Predigt von Pfr. Marc Witzenbacher am Gemeindetag 2015

Bibelarbeit zum Vaterunser
4. Oktober 2015, St. Peter und Paul Marburg
I. Einleitung
Das Vaterunser gilt als das christliche Gebet schlechthin. Es verbindet Christen aller
Kirchen miteinander, ob in der Orthodoxie, im Katholizismus, den Kirchen der Reformation und auch jüngeren Kirchen, überall spielt es eine zentrale Rolle und verbindet
uns untereinander. Es wird in fast jedem Gottesdienst gebetet, bei der Taufe, einer
Eheschließung, bei der Beerdigung. Das Vaterunser ist nicht auf den Gottesdienst beschränkt. Es wird von vielen täglich gesprochen, als Morgen- oder Abendgebet, oder
auch in Notsituationen. Es gehört zu den Texten, die vielen noch auswendig bekannt
sind.
Die hohe Bedeutung, die dem Vaterunser zugesprochen wird, hat es bereits seit der
Antike. So sah der Kirchenvater Tertullian (150-230) in ihm eine Zusammenfassung
des ganzen Evangeliums, ein „breviarium totius Evangelii“, eine „kurze Übersicht des
ganzen Evangeliums“. Für den Kirchenvater Cyprian (200-258) war es „coelestis
doctrinae compendium“, ein „Kompendium der himmlischen Lehren“. In der Alten Kirchen erhielten die Täuflinge das Vaterunser vor der Taufe und sprachen es sogleich
nach der Taufe selbst. Für Martin Luther gibt es kein besseres Gebet als das Vaterunser: er spricht von der „oratio pro pueris et simplicibus“, dem „Gebet für die Kinder und
Einfältigen“.
Es lässt sich also sicherlich sagen: Das Vaterunser war und ist „ein multifunktionaler
Text“, geeignet als Mustergebet, als dogmatisches Kompendium, als katechetische
Synthese, als privates und kirchliches Gebet.
Das führt dazu, dass uns die Worte oft schon zu vertraut geworden sind. Ich lade Sie
zu Beginn unserer Bibelarbeit daher ein, sich ein paar Minuten Zeit zu nehmen und
das Gebet noch einmal in Ruhe auf sich wirken zu lassen. Auf dem Blatt finden Sie
das Gebet mit etwas Platz, wo Sie sich gerne Ihre Gedanken notieren können. Lesen
Sie das ganze Gebet oder nur eine Zeile, Sie können auch die Augen schließen und
das Gebet noch einmal Revue passieren lassen. Halten Sie aber in Gedanken oder
auf dem Papier fest, was Ihnen durch den Kopf gegangen ist. Ich schließe diese kurze
Phase, indem ich dann das Gebet noch einmal laut spreche.
- Stille – Gebet.
Sicherlich ist Ihnen nun einiges in den Sinn gekommen, was Sie auch gerne besprechen möchten. Gleich gibt es dazu noch Gelegenheit. Bei all dem, was Sie nun bei
dem Gebet oder einzelnen Bitten gedacht haben:
Ist Ihnen eigentlich schon einmal aufgefallen, was alles nicht im Vaterunser steht?
Wenn man den Kontext der Lehre Jesu und die Geschichte der Evangelien betrachtet
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und dies so eine Art Konzentrat des Gebets ist, dann fällt auf, dass beispielsweise
Israel in keiner Form erwähnt ist. Weder Gesetz, Beschneidung, das Verhältnis zu den
Heiden, die Vätergeschichten spielt eine Rolle. Auch die Auseinandersetzung von Arm
und Reich, der heilige Geist, Obrigkeit, Kirche, Taufe, Eucharistie, Sexualität, Frauen,
Kinder, Fremde, Leid und Kreuz, auch nicht die Naherwartung. Auch die Dimension
von Martyrium und Zeugnis bleiben unberücksichtigt.
Und dennoch liegt so viel in dem Gebet, was Sie sicherlich auch zu Beginn noch einmal
entdeckt oder neu gehoben haben. Das Vaterunser hat so viele Deutungsmöglichkeiten und so konzentrierte Theologie auf kleinstem Raum, dass wir auch in der heutigen
Bibelarbeit nur ein paar wenige Aspekte werden ausleuchten können.
Ich möchte Ihnen aber, bevor wir dann noch einmal tiefer in den Text einsteigen, ein
paar Deutungsmodelle vorstellen, damit Sie einen Eindruck bekommen, was alles in
dem Gebet steckt.
1. Im Rahmen der apokalyptischen Botschaft Jesu
Jesus Botschaft spricht davon, dass Gottes Reich anbricht und sich am Ende der Zeiten noch einmal in ganz neuer Form Bahn brechen wird. Das deutet auch das Vaterunser an. Da ist eben von dem Reich, das kommen soll, die Rede. Das Böse wird
besiegt werden (erlöse uns). Am Ende aller Dinge steht unangefochten Gottes Herrlichkeit. An dieser soll der Mensch teilhaben.
2. Als liturgisches Gebet
Liturgie bedeutet immer auch ein Stück Gottes Kommen. In vielen alten Kirchen ist
daher der kommende Herr in der Apsis zu sehen. Die irdische Liturgie bildet damit jetzt
schon ab, was einmal als Gottes Reich kommen wird und dann auch aller Schuld und
allem Bösen den Garaus macht.
3. Im Rahmen des Trinitätsglaubens
Im Vaterunser beten wir mit Christus im Heiligen Geist zum Vater. Das Vaterunser wird
schon seit jeher auch als trinitarisches Gebet verstanden. Beispiel: Vergebung der
Schuld: Nach Joh 20 haucht Jesus die Jünger an (mit Heiligen Geist) und gibt ihnen
dadurch die Vollmacht, anderen Menschen die Sünden zu vergeben, die Vergebung
der Sünden ist eine Art Neuschöpfung durch den Heiligen Geist.
4. Als Botschaft der Vergebung
Eigentlich beten wir das Vaterunser falsch. Denn im Griechischen heißt es nicht, „wie
auch wir vergeben unseren Schuldigern“, sondern dort steht eigentlich: „wie auch wir
vergeben haben!“ (ἀφήκαμεν, was ein Resultat im Perfekt bezeichnet). Ganz eindeutig
bindet Jesus hier die Vergebung durch Gott an die vorgängige Vergebung, die Menschen anderen Menschen gewähren. Wir kommen darauf noch zurück, aber halten wir
wenigstens schon einmal fest: Im Vaterunser ist Vergeben die einzige ausdrücklich
genannte und sachlich unabdingbarer Aktivität der Menschen: Das, was der Mensch
leisten kann und soll, ist vorgängige Vergebung. Diese Forderung ist vor allem deshalb
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so schwer zu erfüllen, weil wir beim Vergeben das eigentlich Unmögliche praktizieren
müssen: Geschehenes als nicht geschehen zu betrachten. Aber wenn wir uns trotzdem darum bemühen, begreifen wir letztlich auch das noch Bedeutendere, das Gott
uns gegenüber vollzieht, wenn er vergibt.
