Tipps für die Behandlung älterer Diabetiker

FORTBILDUNG _ SCHWERPUNKT
Univ.-Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum
Universitätsklinikum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Nicht nur die Therapie, auch die Blutzuckerziele anpassen
Bei der Therapie des Diabetes mellitus im höheren Lebensalter müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, z. B. die körperliche und geistige
Konstitution des Patienten. Der Beitrag beleuchtet die für den Hausarzt und
Internisten wesentlichen Punkte, schwerpunktmäßig beim Typ-2-Diabetes.
−
Die Behandlungsziele bei Diabetikern gehen weit über die Frage der Blutzuckereinstellung hinaus. Es geht insbesondere im hohen Lebensalter nicht nur
um Surrogatparameter wie HbA1c-Wert,
Blutdruck, Cholesterin, Triglyzeride und
Körpergewicht, sondern auch um den
Lebensstil, die Kompatibilität der Therapie mit der Situation des Patienten, Vermeidung schädlicher Nebenwirkungen
der Behandlung und um die Gesamtprognose. Im nachfolgenden Beitrag will ich
mich jedoch auf die antihyperglykämische Behandlung beschränken.
In Ermangelung von streng evidenzbasierten Studiendaten zur antihyperglykämischen Pharmakotherapie bei
alten und insbesondere geriatrischen
Diabetespatienten erlaube ich mir auch
Behandlungsempfehlungen auszusprechen, die auf Beobachtungsstudien und
auf meiner mehr als 30-jährigen Erfahrung beruhen.
75-Jährigen liegt ein Diabetes mellitus
vor [2]. Insbesondere die Häufigkeit
einer Hyperglykämie nach Glukosebelastung nimmt mit dem Alter stark zu.
Ein beginnender Typ-2-Diabetes ist
symptomarm und wird oft als Zufallsdiagnose gestellt. Die sonst typischen
Symptome Polydipsie und Polyurie sind
bei älteren Menschen selten, weil das
Durstgefühl verringert ist. Es kommt
also eher zur Exsikkose, was die Insulinwirkung weiter verschlechtert und die
Hyperglykämie verstärkt.
Ältere Menschen, bei denen der Diabetes schon seit vielen Jahren besteht,
haben eine auf das Doppelte erhöhte Inzidenz kardiovaskulärer Erkrankungen
und eine drei- bis vierfach erhöhte Inzidenz für Schlaganfälle. Auch die Häufigkeit neuropathischer Beschwerden
steigt bei Diabetespatienten mit zunehmendem Alter bzw. zunehmender
Krankheitsdauer stark an.
Diagnostische Besonderheiten
und Risikosituation
Mehr als die Hälfte der etwa zehn Millionen Menschen mit Diabetes mellitus
in Deutschland sind älter als 65 Jahre [1].
Bei mehr als einem Viertel der über
Glykämische Zielwerte festlegen:
das ist Aufgabe des Hausarztes
Die wissenschaftliche Datenlage zur optimalen blutzuckersenkenden Behandlung älterer und geriatrischer Patienten
mit Diabetes mellitus ist dünn. Deshalb
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Tipps für die Behandlung
älterer Diabetiker
Auch Ältere sollten bei neu entdecktem
Diabetes umfassend beraten werden.
ist hier der Grundsatz zu beachten, dass
evidenzbasierte Medizin eine Kombination von Erkenntnissen aus klinischen
Studien, der Expertise des behandelnden
Arztes und einer Konsensbildung mit den
Behandlungswünschen und -zielen des
Patienten darstellt. Bevor also die Behandlung eines Diabetes eingeleitet wird,
sollte sich der Arzt, insbesondere bei älteren Menschen, über den sozialen Hintergrund, die genauen Lebensumstände
und eventuelle Begleiterkrankungen im
Klaren sein. Die Behandlungsziele können erst in Kenntnis dieser individuellen
Gegebenheiten gemeinsam mit dem Patienten und ggf. seinen Betreuungspersonen besprochen und festgelegt werden [3].
Körperliche und geistige
Konstitution berücksichtigen
Die Therapieziele und die Wahl der Medikamente müssen bei geriatrischen Patienten am körperlichen und kognitiven
Gesamtzustand ausgerichtet werden.
Hier haben die geriatrisch ausgerichteten Diabetologen die anschauliche Einteilung in „Go-Go“, „Slow-Go“ und
„No-Go“ eingeführt [4]. Gesund alternde
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und die Demenz erhöht die Hypoglykämiegefahr. Bei älteren Menschen besteht
auch eine höhere Vulnerabilität mit reduzierten Kompensationsmöglichkeiten.
