Predigt Nordhausen 10.05.2015

Predigt Nordhausen am 10.05.2015
Thema: Das Gebet
Passend zum Sonntag „Rogate“ ist das Thema heute: das Gebet! Ich möchte mich da heute
nicht auf einen Predigttext beschränken, sondern will versuchen, ganz verschiedene Verse und
Texte zu diesem Thema zu beleuchten.
Das Gebet. Man kann mancherlei Frage zum Gebet stellen und mancherlei schnelle Antwort
finden. Man kann aber auch feststellen, dass es allerhand Missverständnisse bezüglich des
Gebetes gibt.
Was ist das Gebet? Das kann man recht kurzfassen: Gebet ist Reden mit Gott. Reden mit
Gott. Ohne Gott kein Gebet. Oder andersrum: wenn es Gott nicht gibt, dann wäre Gebet sinnlos.
Es gab und gibt ja immer wieder Spötter. Da heißt es dann: Gebet ist eigentlich sinnlos, es ist
doch auch nichts weiter als ein Selbstgespräch. Psychologen versuchen einem dann zu erklären, dass Gebet trotzdem sinnvoll ist und hilfreich sein kann, weil es hilft, Gedanken zu sortieren und sich Dinge zu vergegenwärtigen, weil man sie ausspricht.
Wenn das der einzigste Grund wäre, warum wir beten, dann wäre es sehr armselig. Nein, wir
beten, weil wir einen Gott haben, der Gebete hört. Wer betet, rechnet mit Gott. Wer betet, der
weiß, dass Gott da ist. Manchmal ist es vielleicht gar nicht ein Wissen, sondern ein Hoffen.
Wieviele Menschen haben schon ein Stoßgebet zum Himmel gerichtet, einfach in der Hoffnung: wenn dort jemand ist… Peter Maffay hat auch mal ein Lied gesungen, da heißt es: Lieber Gott, wenn es dich gibt…
Man kann, wenn man über das Gebet nachdenkt, ja auch recht provokante Fragen stellen. Und
das kann durchaus hilfreich sein, weil man dann noch mal ganz neu drüber nachdenkt. Zum
Beispiel könnten wir ja fragen: Warum sollen wir eigentlich beten – Gott weiß doch sowieso
schon alles? Das ist so eine Frage, die einem Kind vielleicht kommen könnte: Wenn Gott allwissend ist, wenn er alles weiß, warum müssen wir ihm dann noch Dinge erzählen? Er kann
doch sowieso in unser Herz schauen und weiß, was wir denken, was wir brauchen – ist das
Gebet dann nicht überflüssig?
Und es gibt Bibelstellen, die das scheinbar bestätigen. Mt 6,8: Denn euer Vater weiß, was ihr
bedürft, ehe ihr ihn bittet.
Also hier wird ein Themenfeld angerissen, was unglaublich schwierig ist. Wenn Gott genau
weiß, was ich brauche, warum soll ich ihn dann darum bitten? Und man kann diese Frage
noch weiter treiben: Wenn Gott genau weiß, was kommt, weil er doch allwissend ist, warum
soll ich dann beten? Wenn er ganz genau weiß, was morgen kommt, weil er doch jeden Tag
meines Lebens kennt und alles schon im Voraus weiß, dann ist doch eigentlich schon alles
festgelegt – warum soll ich dann beten?
Man kann es noch weiter treiben und sagen: Gott weiß doch auch schon vorher ganz genau,
wer sich einmal für ihn entscheiden wird. Gott weiß es doch genau, wer seine geschenkte
Gnade annehmen und wird und mit Jesus gehen wird. Warum beten wir dann darum, dass
Gott Menschen die Augen öffnet, dass sie erkennen, dass sie Jesus brauchen und dass nur
Jesus der Weg zum Leben ist. Warum beten wir?
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Hier wird eine Frage gestellt, über die sich Menschen schon immer Gedanken gemacht haben.
Man beschreibt diesen Sachverhalt auch mit dem Begriff „Prädestination“ - Vorherbestimmung. Es ist alles vorherbestimmt. Aber wenn alles vorherbestimmt ist – warum sollen wir
dann beten?
