SONDERHEFT DIREKTVERMARKTUNG BIOGAS JOURNAL | 2015 Flexibilisierung – Option für die Verbesserung der Ertragslage? Mit dem EEG 2014 wurde ein neuer Begriff geboren: die Bemessungsleistung. Der Gesetzgeber hat damit wie in vielen anderen überlaufenden Märkten reagiert und die Produktion begrenzt. Dieser Tatbestand verhindert eine steigende Produktion, die oft der Gewinn-Kompensation bei ansteigenden Produktionskosten diente. Von Bodo Drescher N un bleibt den Biogasproduzenten nur die Flexibilität als das Instrument, das eine Steigerung der Ertragslage ermöglichen soll. Viele Anlagenbetreiber haben bereits im Auslaufstadium des EEG 2012 den Antrag auf Genehmigung der Flexibilitätsprämie gestellt und auch bewilligt bekommen. Insofern gilt es gerade für diese Anlagen, die Flexibilitätsmöglichkeiten zu nutzen, da die Prämien über zehn Jahre gewährt werden und die Frist häufig seit dem Vorjahr läuft. Im Umkehrschluss sind Anlagen aus dem Jahr 2000 bis 2003 bereits nicht mehr in der Lage, die Flexibilitätsprämie für zehn Jahre vollständig zu nutzen. Aber auch diese Biogasproduzenten sollten darüber nachden- 46 ken, zumindest anteilig die Möglichkeiten auszuschöpfen, da eine flexibilitätsbasierte Anlage deutlich bessere Markt-Perspektiven hat. Unbestritten bleibt die Tatsache, dass Anlagen, die sich weiterhin nur auf die Grundlastproduktion beschränken, mehr und mehr von der Entwicklung der Biogasbranche abgehängt werden. Stellt man sich jedoch der neuen Markt-Herausforderung, sind nicht sofort „Quantensprünge“ bei den Gewinnen, aber durchaus respektable Marktergebnisse zu erwarten. Gerade die vergangenen zwei Jahre haben deutlich gezeigt, dass die Regelleistungspioniere einen sehr interessanten Mehrgewinn erzielen konnten. Nur wer sich mit dem Markt bewegt, wird am Markt bestehen können. Die Märkte Für längerfristige Geschäfte gibt es Terminmärkte, in Europa beispielsweise den EEXTerminmarkt. Hier werden Strom-Futures für wesentlich später zu erfolgende Lieferungen gehandelt – unter Umständen erst nach mehreren Jahren. Solche Lieferungen sind für längere Zeiträume gedacht. Das heißt, für die langfristige Basisversorgung als Bandlieferung, die dann gegebenenfalls durch weitere Grundlast und Spitzenlast im Day-ahead-Handel ergänzt wird. Auf diesen Futures basierend werden auch Strom-Optionen gehandelt. Die Preise spiegeln längerfristige Erwartungen wider, die zum Beispiel die zukünftigen Preise von Energieträgern, CO2-Zertifikatspreise, energiepolitische Maßnahmen und verfügbare FOTO: BODO DRESCHER Die flexible Architektur der erweiterten Biogasanlage öffnete dem Betreiber Kai Ahrens neue Vermarktungspotenziale. Allein der Normwirkungsgrad des BHKW brachte spürbare 16 Prozent Futterersparnis. BIOGAS JOURNAL | SONDERHEFT DIREKTVERMARKTUNG 2015 Kraftwerkskapazitäten betreffen. Dieser Markt ist für Biogasanlagen zurzeit keine Option, da er sehr langfristige Verpflichtungen mit sich bringen würde. Ein wesentlicher Teil des Börsenhandels mit Strom findet heute auf dem Day-aheadMarkt statt, einem Spotmarkt. Dies bedeutet, dass jeweils Stromlieferungen für den folgenden Tag (basierend auf aktuellen Verbrauchsprognosen) gehandelt werden. Die Stromerzeuger können also die Fahrpläne ihrer Kraftwerke für den nächsten Tag entsprechend planen. Heutige Handelsmärkte reagieren allerdings sehr kurzfristig. Interessant ist deshalb das Daytrading – der An- und Verkauf am selben Börsentag. Mit dem enormen Zubau der Erneuerbaren Energien – und der Einführung der Direktvermarktung – ist die Bedeutung dieses Marktes gestiegen. Mittlerweile