Hypoglykämien im Alter sind häufig
asymptomatisch und werden oft nicht
als solche diagnostiziert [6].
Abbildung 1
Altersspezifische Prävalenz des Diabetes mellitus
(DECODE Study Group, Analyse 2003)
50
Diabetes-Prävalenz (%)
© Mod. nach The DECODE Study Group 2003 [15]
45
40
Männer
Frauen
35
30
25
20
15
10
5
0
30–39
40–49
50–59
60–69
Alter (Jahre)
70–79
80–89
Abb. 1 Auswertung von 13 prospektiven Kohortenstudien aus neun europäischen Ländern mit 7.680 Männer und 9.251 Frauen zwischen 30 und 89 Jahren. Messung der Nüchtern- und der Glukose 2 h nach oraler Glukosegabe. Mittlere Follow-up-Dauer 7,3 Jahre.
Menschen mit Diabetes („Go-Go“) werden ähnlich wie jüngere behandelt. Nach
einer längeren Diabetesdauer liegen allerdings auch bei diesen fit wirkenden
Patienten gehäuft Funktionseinschränkungen der Nieren und auch kardiovaskuläre Erkrankungen vor, die bei der
Wahl der blutzuckersenkenden Therapie
zu berücksichtigen sind.
Der geriatrische Patient („Slow-Go“
und „No-Go“) ist definiert durch Multimorbidität einschließlich geriatrischen
Symptomen und ein Alter von über
70 Jahren. Menschen über 80 Jahre gehören wegen der häufigen Handicaps
und medizinischen Komplikationen definitionsgemäß in diese Gruppe. Bei immobilen geriatrischen Diabetespatienten
mit extremen motorischen Einschränkungen („No-Go“) ist ein geriatrisches
Assessment angebracht, um u. a. die
Selbsthilfefähigkeit, die Ernährungssituation, den Sozialstatus, Mobilität,
Kognition, Depression und spezielle
geriatrische Syndrome wie Schluckstörungen, Malnutrition, Inkontinenz,
Dekubitus und Stürze zu erfassen.
Allgemeine Therapiegrundsätze bei
älteren Diabetikern
Präziser ausgedrückt handelt es sich um
die Behandlung von älteren Menschen
mit Diabetes, die in der Regel zahlreiche
weitere Risikofaktoren, Langzeitfolgen
des Diabetes und Komorbiditäten auf-
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weisen, wie Nikotinkonsum, Hypertonie, Dyslipoproteinämie, Niereninsuffizienz, kardiovaskuläre Erkrankungen
und eventuell auch kognitive Einschränkungen. Oft steht bei solchen Patienten
die Prävention und Behandlung von Begleit- und Folgekrankheiten im Vordergrund. Bei der medikamentösen Behandlung sind wir dann mit dem Problem der Polypharmazie konfrontiert
und haben zahlreiche Kontraindikationen und Wechselwirkungen zu beachten.
Gerade bei älteren Menschen ist Sicherheit die oberste Priorität.
Hypoglykämien vermeiden!
Bei der Blutzuckereinstellung älterer Patienten ist insbesondere auf die Vermeidung von Hypoglykämien zu achten,
weil diese u. a. mit Sturzgefahr, kardiovaskulären Risiken und Krankenhauseinweisungen verbunden sind.
Ältere Typ-1-Diabetiker haben ein
fast doppelt so hohes Risiko für schwere
Hypoglykämien, sodass bei solchen Patienten mit einem langjährigen Diabetes
die glykämischen Zielwerte neu angepasst und bescheidener gesetzt werden
müssen. Nach Daten aus den USA [5]
werden aber noch viel zu häufig die
HbA1c-Zielwerte trotz bestehender Komorbiditäten nicht nach oben abgepasst,
sodass ein unnötiges Risiko für Hypoglykämien resultiert. Häufige Hypoglykämien erhöhen das Risiko für Demenz,
Blutzucker-Zielwerte bei „Slow-Go“
und „No-Go“
Ausschlaggebend sind die präprandialen
Werte, weil diese besser einzuschätzen
sind als postprandiale Blutglukosewerte.
In der geriatrischen Patientengruppe
sollten bei medikamentöser Diabetestherapie, besonders mit Insulin, Sulfonylharnstoffen oder Gliniden, Blutglukosewerte zwischen 150 und 180 mg/dl [8,3–
10,0 mmol/l] angestrebt werden.
Bei Nüchternwerten > 200 mg/dl [11,1
mmol/l] liegt der mittlere Blutglukosespiegel so hoch, dass zunehmend Hyperglykämiesymptome auftreten. Dazu zählen u. a. Müdigkeit, allgemeine Leistungsschwäche und geistige Verlangsamung.
