Marco Nink, Strategic Consultant bei der Unternehmensberatung Gallup, erhebt seit 2001 jährlich eine Studie zur Motivation von Arbeitnehmern. MAN forum 0 3 / 2 0 0 9 11 kompetenz „ES LIEGT IMMER AM VORGESETZTEN“ Nur 17 Prozent der Beschäftigten weltweit sind laut einer Studie des Gallup-Instituts engagiert bei der Arbeit, 18 Prozent haben innerlich bereits gekündigt. Unternehmensberater Marco Nink gibt dabei nicht den Arbeitnehmern die Schuld. Für ihn ist es eine schlechte Unternehmenskultur, die Mitarbeiter demotiviert. Foto: Hans Scherhaufer MAN Forum: Herr Nink, seit acht Jahren weisen Sie mit Ihrer Studie nach, dass ein großer Teil der Arbeitnehmer in westlichen Industriestaaten innerlich gekündigt hat. Wie werden aus hoch motivierten Leuten Verweigerer? Nink: Indem man ihre Bedürfnisse und Erwartungen bei der Arbeit über einen längeren Zeitraum schlichtweg ignoriert. Man fragt sie beispielsweise nicht nach ihrer Meinung, gibt ihnen kein Feedback, interessiert sich nicht für sie als Mensch oder lässt sie einen Job machen, der nicht 100-prozentig zu ihnen passt. Die Hauptrolle spielt fast immer der direkte Chef. Wir fragten Arbeitnehmer für unsere jüngste Studie, ob sie ihren Vorgesetzten entlassen würden, wenn sie das könnten. Die Nichtengagierten würden dies mit großer Mehrheit tun – und ich vermute mal: auch mit dem größten Vergnügen. Die wenigsten Arbeitnehmer verlassen ein Unternehmen allein wegen der Vergütung oder weil sie nicht weiterkommen. Fast immer ist eine Kündigung ein Statement gegen die direkte Führungskraft. Das ist ein Abstumpfungsprozess: Viele Arbeitnehmer steigen hoch motiviert in ein Unternehmen ein, werden dann aber zunehmend desillusioniert. Und sie verabschieden sich irgendwann ganz, wenn man sie vernachlässigt. Sie kündigen sozusagen innerlich. Dies geschieht nicht über Nacht, sondern vollzieht sich als Prozess aufgrund von vielen Erlebnissen im Arbeitsalltag. Solange sie weiter ihren Job machen, ist das für das Unternehmen doch eigentlich kein Problem, oder? Doch, natürlich: Weil es handfeste wirtschaftliche Auswirkungen auf ein Unternehmen hat, wie motiviert die Angestellten sind. In der Gruppe der hochgradig Engagierten gibt es weniger Diebstähle, weniger fehlerhafte Produkte, weniger Arbeitsunfälle, eine geringe- re Fluktuation, und die Angestellten fehlen seltener. Und das sind nur die direkten Kosten. Aus unserer Forschung wissen wir, dass engagierte Mitarbeiter auch produktiver arbeiten, innovativer sind, besser auf Kunden eingehen und so die Profitabilität des Unternehmens weiter erhöhen. Kurz: Hochgradig engagierte und motivierte Mitarbeiter sind gleichzeitig auch die Arbeitnehmer, die eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitsplatz haben. „Gute Rahmenbedingungen wie flexible Arbeitszeiten sind nicht alles. Ob Mitarbeiter engagiert sind oder nicht, liegt allein in den Händen der jeweiligen Führungskraft.“ Hat das immer mit dem Unternehmen zu tun? Oder haben manche Arbeitnehmer einfach irgendwann keine Lust mehr zu arbeiten? Das ist ein Trugschluss. Arbeitnehmer, die nicht engagiert sind, sind nicht zwangsläufig faul. Ein interessantes Detailergebnis unserer Studie ist die Antwort auf die Frage „Angenommen, Sie würden so viel Geld erben, dass Sie nicht mehr arbeiten bräuchten, würden Sie Ihrer Arbeit dann weiterhin nachgehen, oder würden Sie Ihrer Arbeit nicht weiter nachgehen?