Predigt von Elke Stamm am 5-Juli 15

Predigtreihe Juli 2015 „Beziehungskisten“
Predigt am 5. Juli 2015 von Pfarrerin Elke Stamm
zum Thema: Die Ehe von Luther und Katharina
Predigttext:
Genesis 1, 27.28a: Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er
ihn; und schuf sie als Mann und Frau. Und Gott segnete sie.
Hohelied 8, 6.7: Liebe ist stark wie der Tod. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des Herrn, so
dass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen und Ströme sie nicht ertränken können.
Sprüche 18, 22: Wer eine Ehefrau gefunden hat, der hat etwas Gutes gefunden und
Wohlgefallen erlangt vom Herrn.
Weil aber die Ehe eine Gabe Gottes ist, steht sie unter seinem Schutz. Als nämlich die
Pharisäer Jesus auf die Probe stellten und fragten, ob ein Mann seine Frau aus der Ehe
entlassen dürfe, antwortete er ihnen:
Matthäus 19,4-6: Jesus sprach: Gott, der im Anfang den Menschen geschaffen hat, schuf sie
als Mann und Frau und sprach: Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seiner
Frau hangen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern
ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.
Johannes 15, 9.11-13: Wie mich mein Vater liebt, so liebe ich euch auch. Bleibt in meiner Liebe!
Solches rede ich zu euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen
werde. Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, gleichwie ich euch liebe. Niemand
hat größere Liebe als die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde.“
Liebe Gemeinde,
Wenn zwei Menschen den Bund der Ehe eingehen, dann stehen sie auch - immer noch - recht
oft bei uns in den Kirchen, vor dem Altar, zur kirchlichen Trauung.
Die biblischen Texte, die ich eben vorgelesen habe, sind eine Auswahl der Schriftlesungen, die
bei einer Trauung gelesen werden.
Die Liebe Gottes ist der Grund, auf dem die beiden Liebenden stehen. Die Liebe ist ein
Geschenk Gottes, der uns geschaffen hat als Mann und Frau.
In der Schöpfungsgeschichte wird deutlich, dass der Mensch als Beziehungswesen geschaffen
wurde.
Die erste sogenannte „Beziehungskiste“, von der berichtet wird, ist die Beziehung zwischen
Adam und Eva. Und auch danach ist die Bibel voll von Beziehungsgeschichten.
Der Grund auf dem die Beziehungen zwischen Menschen geschehen können, ist die Beziehung
des Menschen zu Gott. Auch Gott ist auf Beziehung angewiesen. Auch Gott ist ein
Beziehungswesen.
Er ist nicht eine ferne Macht, die unabhängig von den Menschen existiert. Er erschafft den
Menschen zu seinem Bild und tritt in Beziehung zu ihm.
In Jesus Christus geht er diese Beziehung auf eine – für einen Gott – radikale Weise ein.
Das Verhältnis zwischen Gott und den Menschen ist also letztlich auch eine „Beziehungskiste“.
Gott und Mensch gehen miteinander über Höhen und durch Tiefen. Wie in einer Ehe.
Es ist eine spannende Liebes-Geschichte, es geht um innige Gefühle, sogar um Leben und
Tod.
Und in den Beziehungen zwischen den Menschen, von denen in der Bibel berichtet wird,
spiegelt sich immer auch etwas von der Liebe zwischen Gott und den Menschen.
In der Trauagende wird also die Ehe als gute Gabe Gottes bezeichnet und auf die Schöpfung
des Menschen als Mann und Frau verwiesen.
Das ist in diesen Tagen fast schon ein politisches Statement und muss erklärt werden, um nicht
missverstanden zu werden.
Denn in den letzten Wochen wird über die Ehe hierzulande ja wieder einmal heftig gestritten:
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Seit ausgerechnet in gut katholischen Ländern Europas und schließlich sogar in den
konservativen USA die sogenannte Homo-Ehe legalisiert wurde, sind auch hier die Politiker
gefragt, Stellung zu beziehen und eine Entscheidung herbeizuführen.
In vielen Bereichen unserer Gesellschaft wird nun darüber geredet. Denn es geht um unser Bild
der Ehe schlechthin. Bei der Frage um der Homo-Ehe spitzt sich eine längst fällige Diskussion
zu:
Ist die Ehe zwischen Mann und Frau einer der Grundpfeiler, auf dem unsere christliche
Gesellschaft steht? Oder ist gerade die Legalisierung der Homo-Ehe ein Bekenntnis zur
modernen Gesellschaft und damit ein wichtiger Beitrag zur Stabilität?
Auch in den Schulen ist das Thema längst angekommen. Meine Tochter hat in der 11.Klasse im
Sozialkunde- Unterricht darüber gesprochen . . . Offenbar geht das Thema alle an, so haben
sie hinterher auf Facebook weiter diskutiert.
