T h e m a d e s M o n at s Japans Department Stores: Eine kleine Geschichte Hier kommen Tradition, Moderne und Luxus zusammen: Japans Department Stores, allen voran die Häuser der Isetan Mitsukoshi-Gruppe, sind ein fester Bestandteil der japanischen Konsumwelt. Aber sie sind viel mehr als das. Von Patrick Bessler 1 673, als Tokyo noch Edo hieß, eröffnete der Kimono- und Textilhändler Takatoshi Mitsui sein Geschäft in Nihonbashi, dem damaligen wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum der Stadt. Mitsuis Laden zeichnete sich durch einige für den Einzelhandel damals geradezu revolutionäre Neuerungen aus. „Shoppen“ im Tokyo des 17. Jahrhunderts lief hinter verschlossenen Türen, beziehungsweise zugezogenen Vorhängen ab, zumindest wenn es um hochwertige Waren wie Kimonos oder Stoffe aus Seide ging. Schaufenster oder Auslagen gab es nicht, auch im Inneren waren keine Waren ausgestellt. Wer etwas kaufen wollte, musste sich erst beim Ladenbesitzer erkundigen, was dieser auf Lager hatte. Kunden brachten konkrete Vorstellungen und Geld mit – denn der Zutritt war nur der Oberschicht gestattet, beschreibt der Ökonom Rika Fujioka von der Osaka University of Economics. Preise waren Verhandlungssache. Mitsui änderte das. Auch bei ihm herrschte Exklusivität, doch verkaufte er seine Ware zu Festpreisen und nahm Bargeld an. Im Westen wurde dies erst im 19. Jahrhundert zum Standard. Mit dieser Innovation setzte er den Grundstein für eine Art von Kaufhäusern, die Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts einen bedeutenden Teil zur Modernisierung des Landes beitragen sollten und das Stadtbild der Metropolen bis heute prägen. Meilensteine der Modernisierung 1895, im Zuge der Meiji-Restauration und der damit einhergehenden Modernisierung Japans, änderte sich der Charakter des mittlerweile etablierten Traditionshauses drastisch. Zum ersten Mal in Japan überhaupt stellten die Nachfolger Mitsuis Ware öffentlich aus, die Zeit der Vorhänge war passé. Der Wandel kam nicht ganz freiwillig: Zu den Stammkunden des Hauses hatten zuvor wohlhabende Samurai gehört, deren Kaufkraft im Laufe des politischen und kulturellen Wandels abnahm. Das Haus musste sich nach neuen Kunden umsehen und sich, wie Japan, öffnen. 1904 war diese Öffnung perfekt: Unter der sogenannten „Department Store Declaration“ rief das Management die Gründung des ersten japanischen Department Stores nach amerikanischem Vorbild aus. Der Name: Mitsukoshi. Mit Isetan, Takas12 J A PA N M A R K T November/Dezember 2015 3 Das Kaufhaus Isetan in Shinjuku unterstützt 2012 mit einer Ausstellung den Wiederaufbau in Tohoku. himaya, Matsuzakaya, Daimaru and Shirokiya folgten weitere, die – teils unter anderem Namen – noch heute bestehen. Ab den 1920ern erfuhren sie einen Boom. Teilweise erweiterten sie ihre Geschäfte um Finanzdienstleistungen. Mitsukoshi etwa hatte schon früh eine Wechselstube eingerichtet, in der unter anderem Gold und Silber getauscht werden konnten. Das Geldgeschäft war nebenbei die Basis für den Aufstieg des Mitsui-Konzerns – bis heute eine der einflussreichsten Unternehmensgruppen Japans. Mit dem Erfolg wuchs der Einfluss der Department Stores auf die Modernisierung des Landes. Zwischen den Kaufhäusern und den heimischen Produzenten entstanden ganz neue Geschäftsbeziehungen. Die Department Stores boten immer mehr westliche Ware an. Vieles wurde importiert, doch nicht alles: Andere Konfektionsgrößen beispielsweise stellten ein Problem dar. So begannen japanische Hersteller im Auftrag der Kaufhäuser nach und nach immer mehr Waren in Anlehnung an westliche Designs zu produzieren. Die Konzerne hinter den Department Stores unterstützten sie dabei mit ihren großen Handelsnetzwerken und schickten Experten nach Europa und in die USA, um dortige Produktionsmethoden zu lernen und zu imitieren. Die Modernisierung durch die Department Stores fand vielfältigen Ausdruck. Eine heute noch beliebte Sehenswürdigkeit sind die Löwen-Statuen vor der Mitsukoshi Nihonbashi-Filiale. Sie sollen den Statuen am Londoner Trafalgar Square nachempfunden sein. Ebenfalls im Mitsukoshi wurde 1914 der erste Fahrstuhl in Japan installiert. Matsuzakaya, dessen Geschichte gar bis 1611 zurückreicht, räumte 1924 als erstes Haus mit der japanischen Tradition auf, seine Schuhe am Eingang