Messe Berlin - Bazaar Berlin

20. November 2015
Kleine Perlsacktiere und ein großes Herz –
Geschichten zwischen Zákány und Berlin
• Warum Aussteller Robert Békési in diesem Jahr wenig Zeit für
Messevorbereitungen hatte
• Bazaar Berlin vom 18. bis 22. November 2015
Berlin, 20. November 2015 – Der weißhaarige Herr mit dem buschigen Schnauzer
lächelt. „Ein Foto von mir? Kein Problem.“ Robert Békési ist es gewohnt, dass ihn die
Besucher des Bazaar Berlin so etwas fragen. Er weiß, dass er fotogen ist. Groß
gewachsen, malerische Furchen im Gesicht, schlohweiße Haare. Und dann der
prächtige Schnauzer! So stellt man sich einen Puszta-Bauern vor, der in einem
Werbevideo für ungarische Salami wirbt. Doch Robert Békési bietet auf der
Ausstellung unter dem Funkturm weder Salami noch Wein aus Ungarn an – er
verkauft Perlsacktiere. Das sind die kleinen, knuddeligen Figuren, die in so manchem
Kinderzimmer die Beinchen von Regal baumeln lassen. Oder auf PC-Bildschirmen in
Büros sitzen und dort beim Stressabbau helfen sollen.
Diese Figuren verkaufen Robert Békési und seine Frau, die ungarische Designerin
Elisabeth Bajkó, an einem kleinen Stand auf dem Bazaar Berlin. Seit 1992 machen
sie das. Drei Tierarten waren damals im Angebot – Hund, Kater, Ratte. In diesem
Jahr bevölkern etwa 5.000 der lustigen Perlsacktiere den Stand. „Rund 800
verschiedene Designs hat meine Frau im Laufe der Jahre entworfen“, erzählt Robert
Békési. „Die meisten lehnen sich an lebende oder ausgestorbene Tierarten an. Aber
es gibt auch reine Phantasiefiguren.“ So steht in der aktuellen Verkaufsstatistik nach
dem Gürteltier und dem Waran das in der Natur bisher nicht gesichtete Glückshormon
an dritter Stelle. „So manche Inspiration haben wir von Bazaar-Besuchern erhalten“,
erinnert sich Békési. „Einmal hat eine Dame nach einem andalusischen Pferd gefragt.
Das hatten wir noch nicht. Schon im Jahr darauf war es in Berlin im Angebot.“
Hilfseinsatz zwischen Budapest und Grenze zu Kroatien
Für den studierten Designer und erfolgreichen Werbegrafiker liefen die
Messevorbereitungen in diesem Jahr nicht wie sonst.
Seine Frau und er waren kaum zu Hause, um die Kisten für Berlin zu packen. Robert
Békési: „90 Tage lang war ich mit anderen Freiwilligen am Budapester Ostbahnhof.
Dort haben wir Essen und Trinken an die Flüchtlinge ausgegeben. Dann wurde die
Grenze zu Serbien geschlossen und die Flüchtlinge versuchten, über Kroatien nach
Ungarn und weiter nach Österreich zu kommen.“ Der 75-jährige entscheidet sich, an
anderer Stelle zu helfen. Er belädt seinen Kleintransporter in Budapest mit
gespendeten Lebensmitteln, Wasserflaschen und warmer Kleidung und fährt in das
Grenzdorf Zákány. Dort verteilen Freiwillige die Hilfsgüter an Flüchtlinge, die durch
die letzten Lücken im Grenzzaun kommen. „Organisiert haben wir uns über eine
geschlossene Facebook-Gruppe“, so Békési. „Jede andere Art der Kommunikation
hätte die Hilfe komplizierter gemacht.“
Bei Zákány spielen sich dramatische Szenen ab. Während auf der ungarischen Seite
der Grenzzaun geschlossen wird, stauen sich auf kroatischer Seite die Flüchtlinge.
Dazwischen der Donau-Nebenfluss Drau, dessen Uferwiesen sich nach
wochenlangem Regen in ein einziges Meer aus Schlamm verwandelt haben. Die
Freiwilligen gehen immer wieder illegal über die kroatische Grenze und holen die
Flüchtlinge in kleinen Gruppen über den Fluss.
Stockend erzählt Békési: „Die Menschen wateten bei Temperaturen zwischen fünf
und zehn Grad durch den Schlamm. Manche ohne Schuhe. Frauen mit Schüttelfrost,
weinende Kinder.“ Ihm versagt fast die Stimme: „Einmal hielt ich ein schwerkrankes
Kind in der Hand. Ich bot der Mutter an, es in ein Krankenhaus bringen. Doch sie
wollte sich von dem Kleinen nicht trennen und ist in den Zug eingestiegen.“ Dann hellt
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sich sein Gesicht wieder auf: „Es gab aber auch andere Momente. So habe ich eine
hochschwangere Frau in die Klinik gebracht, die kurze Zeit später ihre kleine Hena
bekam.“ Békési lächelt: „Sie ist gewissermaßen meine ostafghanische Tochter.“
Fast beiläufig meint der 75-jährige: „Ich weiß, wie es ist Flüchtling zu sein:“ Auf
Nachfrage erzählt er, dass er als jüdisches Kind mit seiner Familie aus einem NaziLager bei Wien fliehen konnte. Seinen Vater hatten ungarische Pfeilkreuzler am Ufer
der Donau erschossen. Keine zwölf Jahre später musste ihn sein Onkel aus Budapest
herausholen. Dort hatte er bei seiner Tante direkt neben dem Rundfunkgebäude
gewohnt. Genau dort, wo die russischen Panzer hin rollten und schwere Gefechte
stattfanden.
Robert Békési muss an seinen Stand auf dem Bazaar Berlin zurück. Dort spricht er
mit den Besuchern und Kunden wieder über lustige Perlsacktiere und ihre magischen
Kräfte. Ein Mann voller Geschichten. Und: Ein Dreivierteljahrhundert Geschichte – in
einem Mann.
Nachtrag: Elisabeth Bajkó und ihr Mann haben aus aktuellem Anlass 5.000
kunterbunte Patchwork-Gürteltiere entworfen und produziert. Der Verkaufserlös geht
an Migration Aid Hungary.
Über Bazaar Berlin
Als „Partner des Fortschritts“ im Jahre 1962 gestartet, findet die internationale
Verkaufsausstellung für Kunsthandwerk, Schmuck, Textilien und Wohnaccessoires
seit 2014 unter dem Namen „Bazaar Berlin“ statt. Rund 40.000 Besucher kommen
alljährlich im November in die Messehallen am Berliner Funkturm, um
außergewöhnliche Geschenke aus aller Welt für sich und zum Verschenken zu
erwerben. Im vergangenen Jahr hatte der neue Ausstellungsbereich für Fairen
Handel – der Fair Trade Market – erfolgreich Premiere. Veranstalter des Bazaar
Berlin ist die Messe Berlin GmbH. Mehr unter www.bazaar-berlin.de.
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