30.04.2015 Gründen mit Sicherheitsnetz Handelsblatt: Nr. 83 vom 30.04.2015, Seite 74 / Wochenende Karriere Skandale haben das Franchise-System in Verruf gebracht. Doch noch immer bietet es Jungunternehmern einen Start mit bewährtem Konzept. Axel Gloger, Bonn Wenn Felix Peckert dieser Tage auf Franchising angesprochen wird, ist oft ein Krisenfall bei Burger King der Aufhänger. Die Hamburger-Kette musste im letzten Jahr 89 Filialen dichtmachen, das schlug einige Wellen in der Öffentlichkeit. "Ja, es gab diese Krise", sagt der Branchenexperte dann, "aber die Turbulenzen hatten nichts mit Franchising zu tun. Das waren Unstimmigkeiten zwischen zwei Eigentümern, die sich nicht verstanden." Wenn das abgehakt ist, kommt er zu einem Thema, über das er viel lieber spricht als über die Negativ-Schlagzeilen: "Franchising ist ein Chancenmarkt", sagt der Bonner Berater, "da sind Unternehmen wie McDonald's, Morgengold, Back-Factory, Town & Country Haus, Pirtek und viele andere unterwegs, die neue Berufsperspektiven schaffen." "Unternehmer gesucht", tönt es aus der Franchise-Wirtschaft. An jedem Arbeitstag werden dieses Jahr 20 neue Franchise-Betriebe gegründet - und jeder von ihnen braucht einen Betreiber. "Die Branche zählt 117 500 Inhaber. Für 2015 rechnen wir damit, dass die Zahl der Unternehmer um 2,3 Prozent steigt", berichtet der Experte aus einer neuen Studie, die sein Institut für Markenfranchise vorgelegt hat. Für Einsteiger ist Franchising die Gründung mit einem bewährten Konzept. Eines der Urgesteine am Markt, McDonald's, zeigt die immer gleiche Funktionsweise des Unternehmensaufbaus mit Anleitung: Die Zentrale, Franchise-Geber genannt, hat den Betrieb eines Schnellimbisslokals bis in alle Details durchdacht. Sie weiß, welche Standorte funktionieren und wie Werbung gestaltet wird, die Kunden vom Eröffnungstag an in den Laden zieht. Sie sucht den passenden Betreiber als Lizenznehmer, der das Konzept nach Handbuch umsetzt - und bringt diesem bei, wie man Burger baut, Pommes frites zubereitet und den Betrieb einer Filiale organisiert. Anschließend darf der frisch gebackene Franchise-Nehmer als Unternehmer auf eigene Rechnung einen Imbissstandort unter der Marke McDonald's führen. Das hört sich nach der Straße zum Erfolg an: Wer sich mit einem erprobten System auf den Weg macht, hat die Gewähr, dass er nicht an Amateurfehlern scheitert: Eine nicht zu Ende gerechnete Finanzierung, falsche Standortwahl oder vernachlässigtes Marketing - das gibt es bei einer Franchise-Gründung nicht, weil der Lizenzgeber den Fahrplan zuverlässig vorgibt. Das führt dazu, dass Gründer mit Handbuch etwa von Subway, McDonald's, Fressnapf oder Apollo Optik seltener scheitern. Dichtgemacht haben drei Jahre nach der Eröffnung nur 18 Prozent der Franchise-Betriebe - das ist ein erheblich geringeres Risiko als bei Unternehmern, die auf eigene Faust an den Start gehen. "Hier scheitern 30 Prozent der Gründer in den ersten drei Jahren", so Peckert. Für Birgit Geist war deshalb klar, dass sie ihr eigenes Unternehmen mit einer Lizenz startet. "Ich habe mir vier Franchise-Systeme genauer angesehen. Meine Wahl fiel auf Expense Reduction Analysts (ERA). Hier konnte ich meine Erfahrungen am besten einbringen", sagt die 50-Jährige. Sie war zuvor als Projektleiterin beim IT-Dienstleister Debis in Berlin angestellt. Ihre Abteilung sollte an einen anderen Standort verlegt werden - für sie das Signal zum Aufbruch in ihre neue Existenz als Unternehmensberaterin. Sie suchte einige andere ERA-Lizenznehmer auf, befragte sie nach ihren Erfahrungen. Dann unterschrieb sie einen Vertrag beim Kölner Lizenzgeber. Es folgte eine zehntägige Schulung. Hier erlernte sie ihr neues Geschäft: Berater von ERA gehen zu ihren Kunden und durchleuchten die Beschaffung nach Sparmöglichkeiten. Ihren Start bei den Kostensparberatern bereut sie bis heute keine Minute - im Gegenteil. "Keine endlosen Meetings, keine internen Fingerhakeleien, keine langen Fahrten durch den Berufsverkehr ins Büro", zählt sie die Dinge auf, die sie aus ihrem Angestelltenleben nicht vermisst. Der Weg der Berliner Unternehmerin zeigt, was auf diesem Arbeitsmarkt gefragt ist: Franchising ist das El Dorado der Berufserfahrenen, die eine zweite Karriere anstreben."Leute zwischen 40 und 50 Jahren, die sich sagen: Das kann es im Beruf doch noch nicht gewesen