Referat: Buße/ Beichte am Montag, den 4.1. 2016 Zugang Jesus nimmt die Sünder an, nur leider nehmen zu wenige Sünder Jesus an. Unser Gott hat nie ein Problem mit Sündern, er hat ein Problem mit Selbstgerechten, mit Sündenverdrängung und – verheimlichung/-verharmlosung! (Nur wer diesen Satz hören kann: DU bist der Mann…., wird auch die zweite Hälfte hören dürfen: … dem ich vergebe!) Und weil die Welt so voll Uneinsichtigkeit ist, treibt die Sünde ihr Unwesen weiter und kommt nicht ans Licht und wird nicht ausgeheilt. Nicht das wir sündigen ist die Crux, sondern wie wir mit unserer Sünde verfahren/ umgehen. Wenn wir mit ihr nichts weiter machen, macht sie mit uns weiter. Um den befreiensten und er-lösensten Umgang mit ihr soll es heute Abend in der Fortsetzung von gestern Abend gehen, wenn wir auf Buße und Beichte zu sprechen kommen, denn sie sind das glatte Gegenteil von Schuld- und Sündenverschwiegenheit. Und so wie wir gestern Abend auf die Tiefenschichten und das Wurzelwerk der Sünde zu sprechen kamen, (Sünde ist der Leute Verderben! Spr 14,34) kann man sich natürlich bei diesem Rückweg zu Gott (denn das meint ja die Umkehr/ Bekehrung in Buße und Beichte) nicht damit zufrieden geben, einzelne Tatsünden einzugestehen und dafür jeweils Absolution zu erhalten. Sondern, so tief die Sünde unsere Sicht auf Gott, uns selbst, unsere Nächsten und die Welt verzerrt hat, so tief muß auch die Wiederherstellung gehen und in unserem Innersten einen Heilungsprozess auslösen, für den der Zuspruch von Vergebung eben nur den Auftakt bildet. Es geht um wahre Versöhnung bis hin zur Aussöhnung! Das heißt aber, dass Buße/Beichte eingebettet sein müssen in seelsorgerliche Weg- und Lebensbegleitung und nicht gelegentliche Einakter sein dürfen, die uns momentane seelische Entlastung bringen (bevor das böse Spiel von Neuem beginnt). Im letzten stoßen wir in BB auf den wahren Gott und seinen befreienden Umgang mit uns. Befreiung und damit Anstoß zu befreienden Neuanfängen bringt uns, wenn wir gewahr werden, wie Gott mit all unseren kleineren Verfehlungen bis hin zu den Kapitalverbrechen unseres Lebens (Buch: unfassbare Vergebung) umgeht. Das er uns verzeiht und nicht mehr unserer Sünden bezichtigt. Bei Gott gehören Amnestie und Amnesie (Vergeben und Vergessen) ganz dicht zusammen und machen den Weg für uns frei, uns buchstäblich freisprechen zu lassen/ den Freispruch in ein gewendetes Leben zu empfangen. Vergebung entlässt einen Gefangenen in die Freiheit, und erst im Rückblick erkennt man, dass man selbst der Gefangene war. Corrie ten Boom Wie schön, wenn Sünder wie wir das immer wieder neu in Erfahrung bringen könnten, was uns in dieser kleinen Episode (ihre mariologischen Implikationen mal beiseitegelassen) nahe gebracht werden soll: Frag Maria: Eine Frau erzählte allen, die es hören wollten, dass sie häufig Offenbarungen der Jungfrau / Gottesmutter Maria hatte, wenn sie betete, und dass sie sich sogar mit Maria zu unterhalten pflegte. Der Pfarrer des Ortes wollte gerne nur das Beste von allen Gemeindegliedern denken, aber es fiel ihm schwer zu glauben, dass diese Frau die Wahrheit sagte. Er wollte sie zwar nicht der Lüge bezichtigen, aber er wollte auch nicht, dass sie weiterhin erzählte, dass sie sich mit Maria unterhielt, wenn das gar nicht stimmte. Als die Frau eines Tages den Pfarrer besuchte, bat er sie deshalb um einen Gefallen: wenn du das nächste Mal mit Maria sprichst, sagte er zu ihr, dann bitte sie darum, ihren Sohn Jesus nach meiner größte Sünde zu fragen. Der Pfarrer hatte in seiner Jugend eine schwere Sünde begangen, für die er viele Male Gott um Vergebung gebeten hatte. Die Begebenheit lag wie ein Schatten über seinem Leben und nie hatte er davon jemandem erzählt. Wenn die Frau etwas über die Begebenheit erzählen könnte, so wüsste er, dass sie wirklich mit Maria gesprochen hatte. Die Frau freute sich darüber, dass der Pfarrer ihr endlich zu glauben schien und versprach, Maria diese Frage zu stellen. Danach gingen die beiden auseinander. Am nächsten Tag kam die Frau wieder beim Pfarrer vorbei. Na, hast du die Jungfrau Maria darum gebeten, Jesus nach meiner größten Verfehlung zu fragen?, wandte sich der Pfarrer an die Frau. Ja, aber…. Antwortetet die Frau zögernd. Ja, was ??? fragte der Pfarrer herausfordernd. Maria sagte, Jesus habe ihr geantwortet, das habe er vergessen/ wüsste er nicht mehr! Es ist vielleicht das Allererstaunlichste bei Gott, daß er die Sünden der Menschen vergessen kann« (Kierkegaard, Tagebücher 1840). Großartig und wichtig ist der Gedanke, daß Gottes Vergebung auch wirklich ein Austilgen, ein Vergessen ist, so wie von dem Gotteslamm gesagt werden kann, daß es die Sünde der Welt »aufhebt«. Diesem Gott der Versöhnung und Versöhnlichkeit dürfen wir begegnen und uns den Weg in die Zukunft bereiten lassen, denn vorwärts kommen wir nur, wenn wir zu Gott zurückkommen! Die große Schuld des Menschen sind nicht seine Sünden, die er begeht. Die Versuchung ist groß und seine Kraft ist klein. Die große Schuld des Menschen ist, dass er jederzeit umkehren kann und es nicht tut. Chassidismus Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: "Sie haben sich gar nicht verändert." "Oh!" sagte Herr K. und erbleichte. Bertolt Brecht, Das Wiedersehen (Wie schlecht, wenn wir die Alten blieben!) Buße Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen! Matth. 