Klick

Impressionen von der März SVV
Diese SVV fasste eine Reihe von wichtigen Beschlüssen mehr oder weniger
einstimmig, darunter den von der LINKEN mit angeregten Umbau mehrerer
Haltestellen nach den Vorgaben der Behindertengerechtigkeit. Überlagert wurde die
SVV aber von einem Tagesordnungspunkt: der Beschwerde des Beigeordneten
Michael Brandt über die Oberbürgermeisterin.
Damit hatte er die Stadtverordneten in eine üble Lage gebracht: Sie sollten
entscheiden, ob seine Vorwürfe für eine Dienstaufsichtsbeschwerde reichten und der
Vorgang also in die Hände der Kommunalaufsicht gelegt werden musste – oder ob die
Vorwürfe letztlich, sprich: juristisch, gegenstandslos waren. Der SVV sind in ihren
Mitwirkungsmöglichkeiten allerdings laut Kommunalverfassung recht enge Grenzen
gesetzt: Sie darf zwar entscheiden, aber selbst nicht ermittelnd tätig werden. Für eine
qualifizierte Entscheidungsgrundlage sorgen darf der Stellvertreter der OB.
Bürgermeister Scheller beauftragte denn auch ein auf solche Konflikte spezialisiertes
Berliner Rechtsanwaltsbüro (Gaßner, Groth, Siederer und Coll.) und bat die OB um
eine schriftliche Meinungsäußerung zu den Vorwürfen.
Für mich – und hier kann ich nur für mich reden – war klar: Wenn das Anwaltsbüro
eine plausible, mit Fakten unterlegte Stellungnahme abgibt, aus der hervorgeht, dass
die Vorgänge zwischen Brandt und Dr. Tiemann zwar misslich sind, aber als reine
CDU-Familienangelegenheit nicht für ein Disziplinarverfahren reichen, dann würde
ich keine Veranlassung haben, ein solches zu verlangen.
Leider hinterließ die Darstellung der Kanzlei bei mir einen schalen Beigeschmack:
Sie war in sich widersprüchlich, im Begründungsteil mager und ließ allzu viele
Fragen offen. Problematisch erscheint z.B. die Einschätzung zum Thema tendenziöse
Berichterstattung des SKB über den Konflikt Brandt – Dr. Tiemann. Michael Brandt
hatte sich darüber beschwert, dass die OB dieser „Schmähkritik“ keine
Richtigstellung entgegensetzt hatte. Hierzu argumentiert die Kanzlei, dass die
„offenkundige Unrichtigkeit“ des Beitrags Dietlind Tiemann gerade das Recht
gegeben habe, auf eine Richtigstellung zu verzichten. Mit anderen Worten: Je dreister
verzerrt eine Darstellung ist, desto weniger bedarf sie der Aufklärung. Allerdings ist
der Beitrag mit Zitaten der OB gespickt, die geschickt als Wirkungssteigerung
platziert sind. Aus dem Verzicht der OB auf eine Reaktion kann man eigentlich nur
schließen, dass sie sich von dieser Verquickung aus Zitaten und einseitiger Polemik
auf BILD-Niveau nicht alarmiert oder provoziert oder falsch interpretiert fühlte.
Über andere Punkte des Brandt-Vorwurfs vermag ich mir nach wie vor aufgrund
meines Kenntnisstandes, den ich, wie gesagt, nicht selbstständig anreichern darf (und
will) kein abschließendes Urteil bilden.
Wie auch immer, ich konnte mich, zusammen mit 10 weiteren Stadtverordneten (und
6 Enthaltungen), der Beschlussempfehlung der Kanzlei nicht anschließen, den
gesamten Vorgang auf sich beruhen zu lassen und nur einen Appell an die Beteiligten
zu richten, sich intern zusammenzuraufen. Mit dieser Empfehlung, der die Mehrheit
der SVV-Mitglieder folgte (25 Ja-Stimmen), ist die Möglichkeit vertan worden, den
Konflikt in die Hände einer unabhängigeren Instanz zu geben, die ihn bearbeiten
kann, ohne dass ein „Geschmäckle“ bleibt. Jetzt besteht die akute Gefahr, dass der
nach wie vor schwelende Konflikt weiteren Schaden anrichtet.
Apropos CDU-Familienangelegenheit: Letztlich geht es um einen Richtungsstreit in
Sachen Führungsstil: Zentralistisch mit quasi bedingungsloser Loyalität der
Führungsmannschaft – oder pluralistisch mit sehr flachen Hierarchien – oder eine
(schwer vorstellbare) Mischung aus beidem? Wohin die CDU auf Bundesebene
tendiert, ist gegenwärtig kaum abzusehen. Dass Dietlind Tiemann mit ihrem Prinzip
der starken Einzelleiterin bislang Erfolg hatte, ist allerdings nicht zu bestreiten – und
hat auch Michael Brandt über weite Strecken offenbar nicht gestört.
Dr. Uta Sändig