Eine Auswertung von Registerdaten aus
Allgemeinpraxen in Großbritannien mit
knapp 48.000 Patienten mit Typ-2-Diabetes im Alter über 50 Jahren ergab, dass
die Gesamtsterblichkeit über einen Zeitraum von 22 Jahren bei einem HbA1cWert von etwa 7,5% am tiefsten war. Bei
Einstellung mit oralen Antidiabetika lag
der optimale Korridor zwischen 7% und
8%, bei insulinbehandelten Patienten eng
zwischen 7,5% und 7,8%. Bei höheren
und bei tieferen HbA1c-Werten stieg die
Gesamtsterblichkeit stark an [7]. Die optimalen HbA1c-Zielwerte im höheren Lebensalter sind in Tab. 1 aufgeführt.
Lebensstilmaßnahmen
Nicht nur bei jungen Menschen, sondern
auch im höheren Alter sind Lebensstilmaßnahmen in Form einer ausgewogenen Kost und einer regelmäßigen körperlichen Aktivität von großer Bedeutung.
Damit wird nicht nur die BZ-Einstellung
günstig beeinflusst, sondern auch Blutdruck, Lipide, das allgemeine Wohlbefinden, Fitness, Stand- und Gangsicherheit,
kardiovaskuläre Funktionen, Stressbewältigung und auch mentale Funktionen.
Regelmäßige körperliche Aktivität ist die
beste Polypille im höheren Lebensalter.
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Diabetesschulung im Alter
Wenn ein Diabetes im höheren Alter erstmals entdeckt wird, sollte ebenso wie im
jüngeren Alter zunächst eine Schulung
erfolgen. Diese sollte bei alten Menschen
nach dem kognitiven und funktionellen
Status ausgerichtet sein und sehr praxisorientiert erfolgen. Sie beinhaltet u. a. allgemeine Lebensstilmaßnahmen, Ernährungsempfehlungen, Anleitungen zur
Blutzuckerselbstmessung, Vorbeugung,
Erkennung und Selbstbehandlung von
Hypoglykämien und ggf. den Umgang
mit dem Pen und die Technik der Insulininjektionen. Bei Diabetespatienten im
höheren Lebensalter wird die gleichzeitige Schulung von Angehörigen und Pflegekräften dringend empfohlen.
Orale Antidiabetika im höheren
Lebensalter
Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft
(DDG), die American Diabetes Association (ADA) und die European Association for the Study of Diabetes (EASD)
haben in ihren Leitlinien nicht zu Unrecht kein starres Schema als „Kochrezept“ zur Anwendung von Antidiabetika bereitgestellt [8, 9]. Vielmehr obliegt
es dem Arzt, die für den individuellen
Patienten mit seinen Komorbiditäten
und seiner speziellen sozialen Situation
geeignete blutzuckersenkende Therapie
zusammenzustellen.
Metformin. Dies ist das Mittel der ersten
Wahl zur Behandlung des Typ-2-Diabetes, auch im höheren Lebensalter. Allerdings müssen die Kontraindikationen berücksichtigt werden. Limitierend ist oft
eine eingeschränkte Nierenfunktion.
Hierzulande galt bisher eine errechnete
glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) von
unter 60 ml/min/1,73 m2 generell als
Kontraindikation. Beobachtungsstudien
zeigen aber eine große Toleranzbreite.
Daher hat ein Hersteller (Fa. Merck)
kürzlich für sein Produkt auch eine Zulassung bei einer eGFR 45–59 ml/min/
1,73 m² durchgesetzt, verbunden mit der
Notwendigkeit einer Dosisreduktion.
DPP4-Hemmer. Wenn Metformin nicht
vertragen wird oder wenn Kontraindikationen vorliegen, empfehle ich bei älteren oder auch geriatrischen Patienten
DPP4-Hemmer. Ebenso empfehle ich
DPP4-Hemmer, wenn eine Monotherapie mit Metformin nicht ausreicht, um
die glykämischen Ziele zu erreichen.
Die Dosis muss bei Niereninsuffizienz angepasst werden. Die Dosis von
Sitagliptin (Standarddosis: 100 mg/die)
ist bei einer eGFR von 60–30 ml/min auf
50 mg/die und bei einer hochgradigen
Niereninsuffizienz oder Dialysepflich-
Tabelle 1
HbA1c-Zielkorridore bei älteren Diabetespatienten in Abhängigkeit
vom motorisch-funktionellen Zustand
Zustand
„Go-Go”
HbA1cZielkorridor
Besonderheiten
6,5–7,5%
Bei Behandlung mit Insulin, Sulfonylharnstoffen oder
Gliniden eher HbA1c-Zielbereich um 7,0–7,5%.