5. Im Rahmen der Theodizeefrage
Gott ist heilig, nicht die Ursache des Bösen, die Sehnsucht nach dem Reich zeigt, dass
wir in einer gefallenen Welt leben. Das tägliche Brot zeigt, dass Gott die Menschen
nicht verlassen hat, sondern dass seine väterliche Fürsorge anhält. Glaube als Festhalten an Gott trotz der Widerstände, die gegen ihn sprechen.
6. Als Gebet vor dem Tod
Vater als letzte Anrede, Himmel als Ort des Verstorbenen, Gottes Wille auch in den
Todesnöten annehmen, das Brot als Wegzehrung (Krankenkommunion), Vergebung
als Vorbereitung auf das Sterben (ars moriendi).
7. Als Gebet vor der Eheschließung
Vater als Vater der Familie, das Verhältnis von Mann und Frau als Abbild des Verhältnisses des Verhältnisses von Christus und der Kirche in seinem Reich. Gottes Wille
der Ehe und in der Ehe. Vergebung als grundlegende Eigenschaft der Liebenden,
ohne die sich nicht leben können.
Sie sehen, es gibt eine Unmenge von Deutungen und Verstehensmöglichkeiten des
Vaterunsers. Ich möchte Ihnen heute einige Hinweise geben, was aus meiner Sicht im
Vaterunser steckt und wie ich es interpretiere. Aber dazu will ich Sie erst einmal noch
näher an den biblischen Text heranführen.
II. Das Vaterunser in der Bibel
1. Die Sprache des Vaterunsers
Sprache schafft Kontexte, prägt Vorstellungen. Es ist daher von grundlegender Bedeutung, in welcher Sprache das Vaterunser entstanden ist und aus welchem kulturellen Kontext es stammt.
Der Text des Vaterunsers ist uns auf Griechisch überliefert. Dies ist jedoch nicht die
Sprache, in der es ursprünglich verfasst wurde. Dies war entweder Hebräisch oder
Aramäisch. Bedauerlicherweise liegt uns keine alte Überlieferung des Gebets auf Hebräisch vor. Die Übersetzungen ins Hebräische stammen aus dem 19. Jahrhundert.
Zwar haben wir aramäischen Texte der syrisch-orthodoxen Kirche aus der Antike. Aber
auch sie sind Übersetzungen aus dem Griechischen. Hinzu kommt, dass das palästinensische und das syrische Aramäisch zwar zu selben Sprache gehören, jedoch unterschiedliche Dialekte sind.
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Gründe für die Abfassung in Hebräischer Sprache könnten sein: Hebräisch ist die
Sprache des Alten Testemantes und des Siddur, des jüdischen Gebetsbuches. Ausnahmen bestätigen die Regel: so ist das Kaddisch, eines der zentralen jüdischen Gebete, in aramäischer Sprache verfasst.
Aramäisch war die Muttersprache Jesu. Die meisten Wissenschaftler gehen davon
aus, dass dieses Gebet ursprünglich auf Aramäisch verfasst wurde.
2. Der Text des Vaterunsers
Der Text des Vaterunsers befindet sich in zwei Evangelien, nämlich bei Matthäus als
Teil der Bergpredigt und bei Lukas. Die Version, die wir heute beten, findet sich erstmals in der Didache, der sogenannten Apostellehre. Ihre Entstehung wird auf die Zeit
zwischen 150-180 datiert. Dieser Text unterscheidet sich von der matthäischen Fassung vor allem durch den Lobpreis Gottes am Ende des Gebets.
Vergleich der beiden Texte
Zunächst fällt auf, dass das Gebet bei Lukas und bei Matthäus jeweils in unterschiedlichen Kontexten eingebettet ist. Bei Lukas ist Jesus unterwegs, „an einem Ort“. Jesus
betet und sein Gebet ein Jünger zum Anlass, Jesus aufzufordern, ihnen ein Gebet
beizubringen. Dabei bezieht sich der namenlose Jünger auf das Beispiel Johannes
des Täufers. Jesus wird damit in eine Reihe zeitgenössischer jüdischer Lehrer gestellt,
die ihren Schülern ein Gebet vermittelt haben. Von dieser Praxis wissen wir auch aus
dem Talmud.
Der Kontext ist also die Begegnung mit dem Beten Jesu, das in den Jüngern den
Wunsch wachruft, von ihm beten zu lernen. Das ist sehr bezeichnend für Lukas, der
dem Beten Jesu einen ganz besonderen Platz in seinem Evangelium eingeräumt hat.
Jesu Wirken als Ganzes steigt aus seinem Beten auf, ist von ihm getragen. So erscheinen wesentliche Ereignisse seines Weges, in denen allmählich sein Geheimnis
sich enthüllt, als Gebetsereignisse.
So ist es bedeutsam, wenn Lukas das Vaterunser in den Zusammenhang von Jesu
eigenem Beten stellt. Er beteiligt uns an seinem eigenen Beten, er führt uns hinein in
den inneren Dialog der dreifaltigen Liebe, zieht sozusagen unsere menschlichen Nöte
hinauf ans Herz Gottes. Das bedeutet aber auch, dass die Worte des Vaterunsers
Wegweisungen ins eigene Beten sind, Grundorientierungen unseres Seins darstellen,
uns nach dem Bild des Sohnes gestalten wollen. Es will unser Sein formen, uns in die
Gesinnung Jesu einüben (Phil 2,5).
Bei Matthäus ist das Vaterunser eingebettet in die Bergpredigt, einer langen Rede
Jesu in Galiläa „zum Volk“. Das Vaterunser ist Teil einer langen Reihe von grundsätzlichen Handlungsanweisungen. Im sechsten Kapitel stehen die individuelle Verantwortung für sozial Schwache, das rechte Almosengeben, sowie das Beten und Fasten im
Mittelpunkt. Auffällig ist dabei die Abgrenzung vom „falschen“ Beten und Fasten. Dem
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Vaterunser geht eine kurze Katechese über das Gebet voraus, die uns vor allem vor
den Fehlformen des Betens warnen will. Gebet darf nicht Schaustellung vor den Menschen sein, es verlangt die Diskretion, die einer Beziehung der Liebe wesentlich ist.
Gott redet jeden Einzelnen mit seinem Namen an. Gottes Liebe zu jedem Einzelnen
ist ganz persönlich und trägt dieses Geheimnis der Einmaligkeit in sich, die nicht vor
den Menschen ausgebreitet werden kann.
Denn schließt diese Diskretion das gemeinsame Beten nicht aus. Das Vaterunser ist
ein Wir-Gebet, und das weist darauf hin, dass Beten letztlich auch immer in der Gemeinschaft steht, der Gemeinschaft der ganzen Gemeinde und der Kirche. Das Wir
der betenden Gemeinschaft und das Persönlichste des nur Gott Mitteilbaren durchdringen sich.
Die andere Fehlform des Betens, so warnt Jesus, ist das Geplapper, der Wortschwall.
Die Gefahr kennen wir vermutlich, letztlich nur gewohnte Formeln herzusagen und dabei mit dem Geist ganz woanders zu sein. Am aufmerksamsten sind wir, wenn wir Gott
um etwas bitten oder ihm für etwas von Herzen danken. Das Wichtigste aber ist, über
solche Augenblicke hinaus, die Beziehung zu Gott in der Seele lebendig zu halten. Wir
werden also inniger beten, je mehr wir uns auf Gott ausrichten und unser Leben in das
Licht Gottes stellen.
