UaK Modul Medizin des Alters Vestibulärer Schwindel Fallbeispiel 3

UaK
Modul Medizin des Alters
Vestibulärer Schwindel
Fallbeispiel 3
aus der
Universitäts-Hals-Nasen-Ohrenklinik Mannheim
Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
UaK Modul Medizin des Alters
HNO, vestibulärer Schwindel, Fallbeispiel 3
1
Eine Patientin ruft sie als ärztlichen Bereitschaftsdienst wegen
heftigem Schwindel und Erbrechen. Auf Befragen gibt sie an, dass dies
nicht das erste Ereignis sei, zuletzt habe sie einen vergleichbaren
Anfall vor 4 Wochen gehabt, davor bereits einmal vor 2 Jahren.
Frage: Wie gehen Sie vor, was ist ihr erster Schritt?
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HNO, vestibulärer Schwindel, Fallbeispiel 3
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Antwort: Anamneseerhebung:
- neurologische Vorerkrankungen bekannt (TIA, Basilarismigräne,
Epilepsie)? nein
-
Vorerkrankungen
des
Ohres
bekannt
(Cholesteatom,
Mittelohroperationen)? nein
- weitere Symptome?
· Bewusstseinsverlust (retro- oder anterograde Amnesie)? nein
(Merke: Der Bewusstseinsverlust, die Synkope schließt eine alleinige
peripher vestibuläre Störung aus!)
· Vomitus? ja
· 5 Ohrsymptome abfragen:
· Otalgie? nein
· Otorrhoe? nein
· Hypakusis? ja, auf dem linken Ohr
· Tinnitus? ja, auf dem linken Ohr
(· Vertigo? ja)
- Beschreibung des Schwindels?
Die
Patientin
Anfallsbeginn
habe
ein
nach
sehr
ihren
ungutes
Angaben
Gefühl
schon
gehabt,
15min
vorher
ähnlich
einem
Druckgefühl im Kopf, das schwer zu beschreiben sei. Dann habe sich
alles im Kreis gedreht, so dass sie nicht mehr laufen konnte, nach
wenigen Minuten sei es zum Erbrechen gekommen. Auf Befragen gibt
sie an, dass sie gleichzeitig auch auf dem linken Ohr ein Rauschen
verspürt habe und eine Hörminderung. Das Ohr sei „wie in Watte
gepackt.“
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3
Frage: Wie geht die Behandlung weiter?
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Antwort: Befunderhebung
(Das Erlernen der Untersuchungstechniken ist Teil des „Thesima“. Eine
Demonstration im Rahmen des UaK liegt im Ermessen des Dozenten.)
- wichtige kardiorespiratorische Parameter zur Abschätzung der vitalen
Gefährdung: Gesamteindruck (Zyanose, Tachypnoe), Puls, Blutdruck,
Auskultation, SaO2 falls vorhanden, EKG falls vorhanden.
- orientierende neurologische Untersuchung:
· psychopathologischer Befund (Orientierung in allen Qualitäten,
Aphasie, Dysarthrie, Konzentration, Denkstörung, Affekt)
· Hirnnerven: orientierende Prüfung I-XII
· Motorik: grobe Kraft der Extremitäten
· Sensibilität: grob orientierend
· Koordination: Finger-Nase-Versuch, Romberg und Unterberger meist
im Anfall nicht durchführbar.
- Ohruntersuchung und HNO-Status
· Inspektion
· Palpation
· Otoskopie
· Stimmgabelversuche
· Prüfung der vestibulo-spinalen Reflexe durch Romberg-Stehversuch
und Unterberger-Tretversuch (Im Anfall nicht möglich, da die Patientin
nicht stehen kann.).
·Prüfung
des
vestibulo-okulären
Reflexes
mit
der
Frenzelbrille:
Spontannystagmus, gelockerter Spontannystagmus durch Kopfschütteln,
Provokationsnystagmus durch Lage- und Lagerungsprüfung (Im Anfall
erlaubt der AZ der Patientin diese Untersuchung nicht.)
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5
Frage: Wie lautet die Diagnose?
angesichts einer Patientin:
- in schlechtem AZ,
- kardiorespiratorisch unauffällig
- ohne neurologische Symptome
- mit Übelkeit und Vomitus
- mit einer „Symptomtrias“: Vertigo, Hypakusis, Tinnitus
- vergleichbaren Ereignissen in der Anamnese
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6
Antwort:
Verdacht auf Morbus Menière links
(im
UaK
ist
die
pathophysiologische
Modellvorstellung
des
Endolymphhydrops zu erklären!)
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Frage: Wie lautet das weitere Vorgehen?
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Ist eine häusliche Versorgung nicht sichergestellt, so ist der Patientin die
stationäre Aufnahme in einer HNO-Klinik in jedem Fall anzubieten und
ein Krankentransport zu rufen.
Ist die Diagnose bisher nicht HNO-ärztlich gesichert, sondern beruht
lediglich auf ihrer Verdachtsdiagnose vor Ort, so ist in jedem Fall auch
der Transfer in eine HNO-Klinik anzuraten.