Wenn schwere Hypoglykämien aufgetreten sind: eher 7,5%.
„Slow-Go” 7,5–8,0%
Wenn schon schwere Hypoglykämien aufgetreten sind,
sollte 8,0–8,5% angestrebt werden.
„No-Go”
Ein einfaches Therapieregime ist zu bevorzugen. Bei dieser
Patientengruppe ist der HbA1c-Wert keine Steuergröße,
sondern alleine der Blutzucker.
8,0–8,5%
„Go-Go“ = kalendarisch ältere Patienten ohne Multimorbidität oder geriatrische Syndrome;
„Slow-Go“ = hilfsbedürftige geriatrische Patienten mit leichten Behinderungen;
„No-Go“ = hilflose geriatrische Patienten mit schweren funktionellen Einschränkungen.
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Spaziergänge, Walking oder Schwimmen
sind meist geeignet; Auswahl und Intensität der Aktivität sollten aber bei bestimmten Begleiterkrankungen mit dem
Arzt abgesprochen werden.
Körperliche Aktivität ist die beste
Polypille im höheren Lebensalter!
tigkeit auf 25 mg/die zu reduzieren.
Saxagliptin (Standarddosis: 5 mg/die) ist
bei einer eGFR von 60 bis < 30 ml/min
auf 2,5 mg/die zu reduzieren und wird
bei Dialysepatienten nicht empfohlen.
Auf der Basis der SAVOR-Studie [10]
und der EXAMINE-Studie [11] gibt es
nun schon gute Daten zur kardiovaskulären Langzeitsicherheit bzw. zur Sicherheit dieser Substanzklasse bei kardiovaskulären Grunderkrankungen.
Sulfonylharnstoffe. Sulfonylharnstoffe
(SHs) sind auch im höheren Lebensalter
unproblematisch, wenn die glykämischen Zielwerte nicht zu streng gesetzt
werden, wie dies bisweilen in speziell
aufgelegten Vergleichsstudien geschieht.
In einer Metaanalyse von 40 randomisierten klinischen Studien mit blutzuckersenkenden Medikamenten fand sich
kein erhöhtes Risiko für ma krovaskuläre
Ereignisse oder Gesamtmortalität für
SHs der zweiten Generation im Vergleich mit anderen oralen Antidiabetika
oder Placebo [12].
Hierzulande sind Glibenclamid und
Glimepirid die am meisten verordneten
SHs. Bei eingeschränkter Nierenfunktion
ist hier aber eine Dosisanpassung erfor-
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Ältere Typ-1-Diabetiker
Passt die bisherige
Insulintherapie noch?
Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes,
die mit einer intensivierten Insulintherapie oder mit einer Insulinpumpe eingestellt sind, muss im höheren
Alter regelmäßig überprüft werden,
ob der Patient bzw. die Patientin aufgrund der körperlichen und kognitiven Gegebenheiten noch in der Lage
ist, den hohen Anforderungen der
täglichen Insulindosisanpassung gerecht zu werden. Außerdem müssen
im höheren Lebensalter die glykämischen Zielwerte auf bescheidenere
Maße eingestellt werden. Dann ist
i. d. R. die zweimal tägliche Gabe
eines Mischinsulins angebracht.
derlich. Daher empfehle ich im höheren
Alter besser Gliquidon einzusetzen, das
hepatisch eliminiert wird und bis zu einer eGFR von 30 ml/min in der üblichen
Dosis gegeben werden darf. Bei Patienten,
die nicht ganz regelmäßig essen, ziehe ich
die kurz wirksamen Glinide Repaglinide
oder Nateglinide vor, die ebenfalls bis zu
einer eGFR von 30 ml/min ohne Dosisreduktion und auch noch darunter mit
Dosisreduktion gegeben werden können.
SGLT2-Hemmer. Mit dieser neuen
Substanzklasse gibt es noch kaum Erfahrung im hohen Lebensalter und noch
keine Langzeitdaten. Bei eingeschränkter Nierenfunktion sind sie nicht wirksam, und sie verursachen auch häufig genitale Infektionen. SGLT2-Hemmer stellen nach meiner Einschätzung keine
gute Option im hohen Lebensalter dar.
Alpha-Glukosidasehemmer. Ebenso
sind die Alpha-Glukosidasehemmer
Acarbose und Miglitol wegen der geringen Wirksamkeit und häufigen gastrointestinalen Nebenwirkungen keine gute
Option für die initiale Therapie eines
Typ-2-Diabetes im höheren Lebensalter.