Neben dem, was uns im Inneren bewegt und wir vor Gott bringen, können wir Orientierung an Gebetsworten wie dem Vaterunser bekommen. Denn ohne solche durch die
Gemeinschaft getragenen und gebeteten Worte wird unser eigenes Beten subjektiv
und spiegelt mehr uns selbst als den lebendigen Gott. Vor allem die Psalmen sind eine
solche Schule des Betens.
Aber Jesus selbst gibt die Gebetsworte vor, er selbst lehrt uns beten und ermutigt uns,
in den von ihm kommenden Worten und auf den Weg zu ihm zu machen. Wir beten
mit von Gott gegebenen Worten zu Gott, wenn wir das Vaterunser beten, sagte der
Kirchenvater Cyprian. Und er fügt hinzu: Wenn wir das Vaterunser beten, erfüllt sich
in uns die Verheißung Jesu von den wahren Anbetern, die den Vater „in Geist und
Wahrheit“ (Joh 4,23) anbeten. Christus, der die Wahrheit ist, hat uns diese Worte geschenkt, und in ihnen schenkt er uns den Heiligen Geist.
Das Vaterunser ist uns bei Lukas in einer kürzeren Gestalt, bei Matthäus in der Form
überliefert, in der die Kirche es aufgenommen hat. Die Diskussion, welcher Text ursprünglicher sei, ist nicht überflüssig, aber doch nicht entscheidend. In der einen wie
in der anderen Fassung beten wir mit Jesus mit, und wir sind dankbar, dass in der
matthäischen Form der sieben Bitten deutlich entfaltet vorliegt, was bei Lukas zum Teil
nur angedeutet scheint.
Sehen wir uns nun ganz kurz, bevor wir in die Einzelauslegung schreiten, die Struktur
des Vaterunsers an, wie sie uns Matthäus überliefert hat. Sie besteht zunächst in einer
Anrede und sieben Bitten. Drei dieser Bitten sind Du-Bitten, vier sind Wir-Bitten. In den
drei ersten Bitten geht es um die Sache Gottes selbst in dieser Welt; in den vier folgenden Bitten geht es um unsere Hoffnungen, Bedürfnisse und Nöte. Man könnte das
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Verhältnis der zweierlei Bitten des Vaterunsers mit dem Verhältnis der beiden Tafeln
des Dekalogs vergleichen, die im Grunde Entfaltungen der beiden Teile des Hauptgebots der Gottes- und Nächstenliebe sind.
So wird auch im Vaterunser zunächst die Vorrangstellung Gottes verdeutlicht, aus der
die Sorge um das rechte Menschsein folgt. Damit der Mensch recht bitten kann, muss
er in der Wahrheit stehen. Und die Wahrheit ist „Gottes Reich“, nach dem wir zuerst
trachten sollen (Mt 6,33). Zuerst müssen wir aus uns selbst herausgehen und uns Gott
öffnen. Nichts kann recht werden, wenn wir mit Gott nicht in der rechten Ordnung stehen. Das Vaterunser fängt daher mit Gott an und führt uns von ihm her auf die Wege
des Menschseins. Wir steigen zuletzt herab bis zur letzten Bedrohung des Menschen,
dem Bösen.
III. Auslegung der einzelnen Bitten
1. Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name
„Das Vaterunser beginnt mit einem großen Trost; wir dürfen Vater sagen. In diesem
Wort ist die ganze Erlösungsgeschichte enthalten. Wir dürfen Vater sagen, weil der
Sohn unser Bruder war und uns den Vater geoffenbart hat; weil wir durch die Tat Christi
wieder Kinder Gottes geworden sind.“ Das schreibt Reinhold Schneider über den Beginn des Vaterunsers. Für uns heute ist dieser Trost nicht immer spürbar, vielfach fehlt
die Erfahrung eines gütigen Vaters oder ist verdunkelt.
So hilft es, sich von Jesus selbst aufklären zu lassen, was der Begriff „Vater“ eigentlich
bedeutet. Bei Jesus ist der Vater der Quell des Guten, er liebt bis ans Ende. Jesus
spricht davon, dass der Vater „Gutes“ schenkt (Lk 11,13), ja sich selbst gibt. Jesus ist
als der Sohn der Spiegel dessen, wer und wie Gott ist. Durch den Sohn finden wir den
Vater (Joh 14,8). Das Vaterunser projiziert nicht ein menschliches Bild an den Himmel,
sondern zeigt uns vom Himmel her – von Jesus her -, wie wir Menschen werden sollen
und können.
Das Vatersein Gottes hat für uns zwei Dimensionen. Zum einen ist Gott unser Schöpfer, das Sein kommt von ihm, er hat uns gebildet. Jeden von uns kennt er, wir sind
seine Kinder. Zum anderen will Jesus uns als Urbild des Sohnes und der Kindschaft,
in sein Sohnsein, in sein Menschsein und so ganz zu Gott gehörig machen und in sein
Bild einzeichnen. Wir sind also nicht fertige Kinder Gottes, sondern durch immer tiefer
werdende Gemeinschaft mit Jesus werden wir mehr und mehr in die Gemeinschaft mit
Gott dem Vater hineingenommen. Kindsein ist dabei keine Abhängigkeit, sondern ein
Sein in der Liebe, das unsere menschliche Existenz tragen kann und ihr Sinn und
Größe verleiht.
Aber: Ist Gott nicht auch Mutter? Viele Stellen in der Bibel vergleichen Gottes Handeln
an den Geschöpfen mit dem Wirken einer zu umschreiben, die mit ihren Kindern
schwanger geht, sie geboren hat, sie stillt und tröstet, sie versteht und ihnen Erbarmen
schenkt (vgl. Num 11,12; Jes 49,15; Jes 66,13).
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Allerdings wird Gott trotz der dieser aus menschlicher Sicht gestalteten Sprache nie
mit „Mutter“ angeredet. Warum ist das so? Natürlich können wir uns dabei nur tastend
nach vorne wagen, denn Gott bleibt ein ewiges Geheimnis.
Aber die Anrede als Vater umschließt einen wichtigen Hinweis, den die Bibel uns geben will. Die Mutter-Gottheiten, die das Volk Israel wie auch die Gemeinde des Neuen
Testaments rundum umgaben, zeigen ein Gottesbild, das dem der Bibel durchaus entgegensteht. Bei diesen Gottheiten verschwindet der Unterschied zwischen Gott und
Mensch, der Mensch wird wie zu einer Art Geburt aus dem Mutterschoß des Seins.
Demgegenüber drückt das biblische Bild des Vaters die Souveränität seines Schöpfungsaktes aus. Nur durch den Ausschluss der Muttergottheiten konnte das Alte Testament sein Gottesbild, die reine Transzendenz Gottes zur Reife bringen. Schließlich
folgen wir schlicht Jesus in seiner Anrede Gottes als Vater und wissen, dass wir so
Gott recht bitten und zu ihm beten.