3,2 So beginnt Jesus nicht nur zu verkündigen und zu handeln, sondern es ist der Brennpunkt seiner gesamten Lebenswirklichkeit. Der ganze Christusglaube entstammt nicht nur, sondern bleibt immerzu eine Bußbewegung. Er schafft Raum zur Buße, er ermöglicht Umkehr, er zeigt, wovon wir uns abkehren und stattdessen besser hinkehren sollen. Er ist nicht nur Bußprediger, sondern ein Bußgewährer, damit wir in Gottes Nähe wieder ganz und gar ein-/zurückkehren können. Durch Jesus finden wir uns bei Gott wieder! Gerade darauf bezieht sich sein Satz: Mt 20,28 so wie der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung (Herauslösung aus dem Machtbereich der Sünde/ Schuld) für viele. Er macht es wie die Karthäuser, wo der Beichthörer kniet und der Beichtende sitzt! Wenn Sünde das (innere und äußere) Entfernen von Gott bedeutet, dann bedeutet Buße die Besserung im Sinne > der Rückführung unseres Lebens zum wahren, lebendigen Gott/ > der Ausheilung unseres Misstrauens durch eine neue Vertrautheit/ Vertraulichkeit/ Vertrauensseligkeit/ > der Willenseinigung mit Gott und zunehmend schwindender Eigenwilligkeit. Wir brauchen uns nicht selbst bessern (was wir wohl auch kaum können), sondern lassen uns bessern, indem uns Jesus wieder bei Gott „einpflanzt“! Jesus Christus wartet nicht erst am Ende dieses Umkehrweges auf uns (sozusagen, wenn wir perfekt sind), sondern begleitet uns Schritt für Schritt aus unserem sündigen Leben hinein in die „Gottseligkeit“. Dann, wenn wir ihm nachfolgen und in seinen Fußtapfen gehen. Alles Gute, gute Besserung in unserem Leben beruht darauf, ob eine solche Bewegung stattfindet, oder ob wir doch nur „eingebildete“ Christen sind, die zwar fromme Gedanken und Worte abrufen können, aber ansonsten unbewegt/ unbeweglich in ihrem eingerichteten Leben verharren. Buße und Beichte sind große Anstoßgeber zum „frank und freien“ auf Gott zugehen. Durch sie kommt enorme Bewegung in unser Leben, das wir jetzt eben nicht mehr nur mit uns selbst abmachen. Christen, die wirklich von Buße und Beichte herkommen, sind die bewegtesten Christen – wo es doch auch so viele stagnierende Christenmenschen gibt. Wie in der Zachäusgeschichte geschehen: wo Jesus einkehrt, da wird mächtig ausgekehrt/ entrümpelt. Buße bereitet uns den Weg dafür, wieder in die Spur zu kommen. Wenn möglich, bitte wenden, sagen uns unsere Navis, wenn wir uns verfahren haben. Und Gott sagt uns lebenslang nichts anderes, wo immer wir auf Abwege geraten. Nicht die Welt verbessern, sondern selbst ein Besserer zu werden – Buße als Kraft zur Selbstanklage (Buch von Papst Franziskus) „unter dem Schutz der Güte Gottes“ ist aller Erneuerung an Haupt und Gliedern Anfang. Entgegen der sündigen Beziehungsstörung, aus der wir alle kommen, gehen wir mit Christus an der Hand auf Gott wieder zu und merken, dass er schon längst bei uns angekommen ist. Er ist mit Jesus Christus längst den Weg aus dem Paradies in unsere Welt der Trennung“ hineingekommen, um uns von dort wieder in aller Liebe zurückzubegleiten. In der Buße bekenne ich mich schuldig im Sinne der Sünde und weiß doch, dass Gott längst ihre trennende Macht überwunden/ aufgehoben hat. Buße ist also nicht nur wahre Bereinigung, sondern echte Rückkehr zu Gott, die ein ganzes Leben an- und fortdauern wird, wie Martin Luther es uns in seinen ersten vier der 95 Thesen deutlich mit auf den Weg gab: 1. Da unser Herr und Meister Jesus Christus spricht "Tut Buße" usw. (Matth. 4,17), hat er gewollt, dass das ganze Leben der Gläubigen Buße sein soll. 2. Dieses Wort kann nicht von der Buße als Sakrament - d. h. von der Beichte und Genugtuung -, die durch das priesterliche Amt verwaltet wird, verstanden werden. 3. Es bezieht sich nicht nur auf eine innere Buße, ja eine solche wäre gar keine, wenn sie nicht nach außen mancherlei Werke zur Abtötung des Fleisches bewirkte. 4. Daher bleibt die Strafe, solange der Hass gegen sich selbst - das ist die wahre Herzensbuße - bestehen bleibt, also bis zum Eingang ins Himmelreich. Beispiel: Jesus ist unser Rückweg bis „dorthinaus“, wo die Vereinigung mit Gott wieder ganz möglich ist. Diese Theologie hat mitunter Eingang gefunden in die Kirchengestaltung wie zum Beispiel die des Triumphkreuzes des Halberstädter Doms. Christus wird hier mit seinem Kreuz als Baum des Lebens stilisiert und neben ihm befinden sich die beiden „ehemaligen“ Wächterengel, die uns nicht mehr von diesem Baum des Lebens fernhalten, sondern geradezu unseren Geleitschutz bilden. Beichte Gottes-Worte zur „Geschäftsordnung“ Ps 27,8 Mein Herz hält dir vor dein Wort: / »Ihr sollt mein Antlitz suchen.« Darum suche ich auch, HERR, dein Antlitz. Wichtig für uns zu wissen, auf welcher Grundlage wir Gott in der Beichte begegnen, was wir zu tun und zu hoffen haben. Gewissermaßen als Geschäftsgrundlage jetzt eine Collage von lauter(en) Worten Gottes, damit wir uns mit allem ihm zuwenden, uns nehmen lassen, was uns zu ihm hindert und uns geben lassen, was unser Leben mit ihm künftig tragfähig macht. Höret alle Völker! Merk auf, Land und alles, was darinnen ist! Der Gott der Herr hat mit euch zu reden, ja, der Herr. Micha 1,2 Aber dem Herrn missfiel die Tat, die David getan hatte. 2. Samuel 11, 27 Herr, geh weg von mir! Ich bin ein sündiger Mensch. Lukas 5,8 Ich sprach: mich sollst du fürchten und dich zurechtweisen lassen. Zeph. 3,7 12 Denn das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. 