Eine Einweisung in die Klinik erübrigt sich,
(I) wenn die Diagnose bereits im Rahmen der vorhergehenden Anfälle
gesichert wurde und
(II) wenn eine ausreichende häuslicher Versorgung sichergestellt ist.
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Frage: Welche Funktionstests, welche Untersuchungen sind erforderlich
zur Sicherung der Diagnose?
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Antwort:
1. Funktionsdiagnostik:
- Mittelohr: Tympanogramm, Stapediusreflexe
- Cochlea: Reintonaudiogramm, OAE, ECoch
- Hörnerv: BERA
- Vestibularorgan:
kalorische Prüfung
- Vestibulariskerngebiete:
Drehstuhluntersuchung
2. radiologische Diagnostik:
- MRT mit Kontrastmittel Gadolinium
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(zu
Demonstrationszwecken
Untersuchungen
bildlich
sind
im
dargestellt.
Folgenden
Sie
sind
die
NICHT
einzelnen
zu
der
Beispielpatientin gehörig.)
(im UaK Schwerhörigkeit und Taubheit wird ausführlich auf die
audiologische Diagnostik eingegangen, hier daher nur kurz erläutern)
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Tympanogramm, Stapediusreflexe
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- Reintonaudiogramm
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Transitorisch evozierte Otoakustische Emissionen (TEOAE)
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15
Elektrocochleographie
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Frühe akustisch evozierte Potentiale (FAEP) =
Brainstem evoked response audiometry (BERA)
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Videonystagmographie,
Prüfung des Spontannystagmus,
kalorische Prüfung und Drehstuhluntersuchung,
(siehe auch Fallbeispiel 1 des UaK)
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Kernspintomographie = Magnetresonanztomographie des Kopfes mit
Kontrastmittel Gadolinium
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Frage: Sobald die Diagnose „Morbus Menière“ gesichert ist, welche
Therapiemöglichkeiten stehen dann zur Verfügung?
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Antwort:
- Akutbehandlung mit Dimenhydrinat (Vomex® Supp. 150mg)
(Antihistaminikum, nicht bei „long QT-Syndrom“ wg. anticholinerger
Wirkung, über 400mg: halluzinogen)
- Notfallmedikation verordnen: Dimenhydrinat z.B. als Superpep®
Kaugummi-Dragees 20mg bei Bedarf (zu Beginn der Aura)
- Anfallsprophylaxe mit Betahistin 6 oder 12 mg (Aequamen® oder
Aequamen® forte, 3x täglich 1 Tablette)
Da es strukturell mit dem Histamin verwandt ist, ist es kontraindiziert bei:
Asthma bronchiale, Magenulkus, Phäochromozytom, Schwangerschaft,
gleichzeitiger
Therapie mit Antihistaminika. Danach ist
vor
der
Verordnung zu fragen, dies ist zu dokumentieren!
Die Wirksamkeit ist umstritten, die Leitlinien der Fachgesellschaften
empfehlen es aber derzeit.
- supportive Maßnahmen: Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes: 3x500ml
NaCl i.v. / d oder 3x500ml Ringer-Lösung i.v. / d
- medikamentöse Ausschaltung des Vestibularorgans durch Gentamicin.
Dabei wird die ototoxische Nebenwirkung des Antibiotikums Gentamicin
ausgenutzt. Es wird ein Paukenröhrchen gelegt und unter stationären
Bedingungen (I) täglich Gentamicin® 40mg Injektionslösung durch das
Paukenröhrchen ins Mittelohr gegeben (Diffusion von dort über das
runde Fenster in das Labyrinth), (II) täglich das Auftreten eines
Ausfallnystagmus zur Gegenseite mit der Frenzelbrille überprüft, (III)
täglich durch ein Reintonaudiogramm die Hörschwelle ermittelt, um eine
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irreversible Haarzellschädigung vor Eintritt des Vestibularisausfalls zu
vermeiden.
- mögliche chirurgische Therapien: Paukenröhrchen, Tendotomie M.
tensor tympani, Saccotomie, Durchtrennung des Nervus vestibularis als
ultima ratio. Allesamt umstritten, Wirksamkeit nicht erwiesen.
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Frage: Ist noch etwas zu beachten?
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Antwort:
Ja, auf eingeschränkte Fahrtüchtigkeit ist hinzuweisen! Dies ist in der
Akte zu dokumentieren.
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Frage: Wie ist die Prognose?
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Antwort:
Nicht vorhersehbar.
Manche Patienten erleiden nur 1-2 Anfälle im Leben, bei anderen
bestehen Intervalle von mehreren Jahren zwischen den Anfällen, bei
wieder anderen treten wöchentlich stark belastende Anfälle auf.
Nach mehreren Anfällen bleibt meist auch im anfallsfreien Intervall eine
Tieftonschwerhörigkeit bis hin zur einseitigen Surditas zurück.
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