Die Vaterschaft Gottes ist also wirklicher als die menschliche Vaterschaft, weil wir im
Letzten uns ihm verdanken. Wie er uns ewig gedacht und gewollt hat, weil er uns das
wirkliche Vaterhaus schenkt. Er ist unser Vater, wobei das Wörtchen „unser“ die Gemeinschaft der Kirche andeutet, in der wir ihn anbeten. Auch wenn wir persönlich beten
zu ihm beten können, stehen wir doch immer in der Gemeinschaft der Glaubenden,
mit denen wir stets – auch in unsichtbarer Gemeinschaft – sagen: Unser Vater.
Die Heiligung des Gottesnamens verweist uns auf das zweite Gebot, dass wir den
Namen Gottes nicht verunehren sollen. Aber was ist das eigentlich, der „Name Gottes“? Denken wir an die Geschichte, in der Gott dem Mose im Dornbusch erscheint
(Ex 3). Dort nennt Gott seinen Namen Jahwe zunächst zur Unterscheidung von den
anderen Göttern, Gott wird in der polytheistischen Umwelt erkennbar, identifizierbar.
Und doch verweist sein Namen auf mehr. Er sagt von sich „Ich bin, der ich bin“ – er ist
schlechthin. Und indem er seinen Namen nennt, stellt er eine Beziehung zu uns her,
er macht sich anrufbar. Insofern ist sein Name heilig, und Gott begibt sich in die Gefahr,
dass sein Name auch „entheiligt“, „besudelt“ werden kann.
Es bleibt daher eine Aufgabe aller Christen, die Bedeutung des Namens Gottes aufrecht zu erhalten und das Bewusstsein daran zu wecken. In allen christlichen Konfessionsgemeinschaften gibt es Menschen, die mit ihrem ganz alltäglichen Leben ein
Zeugnis für die Heiligkeit des Namens Gottes ablegen. Die Heiligung des Namens
Gottes geschieht nicht nur im Wort und in der liturgischen Feier, sondern auch in der
Tat. Die ökumenisch gelebte Diakonie ist ein sprechendes Zeichen für die gewachsene
Verbundenheit der Christinnen und Christen in allen Konfessionsgemeinschaften.
Im Bereich der geistlichen Ökumene gibt es vielfältige Bemühungen, das gemeinsame
Gotteszeugnis der Glaubenden intensiver zu bedenken, als dies lange Zeit geschah.
So werden zum Beispiel christliche Martyrologien - Aufzeichnungen der Lebensgeschichten von Menschen, die zum Zeugnis für ihren Glauben an Jesus Christus gestorben sind - mit ökumenischer Sensibilität vorgelegt. Als Beispiel dafür ist die auf der
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Tiberinsel in Rom zu betrachtende Ikone zu nennen, auf der die ökumenisch engagierte geistliche Gemeinschaft Sant' Egidio das Gedächtnis der zahlreichen christlichen Blutzeuginnen und Blutzeugen im 20. Jahrhundert in gemalter Gestalt hinterlassen hat. Gemeinsam gedenken Christinnen und Christen heute „aller Heiligen“ und
wissen sich in der „Gemeinschaft der Heiligen“. Das Bekenntnis zur „Communio Sanctorum“ trennt die Konfessionen nicht.
Aufmerksam zu werden auf die Heiligung des Namens Gottes durch heilige Menschen
in allen Konfessionsgemeinschaften ist ein zukunftsweisender Weg der Ökumene.
Und diese Bitte ist immer auch eine Gewissensforschung für uns selbst: Wie gehe ich
mit dem heiligen Namen Gottes um? Stehe ich in Ehrfurcht vor dem Geheimnis des
brennenden Dornbuschs, vor der unbegreiflichen Weise der Nähe Gottes in seiner
Schöpfung? Wo sorge ich mich um die Heiligkeit seines Namens?
2. Dein Reich komme
Die Botschaft vom „Reich Gottes“ - oft auch als „Herrschaft Gottes“ übersetzt - bildet
den Mittelpunkt der Verkündigung Jesu (vgl. Mk 1,14f.). In ihm, dem Sohn des lebendigen Gottes (vgl. Mt 16,16), sehen Christinnen und Christen dieses Reich bereits in
unserer Welt gegenwärtig. Zugleich bitten sie darum, dass dieses Reich Gottes kommen wird, dass einmal Gott „alles und in allem“ (1 Kor 15,23) sein wird und er einen
neuen Himmel und eine neue Erde schaffen wird, „in denen die Gerechtigkeit wohnt“
(2 Petr 3,13). So stehen die Christen in dieser Spannung von „Schon jetzt“ und „Noch
nicht“.
Die christliche Hoffnung richtet sich aber keineswegs allein auf die Zeit nach dem Tod.
Die Rede vom „Reich Gottes“ mitten in der irdischen Zeit hat eine politische Bedeutung, weil dadurch Christinnen und Christen zu jeder Zeit herausgefordert sind, in Gemeinschaft mit Gott zusammenzuwirken am Aufbau einer gerechten und friedlichen
Welt.
Die Hoffnung auf das Reich Gottes macht den Menschen frei zu einem verantwortlichen Leben in dieser Welt. Der Mensch kann die Grenzen seines Wissens wie auch
seiner Möglichkeiten wahrnehmen und anerkennen. Die gegenwärtigen Verheißungen
der Wissenschaften etwa zu den Möglichkeiten der Gentechnik oder der Stammzellenforschung erwecken gelegentlich den Eindruck, als wären die Zeiten nahe, in denen
Menschen alle Krankheiten und alles Leid besiegen können. Nahezu paradiesische
Zustände auf Erden scheinen in erreichbare Nähe zu kommen. Aber lehrt nicht der
Blick in die Geschichte, dass jeder Versuch des Menschen, den Himmel auf Erden zu
errichten, genau das Gegenteil erreicht? Und gehen solche Bemühungen nicht allzu
oft auf Kosten jener Menschen, die dem scheinbaren Paradies auf Erden im Wege
stehen? Das Versprechen einer Welt gänzlich ohne Leid, Krankheit und Tod ist vom
Menschen her unerfüllbar. Darum beten Christen um das Kommen des Reiches Gottes. Dieses Reich ist von Gott bereits anfanghaft aufgerichtet und zugleich steht seine
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Vollendung noch aus. Jedes Streben nach einer Verbesserung der Lebensumstände
der Geschöpfe ist dabei berechtigt.
Aus der Bitte um das Kommen des Reiches Gottes erwächst den Christen die Motivation, alles zu tun, um den Menschen in Leiden und Krankheiten zu helfen und sie nicht
allein zu lassen. Heute sind die christlichen Kirchen besonders herausgefordert, deutlich zu machen, dass das Wissen um die Grenzen menschlichen Lebens nicht zu Zynismus oder Gleichgültigkeit führen darf. Jeder Einsatz für die Menschen ist vielmehr
ein Zeichen der Hoffnung, dass Gott das, was wir nur unvollendet schaffen können,
einmal vollenden wird. Das Zeugnis solcher Hoffnung hat die Ökumenische Bewegung
von Anfang an geprägt. Auch die 2003 auf dem ersten Ökumenischen Kirchentag in
Berlin von den Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in
Deutschland unterzeichnete „Charta Oecumenica“ fordert die Kirchen mehrfach zum
gemeinsamen Handeln heraus. Wenn wir uns durch die gemeinsame Hoffnung auf
das Kommen des Gottesreiches verbunden wissen, dann müssen wir als Christinnen
und Christen mehr denn je versuchen, im Blick auf die Herausforderungen unserer
Gesellschaft möglichst mit einer Stimme zu sprechen.
