7. Warrants, OTC- und standardisierte Optionen

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7.
Warrants, OTC- und standardisierte Optionen
Der schweizerische Optionsmarkt lässt sich grundsätzlich in drei Gruppen aufteilen
(Abb.7-1). Die SOFFEX ist für den Markt der standardisierten Optionen zuständig. An der
EBS* und über den Telefonhandel werden die börsenkotierten und ausserbörslichen Optionen gehandelt. OTC-Optionen eignen sich für Anleger mit individuellen Bedürfnissen. Für
diese Art von Optionen gibt es jedoch keinen regelmässigen Markt. Will man dennoch
Transaktionen tätigen, muss man mit den diversen Marktteilnehmern via Telefon in Kontakt
treten.
Diese drei Handelsplätze unterscheiden sich vor allem in formaler und rechtlicher Hinsicht.
Im übrigen sind sie aber absolut vergleichbar. Obwohl auch die Preisfestsetzung nach den
gleichen Kriterien erfolgt, können zum Teil erhebliche Preisunterschiede auftreten, welche
sich Arbitrageure zu nutzen machen.
In den letzten Jahren nahm vor allem die Emission von börsenkotierten Optionen ständig zu.
Diese decken die Bedürfnisse des Marktes teilweise besser ab als die standardisierten Optionen der verschiedenen Optionenbörsen. In den folgenden Abschnitten soll ein Überblick
(Abb. 7-1) über die verschiedenen Ausprägungen von Optionen vermittelt werden.
Optionsmärkte
Standardisierte
Optionsmärkte
Warrants
(Börsenkotierte Opitonsscheine)
OTC
Optionen
Abbildung 7-1: Übersicht über die Optionsmärkte
7.1.
Standardisierte Optionsmärkte
Standardisierte Optionen werden an speziell dafür eingerichteten Börsen gehandelt. Solche
sind bspw. die LIFFE in London, die DTB in Frankfurt oder die SOFFEX in der Schweiz.
7.1.1.
Die SOFFEX (Swiss Options and Financial Futures Exchange)
Die SOFFEX nahm am 19. Mai 1988 als weltweit erste elektronische Börse für Derivate ihren
Betrieb auf. Wie an der SWX sind Handel und Clearing voll integriert. Die derzeit 50 Mitglieder der SOFFEX sind Broker (handeln für Kunden und auf eigene Rechnung), Market-Maker
*
Elektronische Börse Schweiz
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(handeln auf eigene Rechnung und stellen Geld- und Briefkurse) und Teilnehmer mit Universalstatus1.
7.1.2.
Titelauswahl an der SOFFEX
An der SOFFEX werden standardisierte Derivate gehandelt, sogenannte „Traded Options“
und „Financial Futures“. Es handelt sich dabei um Finanzinstrumente, deren Wert sich aus
dem Kurs eines Basiswertes ableitet. Das Angebot der SOFFEX umfasst zur Zeit die folgenden Optionen und Futures2:
¾ ABB Inhaber
¾
Alusuisse Namen
¾ Ciba SC Namen
¾
Clariant Namen
¾ CS Group Namen
¾
Holderbank Inhaber
¾ Nestlé Namen
¾
Novartis Namen
¾ Roche Genusschein
¾
Schweiz. Rückvers.- Ges. Namen
¾ UBS Schweizerische Bankges. Inhaber
¾
Schweizerischer Bankverein Namen
¾ SMH Namen
¾
Winterthur Namen
¾ Zürich Namen
¾
Rentenanstalt Inhaber
Ferner können Transaktionen in Call und Put-Optionen auf den SMI selbst sowie auf den
SMI-Futures, CONF-Futures und COMI-Futures abgeschlossen werden.
7.1.3.
Vor- und Nachteile
Durch die Verpflichtung der Market Maker, jederzeit Kurse zu stellen, wurde eine hohe Liquidität und Transparenz angestrebt. Im kurzfristigen Bereich trifft dies bei den meisten Titeln
auch zu. Die SOFFEX bietet für sämtliche Marktteilnehmer die Möglichkeit, alle vier Grundpositionen zu beziehen. Dies ist insofern von Bedeutung, weil damit auch Marktteilnehmer,
die den OTC-Markt nicht in Anspruch nehmen können, die in Kapitel 6 beschriebenen Strategien eingehen können.
Dagegen gibt es aber einige gewichtige Nachteile. So sind an standardisierten Optionenbörsen nur einige ausgewählte Titel handelbar. In der Schweiz sind dies die unter Abschnitt
7.1.2. aufgeführten. Durch Fusionen hat sich die Auswahl in der Vergangenheit sogar reduziert. Vor allem in den Long Term Optionen besteht beinahe kein Markt, d.h. wer einmal eine
Long Term Position eingegangen ist, hat unter Umständen grösste Mühe, diese zu einem
fairen Preis glattzustellen. Nachfolgend sollen die wichtigsten Vor- und Nachteile aufgelistet
werden.