“. Immerhin sieben von zehn Beschäftigten in Deutschland würden trotz Erbe, das ihnen ein finanziell sorgenfreies Leben ermöglichen würde, nicht kündigen. Dieser Anteil ist stabil seit Beginn der Studie 12 kompetenz 2001. Aus meiner Sicht zeigt dies deutlich, was für ein positives Verhältnis die Deutschen grundsätzlich zur Arbeit haben. Selbst bei denjenigen, die kurz vor der Rente stehen, würden trotz großem Erbe immer noch zwei Drittel weiter arbeiten. Wenn man sich den Anteil der hoch engagierten Arbeitnehmer im internationalen Vergleich anschaut, werden große Unterschiede sichtbar: In angelsächsischen Ländern ist die Belegschaft am motiviertesten, Kontinentaleuropa liegt im Mittelfeld, Asien auf den hinteren Plätzen. Sind amerikanische Arbeitnehmer leichter zufriedenzustellen als Japaner? Nein. Die Bedürfnisse der Arbeitnehmer sind überall auf der Welt gleich. Sie wollen beispielsweise Lob und Anerkennung für gute Arbeit – ein zentraler Motivationsfaktor. Diese Erkenntnis klingt trivial, wird aber viel zu selten beherzigt. In Deutschland etwa gibt es eine Kultur, in der Chefs meinen: Nicht geschimpft ist Lob genug. Die Leute wollen aber, wenn es angebracht ist, Anerkennung erfahren. Die Unterschiede haben mit der vorherrschenden > ENGAGEMENT Unternehmenskultur und Organisation zu tun. In angelsächsisch geprägten Ländern sind die Hierarchien oft flacher, was einen offenen Austausch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern ermöglicht. Sechs von zehn Arbeitnehmern in Deutschland beschreiben das Verhalten ihrer Führungskraft als herablassend, nach dem Motto: Ich bin hier der Chef. In angelsächsischen Ländern dagegen fühlt die Mehrheit sich partnerschaftlich behandelt. Und in Asien? Dort wird in der Öffentlichkeit doch immer das Bild von der Firma als Familie zelebriert – man geht zusammen essen und identifiziert sich nach außen zu 100 Prozent mit dem Unternehmen. Dazu passt es kaum, dass Arbeitnehmer dort so wenig engagiert sind … Es stimmt, nach außen vermitteln die Arbeitnehmer dort den Eindruck extremer Loyalität. In Asien sind die Hierarchien aber noch sehr viel steiler als in Deutschland. Da unsere Befragung anonym ist, kommt hier der wahre Gemütszustand der Leute zum Vorschein. Indien ist ein Sonderfall, weil viele Unternehmen dort, I M I N T E R N AT I O N A L E N V E R G L E I C H So sind Mitarbeiter mit ihrem Arbeitgeber verbunden hohe emotionale Bindung geringe emotionale Bindung keine emotionale Bindung 44 % 43 % 13 % Indien 3,39:1* USA 1,45:1 29 % 51% 20 % Brasilien 1,29:1 22 % 61% 17 % Kanada 1,17:1 21% 61% 18 % Großbritannien 0,95:1 20 % 59 % 21% Deutschland 0,65:1 13 % 67 % 20 % Frankreich 0,39:1 12 % 57 % 31 % Polen 0,50:1 12 % 64 % 24 % China 0,47:1 72 % 9% 19 % Japan 0,30:1 7% 70 % 23 % Singapur 0,24:1 4% 79 % 17 % * Verhältnis von Mitarbeitern mit hoher emotionaler Bindung zu Mitarbeitern ohne emotionale Bindung, Quelle: Gallup Engagement Index 2008 MAN forum 0 3 / 2 0 0 9 > ZUR 13 PERSON MARCO NINK Der Sozialwissenschaftler Marco Nink arbeitet seit 2001 für das Beratungsunternehmen