Erlösung - Freckenhorster Kreis

Erlösung
Die einseitige Akzentuierung des Kreuzestodes Jesu
und der folgenlose Glaube
Was fällt Christen ein, wenn sie von »Erlösung« sprechen?
Jesus hat den Vater durch seinen Tod versöhnt und ihn gnädig gestimmt.
Er hat sein Leben am Kreuz als Opfer dargebracht für uns Sünder.
Jesus nimmt als »Lamm Gottes« unsere Schuld auf sich.
Durch sein am Kreuz vergossenes Blut wäscht er uns rein.
So und ähnlich sind die Assoziationen vieler Katholiken, auch wenn heute mit anderen
Akzenten gepredigt und Theologie betrieben wird. Zu lange sind sie mit dieser Theologie
indoktriniert worden, und zu präsent ist sie bis heute in den Meßformularen und Kirchenliedern.
Welche Antworten finden wir im Neuen Testament?
Auch die neutestamentlichen Schriftsteller verwenden die Opferterminologie. Sind also all
die oben aufgeführten Assoziationen urkirchliches Gedankengut? Der Hebräerbrief hilft
uns weiter.
Er richtet sich an Juden und will vor allem Jesu ruhmloses Sterben für deren Religiosität akzeptabel machen.
Zu diesem Zweck benutzt er die Terminologie jüdischen Opferkultes und argumentiert innerhalb jüdischer theologischer Vorstellungen.
Er deutet für Juden den Tod Jesu als das eine Opfer, das alle anderen Opfer überflüssig macht. Er deutet Jesus als den einen Priester, durch den alles Priestertum
überholt ist.
Wie die neutestamentlichen Schriftsteller auf dem Hintergrund ihres Weltbildes theologische Deutungen des Lebens Jesu wagen, so darf und muß das jede Christengeneration
für sich neu tun. Sonst verknöchert der Glaube zu leerer Tradition, symbolisch-interpretierende Texte werden als objektive Aussagen mißverstanden und erreichen den Menschen in seinem jeweiligen Denken nicht mehr.
Wo die frühe Kirche sich bemühen mußte, die Bedeutung des Lebens Jesu für ihre Zeitgenossen theologisch einzuordnen, besteht unsere Aufgabe gerade darin, mit aller gebotenen Vorsicht und Behutsamkeit die theologischen Verkrustungen vergangener Zeiten
von dem Bild Jesu als Erlöser zu entfernen, die uns den Blick auf ihn verstellen.
Versuchen wir also die Aussagen der Erlösungstheologie vor dem Hintergrund der Bibel
zu befragen! Können sie für uns »frohe Botschaft« sein? Halten sie unserer Lebenswirklichkeit stand?
Die offizielle Lehre von der Erlösung beruht auf zwei schwerwiegenden Verkürzungen,
die eng miteinander verknüpft sind:
Jesus - auf seinen Kreuzestod reduziert
Die oben skizzierte Theologie blendet das Leben Jesu aus. Er lebte, was er verkündete:
Da-Sein für andere, Liebe bis zur letzten Konsequenz. Nur dadurch bekommt sein
Sterben für uns Bedeutung und Sinn. Umgekehrt besiegelt gerade sein Tod die Glaubwürdigkeit seines Lebens. Die Art, wie Jesus starb, beweist, daß sein Glaube an einen
liebenden Vater tragfähig ist.
Erlösung - fixiert auf Sünde und Jenseits
Erlösung von der persönlichen Sünde war – so wie sie gelehrt wurde - eine Verengung.
Sünde - und somit auch Erlösung - war eine Sache zwischen Gott und dem einzelnen.
Die Gemeinschaft wurde ausgeblendet und damit das, was Jesus gelebt und verkündet
hatte: Reich Gottes als versöhntes Leben von Menschen, die für einander einstehen.
Eine Erlösung, die ins Jenseits verlegt wird, ist reine Vertröstung. Sie blendet unser
Leben hier und jetzt aus. Sie entwertet das, was den Menschen ausmacht, sein
zerbrechliches, gefährdetes, aber trotzdem kostbares Leben in der Welt. Schlimmer noch:
Ein solcher Erlösungsbegriff macht den Glauben folgenlos, hält die Menschen ruhig
und wird so zum Instrument skrupelloser Herrschaftssysteme.
Jesus - Erlöser: Was kann das für uns heute bedeuten?
Was fesselt uns, was macht uns unfrei?
Menschen sind gefesselt durch ihre Lebensumstände: durch Armut, Krieg und Gewalt, durch körperliche und geistige Unterlegenheit, durch ihre eigenen Grenzen.
Menschen sind ebenso gefesselt durch ihre Lebenseinstellung. Vorurteile schränken
den Horizont ein. Abhängigkeit von der Meinung anderer beschneidet die eigene Individualität. Geistige Unselbständigkeit erstickt Eigenverantwortung und Phantasie.
Wir Menschen sind gefesselt durch unseren Egoismus. Er läßt vereinsamen und
macht beglückende Beziehungen unmöglich. Der Egoist sieht nicht den anderen,
ihm bleiben nur Sachen. Am Ende werden auch Menschen zu Objekten, die benutzt
oder weggeworfen werden.
Jesus hat uns erlöst. Wie?
Er hat uns Gott als Vater gezeigt, der bedingungslos auf der Seite der Menschen
steht.
Im Vertrauen in diesen Gott gewann er Freiheit und Vollmacht zum Handeln, wo
weltliche oder religiöse Macht Menschen fesselte.
Wie sein Gott war er solidarisch mit den Menschen. Er lebte für andere und nahm
den Tod als Konsequenz seines provozierenden Lebens in Kauf.
Als Erlöste können wir Schritte auf dem Weg Jesu tun
Dann achten wir nicht nur auf unsere Bedürfnisse, sondern haben auch die Sorgen
anderer im Blick.
Dann nehmen wir uns die Freiheit, Ungerechtigkeit zu benennen, auch gegen die öffentliche Meinung.
Dann teilen wir unser Leben, unsere Zeit und vielleicht auch ansatzweise unseren
Besitz mit denen, die etwas von uns erwarten.
Kurz: Wir leben - so gut wir können - für andere. „Erlösung” wird konkret und greifbar hier und jetzt und als Hoffnung und Ausblick.
Angelika Wilmes