PRAXIS E-Government für Unternehmen Der schnelle Weg zum Zoll Mit Hilfe des IT-Verfahrens ATLAS werden Zollformalitäten schnell und papierlos erledigt. Mehr als 5.000 Unternehmen, Speditionen und Zolldeklaranten nutzen die automatisierte Zollabwicklung bereits – Tendenz steigend. ATLAS (Automatisiertes Tarif- und lokales Zollabwicklungssystem) ist das interne Informatikverfahren der deutschen Zollverwaltung. Mit ATLAS wurde die Ära der reinen Papierverfahren abgelöst, denn die ständig wachsende Zahl an Einund Ausfuhren hat eine IT-gestützte Zollabfertigung unverzichtbar gemacht. Das System bildet die gesamten Vorgänge im Rahmen der Zollanmeldung durchgängig elektronisch ab und schafft eine transparente Kette aller zollrechtlichen Schritte. Der Weg einer Ware ist damit lückenlos nachvollziehbar. Mittels ATLAS werden zum einen schriftliche Zollanmeldungen, Einfuhrabgabenbescheide und Verwaltungsakte durch elektronische Nachrichten ersetzt. Zum anderen verzichtet der Zoll weitgehend auf die Vorlage von Papierunterlagen mit der Zollanmeldung. Das elektronische Verfahren reduziert Papierberge, verkürzt Kommunikationswege und schafft gleichzeitig die Voraussetzungen, um Verwaltungs- und Verfahrensabläufe zu beschleunigen. Über 400 Zollstellen arbeiten flächendeckend mit diesem System. Die ATLAS-Software besteht aus dem Elektronischen Zolltarif, den Stammdaten und den Bewilligungen sowie den eigentlichen Zollverfahren inklusive der automatisierten Abgabensatzberechnung. Die aktuelle ATLAS-Version 7.0 bearbeitet die Einfuhr, die summarische Anmeldung und das Versandverfahren. Für die Fälle, in denen die Beförderung der Waren im Versandverfahren mehr als einen Staat berührt, wurde eine Schnittstelle zum EU-weiten Versandverfahren NCTS (New Computerised Transit System) realisiert. Diese regelt die Kommunikation mit allen 28 Partnerländern des NCTS (EU-Mitgliedsstaaten sowie Schweiz, Norwegen und Island). NCTS kommt zum Einsatz, wenn Nichtgemeinschaftswaren innerhalb des Zollgebiets der EU und der übrigen NCTS-Teilnehmerstaaten befördert werden. MATERNA MONITOR 15 03/2005 PRAXIS Vorteile durch Integration in IT-Systeme Um die schnelle Zollabwicklung mit ATLAS nutzen zu können, setzen Unternehmen eine von der Zollverwaltung zertifizierte Teilnehmer-Software ein. Eine Reihe von Dienstleistungsunternehmen bieten diese Schnittstellen-Software an. Das Spektrum der von den Software-Häusern angebotenen Zugangsmöglichkeiten orientiert sich an der Anzahl der Abfertigungen. Es reicht von einer kompletten InhouseLösung bis hin zu einem Online-Zugang über ein ClearingCenter. Die Kosten hierfür hängen von der Wahl der Variante und der Anzahl der Lizenzen ab. Für den Nachrichtenaustausch zwischen Teilnehmer und Zollverwaltung wird das EDIFACT-Format (Electronic Data Interchange For Administration, Commerce and Transport) genutzt. Die Datenübertragung erfolgt auf Basis eines Filetransfers (FTAM) oder auf Basis von X.400. Für die verschlüsselte Datenübertragung kann der Teilnehmer Krypto-Boxen einsetzen. „Den größten Nutzen erzielen Unternehmen, die die ATLAS Teilnehmer-Software in ihre Warenwirtschaftssysteme integrieren“, erläutert Peter Friesenhahn, Regierungsdirektor im Bundesministerium der Finanzen (BMF) und als Leiter des Referats III A 7 verantwortlich für die Realisierung und Einführung von ATLAS. Viele Firmen – vor allem Handelsunternehmen – nehmen bereits am elektronischen Verfahren teil. Über die Schnittstellen werden alle relevanten Daten direkt vom Warenwirtschaftssystem in das Zollsystem des Teilnehmers übernommen und anschließend an den Zoll übermittelt. Medienbrüche