13 Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen. Hebr. 4 6 Kehrt um, ihr Israeliten, zu dem, von welchem ihr so sehr abgewichen seid! Jes. 31 3 Laßt euer großes Rühmen und Trotzen, freches Reden gehe nicht aus eurem Munde; denn der HERR ist ein Gott, der es merkt, und von ihm werden Taten gewogen. 1. Samuel 2 Liebe Leute schüttet euer Herz vor ihm aus; Gott ist unsere Zuversicht. Psalm 62, 9 So bekehrt euch nun zu mir, so will ich mich auch zu euch kehren, spricht der HERR Zebaoth. Mal 3 Ihr seid´s, die ihr euch selbst rechtfertigt vor den Menschen; aber Gott kennt eure Herzen; denn, was hoch ist bei den Menschen, das ist ein Greuel vor Gott. Lukas 16, 15+16 23 Meinst du, daß ich Gefallen habe am Tode des Gottlosen, spricht Gott der HERR, und nicht vielmehr daran, daß er sich bekehrt von seinen Wegen und am Leben bleibt?... 31 Werft von euch alle eure Übertretungen, die ihr begangen habt, und macht euch ein neues Herz und einen neuen Geist. Denn warum wollt ihr sterben, ihr vom Haus Israel? 32 Denn ich habe kein Gefallen am Tod des Sterbenden, spricht Gott der HERR. Darum bekehrt euch, so werdet ihr leben. Hesekiel 18 Herr, wir erkennen unser gottloses Leben und unserer Väter Missetat; denn wir haben wider dich gesündigt. Aber um deines Namens willen verwirf uns nicht. Jer. 14, 20+21 So spricht der HERR, der Gott Israels: Was die Worte angeht, die du gehört hast: Weil du im Herzen betroffen bist und dich gedemütigt hast vor Gott, als du seine Worte hörtest gegen diesen Ort und gegen seine Einwohner, und dich vor mir gedemütigt hast und deine Kleider zerrissen und vor mir geweint, so habe ich dich auch erhört, spricht der HERR. 2. Chr. 34, 26ff So schaue darauf, dass nicht das Licht in dir Finsternis sei. Wenn nun dein Leib ganz licht ist und kein Teil an ihm finster ist, dann wird er ganz licht sein, wie wenn dich das Licht erleuchtet mit hellem Schein. Lukas 11, 35+36 So beschneidet nun eure Herzen und seid hinfort nicht halsstarrig. 5. Mose 10,16 Gott, du kennst meine Torheit, und meine Schuld ist dir nicht verborgen. Lass an mir nicht zuschanden werden, die deiner harren Herr, Herr Zebaoth! Psalm 69, 6+7 Seine Augen sehen herab, seine Blicke prüfen die Menschenkinder. Der Herr prüft den Gerechten und den Gottlosen; wer Unrecht liebt, den hasst seine Seele…. Die Frommen werden schauen sein Angesicht. Psalm 11 Wenn du, Herr, Sünden anrechnen willst – Herr, wer wird bestehen? Denn bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte. Psalm 130, 3-4 Ich bin wie ein verirrtes und verlorenes Schaf; suche deinen Knecht, denn ich vergesse deine Gebote nicht. Ps. 119, 176 Lasst uns ablegen alles, was uns beschwert und die Sünde, die uns ständig umstrickt….4 Ihr habt noch nicht bis aufs Blut widerstanden im Kampf gegen die Sünde Hebr. 12 Sei getrost mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben! Matth. 9,2 Denn er hat den, der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm die Gerechtigkeit würden, die vor Gott gilt.2. Kor. 5,21 Gib Rechenschaft über deine Verwaltung. Lukas 16, 2 Der Mensch aber prüfe sich selbst…. Wenn wir uns selber richteten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber von dem Herrn gerichtet werden, so werden wir gezüchtet, damit wir nicht samt der Welt verdammt werden. 1. Kor. 11, 28+31 ff Wenn wir sagen, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir aber unsere Sünden bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit. 1. Joh 1, 8-10 Der Herr ist barmherzig und ein Erbarmer. Jak. 5, 11 Barmherzigkeit aber triumphiert über das Gericht. Jak. 2, 13 Die wichtigsten „Bestandteile“ wahrer Beichte Ehrlichkeit: zur Sünde stehen Ein Katholik hat die Beichte, ich habe nur meinen Hund. Max Frisch Wie gut, dass bei uns dem nicht so ist, sondern mit jedem echten Christen im Sinne Luthers sich auch eine Beichtgelegenheit findet für eine grundtiefe Erneuerung des Lebens. Bonhoeffer sinngemäß: so wie uns Christus zum Bruder wurde, kann uns jeder Bruder (und Schwester) zum Christus werden! Und wie gut, wenn wir dem heutigen Unschuldswahn (neben der Unfähigkeit zu trauern, gibt es auch die, seine Schuld nicht zu erkennen/ bekennen) nicht folgen müssen, sondern unserem Leben wahrhaft auf den Grund gehen. Für Gott sind wir ewig „Verbesserliche“! In der Beichte wird nichts mehr vertuscht. Wir suchen uns einen Wahrheitszeugen auch gegen uns, damit wir uns nicht wieder herausreden und selbst entschulden. Wir sprechen uns aus und sagen, wie es ist. Dabei schonen wir uns selbst nicht und öffnen uns vor Gott schonungslos. Endlich sind wir in diesem Augenblick das, was wir sonst uns selbst und erst recht der Welt verborgen haben. Wir sind Sünder! Wir geben damit für uns Gottes Wort recht: Sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei Gott haben sollten. Römer 3, 23 Wir hören auf drumrum zu reden und wollen nichts mehr bemänteln/ beschönigen! In Gottes Gegenwart ist die Güte so mächtig, dass wir bereit werden alles Ungute ans Licht zu bringen. Denn auch die unerkannte und unbekannte Sünde kann am besten im Dunkeln munkeln. Und wie dreht sich vor Gott alles um und verändert sich das Leben zu unseren Gunsten. Lassen wir das mal Luther ausdrücken in einem Seelsorgebrief an Georg Spenlein: Hüte dich darum, je solche Reinheit anzustreben, dass du vor dir nicht mehr als Sünder erscheinen willst, ja gar keiner mehr sein willst. Denn Christus wohnt nur unter Sündern. Dazu kam er ja vom Himmel, wo er unter Gerechten wohnte, damit er auch