Wenn die Behandlung allerdings schon
läuft und gut vertragen wird, empfehle
ich sie bei ausreichender glykämischer
Kontrolle beizubehalten, zumal i. d. R.
keine Hypoglykämiegefahr besteht.
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Thiazolidindione. Das einzige in Deutschland noch zugelassene Thiazolidindion
(Sensitizer) Pioglitazon darf nach einem
Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses von 2011 nur noch in begründeten Ausnahmefällen zu Lasten
der GKV verordnet werden. Pioglitazon
ist auch bei jedem Grad der Herzinsuffizienz kontraindiziert und daher kein
Mittel der Wahl im hohen Lebensalter.
Zwei oder in Ausnahmefällen drei
orale Antidiabetika können kombiniert
werden.
Insulintherapie im Alter
Eine notwendige Insulintherapie wird
im höheren Lebensalter aus Sorge vor
Hypoglykämien nicht selten hinausgezögert. Es ist aber zu bedenken, dass gerade bei alten Menschen eine ungünstige Stoff wechsellage das geriatrische
Syndrom verstärkt und in unterschiedlichem Ausmaß zu einer Exsikkose, einem ungewollten Gewichtsverlust, muskulärer Schwäche mit Beeinträchtigung
des Gehvermögens und der Gangsicherheit sowie zu einer Verschlechterung der
kognitiven Leistungsfähigkeit führt.
Diese Symptome können durch Insulin
oft dramatisch verbessert werden.
Im höheren Lebensalter sollte eine Insulintherapie an die individuellen Gegebenheiten angepasst, komplikationsarm,
einfach und ausreichend effektiv sein
[13]. Wenn bei älteren Menschen mit
Typ-2-Diabetes orale Antidiabetika nicht
mehr ausreichen, um die glykämischen
Zielwerte zu erreichen, empfehle ich eine
sog. BOT, d. h. eine durch Basalinsulin
unterstützte orale Therapie, am besten in
Form eines lang wirksamen Insulinanalogons. Damit besteht eine signifikant
geringere Hypoglykämiegefahr als mit
NPH-Insulin [14]. Ich empfehle einen
langsamen Einstieg mit 8 Einheiten Insulin glargin oder detemir am Abend
(oder in Pflegesituationen zu einer einmal festgelegten Tageszeit), dann alle 4
Tage Steigerung um 2 Einheiten, bis der
Zielwert der Nüchternglukose von z. B.
130 mg/dl [7,2 mmol/l] erreicht ist.
Typ-2-Diabetiker, die einen geregelten
Tagesablauf und geregelte Mahlzeiten haben, sind i. d. R. mit einer konventionellen Insulintherapie sehr gut einstellbar.
Zumeist ist ein 30/70 oder 25/75 Mischinsulin am günstigsten, bei normalem Essverhalten 2/3 vor dem Frühstück und 1/3
vor dem Abendessen. Eine Neueinstellung auf eine intensivierte konventionelle
Insulintherapie (ICT) mit Basalinsulin
plus jeweils vor den Hauptmahlzeiten
kurz wirksamem Insulin ist im hohen Lebensalter nicht sinnvoll.
GLP-1-Analoga
Für die Neueinstellung eines Diabetes
im hohen Lebensalter spielen GLP1-Agonisten keine Rolle. Wenn die Behandlung allerdings schon läuft, gut vertragen wird und gut wirksam ist, kann
sie weitergeführt werden.
Literatur unter mmw.de
Anschrift des Verfassers:
Univ.-Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Universitätsklinikum
Moorenstrasse 5, D-40225 Düsseldorf
E-Mail: [email protected]
Diabetestherapie im Alter
Fazit für die Praxis
1. Bei alten und geriatrischen Patienten mit Diabetes mellitus sind abhängig vom körperlichen und kognitiven Status für die Therapie höhere
Zielwerte für Blutglukose und HbA1c
anzusetzen als bei jüngeren.
2. Eine ausgewogene Kost und regelmäßige körperliche Aktivität sind
auch hier die Grundpfeiler der Therapie. Bei der Auswahl der oralen Antidiabetika sind insbesondere Komorbiditäten und Hypoglykämierisiko in Betracht zu ziehen.
3. Eine notwendige Insulintherapie
sollte auch im hohen Lebensalter
nicht hinausgezögert werden. Einfache und sichere Therapieregime, ggf.
unter Mitwirkung von Betreuungspersonen, sind zu bevorzugen.
Keywords
Therapy of diabetes mellitus in
old age
Type 2 diabetes – old age – glycaemic
targets – therapy
MMW-Fortschr. Med. 2015; 157 (8)