Mit der Bitte „Dein Reich komme!“ – nicht unseres! – will uns Jesus darauf hinweisen,
dass das erste uns Wesentliche ein hörendes Herz ist, damit Gott herrsche und nicht
wir. Das Reich Gottes kommt über das hörende Herz. Das ist sein Weg. Und darum
müssen wir immer wieder bitten.
3. Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden
Hat Gott einen bestimmten, erkennbaren Willen – und selbst wenn: Kann er ihn auch
gegen Widerstände durchsetzen? Wie kaum ein anderes Attribut Gottes steht heute
seine Allmacht in Frage. An Gottes Liebe zu allen Lebewesen besteht in der Regel
weniger Zweifel. In der Theodizeefrage verbinden sich beide Anfragen zu einer einzigen: Woher kommt das Leiden, wenn Gott sowohl allmächtig als auch allen gegenüber
gütig ist? Warum verhindert er dann das Übel nicht? Bis zum 19. Jahrhundert antworteten die Menschen auf diese Frage noch nicht mit der These: Es gibt keinen Gott.
Erst die Religionskritiker des 19. Jahrhunderts fragten: Gibt es denn Gott? Diese Frage
ist seitdem nicht mehr zum Verstummen gekommen. Angesichts des unermesslichen
Leidens von unschuldigen Opfern im Holocaust des 20. Jahrhunderts und all der anderen menschlich verursachten Katastrophen ist sie erneut jäh erwacht.
Christinnen und Christen leben in der Überzeugung, es gebe diesen einen Gott, der
sich in Zeit und Geschichte mit seinem Willen zu erkennen gibt. Die Wege, auf denen
sich der Wille Gottes erkennen lässt, wurden und werden unterschiedlich bestimmt.
Aber sie stimmen in der Erwartung überein, in den Worten der Heiligen Schrift das
Wirken Gottes zu erkennen.
Die Bibel geht davon aus, dass der Mensch im Innersten um Gottes Willen weiß, dass
es ein tief in uns verankertes Mit-Wissen mit Gott gibt, das wir Gewissen nennen. Aber
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sie weiß auch, dass dieses Mitwissen mit der Schöpfer im Lauf der Geschichte verschüttet wurde. Und deshalb hat Gott neu zu uns gesprochen, in geschichtlichen Worten, die von außen an uns herantreten und die unserem inneren Wissen aufhelfen.
Ein Kern dieses „Nachhilfeunterrichts Gottes“ sind die zehn Gebote. Und weil wir letztlich all unser Sein von Gott haben, können wir uns trotz aller Verschüttungen auf den
Weg machen zum Willen Gottes. Wir können in diesen Willen hineinfinden und so dem
Entwurf entsprechen, den Gott von uns gemacht hat.
Wenn wir auf Jesus schauen und von ihm lernen, wie er mit dem Willen Gottes umgeht,
wie er sich letztlich in ihn fügt und ihn sogar bei Todesangst noch erfüllen will, dann
verstehen wir, dass wir nie durch uns selbst den Willen Gottes erreichen können. Das
Schwergewicht unseres Willens zieht uns immer wieder weg vom Willen Gotte. Aber
Jesus nimmt uns mit, er zieht uns zu sich hinauf, in sich hinein, und in der Gemeinschaft mit ihm lernen wir auch den Willen Gottes. So beten wir in dieser VaterunserBitte darum, dass wir ihm immer näher werden und so Gottes Wille unseren Eigenwillen überwindet und uns letztlich dahin führt, worauf wir berufen sind: den Himmel – zu
ihm selbst.
4. Unser tägliches Brot gib uns heute
Für viele Menschen ist die Bitte um das tägliche Brot keine nur bildlich zu verstehende
Rede. Weltweit leben Menschen in der bedrängenden Sorge, weder den persönlichen
Hunger und Durst noch gar den der eigenen Kinder und der alten Eltern an jedem Tag
stillen zu können. Das Wort Jesu: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mk 6,37a) ist auch heute
eine aufrüttelnde Aufforderung an alle, die sich in seiner Nachfolge wissen. Nicht nur
im Blick auf die Nahrungsaufnahme ist das tiefsinnige Wort Jesu wahr: „Der Mensch
lebt nicht nur vom Brot“ (Mt 4,4b). Auch in Situationen, in denen der leibliche Hunger
gestillt ist, fehlt Menschen nicht selten Lebensnotwendiges: Zustimmung zum eigenen
Leben, eine sinnvolle und honorierte Tätigkeit, Erfahrung der Fruchtbarkeit des persönlichen Wirkens, Dankbarkeit für die gestaltete Gemeinschaft – und Vieles mehr.
Bei der Bitte um das tägliche Brot sind viele Bezüge zu bedenken.
Auch in Ländern der Welt, in denen viele Menschen - zumindest äußerlich betrachtet
- satt werden könnten, weil soziale Sicherungssysteme institutionalisiert sind, verhungern Menschen leibhaftig. Das bittere Leiden tot aufgefundener Kinder ist im öffentlichen Bewusstsein. Es fehlt an vielen Orten an Nahrung zum Überleben: an Brot für
den Leib, aber auch an „Brot“ für die Seele. Der Zusammenhang zwischen beidem ist
unübersehbar. Immer wieder wird auf die Notwendigkeit von Nachbarschaftshilfe hingewiesen. Aufmerksamkeit und Sensibilität für die Leidensformen in unmittelbarer
Nähe in dem je eigenen Lebensumfeld sind unersetzbar. Nächstenliebe wird so konkret. In der Medienöffentlichkeit hat die Berichterstattung über das diakonische Handeln
von Menschen hohe Bedeutung. Es gibt einen weithin unbestrittenen gesellschaftlichen Konsens in der ethischen Maxime, geschwächtes Leben vor dem frühzeitigen
Tod zu bewahren.
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Von der Frühzeit des Christentums an gibt es eine gedankliche Verbindung zwischen
dem Sättigungsmahl, das auch den Armen zusteht, und der Feier des eucharistischen
Herrenmahls. Paulus rügt die Gemeinde von Korinth: „Was ihr bei euren Zusammenkünften tut, ist keine Feier des Herrenmahls mehr; denn jeder verzehrt sogleich seine
eigenen Speisen, und dann hungert der eine, während der andere schon betrunken
ist. Könnt ihr denn nicht zu Hause essen und trinken? Oder verachtet ihr die Kirche
Gottes? Wollt ihr jene demütigen, die nichts haben?“ (1 Kor 11,20-22). Die Feier des
Abendmahls und der Eucharistie geschieht immer im Wissen um die Hungernden. Liturgie ist ohne Diakonie nicht wahrhaftig. Jesus hat sein Leben gegeben für alle, denen
das Lebensnotwendige fehlt. Bemühungen um ökumenische Gemeinsamkeiten im diakonischen Handeln haben vor diesem Hintergrund Bedeutung auf der Suche nach
Wegen zur vollen eucharistischen Gemeinschaft.