unter Sündern Wohnung nehme. Solcher seiner Liebe sinne immer wieder nach. Und du wirst seinen gar süßen Trost erfahren. In dieser Weise haben die Reformatoren immer wieder zum magnificare peccatum = Großmachen der Sünde geraten. Dabei soll die Selbstgerechtigkeit des Fleisches unterbunden werden, indem die Sünde mit ihrer ganzen Größe zum Vorschein gebracht werde. Hiob 13: wie groß ist meine Schuld und Sünde. Lass mich wissen meine Übertretung und Sünde! Denn die Erfahrung der Gnade ist untrennbar mit der Erkenntnis und dem Bekenntnis der Größe der Schuld verbunden. Nochmal Luther: Du darfst dir nicht träumen lassen, als wären deine Sünden so klein, dass sie mit deinen Werken getilgt werden könnten. Du darfst aber auch nicht verzweifeln wegen ihrer Größe…., sondern lerne hier (aus Paulus, Galaterbriefkommentar) das glauben, das Christus nicht für erdichtete und gemalte Sünden, sondern für wirkliche Sünden, nicht für kleine, sondern sehr große, nicht für die eine und andere, sondern für alle, nicht für überwundene, sondern für unüberwundene Sünden sich dahin gegeben hat. >> Indem ich im Glauben Gottes Urteil über mich bejahe, trete ich auf Christi Seite, auf die Seite der Wahrheit. Dadurch kommt es zu dem seligen Tausch zwischen Christus und dem Christen. Ihm lerne lobsingen und an dir selbst verzweifeln. Dann sprich zu ihm: Du, o Herr Jesu, bist meine Gerechtigkeit, ich aber bin deine Sünde; du hast, was mein Ist, angenommen, und mir gegeben, was dein ist. Was du nicht warst, nahmst du an und gabst mir, was ich nicht war. "Wenn der Mensch sich (selbst) reinwäscht, klagt Gott ihn an. Wenn der Mensch sich anklagt, wäscht Gott ihn rein." Hl. Franz von Sales Wille zur Veränderung: ein anderer Mensch werden Der Meister hatte mit seinen jungen Schülern einen Ausflug gemacht. Zur Rast setzen sie sich an das Ufer eines Flusses, das steil hinab ging. Einer der Schüler fragte: “Sag Herr, wenn ich nun abrutschen würde und in den Fluss falle, müsste ich dann ertrinken?” “Nein” antwortete der Meister “Du ertrinkst nicht, wenn du in den Fluss fällst – du ertrinkst nur dann, wenn du drin bleibst.” (de Mello, Gib Deiner Seele Zeit) Wir ertrinken also nicht, wenn wir in Sünde fallen! Aber dann, wenn wir „drin bleiben“! Und genau das tun wir nicht mit dem Verlangen danach, ein neuer/ anderer Mensch zu bleiben. Mit dem Verlangen danach zu erfahren, was daran ist: Ist jemand in Christus, ist er eine neue Schöpfung. Siehe das Alte ist Vergangen und Neues ist geworden (im Werden)! 2. Korinther 5 Es gibt ein Zerrbild der katholischen Beichtpraxis, die genau dazu führt, dass man seine bösen Taten ja immer wieder ganz bequem beichten kann und darum auch keine Veränderungen an sich erfährt, ja sogar umso mehr ganz der Alte bleibt. Dann sündigt man auf Gnade hin, was der Apostel ja vehement unterbinden wollte. Dann diente die Beichte nur der billigen Bedeckung der Sünde! Lernen wir an einem Beispiel von Gandhi, wieviel Änderungspotential wir auch in die Beichte einfließen lassen sollen, damit gerade dieses Potential dann auch durch die Beichte erst recht gestärkt und belebt werde: Mahatma Gandhi: "Ich war 15 Jahre alt, als ich einen Diebstahl beging. Ich war in Schulden geraten. Es handelte sich um etwa 25 Rupien (19 Euro). Mein Bruder trug an seinem Arm ein Armband von purem Gold. Es war nicht schwierig, ein Stück davon herunterzuschneiden. Das tat ich und beglich damit die Schuld. Aber das war mehr, als ich ertragen konnte. Nie wieder wollte ich stehlen. Ich nahm mir vor, es meinem Vater zu beichten. Aber ich wagte den Mund nicht aufzutun. Nicht aus Angst vor Schlägen, denn mein Vater schlug uns nie, sondern weil ich den Schmerz fürchtete, den ich ihm bereiten würde. Aber ich fühlte, es müsse dennoch sein, weil es keine Läuterung geben konnte ohne ein lauteres Bekenntnis. Endlich entschloss ich mich, die Beichte niederzuschreiben, sie meinem Vater zu überreichen und ihn um Verzeihung zu bitten. In dem Schreiben beichtete ich nicht nur meine Schuld, sondern bat auch um eine angemessene Bestrafung. Ich zitterte über und über, als ich diese Beichte meinem Vater überreichte. Während er las, saß ich ihm gegenüber. Da rannen ihm die Tränen wie Perlentropfen über die Wangen. Für einen Augenblick schloss er die Augen in Betrachtung und zerriss dann das Papier. Ein solch erhabenes Verzeihen lag an sich nicht in seiner Natur. Ich hatte gedacht, er würde zornig werden und harte Worte sagen. Aber er war wundersam ruhig. Ich glaube, das kam von meinem offenen Bekenntnis. Ein offenes Bekenntnis, verbunden mit dem Gelöbnis der Besserung, abgelegt vor einem, der ein Anrecht darauf hat, es zu empfangen, ist die reinste Form der Reue. Ich weiß, dass meine Beichte meinen Vater völlig über mich beruhigte und seine Liebe zu mir unendlich erhöhte." Mit Gottes Gnade rechnen: Vergebung Buße ist nicht etwas, das wir tun, um uns die Vergebung zu verdienen; sondern wir tun Buße, weil uns bereits vergeben ist. Buße und ihre aktive Umsetzung in der Beichte ist darum keine Last/ Beschwernis, sondern eine Gnade, mit der mir Gott ganz viel geben will! Und weil Vergebung in der Beichte nicht am Ende steht, sondern gewissermaßen ihre Voraussetzung ist, darum soll die Beichte sich zur fröhlichen Buße „auswchsen“! Der Silberschmied - In Maleachi 3:3 heißt es über Gott: "Er wird sitzen und schmelzen und das Silber reinigen." Dieser Bibelvers verwunderte einige Frauen in