Wir kommen hier an eine Stelle, wo wir sagen müssen, dass der menschliche Verstand an
seine Grenzen kommt. Es ist einfach eine Tatsache, dass wir Gottes Allmacht und seine Allwissenheit nicht zusammenbringen können.
Gott ist allmächtig. Es gibt nichts, was er nicht tun könnte, kein Problem, was er nicht lösen
könnte. Dort wo Menschen an ihre Grenzen stoßen, da fangen Gottes Möglichkeiten gerade
erst an. Gott hat Macht über alles.
Und: Gott ist allwissend. Ja, er weiß genau, was kommt. Was wir uns manchmal wünschen,
schon einen Blick in die Zukunft werfen zu können, das kann nur Gott. Er weiß was morgen
ist, er weiß, was in 10 Jahren ist, er weiß, wann der letzte Tag gekommen ist. Er weiß wie das
Leben eines jeden Menschen verlaufen wird.
Und das bringt uns immer wieder zu der Frage: Warum? Wenn Gott alles weiß, warum ändert
er es dann nicht, wenn er doch allmächtig ist?
Diese Frage wurde immer wieder gestellt, wird immer wieder gestellt, bei jeder Katastrophe:
wenn Gott das doch genau wusste, warum hat er nicht eingegriffen, warum hat er es nicht
verhindert?
Wenn Gott es gut meint mit uns, warum gibt es so viel Leid in der Welt – er hätte doch die
Möglichkeit, es zu ändern.
Wir kommen hier an die Grenzen unserer menschlichen Möglichkeiten. Sicher, diese Frage
kann einen in die Verzweiflung führen. Wir wollen gern verstehen, wir wollen gerne eine
Antwort haben auf diese Frage – aber es gibt keine.
Wir müssen immer wieder feststellen, dass es wahr ist, was wir im Alten Testament lesen:
meine Gedanken sind nicht eure Gedanken und meine Wege sind nicht eure Wege.
Wir werden diese „Warum-Frage“ immer wieder stellen und wir dürfen sie auch stellen, aber
ich glaube, wir müssen uns damit abfinden, dass wir keine Antwort bekommen werden. Zumindest nicht hier auf dieser Welt.
Das sage ich jetzt nicht um irgendwie der Beantwortung dieser Frage aus dem Weg zu gehen,
sondern weil ich das Gefühl habe, dass alle Antworten, die wir finden können, eigentlich notdürftige Antworten sind, die nur ein Ziel haben. Nämlich: Gott verteidigen!
Ja, ich habe auch manchmal den Wunsch: Ich möchte Gott gerne verteidigen. Ich würde gerne
eine Erklärung dafür finden, warum so was passiert, dass ein Flugzeug abstürzt und 150 unschuldige Menschen sterben. Aber es geht nicht. Alle Erklärungen, die wir finden, sind notdürftige menschliche Erklärungsversuche für etwas, was nicht zu erklären ist.
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Es ist so gut, dass wir das nicht müssen. Wir müssen keine Erklärungen suchen, wir müssen
keine Antworten finden und wir müssen Gott nicht verteidigen. Das hat Gott nicht nötig. Das
kann er selbst am besten.
Ich glaube es geht auch gar nicht darum, Gott vor anderen gut dastehen zu lassen, es zu verhindern, dass man Gott die Schuld in die Schuhe schiebt, dass man die Existenz Gottes leugnet, wenn er solche Dinge zulässt.
Ich glaube, das wichtigste ist: wie sieht es denn in mir aus. Wenn es um mein Leben geht?
Wenn ich frage: Warum hat Gott denn dieses und jenes in meinem Leben zugelassen? Warum
soll ich denn beten, obwohl Gott mein Leben doch schon geplant hat?
Treibt diese Frage mich in die Verzweiflung oder komme ich an den Punkt, wo ich loslassen
kann, wo ich sagen kann: Ich lasse alle Erklärungsversuche sein und akzeptiere, dass Gott der
Herr ist, dass sein Tun und Denken meinen Verstand um Welten übersteigt.
