Anti-Korruptionsgesetz gefährdet Kooperationen - NAV-Virchow-Bund

POLITIK
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der niedergelassene arzt 5/2015
Auf tönernen Füßen
Anti-Korruptionsgesetz gefährdet Kooperationen
K
napp drei Jahre später liegt der Entwurf
des Anti-Korruptionsgesetzes auf dem
Tisch. Darin vorgesehen ist, Bestechung
oder Bestechlichkeit im Gesundheitswesen
mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe zu ahnden.
Bei besonders schweren Fällen, also bei
Vorteilsnahmen in großem Ausmaß, einem
gewerbsmäßigen Vorgehen oder als Mitglied einer Bande, sieht der Entwurf
Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren vor.
„Die Zielrichtung des Gesetzesvorhabens
wird grundsätzlich anerkannt“, kommentiert der NAV-Virchow-Bund die Gesetzesnovelle in einer Stellungnahme. Die inhaltliche Umsetzung erscheine jedoch
überarbeitungsbedürftig. So bestehe die
Gefahr, dass aufgrund des vom Gesetzgeber
weit gefassten Korruptionsbegriffes auch
Fälle erfasst würden, die korruptionsrechtlich eigentlich unbedenklich seien.
Unklare Regeln für Strafbarkeit
Auch der Verweis auf die Berufsordnungen
der Landesärztekammern, der im Gesetzentwurf zu finden ist, stößt auf Kritik des
Verbandes der niedergelassenen Ärzte. Der
Gesetzgeber missachte dabei den so
genannten Bestimmtheitsgrundsatz des
Grundgesetzes, wonach Strafbarkeit immer
klar und einheitlich gesetzlich geregelt sein
muss. Schließlich müsse derjenige, dem
Strafe angedroht werde, wissen, welches
Verhalten strafbewehrt sei. Wenn die einzelnen Landesärztekammern mit dem
Gesetz nun faktisch in die Lage gebracht
würden zu definieren, welches Verhalten
strafbar sei, liege ein „eklatanter Verstoß
gegen den Bestimmtheitsgrundsatz“ vor, so
der NAV. Aufgrund der Tatsache unter-
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Die Erleichterung der niedergelassenen
Ärzte war spürbar im Sommer 2012.
Damals entschied der Große Senat des
Bundesgerichtshofes, dass Kassenärzte
nicht wegen Bestechlichkeit belangt
werden können, wenn sie Geschenke
von Pharma-Unternehmen entgegennehmen. Vertragsärzte handelten
weder als Amtsträger noch als Beauftragte der Krankenkassen. Deshalb
könnten sie auch nicht bestochen werden, so die Begründung. Gleichzeitig
verwiesen die Richter jedoch darauf,
dass es an Straftatbeständen fehle, die
eine Ahndung von Korruption ermöglichen.
Korruption im Gesundheitswesen –
­Vertragsärzte fordern klare Regeln für
­Strafbarkeit.
schiedlicher Berufsausübungspflichten in
den verschiedenen Kammerbezirken, sei
eine regional abweichende Strafgesetzgebung zu befürchten. In der Folge wüsste der
einzelne Arzt nicht nur nicht, was er zu
beachten habe. Auch sein benachbarter
Kollege im angrenzenden Bundesland hätte
womöglich andere Regeln zu befolgen.
Ebenfalls kritisch werden die Kriterien
der besonders schweren Fälle gesehen. In
der Stellungnahme des Verbandes heißt es
diesbezüglich: „Unter Berücksichtigung der
feststehenden strafrechtlichen Definitionen der verwendeten Begriffe ‚gewerbsmäßig‘ und ‚Mitglied einer Bande‘ dürfte dieser Qualifikationstatbestand in der
Mehrzahl aller auftretenden Fälle erfüllt
sein.“ Die Strafandrohung einer Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten in allen
Fällen sei deshalb unverhältnismäßig.
Ebenfalls Änderungsbedarf sieht der NAVVirchow-Bund bei der Ausgestaltung als
Antragsdelikt. Zwar sei dies grundsätzlich
in Ordnung. Nicht sachdienlich sei hinge-
gen, dass auch Gesetzliche Kranken- und
Pflegekassen und Unternehmen der privaten Krankenversicherungen ihren Betrugsverdacht zur Anzeige bringen dürften. Hier
lauere erfahrungsgemäß die Gefahr, dass
vermeintliche Betrugsfälle genutzt würden,
um berufspolitische Auseinandersetzungen
oder den Wettbewerb der Krankenkassen
untereinander auf anderer Ebene fortzuführen. Nicht allein deshalb, sondern aufgrund der zahlreichen unklaren Formulierungen des Gesetzentwurfes müsse
erwogen werden, „in dem aktuellen Gesetzentwurf zunächst ausschließlich die geplanten Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch umzusetzen, um überhaupt
eine valide Tatsachenbasis über das Ausmaß von Fehlverhalten im Gesundheitswesen zu erhalten“, kommentiert der NAVVirchow-Bund. Bis dahin stünden die
strafrechtlichen Regelungen auf tönernen
Füßen.
Kooperationen unter Verdacht
Das größte Manko des vorliegenden
Gesetzentwurfes macht der Verband in der
unscharfen Abgrenzung von unlauterer
Korruption zu erwünschter Kooperation
aus. Hätten kooperierende Ärzte bislang
lediglich zu befürchten gehabt, ihren Honoraranspruch zu verlieren, stehe nun das
Risiko der Strafbarkeit im Raum. Aus Sicht
der niedergelassenen Ärzte sei dies inakzeptabel, heißt es in der Stellungnahme. Um
die sozialrechtlich gewünschte und medizinisch sinnvolle Kooperation zwischen den
Leistungserbringern nicht zu gefährden, sei
es dringliche Aufgabe des Gesetzgebers,
klare Grenzen zur sanktionsbewehrten
Korruption zu ziehen. Als Beispiele führt
der Verband unter anderem den verkürzten
Versorgungsweg bei der Verordnung von
Hilfsmitteln, die sektorenübergreifende
Tätigkeit von Belegärzten in Praxen und
Kliniken sowie die Zusammenarbeit in
Ärztenetzen an.
Thomas Hahn