einem Bibelstudienkreis und sie fragten sich, was diese Aussage wohl über den Charakter und das Wesen Gottes offenbart. Eine der Frauen bot an, sich über den Prozess des Läuterns von Silber schlau zu machen und der Studiengruppe beim nächsten Treffen von dem Ergebnis zu berichten. In dieser Woche rief die Frau einen Silberschmied an und machte einen Termin, um diesem bei der Arbeit zuzusehen. Sie erwähnte nichts von dem Grund ihres Besuches und ließ den Mann in dem Glauben, es sei nur ihre Neugier über den Prozess des Läuterns von Silber. Als sie den Silberschmied bei der Arbeit beobachtete, hielt dieser ein Stück Silber über das Feuer und ließ es sich aufheizen. Er erklärte, dass man beim Läutern von Silber das Silber in die Mitte des Feuers halten muss, wo die Flammen am heißesten sind, um alle Unreinheiten hinweg zu brennen. Die Frau dachte darüber nach, dass Gott uns auch über so einen glühenden Punkt hält. Dann dachte sie wieder über den Vers nach, in dem es heißt “Er wird sitzen und schmelzen und das Silber reinigen." Sie fragte den Silberschmied, ob es wahr sei, dass er die ganze Zeit vor dem Feuer sitzen bleiben musste bis das Silber geläutert sei. Der Schmied antwortete: “Ja, ich muss sogar nicht nur dabei sitzen blieben, sondern ich darf auch meine Augen die ganze Zeit nicht von dem Silber weg wenden, solange es sich im Feuer befindet. Wenn das Silber auch nur einen Augenblick zu lange im Feuer bleibt, würde es zerstört werden.“ Die Frau war einen Augenblick still. Dann fragte sie: „Woher wissen Sie, wann das Silber vollständig geläutert ist?“ Der Schmied lächelte und antwortete: „Oh, das ist leicht. Sobald ich mein Spiegelbild darin sehen kann.“ Ich liebe diese Aufklärung des Silberschmiedes, weil sie mir zeigt, worum es in der Vergebung Gottes wirklich geht. Nicht so eine Art 1 zu 1 Erlass für diese oder jene Sünde/ Schuld, sondern wahre Wiederherstellung von Gottes wahrem Angesicht auf dem Grund meiner Seele. In der Vergebung verschwindet die Gotteslüge der Ursünde aus meinem Herzen zugunsten des wahren Bildes von Gott. Gott will sich mit all seiner Liebe bei mir wieder einprägen! Ich sehe ihn –entgegen meiner bisherigen Blindheit für Gott - mit den Augen des Geistes direkt vor mir und so kann ich ihm folgen. Der gute Gott kehrt zurück und damit unendliches Vertrauen (großer Glaube) in ihn. Ich definiere mich dann nicht länger selbst, sondern kann mich wieder voll und ganz über ihn definieren/ von ihm her verstehen. Heißt: auf ihn einlassen. Jetzt kommt sie zurück: jene Gemeinschaft des Heiligen Geist, durch die mich Gott kraftvoll in sein Leben einbindet. Das ist eine fröhliche Buße, die den Sünder nicht ins Schwitzen, sondern zum Schnurren bringt wie eine Katze, wenn sie zufrieden ist. Einsicht in die tiefen Zusammenhänge und einen neuen Geist empfangen Wie stark eine Beichte/ ein echter Bußvorgang auf uns eingewirkt haben, dass lässt sich immer daran ermessen, dass ich ganz viel über mich gelernt habe (wer bin ich?) und deutlich spüren kann, Gott mit einem neuen beständigen Geist begegnen zu können und nicht im alten Trott. BB zielen nur einesteils auf ein versöhntes Abschlie0ßenkönnen mit der Vergangenheit, mehr noch aber wollen sie auf ein neues geistliches Befähigwerden mit uns hinaus. Darum heißt es ja in dem maßgeblichen Bußgebet im Psalter: Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist. 13 Verwirf mich nicht von deinem Angesicht, und nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir. 14 Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe, und mit einem willigen Geist rüste mich aus. Psalm 51 Gerade in der Beichte werde ich mir nächst dem Gebet am meisten über mich selbst klar. Ich sehe die Sünde nicht nur an ihren äußeren Ende, sondern vor allem auch an ihren Inneren Fehlprogrammierungen meines Sinnens und Trachtens von Jugend auf! Ich erkenne mich selbst, wo ich Gott erlaube „sauber zu machen“! Da kommt vieles, was unter dem Teppich lag zum Vorschein. Wie dumm darum von Sir Peter Ustinow (der es längst besser wissen müßte) einst (in trotziger Selbstdurchsetzung, Besserwisserei gegenüber Gott) gesagt zu haben: "Ich bereue nichts. Damit verschwendet man nur Zeit, die immer wertvoller wird." Offenbar hatte er keinen Begriff davon, wie kostbar es ist, sich Gott ungeschminkt in der Buße/ Beichte zeigen zu dürfen. Nur in der Bejahung (eigentlicher Sinn der Beichte!) der eigenen Unzulänglichkeit, in Demut und heiliger Furcht öffnet sich der geschaffene Geist für das flutende Licht des urlebendigen und wird Gefäß des sich mitteilenden Gottes. Einfalt, Nüchternheit und Wahrheit sind die Grundpfeiler dieser geistigen Haltung, göttliche Erkenntnis und tiefinnere Beseligung ihr überreicher Besitz. Hildegard von Bingen Wie viel wunderbar Spielraum da für uns entsteht, wenn wir „runderneuert“ aus der Beichte hervorgehen, das möge uns ein großes Gebet von Thomas von Aquin zeigen: Allmächtiger Gott, gewähre mir die Gnade, glühend zu ersehnen, was wohlgefällig ist vor dir, es mit Weisheit zu erforschen, in Wahrheit zu erkennen und vollkommen zu erfüllen. Ordne meinen Lebensweg zu Lob und Ehre deines Namens. Lass mich deinen Willen erkennen und erfüllen, so wie es sich gebührt und meiner Seele Segen bringt. Lass mich in Glück und Unglück treu zu dir stehen, im Glück demütig, im Unglück stark und ungebeugt. Nur was zu dir mich führt, soll meine Freude sein; nur was von dir mich trennt, soll