1
2
Vgl. http://www.bourse.ch/intro/gsfxdisp.htm
Vgl. http://www.bourse.ch/quote/gsfxprod.htm
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Vorteile
¾ Market Maker sind zur Kursstellung verpflichtet, dies garantiert eine genügende Marktliquidität.
¾ Hohe Regulationsdichte bezüglich Basispreisen, Laufzeiten und Kontraktgrössen, dadurch entstehen weder rechtliche noch formale Unsicherheiten.
¾ Alle Marktteilnehmer können sowohl Long als auch Short Positionen eingehen.
¾ Alle Strategien können voll ausgeschöpft werden.
¾ Auch Klein- und Kleinstaufträge werden zu fairen Kursen abgerechnet, da bereits ein
Kontrakt eine Schlusseinheit ist.
¾ Erfüllungssicherheit für Optionskäufer
¾ Effiziente Abwicklung
¾ Geringe Transaktionskosten
¾ Grosse Handelsvolumina (im kurzfristigen Bereich)
¾ Die SOFFEX ist Mitglied der EUREX
Nachteile
¾ Kleine Handelsvolumina (im langfristigen Bereich)
¾ Eingeschränkte Titelauswahl.
¾ Inflexibel, da stark reguliert.
¾ Bei gewissen Titeln und Laufzeiten keine wirkliche Transparenz, weil nur eine ungenügende Nachfrage vorhanden ist.
7.2.
Warrants
Warrant, gelegentlich auch Optionsscheine genannt, sind verbriefte Wertpapiere. Vielfach
sind sie an Börsen kotiert und können somit unabhängig vom Emittenten gehandelt werden.
Sie treten in verschiedensten Formen auf. Waren es ursprünglich von Optionsanleihen abgetrennte Optionsscheine, so trifft man sie heute vielfach als Stillhalteroptionen (Covered Warrants) an. Die Vielfalt ist enorm. Nur die in der Schweiz gehandelten Optionsscheine beanspruchen bereits mehrere Seiten in einer Tageszeitung. Vielfach betreiben die Emissionshäuser Kurspflege, indem sie permanent Geld und Briefkurse stellen. Im Gegensatz zu den
standardisierten Optionen können Warrants jederzeit auf beliebige Basiswerte ausgegeben
werden. Die Ausstattung jedes Warrants wird individuell festgelegt, somit ist der Angebotspalette an Basiswerten, an Ausübungspreisen und an Laufzeiten keine Grenze gesetzt. Die
Emissionshäuser reagieren mit Neuankündigungen auf die aktuelle Nachfragesituation, indem sie neue Optionsscheine ausgeben oder das bestehende Angebot aktualisieren1.
1
Vgl. Warrants, Supplement zum INVEST Portfolio 97 der Finanz und Wirtschaft, S. 7
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Eine Stärke des Warrant Marktes liegt darin, dass die Regulationsdichte nicht sehr hoch ist.
Dies führte in der Vergangenheit zu einer bemerkenswerten Flexibilität. Sicherlich einer der
wesentlichen Gründe für den Erfolg. Dies birgt aber auch einige nicht zu unterschätzende
Risiken. Anleger, die Optionsgeschäfte an der SOFFEX tätigen, werden normalerweise von
ihrer Hausbank dazu aufgefordert, eine SOFFEX Vereinbarung zu unterschreiben. In dieser
und in den beiliegenden Broschüren wird auf die Risiken im Optionsgeschäft hingewiesen.
Bei Warrants, die normal über die Börse gekauft werden können, ist dies bedauerlicherweise
nicht der Fall. Dies hatte in der Vergangenheit zur Folge, dass Kunden Optionsgeschäfte
tätigten, ohne über die Chancen und Risiken aufgeklärt worden zu sein. Angestellte der Banken, egal ob sie dazu ausgebildet wurden oder nicht, wurden zu „Möchte gerne“-Beratern
und haben begonnen, mit dem stillschweigenden Einverständnis ihrer Vorgesetzten, Kunden
über die wohl komplexesten Finanzinstrumente zu beraten. Zwar sind die Finanzinstitute
durch diverse Gerichtsentscheide, in denen Banken beschuldigt wurden, der Aufklärungspflicht nicht in genügendem Masse nachgekommen zu sein, hellhörig geworden und haben
begonnen, Optionskunden mittels Broschüren und anderen Informationsunterlagen speziell
auf die erhöhten Risiken hinzuweisen. Ob dies aber in den zum Teil nur ungenügend organisierten Mittel- und Kleinbanken geschehen ist, darf mit Recht angezweifelt werden.