werden mehr als 10 Prozent des Spothandelsvolumens innertäglich gehandelt. Die aktive Bewirtschaftung von fluktuierenden Erzeugungsportfolien setzt eine kontinuierliche Anpassung der Prognosen und entsprechende handelsseitige Reaktion in den Kurzfristmärkten voraus. Im kontinuierlichen Intraday-Handel werden Stunden- und Viertelstundenprodukte ab dem Vortag 16.00 Uhr bis 45 Minuten vor Lieferbeginn des entsprechenden Tages gehandelt. Es ist ein täglich fortlaufender Handel rund um die Uhr, an dem sich die Preise durch Angebot und Nachfrage direkt bilden und die jeweiligen Einzelgeschäfte abgewickelt werden. Hier werden kurzfristig anfallende unvorhergesehene Überschüsse verkauft, um anderswo kurzfristige Engpässe auszugleichen. Ergänzt werden diese Produkte durch Peakload-Blöcke zur Deckung von Spitzenlasten, um so den erhöhten Bedarf für mehrere Stunden zu decken. Alternativ könnten auch Einzelstundenkontrakte für eine noch feinere Anpassung an den schwankenden Bedarf platziert werden. Für das Ganze gilt: Je kurzfristiger agiert wird, umso eher können zusätzliche Gewinne realisiert werden. Das Ziel ist, die handelstäglichen Preisschwankungen im Intraday-Markt für eine kurzfristige Flexibilitätsvermarktung zu nutzen. In Zeiten hoher Intraday-Preise ist eine „Mehrproduktion“ bei entsprechender Flexibilität kurzfristig sinnvoll, ebenso auch eine „Minderproduktion“ bei tiefen oder gar negativen Handelspreisen. Die Chance, am kurzfristigen Intraday-Markt somit zu attraktiven Preisen zusätzliche Energie zu verkaufen oder zu günstigen Preisen Strom einzukaufen, um damit ein wirtschaftliches Optimierungspotenzial auszuschöpfen, ist die Aufgabe des Vermarkter. Intelligent! Die Flex-Prämie in der Praxis Viel diskutiert und beantragt wurde die Flexibilitätsprämie, die ein ideales Finanzierungsinstrument für die Flexibilisierung der Biogasanlagen ist. Mehr als 2.100 Betreiber haben den Antrag auf eine Flex-Prämie abgegeben und auch bewilligt bekommen. Allerdings sind die realisierten Zubauten an BHKW-Kapazitäten bisher sehr überschaubar, sodass für die bewilligten Flex-Prämien die Zeit läuft. Wie nun aber mit den Chancen umgehen? Es gibt im Markt sicherlich viele Meinungen zu diesem Thema, aber für die angestrebten Umbaumaßnahmen ist jede Biogasanlage ein individueller Einzelfall. Kapazität verdoppeln oder verdreifachen oder am Ende sogar bis zu vier- oder fünffach überbauen? Alles ist möglich, aber nicht automatisch sinnvoll. Wie nun vorgehen? Jede Anlage hat seine eigenen Voraussetzungen. Genau vor dieser Frage stand Kai Ahrens aus Elm bei Bremervörde. Seine betriebliche Ausstattung mit 150 Milchkühen inklusive Nachzucht ermöglichte den Bau einer 250-kW-Biogasanlage, die aufgrund der Erstinbetriebnahme Ende 2009 in den Genuss des Güllebonus kam. Durch den problemlosen Anlagenbetrieb stellte der Biogasproduzent schnell Überlegungen zur Weiterentwicklung der Anlage auf 500 kW an. Doch wie sollte diese aussehen? Durch den Berater Carsten Bahlburg kamen Marktszenarien, die Anlage auch EEG 2012 konform auszulegen, ins Spiel. Ergebnis war die Konzeption einer flexiblen Biogasanlage. Dabei stand im Vordergrund, die Anlage zukunftstauglich umzubauen, um damit am neu entstehenden Direktvermarktungsmarkt alle Chancen nutzen zu können. Insofern wurde nicht wie üblich die Motorkapazität verdoppelt, sondern es wurde für die neue Fahrweise auf ein BHKW mit 889 kW umgerüstet. Im Gegenzug wurde der bisherige 250er Motor an einen Drittnutzer veräußert. Ergänzt werden musste die Anlage mit einem größeren Trafo, da die bisherige Kapazität