Ich glaube, das macht einen kindlichen Glauben aus, den wir brauchen, dass ich sagen kann:
Ich akzeptiere es so, auch wenn ich es nicht verstehen kann. 1000 Jahre sind vor Gott wie ein
Tag – Gott herrscht in Relationen und Dimensionen, die kann ich niemals begreifen.
Ich kann schlussendlich eigentlich nur eines machen: mich an das halten, was Gottes Wort
mir sagt. Und Gottes Wort sagt uns, dass Gebet niemals umsonst ist. Und Gottes Wort sagt
uns, dass alle menschliche Weisheit vor Gott wie Torheit, also wie Dummheit ist.
Man kann es vielleicht ein klein wenig vergleichen: versuchen wir doch mal, einem Vorschulkind die Relativitätstheorie zu erklären! Versuchen wir doch mal, einem Hamster zu
erklären, wie das Internet funktioniert! Es geht einfach nicht. Alle Erklärungsversuche wären
kläglich und nicht ausreichend. Es geht einfach nicht.
Und so ist es auch mit uns und Gott. Wenn wir Gott verstehen könnten, dann wären wir selber
Gott. Wenn wir Gott erklären und begreifen könnten, dann wäre er nicht Gott.
Wir können eines machen: mit einem kindlichen Glauben das annehmen, was Gottes Wort
uns sagt. Und dort steht, dass Gebet niemals umsonst ist.
Natürlich hätte auch Abraham sagen können: Ach, warum sollte ich mit Gott um die Stadt
Sodom verhandeln, Gott weiß doch eh schon, was er machen wird. Er verhandelt mit Gott und
stellt fest, dass Gott mit sich reden lässt, dass Gebet eben nicht umsonst ist.
Mose hätte sagen können: warum sollte ich Gott bitten, seinen Plan zu verwerfen, dieses Volk
zu vernichten. Wenn er es einmal beschlossen hat, dann ist es eben so, er weiß ja eh, was
kommen wird. Er bittet Gott inständig, das Volk nicht zu verwerfen und Gott lässt mit sich
reden. Und er erfährt, dass Gebet nicht umsonst ist.
Warum sollen wir beten? Wir können es ganz kurz und einfach sagen: Weil Jesus es uns aufgetragen hat! Jesus hat gesagt: So sollt ihr beten: Vater unser im Himmel… Er hat nicht etwa
gesagt: So könntet ihr beten, braucht ihr aber eigentlich auch nicht, denn Gott weiß eh, was
ihr braucht… Nein, so sollt ihr beten.
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Paulus hat das auch erlebt und erfahren, dass Gebet nicht umsonst ist. Gebet ist für unseren
Glauben keine Option: ich mache es eben oder ich mache es nicht. Mein Glaube wird ohne
Gebet eingehen, verdursten.
Deswegen sagt Paulus in seinem Brief an die Thessalonicher: betet ohne Unterlass! Damit
meint er nicht, dass wir 24h am Tag beten sollen. Unterlass heißt ja, etwas unterlassen. Also
wir sollen es nicht unterlassen, zu beten, wir sollen nicht aufhören mit dem Beten, weil wir
vielleicht der Meinung sind, Gott weiß doch eh schon alles.
Natürlich dürfen wir die Frage stellen: Warum soll ich beten? Aber wir sollen diese Frage
auch irgendwann sein lassen und statt dessen anfangen zu beten bzw. weitermachen mit dem
beten, es eben nicht unterlassen zu beten.
Und dann kann man nämlich feststellen, dass mit der Zeit, wenn wir beten, die Frage, warum
wir eigentlich beten sollen, mehr und mehr an Bedeutung verliert. Ich kann vielleicht nicht
verstehen, warum Gott alles weiß und dann manches trotzdem nicht verhindert hat, aber ich
kann erleben, dass Gott mein Gebet hört, dass mein Gebet nicht umsonst ist und dass ich
wirklich, so wie man sagt, mit dem Gebet Gottes Arm bewegen kann.
