angelsächsischen Ländern dagegen fühlt die Mehrheit sich partnerschaftlich behandelt.
Und in Asien? Dort wird in der Öffentlichkeit doch immer das
Bild von der Firma als Familie zelebriert – man geht zusammen essen und identifiziert sich nach außen zu 100 Prozent
mit dem Unternehmen. Dazu passt es kaum, dass Arbeitnehmer dort so wenig engagiert sind …
Es stimmt, nach außen vermitteln die Arbeitnehmer dort den Eindruck extremer Loyalität. In Asien sind die Hierarchien aber noch
sehr viel steiler als in Deutschland. Da unsere Befragung anonym
ist, kommt hier der wahre Gemütszustand der Leute zum Vorschein. Indien ist ein Sonderfall, weil viele Unternehmen dort,
I M I N T E R N AT I O N A L E N V E R G L E I C H
So sind Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber verbunden
€hohe emotionale Bindung €geringe emotionale Bindung €keine emotionale Bindung
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* Verhältnis von Mitarbeitern mit hoher emotionaler Bindung zu Mitarbeitern ohne emotionale Bindung, Quelle: Gallup Engagement Index 2008
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> ZUR
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PERSON
MARCO NINK
Der Sozialwissenschaftler Marco Nink arbeitet
seit 2001 für das Beratungsunternehmen Gallup. Seine Kunden kommen vor allem aus dem
Einzelhandel sowie der Banken- und Versicherungsbranche, es gehören aber auch Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe
dazu. Der 34-jährige Nink betreute von Beginn
an die Studie Engagement Index, die erstmals
2001 mit der Erkenntnis Aufsehen erregte, dass
nur eine Minderheit der Arbeitnehmer mit dem
Herzen bei der Arbeit ist. Für die Studie befragt
Gallup allein in Deutschland jedes Jahr 1 800
Arbeitnehmer anonym zu einer Vielzahl von
Aspekten ihres Arbeitsplatzes. Die gleiche Befragung läuft parallel in 16 anderen Ländern.
insbesondere in den großen Städten, in denen die Befragung
durchgeführt wurde, unter „amerikanischem Einfluss“ stehen, was
auch damit zusammenhängt, dass etliche indische Führungskräfte in den USA studiert haben. Dort haben sie die Bedeutung des
menschlichen Faktors verinnerlicht, was ohnehin der indischen
Mentalität entgegenkommt und wohlwollend aufgenommen wird.
Foto: Hans Scherhaufer
Im Umkehrschluss könnte man vermuten, dass Skandinavier –
bisher nicht in Ihrer Studie erfasst – ebenfalls ziemlich engagiert sind. Schließlich gelten Unternehmen dort als besonders
arbeitnehmerfreundlich …
Man kann zwar davon ausgehen, dass die Rahmenbedingungen
in Skandinavien sehr gut sind – im Sinne flexibler Arbeitszeiten
und einer hohen Familienorientierung. Ob Mitarbeiter engagiert
sind oder nicht, liegt aber letztendlich allein in den Händen des
direkten Chefs.
Warum schaffen es denn offenbar so wenige Führungskräfte,
ihre Leute wirklich zu motivieren?
Wenn man die Chefs fragt, sind sie der Meinung, dass sie alles richtig machen. Den Leuten dann und wann im Vorbeigehen auf die
Schulter zu klopfen oder sich einmal im Jahr mit ihnen für ein Mitarbeitergespräch zusammenzusetzen genügt aber nicht. Das Pro-
blem ist, dass Menschenführung in der Managementausbildung
viel zu kurz kommt. Beim Master of Business Administration lässt
sich ja schon am Titel erkennen, dass es ums Kontrollieren und
Verwalten geht. Man muss sich auch einmal fragen, nach welchen
Kriterien in Unternehmen häufig befördert wird: Chef wird, wer
lang im Unternehmen arbeitet. Oder jemand ist fachlich gut und
wird dafür mit einer Führungsposition belohnt. Dabei kann der
beste Verkäufer gleichzeitig die schlechteste Führungskraft sein.
Nehmen wir an, Manager erkennen diese Defizite: Was können
sie tun, um Arbeitnehmer wieder für den Job zu begeistern?
Sie können zumindest diejenigen zurückholen, die nur noch
Dienst nach Vorschrift machen. Für diese Arbeitnehmer ist die
Situation noch erträglich. Chefs sollten Mitarbeiter viel stärker
um ihre Meinung bitten. Das heißt ja nicht, immer in ihrem Sinn
zu entscheiden. Die Leute wollen ein an Fakten orientiertes, sachbezogenes Lob – und echte Begeisterung und Interesse an ihrer
Person. Ganz falsch ist es, Lob nach dem Gießkannenprinzip an
alle zu verteilen. Ich kenne ein Unternehmen, da hatte eine alleinerziehende Mitarbeiterin Probleme mit ihrem Sohn, in der Schule
lief es schlecht in einem Fach. Die Chefin schenkte ihr als Anerkennung für hervorragende Leistung also einen Nachhilfekurs.
Das zeugt doch mal von echtem Interesse an der Person, oder? <