auszuziehen. In Osaka entwickelte die Firma Hankyu eine Idee, die bis heute das Stadtbild aller japanischen Metropolen prägt. Das Eisenbahnunternehmen präsentierte 1929 die erste Symbiose wikimedia/663highland 1 Damals wie heute ein Besuchermagnet: Die Mitsukoshi Hauptfiliale in wikimedia commons/Kakidai Nihonbashi, Tokyo. Gegen Ende der ersten Dekade des neuen Jahrtausends schienen die Tage der Luxuskaufhäuser gezählt. Sie litten unter drastischen Umsatzeinbußen. Es folgten Restrukturierungen, Niederlassungen wurden geschlossen. Doch mittlerweile scheinen sie sich wieder erholt und auf einem gesunden Niveau eingepegelt zu haben. Mitskoshi und Co. Sind nach wie vor ein wichtiger und einflussreicher Bestandteil der japanischen Konsumlandschaft. Vor allem bei der rasant wachsenden Zahl ausländischer Touristen stehen sie hoch im Kurs. Mit kontinuierlichen Bestrebungen sich zu modernisieren, versuchen sie, relevant zu bleiben. So will Isetan Mitsukoshi beispielsweise die „T-Card“, eine in Japan beliebte Shoppingkarte, mit der man Punkte sammeln kann, einführen. Die „digitale Umkleide“, ein Bildschirm in Form eines Spiegels, soll das Einkaufen im Isetan in Shinjuku moderner werden lassen und den Anschluss an soziale Medien ermöglichen. Kunden können so beispielsweise Kleidungsstücke virtuell anprobieren und Bekannten ein Foto schicken, um deren Meinung einzuholen. Das Kaufhaus ist schon heute mit 560 Sensoren und Sendern ausgestattet, schreibt die Wirtschaftszeitung Nikkei, die beispielsweise Kunden per App digital durch das Geschäft in die gewünschte Abteilung führen. aus einem Bahnhof und einem Kaufhaus. Um genau zu sein, hatte eigentlich das Tokyoter Unternehmen Shirokiya bereits 1920 zum ersten Mal Ladenfläche in dem Gebäude der Hankyu Umeda Station in Osaka bezogen. Doch Hankyu erkannte das Potenzial und entließ Shirokiya bei der nächsten Gelegenheit aus dem Mietvertrag, um selbst die Fläche zu nutzen. Shirokiya verschwand damit jedoch nicht von der Bildfläche. Nachdem das Unternehmen durch Tokyo Railway aufgekauft wurde, wurde das Konzept unter dem Namen Tokyu Department Store auch in der Hauptstadt übernommen. Dürrephase in der Gegenwart Nach dem Krieg konnten sich Japans Department Stores im Zuge der Hochwachstumsphase wieder eine starke Position erkämpfen und standen in der Zeit der „Bubble“-Wirtschaft in voller Blüte. Viele Großstädter waren durch Aktien oder Landbesitz zu Geld gekommen – und das gaben sie gerne für luxuriöse Produkte aus. Die Department Stores verzeichneten massive Umsatzsteigerungen. Insgesamt wuchsen die Umsätze im Einzelhandel aber nur um wenige Prozent. Das große Geld gab nur eine kleine Elite aus. Dennoch bauten die Betreiber auf dieser Grundlage massive Häuser, wie Matsuzakaya in Nagoya oder Tobu in Ikebukuro. Die Einführung der Mehrwertsteuer im Jahr 1989 jedoch verpasste den Kaufhäusern einen Schlag, mit dem Platzen der Blase zwei Jahre später verflog die Magie fast gänzlich. Die folgenden zweieinhalb Jahrzehnte waren keine einfache Zeit für Japans Department Stores. Stagnation und Rezession drückten auf die Kauflaune. Seit der Jahrtausenwende wuchs zudem die Konkurrenz durch Flagshipstores der wichtigsten Edelbekleidungs- und Schmuckmarken, die sich in Tokyo nach und nach auf der Ginza und im Stadtteil Omotesando breitmachten. In den letzten Jahren kam das Online-Shopping hinzu. Hort der Tradition Gleichzeitig bemühen sich gerade die Mitsukoshi-Häuser, japanische Traditionen zu wahren. Das fängt im Eingangsbereich des Nihonbashi Mitsukoshi an. Hier steht eine zehn Meter hohe japanische Holzstatue des Künstlers Gengen Sato, die die Idee des magokoro repräsentieren soll, der Hingabe zum Service gegenüber dem Kunden. Zudem bieten die Department Stores ein reichhaltiges Angebot an traditionellen japanischen Gebrauchsgütern, wie Lackwaren, Stäbchen, Keramik, Stoffen und natürlich Kimonos an. Entsprechend sind Mitsukoshi und Isetan auch heute noch oft die erste Anlaufstelle für qualitativ hochwertige Souvenirs. Gleiches gilt für die in Japan regelmäßig für verschiedenste Anlässe benötigten Mitbringsel und Geschenke. Die markante Verpackung der Traditionshäuser werten das Präsent dabei zusätzlich auf. n November/Dezember 2015 J A PA N M A R K T 13
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