mich betrüben. Gib, dass ich niemand zu gefallen suche und keinem zu missfallen fürchte als dir allein. Was vergänglich ist, o Herr, das sei gering in meinen Augen; doch kostbar sei mir alles, was dein ist, um deinetwillen; und über alles andere sollst du selbst mir kostbar sein, o Herr, mein Gott. Jede Freude ohne dich sei mir zuwider; lass mich nichts suchen als dich allein. Für dich zu arbeiten, sei meine Freude, und eine Ruhe ohne dich sei eine Last. Gib, dass ich oft mein Herz zu dir erhebe und mit Reue und erneutem Vorsatz Sühne leiste wenn ich gefehlt. Lass mich gehorsam sein ohne Widerspruch, arm im Geiste ohne Niedrigkeit der Gesinnung, rein ohne Flecken, geduldig ohne Klage, demütig ohne Verstellung, froh ohne Maßlosigkeit, traurig ohne Kleinmut, ernst ohne Anmaßung, rührig ohne Oberflächlichkeit, wahrhaft ohne Trug. Lass mich Gutes tun ohne Überheblichkeit. Lass mich den Nächsten ermahnen ohne Hochmut und ihn erbauen in Wort und Beispiel ohne Falschheit. Gib mir, o Herr, ein wachsames Herz, das kein leichtfertiger Gedanke von dir ablenkt, ein edles Herz, das keine unwürdige Leidenschaft erniedrigt, ein gerades und aufrechtes Herz, das kein gemeines Streben auf Abwege führen kann, ein starkes Herz, das keine Trübsal beugt, ein freies Herz, das sich von keiner bösen Macht beherrschen lässt. Schenk mir, o Gott, Verstand, der dich erkennt, Eifer, der dich sucht, Weisheit, die dich findet, einen Wandel, der dir gefällt, Beharrlichkeit, die gläubig dich erwartet, Vertrauen, das am Ende dich umfängt. Lass mich, o Herr, deine Strafen (Ordnungsrufe) hienieden tragen im Geist der Buße und deine Wohltaten recht gebrauchen durch deine Gnade. Lass mich deine Freude einst im Vaterland genießen durch deine Herrlichkeit, o Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Hl. Thomas von Aquin Und zum guten Schluß noch ein echtes Bonmots eines großen Mystikers, dem auch Luther viel verdankt: >>>> Das Pferd macht den Mist im Stall, und obgleich der Mist einen Unflat und Stank an sich hat, so zieht dasselbe Pferd doch den Mist mit großer Mühe auf das Feld, und daraus wächst sodann schöner Weizen und der edle, süße Wein, der niemals wüchse, wäre der Mist nicht da. Also trage deinen Mist – das sind deine Gebrechen, die du nicht abtun, ablegen noch überwinden kannst – mit Mühe und mit Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter Gelassenheit deiner selbst. Es wächst ohne allen Zweifel in einer demütigen Gelassenheit köstliche, wohlschmeckende Frucht daraus. Johannes Tauler 2 Anhänge Exkurs: Bonhoeffer Dietrich Bonhoeffers Reflexionen zur Beichte aus seiner Schrift »Gemeinsames Leben«, in der ja praktische Erfahrungen mit der Beichte im Predigerseminar verarbeitet werden. Zudem nehme ich auf eigene Erfahrungen Bezug, die beim regelmäßigen Abnehmen der Beichte am Berliner Dom gemacht werden konnten. Die Verzahnung von systematischer Analyse und Empirie entspricht dem Versuch, Brücken auch innerhalb der theologischen Disziplinen zu schlagen. Buße und Beichte als Gesetz und Evangelium kehren in der vierfachen Bestimmung dessen wieder, worum es nach Bonhoeffer in der Beichte geht, nämlich um verschiedene Formen des Durchbruchs: zur Gemeinschaft, zum Kreuz, zum Leben, zur Gewissheit – die befreiende Kraft der Beichte als Durchbrucherfahrung. Beichte als Durchbruch zur Gemeinschaft. Wo die Schwellenangst überwunden ist, bleibt der Mensch mit der Schuld nicht allein. Das Kommen in die Beichte kann mit Bonhoeffer als der Durchbruch in die Gemeinschaft beschrieben werden. Die Isolation des Menschen von Gott, sich selbst und den anderen Menschen ist aufgebrochen. Sünde hat einsam gemacht. Die Versöhnungsperspektive kann durchbrechen. Die Sünde bezog ihre Macht zum großen Teil aus dem Dunkel, der Verstecktheit und Anonymität. Das Aussprechen der Sünde als Realität des eigenen Lebens befreit aus diesem Bann. Um die »Schwellenangst« des Beichtwilligen zu überwinden, kann ein verlässliches, regelmäßiges und offenes Beichtangebot hilfreich sein, wenn man z. B. weiß, dass an einem bestimmten Tag die Kirche offen steht zum Beichtgespräch. Auch Informationen über Inhalt und Form der Beichte können helfen, Schwellenängste abzubauen (etwa durch einen Flyer am Ausgang der Kirche). Beichte als Durchbruch zum Kreuz. Ein Mensch kann sich nur das vergeben lassen, was er als eigene Schuld erkannt hat. Vergebung ohne Schuldanerkennung ist ebenso unmöglich wie innere Befreiung ohne Anerkennung der Knechtschaft. Menschen, die in die Beichte kommen, identifizieren sich freiwillig mit ihrer je individuellen Schuld und wählen nicht eine der eingangs genannten Vermeidungsstrategien. Wo der Mensch sein Scheitern vorbringt, da ist der Stolz im Kreuz überwunden. Der Gedanke von der Reue als Anklage des Gesetzes begegnet bei Bonhoeffer unter dem Stichwort: Durchbruch zum Kreuz. »Im Bekenntnis konkreter Sünden stirbt der Mensch unter Schmerzen einen schmachvollen Tod.« Als konkrete Sünde wird das Scheitern an Geboten bekannt, wie »Du sollst nicht töten!«, wenn es etwa um Schwanger-schafts-abbruch geht, oder »Du sollst nicht Ehe brechen!