Auch die Kirchen machen sich Gedanken über ihr Bild von Ehe und Familie in der modernen
Welt.
In der katholischen Kirche wollte man sich ein Bild über die Vorstellungen der Menschen an der
Basis machen und hat eine Umfrage gestartet. Und die EKD hat vor einigen Jahren das
sogenannte Familienpapier herausgebracht. Da geht es um unsere Haltung zu den modernen,
vielfältigen Familienformen und um die Frage, ob denn die klassische Familie aus Vater, Mutter
Kind tatsächlich gottgewollt ist.
„Keine Verbindung ist tiefer als die Ehe, sie verkörpert die höchsten Ideale von Liebe und
Treue, Hingabe und Opferbereitschaft und Familie. Wenn zwei Menschen den Bund der Ehe
eingehen, verwandeln sie sich in etwas, das größer ist als sie einst waren“
- Ist das das Statement eines Gegners der Homo-Ehe, der das klassische Familienbild
hochhält?
Nein – Im Gegenteil: Solche großen Sätze schreibt der amerikanische Richter in seiner
Urteilsbegründung für die Legalisierung der Homo-Ehe.
Nun stehen wir als moderne evangelische Christen auch heute noch in der Tradition Luthers.
Und von den Katholiken unterscheidet uns, dass die Ehe bei uns kein Sakrament ist.
Auch zu Luthers Zeit war das Bild der Ehe im Umbruch. Damals ging es v.a. um die Frage des
Verhältnisses der Geschlechter untereinander und schließlich um das Bild der Frau.
Für Luther ist die Ehe eigentlich ein „weltlich Geschäft“, in dem kirchliche Würdenträger nichts
zu ordnen und zu regulieren haben. So schreibt Luther in seinem Traubüchlein 1529.
Doch wenn ein Brautpaar den Segen Gottes für die Ehe erbittet, so solle man nach der
Ordnung in Luthers Traubüchlein vorgehen.– „Denn obs wohl ein weltlicher Stand ist, so hat er
dennoch Gotts Wort für sich und ist nicht von Menschen erdichtet oder gestiftet.“
Die Reformation führte zu einer grundlegenden Veränderung der Situation der Frauen, vor
allem in der Kirche, aber langfristig auch in der Gesellschaft. Luther hat ein neues Bild von
Frauen und Ehe.
Weil er die Werte und Normen seiner Zeit kritisch am biblischen Zeugnis prüfte und
althergebrachte Überlieferungen ablehnte, wenn sie der Heiligen Schrift widersprachen, sind
ihm neue Einsichten möglich. Dieses Schriftprinzip Luthers gilt auch in Bezug auf seine Sicht
der Frauen.
Allerdings – eine weitere – überaus prägende Quelle seiner Einsichten, ist seine Erfahrung.
Und so ist sein Bild der Frau und der Ehe intensiv geprägt von seinen Erfahrungen mit seiner
eigenen Ehefrau: Katharina von Bora.
Schon die Geschichte ihrer Verbindung ist für damalige Verhältnisse außergewöhnlich:
Luther war Mönch und zum Zölibat verpflichtet. Doch die Reformatoren – er voran -lehnten den
Zölibat ab – und viele Priester und ehemalige Mönche heirateten.
Vielen Nonnen wurde unter abenteuerlichen Bedingungen zur Flucht aus den Klöstern
verholfen.
Die Klöster waren damals überfüllt mit Töchtern aus armen adligen Familien, die ins Kloster
geschickt wurden, weil man sich die Mitgift nicht leisten konnte. Selten war eine Nonne freiwillig
und wegen ihrer Frömmigkeit im Kloster.
Katharina wurde als 13-Jährige ins Kloster gesteckt.
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Als sie 24 war, wagte sie die Flucht mit Hilfe von Freunden Luthers, gemeinsam mit 8 weiteren
Nonnen. Die anderen wurden ziemlich schnell verheiratet. Luther hat hier seine Fähigkeiten als
Hochzeitsvermittler unter Beweis gestellt. Die Nonnen mussten ja versorgt sein.
Am Ende blieb nur Katharina übrig. Luther bezeichnete sie als „die merkwürdigste“ von allen.
Sie war offenbar schlecht zu vermitteln. Derjenige, den sie sich ausgeguckt hatte, heiratete eine
andere. Derjenige, den Luther ihr vorschlug, den wollte sie nicht. Das war ein ziemlich
ungehöriges Verhalten für eine Frau damals. Doch es wird noch erstaunlicher: Denn schließlich
ist es nicht Luther, der Katharina zur Frau nimmt – sondern anders herum: Katharina sucht sich
ihn aus und sagt ihm, sie wie wolle ihn heiraten. Auf den Mund gefallen, war Katharina nie . . .
