45. Säkulare (Schul-)Bildung in der Krise? - DGV

45.
Säkulare (Schul-)Bildung in der Krise?
Sektion Entwicklungssoziologie und Sozialanthropologie der Deutschen
Gesellschaft für Soziologie (Jeannett Martin und Ulrike Schultz)
In Bezug auf säkulare Schulbildung lassen sich gegenwärtig zwei gegensätzliche Tendenzen
beobachten. Auf der einen Seite haben wir es mittlerweile mit einer globalen Verbreitung des
Modells Schule zu tun, das selbst in abgelegene bäuerliche Welten vorgedrungen ist.
Andererseits zeichnet sich bereits seit längerem ab, dass sich das Heilsversprechen
gängiger Modernisierungs- und Entwicklungskonzepte, demzufolge Bildung zu individueller
wie kollektiver Emanzipation führt (Drèze und Sen 1995), für die Mehrheit schulisch
gebildeter junger Menschen und deren Familien nicht erfüllt.
Wie sehen Jugendliche und junge Erwachsene, die eine schulische bzw. akademische
Ausbildung durchlaufen haben und die nun in den post-educational landscapes (Jefferson et
al 2008) um gesellschaftliche Teilhabe kämpfen, ihre Lebenssituation und wie bewerten sie
ihre Entwicklungschancen? Halten sie und ihre Familien auch angesichts unerfüllter
Hoffnungen am Glauben eines Aufstiegs durch Bildung fest? Kommt es zunehmend zur
Herausbildung anti-moderner bzw. neo-traditionaler Jugendkulturen, wie für manche
Kontexte beschrieben (vgl. Bucholtz 2002)? Auf welche Weise gehen junge Frauen und
Männer auf individueller Ebene, wie deren Familien, wie Regierungen und
Entwicklungsorganisationen mit unerfüllten Hoffnungen von Emanzipation und sozialem
Fortschritt durch Bildung um? Wie werden die Spannungen, die sich aus unterschiedlichen
Interessen und Erwartungshaltungen ergeben, zwischen den Beteiligten verhandelt? Welche
kreativen Lösungen finden junge Menschen im globalen Süden, ihr durch schulische Bildung
erworbenes kulturelles Kapital angesichts eines oft sehr begrenzten ökonomischen und
sozialen Kapitals (Bourdieu 1983) einzusetzen?
Wir wünschen uns Beiträge, die diesen und ähnlichen Fragen aus empirischer wie
theoretischer Sicht nachgehen. Besonders interessieren uns gender-informierte Beiträge und
solche, die junge Schulabgänger*innen und ihr Handeln in der Krise in ihrer
Prozesshaftigkeit und in ihrem intergenerationellen und verwandtschaftlichen
Eingebundensein beleuchten.
Vorträge:
Erdmute Alber, Universität Bayreuth
Zukunftsfragen. Entscheidungsprozesse über Lebenswege von Landkindern in NordBenin
Patrick Desplat, Universität zu Köln
“Making Smart Choices”. Hochschulbildung, Mobilität und Gender in Madagaskar
Celine Barry, Freie Universität Berlin
Eine feministische postkoloniale Perspektive auf „Education for All“