« in der Partnerschaft. Die theologische Anschlussfähigkeit dieser Beobachtung ergibt sich über die systematische Unterscheidung zwischen Schuld und Sünde. Menschen, die in die Beichte gehen, haben allgemein gesprochen ein intuitives Verständnis davon, dass ihr verfehltes Handeln, also ihre ethische Schuld, etwas mit der gestörten Gottesbeziehung zu tun hat, also mit der Sünde. In der Beichte von heute wird hauptsächlich moralische Verfehlung, ethische Schuld thematisiert. Es geht weniger um das verfehlte Sein vor Gott als um das verfehlte Sein dem anderen Menschen oder sich selbst gegenüber – auch wenn letztlich alle drei Dimensionen im Blick scheinen. In dieser Beobachtung sehe ich zum einen die Aktualität der reformatorischen Einsicht, dass moralische Schuld in der Sünde wurzelt. Pointiert gesagt: Wer Schuld auf sich lädt, hat eine Ahnung davon, dass etwas mit seiner Gottesbeziehung nicht stimmt, dass letztlich alle ethische Schuld im Scheitern am ersten Gebot gründet. Zum andern ist eine Ahnung davon vorhanden, dass im Scheitern am Gesetz etwas Positives steckt. Die verheißungsvolle Ahnung des Evangeliums ist bereits da, wo Schuld bekannt wird. In der Beichte geschieht hier das, was Bonhoeffer den »Durchbruch zum neuen Leben« nennt: »Wo Sünde gehasst, bekannt und vergeben ist, dort ist der Bruch mit der Vergangenheit.« – »Das Alte ist vergangen«. Menschen, die in die Beichte kommen, wollen ihre Schuld »ablegen«. Da ist zunächst die große Entzauberung oder Befreiung, die allein schon durch das Aussprechen von Schuld geschieht und die Beichte in diesem Aspekt anschlussfähig für psychologische Betrachtungen macht. Bei der Bearbeitung von Schuld in der Beichte kommt zum Aussprechen der Sünde jedoch etwas Entscheidendes hinzu: der Zuspruch der Vergebung. Wie oft nämlich wurde ein Problem, das das Gewissen belastet, im Freundeskreis oder an anderer Stelle besprochen! Wie oft hat der Schwangerschaftsabbruch, der Jahre zurückliegt, »dem Gewissen Schrecken eingejagt« (vgl. CA 12)! Wie oft war das Empfinden da: Ich bin schuldig – auch vor Gott! Du sollst nicht töten – als Anklage, als Gesetz, das die Gewissen martert! Beichte als Durchbruch zur Gewissheit. Der Gedanke von der Lossprechung als Befreiung durch das Evangelium begegnet bei Bonhoeffer in der Figur der Beichte als Durchbruch zur Gewissheit. Es ist die Gewissheit, dass die in der Beichte zugesprochene Vergebung wirklich Gottes Vergebung ist. Wer schafft in uns hier Gewissheit?, fragt Bonhoeffer und gibt zur Antwort: »Diese Gewissheit schafft Gott selbst durch den Bruder.« Die Vergebung hat in der Beichte einen Zeugen. Ihm darf ich glauben. Es ist das persönliche Spüren der annehmenden göttlichen Liebe. Praxis des Schuldeingeständnisses: ein Beispiel aus Daniel 9 Alle großen Erweckungsbewegungen haben damit begonnen, dass ein paar Menschen unruhig wurden über ihr verkehrtes Leben und dass dadurch auch andere von dieser heilsamen Unruhe angesteckt wurden. Immer wieder finden wir in Gotteswort das Menschenwort wahrhaftiger Bußgebete, als sollten sie uns in den Mund gelegt werden. Und genau das ist es wohl. Wir dürfen sie als Muster für uns nehmen, um individuelle und gemeinsame Schuld, für uns persönlich und stellvertretend zur Sprache zu bringen. Und wir erkennen daran, wie groß die Bandbreite möglicher Aussprache mit Gott und echter Geständnisse/ „Einlassungen“ vor ihm sind. Auch das ist möglich, was wir in Daniel 9 (oder Nehemia 1) finden: eine stellvertretende oder nennen wir sie priesterliche Buße für andere mit. Nicht nur eigene Schuld legen wir Gott vor, sondern wir stellen uns auch unter die Schuld anderer „wie eine eigene Schuld“! Vgl.: Einer trage des anderen (Sünden?) Last…! So wie uns Jesus ja auch nicht „individuell“ beten gelehrt hat: vergib mir meine Schuld! Sondern es heißt: vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Schuld ist kein „rein“ individuelles Phänomen, sondern ein wahres Weltverhängnis, das jeden Bereich dieser Welt in Mitleidenschaft zieht. Alles Leben ist mit Sünde kontaminiert! Gottesferne durchzieht eine Welt des Todes, die nur/ einzig durch erneuerte Gotteszuwendung geheilt werden kann. Und jede Zuwendung zu/ von Gott geschieht somit auch immer „generell“ = für das Ganze mit! Schauen wir uns das einmal an einem herausragenden Beispiel an. Modelbeichte 3 Und ich kehrte mich zu Gott, dem Herrn, Gotteszuwendung, statt Abwendung, wenn das Leben aus dem Ruder läuft um zu beten und zu flehen unter Fasten und in Sack und Asche. 4 Ich betete aber zu dem HERRN, meinem Gott, Gebet ist der sichtbarste Ausdruck, auf Gott zuzugehen und die verlorene Kommunikation mit ihm wieder zu stärken und bekannte und sprach: Bekennen kann nur, wer sein Leben kennt und wer Einsicht in die wahren Problemzonen bekam. Aus Erkennen wird ein regelmäßiges Bekennen Ach, Herr, du großer und heiliger Gott, der du Bund und Gnade bewahrst denen, die dich lieben und deine Gebote halten! Besinnung auf die Geschäftsgrundlagen Gottes. Wir dürfen immer wieder auf den Bund mit ihm zurückfallen, -greifen. Sind wir auch untreu, bleibt er doch treu! Unsere Abwendung von ihm bedeutet niemals Gottes Abwendung von uns. Er bleibt gesprächsbereit! 5 Wir haben gesündigt, Unrecht getan, sind gottlos gewesen und abtrünnig geworden; wir sind von deinen Geboten und Rechten abgewichen. 6 Wir gehorchten nicht deinen Knechten, den Propheten, die in deinem Namen zu unsern Königen, Fürsten, Vätern und zu allem Volk des Landes redeten. 7 Du, Herr, bist gerecht, wir aber müssen uns alle heute schämen, die von Juda und von Jerusalem und vom ganzen Israel, die, die nahe sind, und die zerstreut sind in allen Ländern, Sündenbekenntnis in vollem Umfang als Generalgeständnis. Einsicht in den Schuldzusammenhang aller mit allen: wir! Keine Scheu, dies an- und auszusprechen wohin du sie verstoßen hast um ihrer Missetat willen, die sie an dir begangen haben. 