Ich persönlich kann das auch nicht bis ins Detail erklären, wie es funktioniert, dass man mit
jemandem auf der anderen Seite des Planeten telefonieren und ihn gleichzeitig sehen kann –
aber ich kann’s ausprobieren und sehe, dass es funktioniert.
Ich kann auch das Gebet nicht bis ins Detail erklären, aber ich kann es einfach ausprobieren
und sehe, dass es funktioniert.
Es ist doch auch unglaublich: Gott, der Herr, der Schöpfer, der Himmel und Erde gemacht
hat, der König der Könige, der Herr über alles – er hat immer und überall Zeit für uns. Welche
andere Herrscher ist denn so leicht erreichbar und kümmert sich um unsere Anliegen?
Also wenn ich zum Beispiel etwas von der Bundeskanzlerin will. Wenn ich zum Beispiel den
Vorschlag habe, so sollte mal das Kindergeld erhöhen. Dann kann ich ja nicht einfach anrufen
und ihr das sagen. Ich kann auch nicht einfach vorbeikommen in Berlin und sagen: Ich hätte
da mal nen Anliegen.
Ich kann vielleicht nen Brief schreiben an ihren Sprecher oder an ein Ministerium und dann
hoffen, dass irgendwann und irgendwie das Anliegen mal ankommt. Bei Gott ist das anders:
da braucht es keine Umwege, da muss ich nicht um Audienz bitten, da muss ich nicht bei seinem Sprecher nach einem Termin fragen.
Gott ist mächtiger als alle Regierungschefs, die es gibt, mächtiger als alle Minister, mächtiger
als die Mächtigsten dieser Welt zusammen.
Und wir dürfen immer und überall zu ihm kommen. Zu jeder Zeit und an jedem Ort. Kein
Problem ist für ihn zu groß und keines zu klein.
Das ist wahrscheinlich manchmal unser Problem, dass wir meinen, nur mit den großen Sachen
zu ihm kommen zu dürfen. Wir wollen Gott ja nicht mit irgendwelchen Banalitäten belästigen. Aber wir belästigen Gott nie. Oder andersrum: wir dürfen Gott belästigen. Das macht
ihm nichts aus.
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Wir dürfen auch immer wieder mit ein und demselben Anliegen zu ihm kommen. Was immer
uns wichtig ist und wann immer es uns wichtig ist.
Wenn ich nem Freund immer und immer wieder dasselbe erzähle, dann wird er irgendwann
sagen: Sei jetzt ruhig, du nervst! Oder wenn ich ihn immer und immer wieder um dasselbe
bitte, wird er irgendwann sagen: du bist aber unverschämt.
Als Predigttext für heute ist auch eine Beispielgeschichte Jesu aus Lk 11 vorgeschlagen. Da
ist ein Mann, der hat Besuch bekommen, hat aber nichts zu essen im Haus. Es ist auch schon
spät geworden, bald Mitternacht, also kann er nichts mehr einkaufen. Da geht er zu einem
Freund und klopft an die Tür und bittet ihn um Brot. Der brüllt nur raus: „Verschwinde! Was
fällt dir ein, hier um diese Uhrzeit zu klopfen, meine Kinder schlafen auch alle schon und ich
schlafe auch schon.“ Und da steht dann am Ende: wenn er schon nicht aufsteht und ihm gibt,
was er braucht, weil es sein Freund ist, dann doch aufgrund seines unverschämten Drängens.
Und die Moral von der Geschichte: wir dürfen Gott auch unverschämt oft „belästigen“. Er
wird es uns nicht übel nehmen.
Mit den kleinen und großen Dingen dürfen wir zu ihm kommen. Ja, auch mit den Kleinigkeiten. Und das macht es vielleicht aus, wenn Paulus sagt „Betet ohne Unterlass!“ – dass wir
eben nicht nur die großen Dinge, mit denen wir selber nicht mehr klarkommen, vor Gott bringen, sondern alles, was uns bewegt. Dann ist Gott nicht irgendeine Randerscheinung in unserem Leben, sondern dann nimmt er an unserem Alltag teil. Und so soll es sein.