Man muss wohl kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass es vor allem bei Warrants bei
der nächsten länger andauernden Konsolidierung der Märkte zu massiven Verlusten kommen wird. Zu den Verlierern werden dann wohl vorwiegend die Kleinanleger gehören.
Die Erde hat genug für
jedermanns Bedürfnisse,
aber nicht für jedermanns Gier
Mahatma Gandhi, 1869 - 1948
Die niedrige Standardisierung der Warrants verlangt von den Anlegern eine erhöhte Aufmerksamkeit. Die Flexibilität führt dazu, dass die Laufzeiten, die Bezugsverhältnisse, die
Basiswerte und die Basispreise völlig verschieden sind. Dies erschwert die Vergleichbarkeit
und führt oftmals zu Missverständnissen.
Vorteile
¾ Hohe Flexibilität und Individualität der Optionen.
¾ Erfüllungssicherheit für Optionskäufer
¾ Geringe Transaktionskosten
¾ Effiziente Abwicklung
¾ Breite und tiefe Angebotspalette.
¾ Vielfach tritt das Emissionshaus als Market Maker auf.
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¾ Einfacher Marktzugang für die Teilnehmer.
¾ Grundsätzlich faire Preisstellung
Nachteile
¾ Durch niedrige Regulationsdichte Gefahr von Missverständnissen
¾ Die Flexibilität verlangt von den Anlegern eine höhere Aufmerksamkeit und einen ausgeprägten Sachverstand.
¾ Durch die niedrige Regulationsdichte wird die Vergleichbarkeit zwischen den Optionen
erschwert.
¾ Es können nur Long Positionen eingegangen werden.
¾ Ungenügendes Handelsvolumina bei stark „in-the-money“ Optionen.
7.3.
OTC-Optionen
OTC (Over The Counter) Optionen sind individuell ausgestaltete Optionen zwischen zwei
Marktteilnehmern. Beim einen handelt es sich gewöhnlich um eine Bank. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind beinahe unbeschränkt. Von einfachen Calls bis hin zu komplexen Optionsstrukturen, mit Laufzeiten von wenigen Tagen bis zu mehreren Jahren, ist alles möglich1.
Die Flexibilität führt aber dazu, dass es für den einzelnen Marktteilnehmer beinahe nicht
möglich ist, die Übersicht über das Angebot zu haben, es sein denn, er habe Kontakt zu allen Anbietern.
Vorteile
¾ Bedürfnisgerechte Gestaltung für einzelne Marktteilnehmer möglich.
¾ Hohe Flexibilität.
¾ Alle Marktteilnehmer können sowohl Long als auch Short Positionen eingehen.
¾ Alle Strategien können voll ausgeschöpft werden.
Nachteile
¾ Illiquider Markt
¾ Schlechte Übersicht über das Angebot und die Nachfrage
¾ Kein transparenter Markt vorhanden
¾ Zugang nur für finanziell starke Marktteilnehmer möglich.
¾ Hohe Transaktionskosten.
¾ Je nach Vertragspartner können Probleme bei der Erfüllungssicherheit auftauchen.
1
Vgl. Warrants, Supplement zum INVEST Portfolio 97 der Finanz und Wirtschaft, S. 7
79
Das Zielpublikum für OTC-Optionen sind normalerweise institutionelle Anleger. Aber auch
private Anleger haben die Möglichkeit, sich OTC-Optionen massschneidern zu lassen.
7.4.
Wann welche Option?
Das ist wohl die Frage, die alle Anleger am meisten beschäftigt. Nun, diese Arbeit wird darauf keine abschliessende Antwort geben. Dafür sind die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Anleger viel zu verschieden. Trotzdem, einige Ratschläge sollen dem Anleger auf den
Weg gegeben werden:
1. Der Wahl des Basistitels soll äusserste Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dazu soll
nochmals ausdrücklich auf das Kapitel 3 hingewiesen werden.
2. Hat man den Basistitel ausgewählt, soll dieser auf sein Kurspotential hin analysiert werden. Mittels der Charttechnik1 können heute sehr zuverlässige Prognosen gestellt werden.
3. Wie beschrieben, gibt es innerhalb desselben Basiswertes ein reichhaltiges Angebot an
Optionen. Diese sollen genau miteinander verglichen und gegeneinander abgewogen
werden. Hier kommt die Analyse der Optionskennzahlen zum Zuge. Zuerst sollten die
Erwartungen definiert werden, dann soll auf Grund der analysierten Kennzahlen die Entscheidung zum Kauf oder Verkauf getroffen werden.