8 Ja, HERR, wir, unsre Könige, unsre Fürsten und unsre Väter müssen uns schämen, daß wir uns an dir versündigt haben. Sündenursache und Sündenfolgen werden hier klar auseinander gehalten und doch aufeinander bezogen. Gott ist im Recht, wenn er sein Gericht vollzieht. Gott recht geben – das ist ein wesentlicher Abschnitt einer Beichte. Auf menschlichen Verstoß folgt Gottes „Verstoßung“, indem Gott uns eine Weile „in unser Unglück“ laufen lässt. 9 Bei dir aber, Herr, unser Gott, ist Barmherzigkeit und Vergebung. Vergegenwärtigung von Gottes Vergebung. Beichte geschieht nicht als frommes Werk des Menschen, sondern blickt allein auf das Gute, was Gott zur Wendung unseres Geschickes tun kann. Christlich ist eine Beichte immer dann, wenn Gottes Güte voll in den Blick kommt und nicht nur ein Auspacken meint! Denn wir sind abtrünnig geworden 10 und gehorchten nicht der Stimme des HERRN, unseres Gottes, und wandelten nicht in seinem Gesetz, das er uns vorlegte durch seine Knechte, die Propheten; 11 sondern ganz Israel übertrat dein Gesetz, und sie wichen ab und gehorchten deiner Stimme nicht. Darum trifft uns auch der Fluch, den er geschworen hat und der geschrieben steht im Gesetz des Mose, des Knechtes Gottes, weil wir an ihm gesündigt haben. 12 Und Gott hat seine Worte gehalten, die er geredet hat gegen uns und unsere Richter, die uns richten sollten, dass er ein so großes Unglück über uns hat kommen lassen; denn unter dem ganzen Himmel ist derartiges nicht geschehen wie in Jerusalem. 13 Wie es geschrieben steht im Gesetz des Mose, so ist all dies große Unglück über uns gekommen. Aber wir beteten auch nicht vor dem HERRN, unserm Gott, so dass wir uns von unsern Sünden bekehrt und auf deine Wahrheit geachtet hätten. 14 Darum ist der HERR auch bedacht gewesen auf dies Unglück und hat's über uns kommen lassen. Denn der HERR, unser Gott, ist gerecht in allen seinen Werken, die er tut; aber wir gehorchten seiner Stimme nicht. Noch einmal wird hier der ganze Zusammenhang erkannt zwischen unseren Unterlassungssünden, Gott aus unserem Leben zu marginalisieren und den Verfallserscheinungen im Anschluss daran. 15 Und nun, Herr, unser Gott, der du dein Volk aus Ägyptenland geführt hast mit starker Hand und hast dir einen Namen gemacht, so wie es heute ist: wir haben gesündigt, wir sind gottlos gewesen. 16 Ach Herr, um aller deiner Gerechtigkeit willen wende ab deinen Zorn und Grimm von deiner Stadt Jerusalem und deinem heiligen Berg. Denn wegen unserer Sünden und wegen der Missetaten unserer Väter trägt Jerusalem und dein Volk Schmach bei allen, die um uns her wohnen. Erinnertes Heil! Unser Glaube lebt andauernd von Anamnese an Gottes Heilswirken. Gottes vormaliges Handeln wird hier erinnert und bemüht. Gott steht immer im Einklang mit sich selbst (ER ist treu!). Man weiß die Gegenwart zu deuten, weil man die Vergangenheit mit ihm wach hält/ gut in Erinnerung hat. 17 Und nun, unser Gott, höre das Gebet deines Knechtes und sein Flehen. Lass leuchten dein Antlitz über dein zerstörtes Heiligtum um deinetwillen, Herr! 18 Neige dein Ohr, mein Gott, und höre, tu deine Augen auf und sieh an unsere Trümmer und die Stadt, die nach deinem Namen genannt ist. Die Gnadenbitte und das Versöhnungsersuchen wird nun auf das innigste in Verbindung mit immer innigerem Ansprechen Gottes zur Sprache gebracht. Beichte geht in Fürbitte (Ich bete) über und Gottes Nähe wird intensivst gesucht/ erneuert. Denn wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. 19 Ach Herr, höre! Ach Herr, sei gnädig! Ach Herr, merk auf! Tu es und säume nicht - um deinetwillen, mein Gott! Denn deine Stadt und dein Volk ist nach deinem Namen genannt. Chance zur Hilfe/ Erlösung gibt es nur im Blick auf Gott sola gratia. Der völlige Anschluss an Gott wird wieder hergestellt. Nur unser Gotteszusammenhang kann uns vor dem Untergang bewahren. Das Bußgebet hat die Beichte wieder ganz in die Ordnung mit Gott hineingeführt. Grund zum Leben haben wir nur dort, wo uns bewusst wird, wie sehr wir ganz „aus“ Gott sind. Um uns kann es nur um Gottes Willen gehen. 20 Als ich noch so redete und betete und meine und meines Volkes Israel Sünde bekannte und mit meinem Gebet für den heiligen Berg meines Gottes vor dem HERRN, meinem Gott, lag, 21 eben als ich noch so redete in meinem Gebet, da flog der Mann Gabriel, den ich zuvor im Gesicht gesehen hatte, um die Zeit des Abendopfers dicht an mich heran. 22 Und er unterwies mich und redete mit mir und sprach: Daniel, jetzt bin ich ausgegangen, um dir zum rechten Verständnis zu verhelfen. 23 Denn als du anfingst zu beten, erging ein Wort, und ich komme, um dir‘s kundzutun; denn du bist von Gott geliebt. So merke nun auf das Wort, damit du das Gesicht verstehst. Ein Engel/Bote erscheint und bringt die Erhörung der Buße zu Gehör. Die gestört-defekte Beziehung zu Gott ist wenigstens im Blick auf Daniel wiederhergestellt und in Ordnung gebracht: Du bist von Gott geliebt. Mit diesem Bescheid darf Daniel für sich und das Volk wieder in die Zukunft blicken. Aus der stellvertretenden Buße wird eine Art stellvertretende Versöhnung und Heilszusage. Gott hat sich erbitten lassen. Wir dürfen immer wieder zurückkehren in den Stand der Gnade.
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