Christliche Verbundenheit im diakonischen Handeln ist eine gefestigte Form des ökumenischen Miteinanders. Das Anliegen, in den Bereichen der Mission und der Diakonie als Kirchen glaubwürdig zusammenzuwirken, stand am Anfang der Ökumenischen
Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts und prägt bis heute das ökumenische Miteinander. Jetzt in der Flüchtlingssituation erleben wir das an vielen Orten ganz konkret.
Noch ein weiterer Aspekt. In unserer Übersetzung klingt das „tägliche“ Brot eigentlich
harmlos. Mit „täglich“ wird das griechische Wort „ἐπιούσιος“ wiedergegeben, das ganz
selten im Griechischen vorkommt. Von diesem Wort gibt es zwei Deutungen. Die eine
sagt, das Wort bedeute „das zum Dasein nötige Brot“, dann würde also die Bitte lauten:
Gib uns heute das Brot, das wir brauchen, um leben zu können. Die andere Deutung
sagt, die richtige Übersetzung sei das „zukünftige“ Brot, das für den folgenden Tag.
Dabei kann auch das wahrhaft zukünftige Brot gemeint sein. Dann wäre es eine auf
die Ewigkeit gerichtete Bitte, die Bitte darum, dass er uns schon heute das Brot
schenkt, das er uns in der neuen Welt geben will – also sich selbst. In der Vulgata wird
das Wort mit „supersubstantialis“ übersetzt, was auf eine neue, höhere Substanz hinweist, die uns der Herr schenkt.
Viele Kirchenväter haben diese Bitte als eine Eucharistie-Bitte verstanden. In diesem
Sinn steht das Vaterunser auch als eucharistisches Tischgebet in der Liturgie der Eucharistie und des Abendmahls. Das bedeutet nicht, dass man damit den Sinn, den wir
zunächst sahen, einfach aufhebt. Die Kirchenväter denken an verschiedene Dimensionen des Wortes, das mit der Brotbitte für den Armen für diesen Tag beginnt, aber
gerade so – auf den uns ernährenden Vater im Himmel schauend – an das wandernde
Gottesvolk erinnert, das von Gott selbst gespeist wurde.
Wenn wir die Botschaft Jesu als Ganzheit nehmen, dann kann man die eucharistische
Dimension in der vierten Bitte nicht streichen. Die Bitte um das tägliche Brot für alle ist
gerade in ihrer irdischen Konkretheit wesentlich. Aber ebenso hilft sie uns auch, das
bloß Materielle zu überschreiten und jetzt schon das „Morgige“, das neue Brot zu erbitten. Und indem wir um das „Morgige“ bitten, werden wir gemahnt, schon jetzt aus
dem Morgigen zu leben, aus der Liebe Gottes, die uns alle in Verantwortung füreinander ruft.
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5. Und vergib uns unsere Schuld wie auch wir vergeben unseren Schuldigern
Anderen Menschen gegenüber schuldig geworden zu sein, das ist eine Erfahrung, die
alle Menschen verbindet. Jede Schuld zwischen Menschen stellt sich letztlich auch
Gott entgegen, der die Wahrheit und die Liebe ist. Die Überwindung von Schuld ist
eine zentrale Frage jeder menschlichen Existenz. Schuld ruft nach Vergeltung, und so
bildet sich eine neue Kette von Verschuldungen, in der das Unheil der Schuld fortwährend wächst und unentrinnbarer wird.
Mit dieser Vaterunserbitte sagt und Jesus: Schuld kann nur überwunden werden durch
Vergebung, nicht durch Vergeltung. Gott ist ein Gott, der vergibt, weil er seine Geschöpfe liebt; aber die Vergebung kann nur in denjenigen eindringen, nur in dem wirksam werden, der selbst ein Vergebender ist.
Wenn wir die Bitte ganz verstehen und uns aneignen wollen, müssen wir noch einen
Schritt weitergehen und fragen: Was ist das eigentlich, Vergebung? Was geschieht
da? Schuld ist eine Wirklichkeit, eine objektive Macht, sie hat Zerstörung angerichtet,
die überwunden werden muss. Deshalb muss Vergebung mehr sein als Ignorieren, als
bloßes Vergessenwollen. Schuld muss aufgearbeitet, geheilt und so überwunden werden. Vergebung kostet etwas – zuerst den, der vergibt: Er muss in sich das an ihm
geschehene Böse überwinden, es inwendig gleichsam verbrennen und darin sich
selbst erneuern, so dass er dann den anderen, den Schuldigen, in diesen Prozess der
Verwandlung, der inneren Reinigungen hineinnimmt und sie beide durch das Durchleiden und Überwinden des Bösen neu werden.
An dieser Stelle stoßen wir auf das Geheimnis des Kreuzes Christi. Aber zuallererst
stoßen wir auf die Grenzen unserer Kraft zu heilen, das Böse zu überwinden. Wir stoßen auf die Übermacht des Bösen, derer wir mit unseren Kräften allein nicht Herr zu
werden vermögen. Reinhold Schneider sagt dazu: „Das Böse lebt in tausenderlei Gestalt; es besetzt die Zinnen der Macht … es quillt aus dem Abgrund. Die Liebe hat nur
eine Gestalt; es ist dein Sohn.“
Die Vergebungsbitte ist mehr als ein moralischer Appell – das ist sie auch. Und als
solcher fordert sie uns täglich neu heraus. Aber sie ist zutiefst – wie auch in den anderen Bitten – ein christologisches Gebet. Sie erinnert uns an den, der sich die Vergebung den Abstieg in die Mühsal der menschlichen Existenz und den Tod am Kreuz hat
kosten lassen. So ruft sie uns zuallererst in die Dankbarkeit dafür und dann auch dazu,
mit ihm das Böse durch die Liebe aufzuarbeiten, aufzuleiden. Und wenn wir täglich
erkennen müssen, wie wenig unsere Kräfte dazu ausreichen, wie oft wir selber immer
wieder schuldig werden, dann schenkt sie uns den großen Trost, dass unser Bitten
eingeborgen ist in die Kraft seiner Liebe und mit ihr, durch sie und in ihr dann doch
Kraft und Heilung werden kann.
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6. Und führe uns nicht in Versuchung
Die Bitte ist für viele anstößig. Gott führt uns doch nicht in Versuchung! Dabei hilft es,
sich an die Versuchung Jesu zu erinnern (Mt 4,1-11). Die Versuchung kommt vom
Teufel, aber zu Jesu messianischer Aufgabe gehört es, die großen Versuchungen zu
bestehen, die die Menschheit von Gott weggeführt haben und immer wieder wegführen. Er muss die Versuchungen durchleiden bis zum Tod am Kreuz und so den Weg
der Rettung für uns alle öffnen. Im Hebräerbrief heißt es: „Denn da er selbst in Versuchung geführt wurde und gelitten hat, kann er denen helfen, die in Versuchung geführt
werden“ (Hebr 2,18).