4. Es sollen einfache Produkte gewählt werden. Je komplizierter das Produkt, desto grösser
ist die Gefahr einer Fehlkalkulation.
5. Der Liquidität ist besondere Beachtung zu schenken. Es soll darauf geachtet werden,
dass in der betreffenden Option ein permanenter Handel stattfindet und dass Angebot
und Nachfrage ein akzeptables Volumen erreichen. Man soll sich nicht durch günstige
Optionen beirren lassen. Vielfach sind optisch teure Optionen sehr günstig oder gar unterbewertet. Dies kann damit zusammenhängen, dass die betreffende Option illiquid ist.
Hat man die Möglichkeit, eine Option zu wählen, in welcher sich bspw. der Emittent um
die Optionspreisbildung kümmert und dementsprechend Kurse stellt, so ist eine solche
vorzuziehen.
6. Anleger, die ihr Portefeuille selbst verwalten und in Optionen investiert haben, sollten ihre
Positionen permanent überwachen. Bei längeren Abwesenheiten sollten nach Möglichkeit offene Positionen glattgestellt werden. Ist dies nicht möglich, so sind der Bank klare
Orders zu erteilen.
1
Vgl. Abschnitt 3.12.2. Die technische Analyse
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7. An einer einmal beschlossenen Taktik soll festgehalten werden. Unentschlossene Anleger, die ständig ihre Meinung über die Marktsituation ändern, sollten sich am Optionenund Futuremarkt nicht engagieren.
8. Gute volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche und mathematische Grundkenntnisse
sind ein „MUSS“ für einen erfolgreichen Anleger. Wer die Zusammenhänge versteht, ist
dem Risiko bspw. die volkswirtschaftliche Lage falsch zu interpretieren, wesentlich weniger ausgesetzt.
9. Für jede Option soll ein Gewinn/Verlust Profil gezeichnet werden. Diese graphische Hilfe
ist ein sehr einfaches, aber effizientes Hilfsmittel, um über eine Position einen Überblick
zu erhalten.
10. Wer sein Vermögen Dritten zur Verwaltung überlässt, sollte sich vergewissern, ob diese
den Anforderungen genügen. Ferner sollte dem Vermögensverwalter die Möglichkeit eingeräumt werden, Options- und Futuresgeschäfte zu tätigen. Sind diese Finanzinstrumente richtig eingesetzt, kann die Rendite des Benchmarktes übertroffen werden. Dies setzt
aber die nötigen Kenntnisse über die Optionen und Futuresmärkte voraus.
11. Hat der Anleger sein Vermögen Dritten zur Verwaltung überlassen, müssen diese sicherstellen, dass die Optionspositionen auch seriös überwacht werden. Dies ist vor allem bei
kleinen Vermögensverwaltern nicht immer der Fall.
12. Die Vielfalt der Anlageinstrumente sollte ausgeschöpft werden. Es gibt nicht nur die Möglichkeit der steigenden Märkte, man kann auch an fallenden Märkten partizipieren. Es
gibt Optionen auf Währungen, Zinsen, Indizes, etc.
7.5.
Zusammenfassung
Optionen bieten dem Anleger die Möglichkeit, sein Depot nach seinem Risikobedürfnis zu
konstruieren. Sie stellen – wie Futures auch – eine wichtige Ergänzung zu den traditionellen
Finanzinstrumenten der Kassamärkte dar, weil vom aggressiven bis zum konservativen Anleger alle Teilnehmer befriedigt werden können. Die in Kapitel 6 besprochenen Strategien
stellen nur eine kleine Auswahl dar. Diese können noch wesentlich verfeinert und den persönlichen Bedürfnissen angepasst werden, so dass beinahe jede Ertrags-Risiko-Struktur
gebildet werden kann.
Der Optionsmarkt als Ganzes bietet dem Anleger einige Vorteile, die ihn dazu bewegen können, Transaktionen dort abzuwickeln:
¾ Der geringe Kapitaleinsatz und der damit verbundenen Hebeleffekt (Leverage)
¾ Hohe Erfüllungssicherheit
¾ Unkompliziertes und umgehendes Aufheben von Positionen
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¾ Niedrige Transaktionskosten
¾ Steuerliche Gründe
¾ Standardisierung der Kontraktmerkmale
¾ Hohe Marktliquidität
¾ Effiziente Abwicklung
¾ Grosse Handelsvolumina
¾ Hohe Marktliquidität
Übrigens:
Mark Twain war der Auffassung, dass der Oktober einer der gefährlichsten Monate für Aktienspekulationen sei. Die anderen Monate, in denen der Aktienspekulant hohen Risiken
ausgesetzt ist, seien Juli, Januar, April, September, November, Mai, März, Juni, Dezember,
August und Februar.