Etwas kleines, alltägliches, woran wir uns freuen – da dürfen wir DANKE sagen zu Gott. Ein
kleines Problem, das wir haben, eine kleine Schwierigkeit, wir dürfen Gott um Hilfe bitten. Er
fühlt sich dann nicht belästigt, sondern er freut sich darüber.
Mit dem Gebet hat Gott eine so große Macht in unsere Hände gelegt. Wir dürfen für uns und
für andere beten und dies Gebet wird nicht umsonst sein.
Wir kommen ja sicherlich im Laufe unseres Lebens in Situationen, wo wir schlimme Dinge
hören, was passiert ist, wo es jemandem schlecht geht, jemand krank ist usw., und wir sagen:
Ich würde ja gerne helfen, aber ich kann ja leider nicht! Und das ist falsch! Wir können immer
helfen. Wir können jedem Menschen helfen – weil wir für ihn beten können.
Wenn man’s auf den Punkt bringt, kann und muss man vielleicht sogar sagen: Ich kann einem
anderen Menschen gar nicht besser helfen, als wenn ich für ihn bete.
Und das ist es ja auch, was jeden Menschen einzigartig macht. Denn kein anderer Mensch
kann genau für das beten, für das ich beten kann. Kein anderer kennt genau diesselben Menschen wie ich, kein anderer hat genau die Einblicke wie ich – deswegen ist mein Gebet absolut wichtig und unersetzlich.
Wir gebrauchen ja manchmal merkwürdige Begriffe, die wirklich nur christliche Insider verstehen. Das Gebet für andere bezeichnet man ja auch als Fürbitte. Ich habe ja vorhin schon
mal gesagt: beim Gebet gibt es auch viele Gefahren. Ja, zum Beispiel auch bei der Fürbitte.
Denn da betet man ja immer wieder das gleiche. Und das ist ja auch gut so. Ganz wichtig ist
dabei aber immer, dass man mit dem Herzen dabei ist, und dass man nicht routinemäßig irgendwas abspult.
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Und wie schnell passiert das. Wie groß ist die Gefahr, dass man den Tischgebet einfach so
dahersagt, weil man das eben immer so macht, aber gar nicht drüber nachdenkt, was man da
sagt.
Wie groß ist die Gefahr, dass man irgendwas betet, weil jetzt eben grad ein Gebet dran ist,
ohne dass man es ernst meint.
Besonders bei fest formulierten Gebeten wie dem Vaterunser. Da ist die Gefahr groß, dass
man es einfach so dahinbetet.
Und trotzdem ist es wichtig, dass es so fest formulierte Gebete gibt, Jesus hat uns ja nicht umsonst gesagt: So sollt ihr beten…! Es ist auch gar nicht schlimm, wenn ich jeden Tag für das
gleiche bete, vielleicht auch mit den gleichen Worten. Nein, im Gegenteil, das ist gut und
wichtig. Entscheidend ist aber immer: Ist mein Herz dabei? Man muss sich auch immer wieder erinnern und selber ermahnen, wenn man sich selbst mal ertappt hat, dass man beim Gebet
mit den Gedanken eigentlich ganz woanders war.
Gebet ist für uns ein großes Geschenk, keine Pflicht. Gott ist auf unsere Gebete nicht angewiesen, aber wir. Wir brauchen das Gebet ganz dringend. Unser Glaube braucht unser Gebet
ganz dringend.
Gebet ist etwas, was zwischen Gott und mir passiert. Nicht als Einbahnstraße, dass ich nur mit
Gott rede, sondern auch andersrum, Gott spricht auch mit mir. Vielleicht jetzt nicht unbedingt
akustisch hörbar, das mag es auch geben, aber vielleicht auch auf anderem Wege.
Wenn ich bete und dabei vielleicht auch einfach mal stille bin, dann gebe ich Gott die Gelegenheit, meine Gedanken zu ordnen, meine Gedanken in die richtige Richtung zu lenken. Und
da kann es passieren, da hat man gebetet und kann hinterher plötzlich sagen: Jetzt sehe ich die
Sache schon viel klarer! Dass ich da nicht selbst drauf gekommen bin!