und redundante Datenerfassung gehören damit der Vergangenheit an. Neben den Stammdaten und dem Produktkatalog der regelmäßig importierten Waren enthalten die Warenwirtschaftssysteme der Unternehmen auch zolltariflich relevante Angaben über Herkunftsland, Ursprungsland oder präferenzrechtliche Ursprungseigenschaft. Diese Daten werden zur Zollanmeldung verdichtet und im EDIFACT-Format an das ATLAS-Rechenzentrum der Bundeszollverwaltung in Frankfurt gesendet. Eingehende Nachrichten werden innerhalb von Sekunden verarbeitet und der gesamte Vorgang in wenigen Minuten durch Zollbeamte abgewickelt. ATLAS-Vorteile auf einen Blick weitgehender Verzicht auf die Vorlage von Unterlagen zum Zeitpunkt der Zollabfertigung Wegfall von Wegezeiten zur Zollstelle Nutzung von Daten aus angebundenen IT-Systemen Abgabe von vorzeitigen Zollanmeldungen vor Eintreffen der Waren Zollabfertigung von ATLAS-Teilnehmern an speziellen Schnellschaltern rund um die Uhr erreichbar 03/2005 16 MATERNA MONITOR ATLAS berechnet automatisiert die entstandenen Einfuhrabgaben, erstellt den Einfuhrabgabenbescheid und versendet ihn als EDIFACT-Nachricht an das Unternehmen. Im Warenwirtschaftssystem können diese Daten direkt verarbeitet werden. So lassen sich etwa Zollschuldbeträge oder sonstige Gebühren für die weitere Verwendung in der Buchhaltung übernehmen, ohne diese selbstständig zu berechnen. Internet-Zollanmeldung Für Unternehmen, die eher selten Waren verzollen müssen, wurde die Internet-Zollanmeldung eingerichtet. Hierzu füllen die Anmelder ein Internet-Formular aus. Plausibilitätsprüfungen, voreingestellte Scroll-Boxen und Wertelisten aus den Anhängen des Merkblatts zum Einheitspapier unterstützen die Eingabe. Anschließend wird das Formular ausgedruckt und unterschrieben. Das unterschriebene Formular, die importierte Ware und die zugehörigen Unterlagen werden dem Zollamt vorgelegt. Da der Zollbeamte schon im Vorfeld Zugriff auf die Daten der Zollanmeldung hat, spart der Anmelder auch bei der Internet-Zollanmeldung wertvolle Zeit. Der Zollbeamte prüft nur noch, ob die Anmeldung vollständig ist und mit der Ware übereinstimmt. Der Anmelder erhält seinen Einfuhrabgabenbescheid und kann vor Ort seine Abgaben entrichten. Einer Vereinfachung durch Nutzung der digitalen Signatur steht der Zoll offen gegenüber, wenn sich dieses Verfahren am Markt weiter durchsetzt. Für die Unternehmen bedeutet die Teilnahme an ATLAS aber auch, dass sie vorab sehr genau spezifizieren müssen, was sie anmelden. Ungenauigkeiten, wie sie bei der Papieranmeldung oftmals vorkamen, duldet das IT-Verfahren nicht. Um unnötige Korrekturmeldungen zu vermeiden, ist es erforderlich, Zollanmeldungen vollständig und korrekt abzugeben. „Die Nutzung von Technologie verlangt immer auch Disziplin vom Teilnehmer“, so Stefan Wesp, Amtsrat im BMF und als Zollexperte für die fachliche Ausrichtung von ATLAS zuständig. Andererseits muss auch der Zoll sehr genau arbeiten, da ATLAS-Daten an das Statistische Bundesamt und weitere Behörden unter Einhaltung der Datenschutzrichtlinien weitergeleitet werden. Nutzungszahlen sprechen für sich Die Anzahl der mit ATLAS durchgeführten Einfuhrabfertigungen nimmt stetig zu: Monatlich gehen derzeit bereits über 550.000 Einzelzollanmeldungen über ATLAS bei der Zollverwaltung ein. Hinzu kommen circa 225.000 monatliche Meldungen im internationalen Versandverfahren sowie circa 300.000 summarische Anmeldungen. Etwa 85 Prozent aller Unternehmen, die Waren aus Nicht-EU-Staaten einführen, übermitteln ihre Daten über ATLAS. Die restlichen 15 Prozent nutzen den Papierweg. PRAXIS Tagesaktueller