POLITIK 34 der niedergelassene arzt 5/2015 Auf tönernen Füßen Anti-Korruptionsgesetz gefährdet Kooperationen K napp drei Jahre später liegt der Entwurf des Anti-Korruptionsgesetzes auf dem Tisch. Darin vorgesehen ist, Bestechung oder Bestechlichkeit im Gesundheitswesen mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe zu ahnden. Bei besonders schweren Fällen, also bei Vorteilsnahmen in großem Ausmaß, einem gewerbsmäßigen Vorgehen oder als Mitglied einer Bande, sieht der Entwurf Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren vor. „Die Zielrichtung des Gesetzesvorhabens wird grundsätzlich anerkannt“, kommentiert der NAV-Virchow-Bund die Gesetzesnovelle in einer Stellungnahme. Die inhaltliche Umsetzung erscheine jedoch überarbeitungsbedürftig. So bestehe die Gefahr, dass aufgrund des vom Gesetzgeber weit gefassten Korruptionsbegriffes auch Fälle erfasst würden, die korruptionsrechtlich eigentlich unbedenklich seien. Unklare Regeln für Strafbarkeit Auch der Verweis auf die Berufsordnungen der Landesärztekammern, der im Gesetzentwurf zu finden ist, stößt auf Kritik des Verbandes der niedergelassenen Ärzte. Der Gesetzgeber missachte dabei den so genannten Bestimmtheitsgrundsatz des Grundgesetzes, wonach Strafbarkeit immer klar und einheitlich gesetzlich geregelt sein muss. Schließlich müsse derjenige, dem Strafe angedroht werde, wissen, welches Verhalten strafbewehrt sei. Wenn die einzelnen Landesärztekammern mit dem Gesetz nun faktisch in die Lage gebracht würden zu definieren, welches Verhalten strafbar sei, liege ein „eklatanter Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz“ vor, so der NAV. Aufgrund der Tatsache unter- © Photographee.eu / Fotolia Die Erleichterung der niedergelassenen Ärzte war spürbar im Sommer 2012. Damals entschied der Große Senat des Bundesgerichtshofes, dass Kassenärzte nicht wegen Bestechlichkeit belangt werden können, wenn sie Geschenke von Pharma-Unternehmen entgegennehmen. Vertragsärzte handelten weder als Amtsträger noch als Beauftragte der Krankenkassen. Deshalb könnten sie auch nicht bestochen werden, so die Begründung. Gleichzeitig verwiesen die Richter jedoch darauf, dass es an Straftatbeständen fehle, die eine Ahndung von Korruption ermöglichen. Korruption im Gesundheitswesen – Vertragsärzte fordern klare Regeln für Strafbarkeit. schiedlicher Berufsausübungspflichten in den verschiedenen Kammerbezirken, sei eine regional abweichende Strafgesetzgebung zu befürchten. In der Folge wüsste der einzelne Arzt nicht nur nicht, was er zu beachten habe. Auch sein benachbarter Kollege im angrenzenden Bundesland hätte womöglich andere Regeln zu befolgen. Ebenfalls kritisch werden die Kriterien der besonders schweren Fälle gesehen. In der Stellungnahme des Verbandes heißt es diesbezüglich: „Unter Berücksichtigung der feststehenden strafrechtlichen Definitionen der verwendeten Begriffe ‚gewerbsmäßig‘ und ‚Mitglied einer Bande‘ dürfte dieser Qualifikationstatbestand in der Mehrzahl aller auftretenden Fälle erfüllt sein.“ Die Strafandrohung einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten in allen Fällen sei deshalb unverhältnismäßig. Ebenfalls Änderungsbedarf sieht der NAVVirchow-Bund bei der Ausgestaltung als Antragsdelikt. Zwar sei dies grundsätzlich in Ordnung. Nicht sachdienlich sei hinge- gen, dass auch Gesetzliche Kranken- und Pflegekassen und Unternehmen der privaten Krankenversicherungen ihren Betrugsverdacht zur Anzeige bringen dürften. Hier lauere erfahrungsgemäß die Gefahr, dass vermeintliche Betrugsfälle genutzt würden, um berufspolitische Auseinandersetzungen oder den Wettbewerb der Krankenkassen untereinander auf anderer Ebene fortzuführen. Nicht allein deshalb, sondern aufgrund der zahlreichen unklaren Formulierungen des Gesetzentwurfes müsse erwogen werden, „in dem aktuellen Gesetzentwurf zunächst ausschließlich die geplanten Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch umzusetzen, um überhaupt eine valide Tatsachenbasis über das Ausmaß von Fehlverhalten im Gesundheitswesen zu erhalten“, kommentiert der NAVVirchow-Bund. Bis dahin stünden die strafrechtlichen Regelungen auf tönernen Füßen. Kooperationen unter Verdacht Das größte Manko des vorliegenden Gesetzentwurfes macht der Verband in der unscharfen Abgrenzung von unlauterer Korruption zu erwünschter Kooperation aus. Hätten kooperierende Ärzte bislang lediglich zu befürchten gehabt, ihren Honoraranspruch zu verlieren, stehe nun das Risiko der Strafbarkeit im Raum. Aus Sicht der niedergelassenen Ärzte sei dies inakzeptabel, heißt es in der Stellungnahme. Um die sozialrechtlich gewünschte und medizinisch sinnvolle Kooperation zwischen den Leistungserbringern nicht zu gefährden, sei es dringliche Aufgabe des Gesetzgebers, klare Grenzen zur sanktionsbewehrten Korruption zu ziehen. Als Beispiele führt der Verband unter anderem den verkürzten Versorgungsweg bei der Verordnung von Hilfsmitteln, die sektorenübergreifende Tätigkeit von Belegärzten in Praxen und Kliniken sowie die Zusammenarbeit in Ärztenetzen an. Thomas Hahn
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