Blicken wir auf das Buch Hiob, in dem sich schon das Geheimnis Christi andeutet,
kann dies weiter klären. Dort verhöhnt Satan den Menschen, um Gott zu verhöhnen:
Sein Geschöpf sei nur eine erbärmliche Kreatur, letztlich gehe es ihm nur um sein
Wohlbefinden. Diese These will der Satan am gerechten Hiob beweisen. So gibt Gott
dem Satan die Freiheit zur Erprobung, freilich mit genau definierten Grenzen: Gott
lässt den Menschen nicht fallen, aber prüfen.
Dies kann uns helfen, Versuchung und Prüfung zu unterscheiden. Um reif zu werden,
um wirklich mehr von einer vordergründigen Frömmigkeit in ein tiefes Einssein mit
Gottes Willen zu finden, braucht der Mensch die Prüfung. Wie der Saft der Traube
vergären muss, um edler Wein zu werden, so braucht der Mensch Reinigungen, Verwandlungen, die ihm letztlich unerlässliche Wege sind, um zu Gott zu kommen.
So können wir die Bitte vielleicht schon etwas konkreter auslegen. Wir sagen damit zu
Gott: Ich weiß, dass ich Prüfungen brauche, damit mein Wesen rein wird. Wenn du
diese Prüfungen über mich verfügst, wenn du – wie bei Hiob – dem Bösen ein Stück
freien Raum gibst, dann denke, bitte, an das begrenzte Maß meiner Kraft. Trau mir
nicht zu viel zu. Zieh die Grenzen, in denen ich versucht werden darf, nicht zu weit und
sei mit deiner schützenden Hand in meiner Nähe, wenn es zu viel für mich wird.“
In unserem Beten dieser Bitte muss so einerseits die Bereitschaft enthalten sein, die
Last der Prüfungen auf uns zu nehmen, die uns zugemessen ist. Andererseits ist es
eben die Bitte darum, dass Gott uns nicht mehr zumisst, als wir zu tragen vermögen,
dass er uns nicht aus den Händen lässt. Wir sprechen diese Bitte in der vertrauenden
Gewissheit, zu der Paulus sagt: „Gott ist treu; er wird nicht zulassen, dass ihr über eure
Kraft hinaus versucht werdet. Er wird euch in der Versuchung Ausweg schaffen, sodass ihr sie bestehen könnt“ (1 Kor 10,13).
7. Sondern erlöse uns von dem Bösen
Die letzte Bitte nimmt die vorletzte noch einmal auf und wendet sie ins Positive. Es ist
letzten Endes die Bitte um Erlösung. Wovon wollen wir erlöst werden? Wir beten „von
dem Bösen“. Es bleibt offen, ob wir „das Böse“ oder „den Bösen“ meinen. Damit reagiert das Gebet auch auf die Bedrohung, vor die sich die Christen der ersten Stunde
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gestellt sahen: der totale Anspruch auf den Menschen, der durch den Kaiserkult gestellt war und so die politisch-ökonomisch-militärische Macht zeigte. In dieser Bedrohung ruft der Christ in der Verfolgungszeit zum Herrn als der einzigen Macht, die retten
kann: Befreie uns von dem Bösen.
Auch wenn es das Römische Reich und seine Ideologien nicht mehr gibt – wie gegenwärtig ist das letztlich alles. Auch heute sind die Mächte des Marktes, des Handels mit
Waffen, mit Drogen und mit Menschen, die auf der Welt lasten und die Menschheit in
Zwänge hineinreißen, die unwiderstehlich sind. Auch heute wird uns eingeflüstert:
Kümmere dich nicht um Gott! Suche, von Leben so viel mitzunehmen, wie du kannst!
Das Vaterunser als Ganzes, und im Besonderen diese Bitte, will uns sagen: Erst wenn
du Gott verloren hast, hast du dich selbst verloren. Dann bist du nur noch ein Zufallsprodukt der Evolution. Dann hat „der Böse“ wirklich gesiegt. Solange er dir Gott nicht
entreißen kann, bist du in allen Übeln, die dich bedrohen, immer noch zutiefst heil
geblieben. Darum bitten wir, dass wir den Glauben nicht verlieren, dass uns das Gute,
Gott, nicht verlorengeht, dass wir nicht verlorengehen.
Insofern kehren wir mit der letzten Bitte zu den drei ersten zurück: Indem wir um Befreiung von der Macht des Bösen bitten, bitten wir letztlich um Gottes Reich, um unser
Einswerden mit seinem Willen, um die Heiligung seines Namens. Die Beter aller Zeiten
haben freilich die Bitte weiter gefasst: In den Drangsalen der Welt baten sie Gott doch
auch darum, den „Übeln“ Einhalt zu gebieten, die die Welt und unser Leben verwüsten.
Dies kommt auch in dem in der katholischen Liturgie üblichen „Embolismus“, dem Einschub nach dem Vaterunser vor der Doxologie, zum Ausdruck.
Ja, wir dürfen und sollen den Herrn auch darum bitten, dass er die Welt, uns selbst
und die vielen leidenden Menschen und Völker von den Drangsalen befreie, die das
Leben fast unerträglich machen. Wir dürfen und sollen diese Interpretation der letzten
Bitte auch als Gewissensforschung an uns auffassen – als Anruf, daran mitzuwirken,
dass die Übermacht der „Übel“ gebrochen wird. Aber dabei muss uns die eigentliche
Ordnung der Güter und der Zusammenhang der Übel mit dem Bösen vor Augen bleiben. Unsere Bitte darf nicht ins Vordergründige abgleiten; auch in der Auslegung der
Vaterunser-Bitte bleibt zentral, dass wir von Sünden und allem Übel befreit werden
und uns der Blick auf den lebendigen Gott nicht verstellt werde.
8. Schlussdoxologie
Nun bleibt am Schluss der Blick auf den Schluss. Wir beten das Vaterunser mit dem
bekannten Schluss „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“ Dieser uns so vertraute Abschluss des Vaterunsers, die so genannte
Doxologie, also der Lobpreis Gottes, fehlt in den ältesten Handschriften des Neuen
Testaments, fehlt auch in der Fassung des Vaterunsers, die wir im Lukasevangelium
und Matthäusevangelium finden. Aber wir wissen, dass schon Ende des 1. Jahrhunderts in den Gottesdiensten der christlichen Kirche das Vaterunser mit diesen Worten
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beendet wurde. In einem wunderbaren Sprachrhythmus wird zum Abschluss des Vaterunsers der Lobpreis Gottes angestimmt: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und
die Herrlichkeit in Ewigkeit“ - das klingt einfach schön! In der katholischen Kirche wird
ja oft zwischen den Bitten des Vaterunsers und diesem lobpreisenden Abschluss eine
Pause eingelegt und eine aktuelle Bitte eingefügt. Bei ökumenischen Gottesdiensten
merken wir bisweilen, wie der Sprachfluss genau mit dem Beginn der Doxologie ins
Stocken kommt.