Ich kann jetzt natürlich nicht auf alle Dinge eingehen, die mit dem Gebet zu tun haben. Wie
soll ich beten? Wo soll ich beten? Jeder Mensch ist anders, jeder Christ ist anders, und deswegen sind uns dabei ganz viele Freiheiten gelassen. Mancher betet mit ausgestreckten Armen, mancher kniend, Hände gefaltet, Augen geschlossen oder wieder ganz anders… Es ist
eigentlich vollkommen egal.
Ganz wichtig ist eben, dass ich nicht so oder so bete, weil das eben alle so machen, weil das
eben irgendwie erwartet wird, sondern weil es von Herzen kommt.
Nochmal: Gebet ist eine Sache zwischen mir und Gott. Es kommt nicht auf Floskeln an, eine
möglichst hochtrabende Sprache, wohldurchdachte Sätze und solche Dinge. Gott kann uns
bestens verstehen, auch wenn wir nur so daherstammeln.
Gebet ist eine Sache zwischen mir und Gott. Aber trotzdem sind ja manchmal andere Leute
mit dabei. Weil man vielleicht laut betet, weil es eine Gebetsgemeinschaft ist… Und das ist ja
eine tolle Sache, eine Gebetsgemeinschaft, wenn man gemeinsam Gott um etwas bitten kann.
Es birgt aber auch die Gefahr, dass man sich dann genau überlegt, was man betet und was
nicht, wie man betet und wie besser nicht.
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Deswegen jetzt am Ende noch ein Vers, der kurz vor dem Vaterunser steht. Da sagt Jesus (Mt
6,5):
5 Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an
den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich
sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt.
Hier sagt es Jesus ganz deutlich: Gebet ist etwas zwischen Gott und mir. Wir sollen nicht beten, um von anderen gehört und für unsere wohlgewählten Worte bewundert zu werden. Und
Jesus verurteilt es hier auch, wenn man betet, nur um dabei gesehen zu werden. Also da geht
es noch nicht mal um den Inhalt des Gebets, sondern nur um die Tatsache, dass ich bete.
Kurz danach hat Jesus vom stillen Kämmerlein gesprochen, als lobendes Beispiel. Also lieber
im stillen Kämmerlein beten, wo keiner sieht, dass man betet und keiner hört, was man betet.
Und Jesus fügt hinzu: wir sollen nicht plappern wie die Heiden, die meinen, ein Gebet wird
erhört, wenn man viele Worte macht.
Damit Gott mein Gebet hört oder erhört – da kommt es nicht auf die Formulierung an. Ich
muss mir nicht vorher überlegen: Darf ich das so sagen, oder lieber nicht?
Wir dürfen ehrlich sein vor Gott, nein, wir sollen ehrlich sein vor Gott. Wir sollen sagen, was
wir denken. Wenn ich auch manchmal verärgert bin, wenn ich auch mal wütend bin auf jemand, dann darf ich das auch so sagen und muss nicht so tun, als wäre es ganz anders.
Auch wenn ich wütend bin auf Gott, auch wenn ich Zweifel habe, wenn ich Vorwürfe gegen
ihn äußern will – das kann ich ruhig sagen. Gott kann damit umgehen. Ihm sind ernstgemeinte
Zweifel und Vorwürfe lieber als dahergesagte fromme Sprüche. Ganz sicher.
Jeremia z.B., der hat gebetet: Du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen!
Also auf gut deutsch: Du bist schuld! Dann hat er noch mit Blick auf seine Widersacher gesagt: Lass mich deine Vergeltung an ihnen sehen! Da könnte man doch auch sagen: So was
betet man doch nicht! Da betet man doch viel lieber: Hilf mir, ihnen zu vergeben!
Wir müssen Gott aber nichts vormachen, wir dürfen das sagen, was wir wirklich denken. Ehrlich sein vor Gott, keine Show abziehen, keine frommen Sprüche dahersagen. Die Maske abnehmen. Mich so zeigen, wie ich bin. So soll Gebet sein.
Ein Lied macht das wunderbar deutlich. Wir wollen es singen. „In der Stille angekommen“.
Text und Musik von vorne.
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