sein", beschreibt Jürgen Dawo, Geschäftsführer des Einfamilienhausbauers Town & Country, das Profil. Bei ihm als Franchise-Geber landen viele Bewerber, die Karriere in einem Konzern gemacht haben - aber irgendwann genug hatten von Hierarchie, Ränkespielen und ständiger Reorganisation. "Raus aus der Sandwichposition, endlich sein eigener Chef sein", beschreibt Dawo den Antrieb dieser Gründer. Auch Home Instead spricht mit seinem Konzept Berufserfahrene an. Das auf Seniorenbetreuung spezialisierte US-Unternehmen ist seit 2008 in Deutschland präsent, dieses Jahr sollen zehn neue Niederlassungen aufgebaut werden. "Wir suchen Unternehmer, die den Markt in ihrer Heimatregion aufbauen", sagt Jörg Veil, der Franchise-Geber für Deutschland. Für diesen Ausbau des Marktes hält der Geschäftsführer nach erfahrenen Managern Ausschau. "Kommunikationsstark, selbstmotoviert, netzwerkaffin", beschreibt Veil das Profil, nach dem er Ausschau hält. Fachleute für Pflege und Zu-Hause-Betreuung brauchen die Neuunternehmer nicht zu sein, dieses Wissen wird während der Einarbeitung erlernt. So ist es auch in anderen Systemen am Markt. Das für den Betrieb nötige Fachwissen bekommt der Gründer durch Trainings vom Lizenzgeber. Was Neulinge einbringen, ist ihr Unternehmerwillen sowie allgemeines Führungs- und Organisationswissen. Außerdem setzen sie eigenes Geld ein: "Die Investition für die Gründung finanziert der Franchise-Nehmer selbst", erklärt Felix Peckert das Funktionsprinzip der Branche. Hier werden, je nach System, 50 000 bis 200 000 Euro an Startkosten fällig, so seine Franchisestudie - zum Beispiel für die Geschäftsausstattung, die Eröffnungswerbung und das Warenlager. Beispiel: Wer bei Home Instead einsteigen will, sollte mit einer Investition von 250 000 Euro rechnen. "Büro einrichten, Werbung finanzieren, die Mitarbeiter bezahlen", zählt Deutschland-Chef Veil die wesentlichen Ausgabenposten auf. In dieser Summe mit enthalten ist auch der anfängliche Einkommensverzicht des Gründers sowie die Einstiegsgebühr von 27 000 Euro, die Home Instead für Konzept und Einarbeitung verlangt. Zum Vergleich: Bei Rainbow, einem auf Wasser- und Brandschäden spezialisierten Baudienstleister, bringen Einsteiger 140 000 Euro auf - davon 23 000 Euro für die Lizenz sowie 117 000 Euro für die Geschäftsausstattung. Überdies gibt ein Franchise-Nehmer im Schnitt sieben Prozent seines Umsatzes an den Lizenzgeber ab. Dafür bewirbt dieser die Marke, berät seine Unternehmer im laufenden Geschäft, schult Mitarbeiter und entwickelt das System weiter. Für Lizenznehmer heißt es Ärmel hochkrempeln: "Die ersten drei Jahre waren hart", beschreibt Michael Kemper, seit 2003 Kölner Lizenznehmer des BrötchenBringdienstes Morgengold, eine Erfahrung, die er mit jedem Neuunternehmer teilt. Die eigene Firma verlangt immer vollen Einsatz, auch im Franchising. Kunden gewinnen, Mitarbeiter einstellen, planen - all das lässt sich nicht in einer 40-Stunden-Woche erledigen. "Das geht nur mit Begeisterung für die Marke, und mit viel Energie", beschreibt Felix Peckert die Gründerjahre, die jeden Einsteiger erwarten. Bei solch hohem Einsatz sollte der Einstieg ins Franchising gut überlegt sein. Denn nicht alle Franchise-Geber sind so solide, wie sie sich darstellen. Interessierte sollten deshalb nicht nur auf das hören, was der Lizenzgeber verspricht, sondern auch bereits bestehende Franchise-Betriebe ansehen. "Gibt es einen Betriebstyp, der nachweislich profitabel ist?" Für Branchenexperte Peckert ist das die Schlüsselfrage. Nur wenn diese mit "Ja" beantwortet werden kann, sei ein Einstieg ratsam. Überdies sollte der Franchise-Geber beweisen, dass sein Geschäft wächst - und dass Kapital vorhanden ist, mit dem das System ausgebaut werden kann. Wenn das nicht der Fall ist, sollten Interessierte vorsichtig sein. Denn hier lauern Risiken, auch belegt durch Fälle von Franchise-Systemen, die über das Anwerben erster Partner nicht hinauskamen. Der Sportartikelhändler Play it again Sports, die Motelkette Good Night Inn, der Unternehmensmakler Aneva oder die White Lion Werbeagentur etwa gingen mit großen Hoffnungen an den Markt. Aber die Systeme scheiterten - und damit endete auch mancher Gründertraum im Nichts. © Handelsblatt GmbH. Alle Rechte vorbehalten. www.handelsblatt.com.
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