Mit der abschließenden Doxologie wird in wenigen Worten unser Beten hin zu Gott,
unserem himmlischen Vater hin geöffnet. Am Ende dieses Gebetes stehen nicht wir
mit unseren Anliegen, am Ende dieses Gebets steht Gott, steht der Blick auf sein ewiges Reich, der Hinweis auf seine Kraft, das Lob seiner Herrlichkeit. Wie ein großes
Ausrufezeichen, das in Richtung Himmel gezeichnet wird, klingt dieser Abschluss. Und
damit ist die Brücke zum Anfang des Gebetes geschlagen. „Vater unser im Himmel“ das ist die Blickrichtung, die dieses Gebet bestimmt. Wir dürfen bei unserem Beten
nicht bei uns bleiben. Beten ist kein Selbstgespräch. Beten heißt: Sich Gott öffnen und
seiner ewigen Wirklichkeit, die umschrieben wird mit dem Begriff „Himmel“. Beten ist
wie ein Sich-Aussetzen der Kraft Gottes. In der Bewegung des Betens werden wir ganz
zurückgeworfen auf uns selbst, auf unsere Hilflosigkeit, die uns gerade dadurch ganz
offen macht für den Gott, der in Jesus Christus uns und dieser Welt eine neue Perspektive geschenkt hat. Indem wir uns im Vaterunser dem himmlischen Gott öffnen,
gestehen wir uns zugleich ein, dass mit unserer Macht nichts getan ist. Das ist der
weite Horizont, unter dem das Vaterunser beginnt und endet.
„Denn dein ist das Reich“ - unter dem Horizont des Reiches Gottes zu beten, macht
uns unsere Begrenztheit bewusst und befreit uns zugleich von ihr. Setzt uns in Bewegung hin auf Gottes Reich zu. Und diese Bewegung hin auf Gottes Reich brauchen
wir, um nicht am Heute zu ersticken. Was mit dem Reich Gottes gemeint ist, hat Jesus
recht genau beschrieben hat. Er spricht in seinen Bildreden von diesem Reich des
Friedens und der Gerechtigkeit, von diesem Reich, in dem Leid und Angst, Gewalt und
Mangel ans Ende kommen. Und er sagt, dieses Reich habe seinen ersten Ursprung
im Herzen des Menschen. Dieses Reich Gottes bilde sich zwischen den Menschen,
wo immer etwas Gerechtes getan werde. Dieses Reich Gottes komme aber letztlich
aus Gottes Willen von der Zukunft her auf uns zu. Dieses Reich des Friedens und der
Gerechtigkeit stellen nicht wir her, sondern es ist Gottes Reich.
„Denn dein ist die Kraft.“ Bei dem Hinweis auf die Kraft Gottes denken wir zu allererst
an Gottes Schöpferkraft, mit der er uns ins Leben gerufen hat, uns erhält und segnet.
Nicht wir also sind unseres eigenen Glückes Schmied, sondern was sich an Segensreichem in unserem Leben findet, das verdanken wir Gott, unserem Schöpfer. „Denn
dein ist die Kraft“ - mit diesen Worten wird also unser Blick gelenkt auf Gott, den Schöpfer allen Lebens und auf Gott, den Richter über Gerechte und Ungerechte. Damit ruft
uns die Doxologie des Vaterunsers in Erinnerung, dass wir in Verantwortung vor diesem Schöpfer- und Richtergott unser Leben zu führen haben.
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„Denn dein ist die Herrlichkeit in Ewigkeit.“ Damit endet die Doxologie des Vaterunsers. Am Ende des Vaterunsers richtet sich der Blick auf Gottes Herrlichkeit, auf den
Lobpreis seines Namens. Alles, was wir in unserem Leben als Gebetserhörung erfahren, verherrlicht Gott. Erzählt von Gottes rettendem Tun an uns Menschenkindern.
Nicht darin vollendet sich unser Gebet, dass Gott unsere Wünsche befriedigt, sondern
darin, dass er seine Verheißungen erfüllt. So mündet alles Beten in den Lobpreis der
Herrlichkeit Gottes, die wir heute nur ahnen, dereinst aber in Ewigkeit schauen dürfen.
Und treffender kann man den Sinn der Doxologie des Vaterunsers nicht zusammenfassen als mit einem Wort aus Psalm 115: „Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem
Namen gib Ehre um deiner Gnade und Treue willen“ (V.1).
Ein weiter Bogen wird im Vaterunser gespannt von den einleitenden Worten bis hin
zur abschließenden Doxologie. Unter diesem großen Bogen richtet sich das Beten aus
auf Gott, unseren himmlischen Vater, auf sein Reich und auf die verheißene Herrlichkeit in Ewigkeit. Indem dieser große Bogen geschlagen wird, wird das Vaterunser zu
einer Kraftquelle für unsere Hinwendung zur Welt. Wo wir in unseren Gottesdiensten
das Vaterunser sprechen und uns betend der Zukunft Gottes vergewissern, dort erhalten wir die Kraft, für die Welt Verantwortung zu übernehmen. Indem unsere Gottesdienste vom Beten des Vaterunsers her gestaltet werden, gewinnen sie Ausstrahlungskraft in unsere Welt hinein. Wenn Dietrich Bonhoeffer sagt „unser Christsein wird
heute nur in Zweierlei bestehen: im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen“, dann ist das Beten die Kraftquelle für unsere Hinwendung zur Welt. Beten führt
nicht zum Untätigsein, es führt zum Handeln. „Die Hände, die zum Beten ruhn, die
macht er stark zur Tat“, weiß auch Jochen Klepper. Beten macht stark: zur Bewahrung
der Schöpfung, zur Friedensstiftung, zum Heilen, zum Trösten, zum Stärken anderer.
So geschieht unser Beitrag zur Gestaltwerdung des Reiches Gottes zuallererst und zu
allerletzt durch das Beten, durch das wir zugerüstet werden und Kraft gewinnen zum
Tun des Gerechten.
Amen.
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Anhang: Textvergleich
Lukas 11,1-4
1 Jesus
betete einmal an einem Ort; und als er das Gebet beendet hatte, sagte einer
seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie schon Johannes seine Jünger beten
gelehrt hat. 2 Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, dein Name
werde geheiligt. Dein Reich komme. 3 Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen. 4
Und erlass uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig
ist. Und führe uns nicht in Versuchung.
Mt 6, 5-15
5 Wenn
ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler. Sie stellen sich beim Gebet gern in
die Synagogen und an die Straßenecken, damit sie von den Leuten gesehen werden. Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten. 6 Du aber geh
in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist. Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir
vergelten. 7 Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie
werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen. 8 Macht es nicht wie sie; denn euer
Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet. 9 So sollt ihr beten: Unser Vater
im Himmel, dein Name werde geheiligt, 10 dein Reich komme, dein Wille geschehe
wie im Himmel, so auf der Erde. 11 Gib uns heute das Brot, das wir brauchen. 12 Und
erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben. 13
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns vor dem Bösen. 14 Denn wenn
ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch
euch vergeben. 15 Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer
Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.
Vergleichen Sie die beiden Fassungen von Lukas und Matthäus miteinander.
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Was ist beiden Fassungen gemeinsam?
Fällt Ihnen bei der jeweiligen Fassung des Vaterunseres etwas auf? Wie unterscheidet sich die Fassung zu der im Gottesdienst verwendeten Form?
Worin bestehen Unterschiede zwischen den beiden Texten?
In welchem Kontext ist das Gebet jeweils eingebettet? Was könnten die Evangelisten damit beabsichtigen?
Tauschen Sie sich mit Ihren Nachbarn darüber aus.
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