Zolltarif Als Hauptinformationsquelle nutzt ATLAS den Elektronischen Zolltarif (EZT), der seit 1999 den bis dato als Druckwerk vorhandenen Deutschen Gebrauchszolltarif ersetzt und als erstes Teilverfahren des ATLAS-Systems in Betrieb genommen wurde. Der EZT ist eine täglich aktualisierte Datenbank, die alle weltweit gehandelten Waren codiert, die anzuwendenden Zollbestimmungen verknüpft und zugehörige Zollsätze enthält. Basis des EZT sind wiederum die übergeordneten Daten des EU-Zolltarifs TARIC (Tarif Intégré des Communautés Européennes). Ab Anfang 2006 wird der EZT als EZT-Online im Internet auch der Wirtschaft zur Verfügung gestellt sowie eine Download-Funktion angeboten. Hier wird die e-Payment-Komponente der e-GovernmentInitiative BundOnline zum Einsatz kommen. IT-Infrastruktur ATLAS Das zentrale Rechenzentrum für den Betrieb von ATLAS befindet sich in Frankfurt. Der Betrieb erfolgt an zwei Standorten des ZID (Zentrum für Informations- und Datentechnik der Bundesfinanzverwaltung). Sollte einer der Standorte ausfallen, übernimmt der jeweils andere den Betrieb im Rahmen eines Fail-Over-Konzepts. Zollteilnehmer sind über Standoder Wählleitungen an die Rechenzentren angebunden. ATLAS basiert auf einer modernen 3-Tier-Architektur mit einer sicheren und skalierbaren Hochverfügbarkeitslösung. In den Zollstellen wird für den Zugriff auf ATLAS lediglich ein Standard-Web-Browser benötigt. Als Hardware-Basis kommen derzeit Systeme von Sun zum Einsatz. Die Daten- NIZZA bank und die eingesetzte Entwicklungsumgebung stammen von Oracle. Neue Teilverfahren, wie zum Beispiel die kommende Internet-Versandanmeldung, werden nach Möglichkeit unter Nutzung von BundOnline-Basiskomponenten entwickelt. Die ATLAS-Entwicklung erfolgte gemeinsam durch das ZID und MATERNA. „In Hochzeiten arbeiteten über 200 Mitarbeiter der Zollverwaltung, von MATERNA und weiteren Partnerfirmen wie Sun und Oracle an der Entwicklung des IT-Verfahrens“, erläutert Kurt Wolke, Leiter Business Center Government und Projektleiter ATLAS bei MATERNA. Im Rahmen der Entwicklung hat der Dortmunder IT-Dienstleister eine zentrale Rolle gespielt: MATERNA hat neben der Projektkoordination und -planung fachliche und technische Konzepte erarbeitet, Teilkomponenten realisiert und war für die Integration des Gesamtsystems verantwortlich. Weiterhin unterstützt MATERNA das ZID während des Roll-Outs der verschiedenen Releases. Aufgrund der positiven Erfahrungen soll ATLAS erweitert werden. Derzeit befindet sich das ATLAS-Ausfuhrverfahren in Vorbereitung, deren Fertigstellung für das dritte Quartal 2006 geplant ist. Es sollen die gleiche IT-Architektur und die aus dem Versand bekannten Abläufe genutzt werden. Auch hier werden EDIFACT-Nachrichten die Basis sein. Dank des IT-Verfahrens ATLAS lassen sich Abfertigungen fehlerfreier, genauer und viel schneller erledigen als früher. Das System bringt den Zoll seinem anspruchsvollen Ziel somit ein gutes Stück näher: leere Warteräume an den Zollstellen am Flughafen und an den Grenzen – letztlich soll nur noch der zum Zoll, den der Zoll wirklich sehen will. Risikoanalyse Archiv Pflegesystem für Stammdaten und EZT Fremdverfahren Backbone Datenbank Versand Datenbank Einfuhr Backbone iAS iAS Intranet iAS Filetransfer FTAM Mail X.400 Öffentliche Netze Internet-Zollanmeldung Internet-Statusauskunft (Firewall) World Wide Web ATLAS-Verfahrensteilnehmer ATLAS-Dienststellen Teilnehmer PCs ATLAS liegt eine komplexe IT-Architektur im Rechenzentrum der Bundeszollverwaltung in Frankfurt zu Grunde. MATERNA MONITOR 17 03/2005
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