Gallup. Seine Kunden kommen vor allem aus dem Einzelhandel sowie der Banken- und Versicherungsbranche, es gehören aber auch Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe dazu. Der 34-jährige Nink betreute von Beginn an die Studie Engagement Index, die erstmals 2001 mit der Erkenntnis Aufsehen erregte, dass nur eine Minderheit der Arbeitnehmer mit dem Herzen bei der Arbeit ist. Für die Studie befragt Gallup allein in Deutschland jedes Jahr 1 800 Arbeitnehmer anonym zu einer Vielzahl von Aspekten ihres Arbeitsplatzes. Die gleiche Befragung läuft parallel in 16 anderen Ländern. insbesondere in den großen Städten, in denen die Befragung durchgeführt wurde, unter „amerikanischem Einfluss“ stehen, was auch damit zusammenhängt, dass etliche indische Führungskräfte in den USA studiert haben. Dort haben sie die Bedeutung des menschlichen Faktors verinnerlicht, was ohnehin der indischen Mentalität entgegenkommt und wohlwollend aufgenommen wird. Foto: Hans Scherhaufer Im Umkehrschluss könnte man vermuten, dass Skandinavier – bisher nicht in Ihrer Studie erfasst – ebenfalls ziemlich engagiert sind. Schließlich gelten Unternehmen dort als besonders arbeitnehmerfreundlich … Man kann zwar davon ausgehen, dass die Rahmenbedingungen in Skandinavien sehr gut sind – im Sinne flexibler Arbeitszeiten und einer hohen Familienorientierung. Ob Mitarbeiter engagiert sind oder nicht, liegt aber letztendlich allein in den Händen des direkten Chefs. Warum schaffen es denn offenbar so wenige Führungskräfte, ihre Leute wirklich zu motivieren? Wenn man die Chefs fragt, sind sie der Meinung, dass sie alles richtig machen. Den Leuten dann und wann im Vorbeigehen auf die Schulter zu klopfen oder sich einmal im Jahr mit ihnen für ein Mitarbeitergespräch zusammenzusetzen genügt aber nicht. Das Pro- blem ist, dass Menschenführung in der Managementausbildung viel zu kurz kommt. Beim Master of Business Administration lässt sich ja schon am Titel erkennen, dass es ums Kontrollieren und Verwalten geht. Man muss sich auch einmal fragen, nach welchen Kriterien in Unternehmen häufig befördert wird: Chef wird, wer lang im Unternehmen arbeitet. Oder jemand ist fachlich gut und wird dafür mit einer Führungsposition belohnt. Dabei kann der beste Verkäufer gleichzeitig die schlechteste Führungskraft sein. Nehmen wir an, Manager erkennen diese Defizite: Was können sie tun, um Arbeitnehmer wieder für den Job zu begeistern? Sie können zumindest diejenigen zurückholen, die nur noch Dienst nach Vorschrift machen. Für diese Arbeitnehmer ist die Situation noch erträglich. Chefs sollten Mitarbeiter viel stärker um ihre Meinung bitten. Das heißt ja nicht, immer in ihrem Sinn zu entscheiden. Die Leute wollen ein an Fakten orientiertes, sachbezogenes Lob – und echte Begeisterung und Interesse an ihrer Person. Ganz falsch ist es, Lob nach dem Gießkannenprinzip an alle zu verteilen. Ich kenne ein Unternehmen, da hatte eine alleinerziehende Mitarbeiterin Probleme mit ihrem Sohn, in der Schule lief es schlecht in einem Fach. Die Chefin schenkte ihr als Anerkennung für hervorragende Leistung also einen Nachhilfekurs. Das zeugt doch mal von echtem Interesse an der Person, oder? <
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