mit 600 kW Maximalleistung nicht ausreichte. Der Umbau selber betraf die gesamte Anlage. Der vorhandene Fermenter mit 21 Me- Sofortige Bereitstellung negativer Regelenergie Generierung von Mehrerlösen Volle Wärmelieferung möglich „Power-to-Heat“ Höhere BHKW-Standzeiten Energie-Anlagen Röring GmbH Rudolf-Diesel-Straße 3b 48691 Vreden Telefon: + 49 (0) 25 64 / 39 49 39-0 [email protected] www.energieanlagen-roering.de 47 SONDERHEFT DIREKTVERMARKTUNG tern Durchmesser konnte weiterhin genutzt werden, wurde jedoch mit einem größeren Feststoffeintrag ausgestattet. Das vorhandene erste Gärdüngerlager war bereits beim Bau vorgerüstet durch eine innenliegende Heizung, und der 18-Meter-Behälter wurde umgerüstet zum Nachgärer. Das zweite offene, 21 Meter im Durchmesser große Gärdüngerlager wurde gasdicht ausgerüstet und ergänzt durch ein 32 x 8 Meter großes gasdichtes Gärdüngerlager. Ein großvolumiges Tragluftdach erhöht das Gasspeichervolumen um 4.600 Kubikmeter. Gasüberläufe angepasst Mit der Gasstrecke von der Anlage zum neuen BHKW gab es keine Probleme, da eine neue Anbindung an das neue Endlager gelegt wurde. Das größere BHKW hat daher keine Probleme, eine entsprechend hohe Gasmenge zu saugen. In der Gärstrecke selber wurden die Gasüberläufe ergänzt durch jeweils einen zweiten Überlauf zwischen Fermenter und Nachgärer. Ergebnis: In der Anlage ist ein ausreichend großes GasTransportvolumen vorhanden. BIOGAS JOURNAL Gefahren wird die Anlage im 15/0-Betrieb, also Start des Motors um 6.00 Uhr und Ende der täglichen Laufzeit um 21.00 Uhr. Damit läuft der Motor zwölf Stunden im HTZeitraum (von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr) und drei Stunden im NT-Zeitraum. Mit den heutigen Erfahrungen wäre auch ein 1.000er Motor eine Option, da auch die klassische 12/0-Fahrweise beherrschbar ist. Probleme mit dem Startverhalten des Motors gibt es dank der Motorvorwärmung nicht. Der Wechsel vom 250er Gas-Otto-BHKW mit 36 Prozent Wirkungsgrad auf das neue BHKW mit 42 Prozent Normwirkungsgrad brachte eine Futterersparnis von 16 Prozent. Darüber hinaus nimmt der Betrieb über seinen Berater Tiedemann & Bahlburg an der Direktvermarktung teil. Neben der Flexprämie vom Netzbetreiber werden auch höhere Erlöse aus der HT betonten Fahrweise erzielt. Aber das ist noch nicht das Ende der Erlösoptimierung: Derzeit läuft die Präqualifikation des Motors für die Nutzung als Sekundärreserveleistung. Fazit: Der Betrieb hat nicht nur die Leistung erhöht, sondern hat sich durch hoch flexible | Anlagenanpassungen ein zukunftssicheres Geschäftsmodell aufgebaut. Die Teilnahme an den zukünftigen Märkten der Stromvermarktung verlangt eine ausreichende Gasspeicherkapazität und das Vorhalten von BHKW-Leistung. Genau das hat Kai Ahrens realisiert. Er kann – trotz aller Unsicherheiten im Biogasmarkt – hoffnungsfroh in die Zukunft schauen. Autor Bodo Drescher Sprecher des AK Direktvermarktung im Fachverband Biogas e.V. und Gesellschafter der Energy2market GmbH Weißenfelser Str. 84 · 04229 Leipzig Tel. 03 41/230 28 0 E-Mail: [email protected] einfach. sicher. ATEX Ventilatoren für Biogas Zone 1 und 2 (Kat.II2G und II3G) • sicher • zuverlässig • unkompliziert • wirtschaftlich Meidinger AG Landstrasse 71 4303 Kaiseraugst / Schweiz Tel. +41 61 487 44 11 [email protected] www.meidinger.ch Biogasaufbereitung Biogasanlagensanierung BioBG GmbH • Webers Flach 1 • 26655 Ocholt Tel. 04409 666 720 • Fax. 04409 666 722 [email protected] • www.biobg.de 48 2015 Substratzerkleinerung Alles rund um Biogas
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