Luther war zuerst gar nicht begeistert von dem Vorschlag. Katharina war ihm offensichtlich nicht
schön genug und zu widerspenstig.
Aber weil auch er diejenige, auf die er ein Auge geworfen hatte, nicht kriegen konnte, willigte er
schließlich in die Heirat ein. Mit der Zeit entwickelte sich offenbar ein inniges Verhältnis
zwischen den beiden. Und damit veränderte sich auch Luthers Sicht der Ehe und der Frauen.
„Es ist ein großes Ding“, schreibt er später, „um die Gemeinschaft zwischen Mann und Weib.“
Und nach 6 Jahren Ehe: „Ich wollte meine Käthe nicht um Frankreich und Venedig willen
hergeben, erstens darum, weil Gott sie mir geschenkt hat und mich ihr gegeben hat, zweitens,
weil ich oft erfahre, dass andere Frauen mehr Fehler haben als meine Käthe (obwohl sie auch
einige hat, stehen ihnen doch viele Tugenden entgegen); drittens weil sie den Glauben des
Ehestandes, das ist Treue und Ehre, wahrt.“ Was für ein schönes Bekenntnis zu seiner Frau!
Katharina ist der Herr im Haus. So bezeichnet Luthers sie oft als „Herr Käthe“. Sie ist die
Stärkere von beiden. Sie führt den riesigen Haushalt im Lutherhaus mit vielen Kindern, Gästen
und Studenten. Sie pflegt sie Kranke und Alte. Sie plant und überwacht den Umbau des
ehemaligen Klosters, sie verwaltet die Finanzen. Sie bewirtschaftet einen Bauernhof mit
Ländereien und Vieh, und schließlich braut sie auch noch Bier.
Außerdem ist sie – wie heutzutage manche First-Lady – auch in theologischen und politischen
Fragen für Luther eine wichtige Gesprächspartnern und Ratgeberin. Ihrem Urteil vertraut er.
So führen die beiden – fast - eine moderne Ehe. Natürlich nur fast. Denn trotzdem hält Luther
an Paulus Sicht der Frau fest und hält den Mann für das Haupt der Frau.
Katharina war eine emanzipierte, starke Frau und gleichzeitig die treue Dienerin ihres Mannes.
Aber alles in allem ist Luthers Ehe mit der selbstbewussten, klugen, gebildeten und
wortgewandten Katharina ein Bekenntnis gegen die Normen und Werte in Kirche und
Gesellschaft seiner Zeit:
Die Frau galt als missglückter Mann. Sie habe eine befleckte, fehlerhafte Natur. Die Frau sei die
Pforte durch die Teufel einfällt und der Mann in die Sündenfalle tappt.
Dem widerspricht Luther vehement. Katharina und anderen Frauen der Reformation begegnet
er auf Augenhöhe. Er setzt sich für die Bildung von Mädchen ein. Und er ist sogar der Meinung,
dass auch Frauen das Priesteramt ausüben sollen, wenn nicht genug Männer zur Verfügung
stehen.
. . . (Freier Einschub darüber, wann Luther Ehescheidungen für erlaubt oder sogar für geboten
hält und wann nicht.
Vgl. dazu Sonja Domröse, Frauen der Reformationszeit, 3. Auflage Göttingen 2014 S. 134 ff)
Liebe Gemeinde,
Luther hat nie ein Blatt vor den Mund genommen. Auch nicht, wenn es um Frauen, um die Ehe
oder um seine eigene Frau Katharina ging. Es gibt schöne, erstaunlich moderne Zitate. . . .
Es sind – für moderne Ohren – anstößige und frauenfeindliche Sätze von ihm überliefert. Aber
genauso eben auch erstaunlich moderne Ansichten, die heute noch Wirkung zeigen . . .
So bleiben Luther und Katharina für mich Vorbilder, wenn es um die ehelichen Beziehungen
heute geht, wenn wir darum ringen, welches Bild von Ehe und Familie wir als Kirche in der
Zukunft vertreten. Und wenn es gilt, aus dem Glauben und von der Heiligen Schrift her,
Missstände in der Gesellschaft zu benennen und Veränderungen zu wagen.
Amen.
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Literatur:
Sonja Domröse, Frauen der Reformationszeit,
3. Auflage Göttingen 2014. Kapitel „Martin Luther und seine Sicht der Frau
Heiner Geißler, Was müsste Luther heute sagen?
Berlin 2015. Kapitel Luther und die Frauen
Homepage der EKD: www.ekd.de/luther/bora.html
Artikel: Die Frau an Luthers Seite
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