Dahm-Puchalla, A. (2012). Mit Gefühlen kunsttherapeutisch arbeiten

Dahm-Puchalla, A. (2012). Mit Gefühlen kunsttherapeutisch arbeiten.
Neukirchen-Vluyn: Semnos Verlag. 181 Seiten, 19,80 Euro (ISBN 978-3-93 4933-355-4).
Das Thema „Gefühle“ wird in spezifischen Theorieansätzen der Kunsttherapie
(Naumburg, Richter, Kramer, etc.) wie im Rahmen ihrer unterschiedlichen Methoden
(Stern, Wichelhaus, Schottenloher, Peciccia & Benedetti, etc.) umfassend behandelt.
Explizit wie implizit werden Emotionen im Sinne einer Stabilisierung, Anregung,
Erklärung und/oder Bewältigung als therapeutische Zielbestimmung angestrebt.
Äußere und innere Bilder als Gegenstand von Kunsttherapie stellen diese in den
Dienst therapeutischer Absichten. Bilder regen unmittelbar Emotionen an, können
sich einprägen und in der Gegenwart nachwirken. Im kunsttherapeutischen Setting
bietet sich die Möglichkeit einen neuen Handlungsspielraum für die
Auseinandersetzung mit Gefühlen zu entwickeln. Das Werk als „allegorischer
Außenposten" bietet dem Patienten Gelegenheit, sich während des Gestaltens und
im Gespräch darüber zu ordnen, das gewohnte Blickfeld zu erweitern und eine aktive
Handhabung mit diesem zu versuchen. Mit dem anleitenden Therapeuten oder
innerhalb einer Gruppe kann das im künstlerischen Prozess Erfahrene mitgeteilt und
ausgetauscht werden.
In diesem Kontext lässt sich das Buch „Mit Gefühlen kunsttherapeutisch arbeiten“
betrachten. Die Autorin, Anne Dahm-Puchalla, Kunsttherapeutin und freischaffende
Künstlerin, hat sich auf die Arbeit mit Gruppen spezialisiert und schreibt aus eigenem
Erfahrungshintergrund im Bereich der Erwachsenenbildung und
kunsttherapeutischen Begleitung von Trauernden und Krebserkrankten heraus.
Ihr spezifisches kunsttherapeutisches Konzept zielt darauf ab, Patienten einen
Zugang zu ihren Gefühlen, Erfahrungen, Erinnerungen und Erlebnissen zu
ermöglichen, um diese in ihr Bewusstsein zu bringen und eine Möglichkeit der
Imagination und Verbalisierung anzuregen. Dabei nutzt sie das Gruppensetting, was
sie deutlich nicht als einen Ersatz für eine Einzeltherapie herausstellt, sondern als
„Wagnis“ umschreibt, da sich nicht jeder Teilnehmer gleichermaßen durch ein
vorgegebenes Thema angesprochen fühlt. Die besondere Qualität von
kunsttherapeutischem Arbeiten innerhalb einer Gruppe hebt Anne Dahm-Puchalla
nicht spezifisch hervor, sie nutzt den entlastenden Moment des Miteinanders und die
Möglichkeit von mehr Sichtweisen und anderen Perspektiven auf eigene Probleme
auch nur ansatzweise in ihrer methodischen Vorgehensweise. Vielmehr spricht sie
immer wieder jeden einzelnen im Geschehen an und arbeitet weniger mit der
Gruppendynamik.
In den einzelnen Kapiteln ihres Buches fokussiert Anne Dahm-Puchalla je ein Gefühl
- von Scham, Angst, Sehnsucht hin zu Wut, Trauer und Einsamkeit. Thematisiert
werden auch „Würde und Eigensinn“ und „Vom Sich-fremd-Sein zum In-sichwohnen“. Jedes Kapitel beginnt mit eröffnenden Gedanken und den leitenden
Fragestellungen „Was steht hinter dem Gefühl? Welchen Sinn und Nutzen hat das
Gefühl? Was bringt das jeweilige Gefühl zum Verblassen oder Verschwinden?“
Dabei bezieht sie sich immer wieder unmittelbar auf vorangegangene Bände der
"Bibliothek der Gefühle" von Udo Baer und Gabriele Frick-Baer, die Emotionen in
Verbindung mit körperlichen und sozialen Aspekten durchleuchten. Auch ihre
Grundhaltung der „Klientenkompetenz“ ist an diese Autoren angelehnt. Zahlreiche
Hinweise auf deren Fachbuchreihe suggerieren, sich mit den Gedanken und
Erfahrungen des Autorenehepaares grundlegend vertraut zu machen.
Ihre Aufgabe als Kunsttherapeutin sieht Anne Dahm-Puchalla in der Aktivierung der
Selbstheilungskräfte eines Patienten, der ohne jegliche Formen von Deutung und
Interpretation Unterstützung finden soll, seinen jeweils eigenen Problemen im Leben
entgegen zu treten, um diese aktiv bewältigen zu können. Nicht zuletzt aufgrund ihrer
eigenen Erfahrungen als bildende Künstlerin nutzt sie im geschützten Rahmen der
Kunsttherapie als Handlungsspielraum zur Selbsterfahrung vornehmlich die Methode
der Malerei, in deren Vordergrund der Prozess und nicht ein ästhetisch
ansprechendes Endprodukt steht. In ihren regelmäßig stattfindenden
Gruppensitzungen geht Anne Dahm-Puchalla immer wieder gleich strukturiert vor.
Beginnend mit einer kurzen Gesprächsrunde über Erwartungen und Befindlichkeiten
motiviert sie die Patienten nach einer Entspannungsübung zur individuellen
künstlerischen Auseinandersetzung mit dem entsprechenden Gefühl. Eine
abschließende Reflexionsrunde innerhalb der Gruppe unterstützt und leitet sie durch
Fragestellungen, Zitate oder auch impulsgebend durch das Vorlesen von Texten.
Im Buch zeigt uns die Autorin innerhalb von 8 für sich stehenden Kapiteln Schritt für
Schritt ihre Vorgehensweise auf, mittels unterschiedlich ressourcenorientierter
Methoden mit Gefühlen zu arbeiten. Ihre Anregungen sieht sie dabei als dienliche
Grundlage für Therapeuten in Einzel- und Gruppenarbeit. Obgleich sie ihre
Methodenbeschreibung zusätzlich mit nützlichen, klar strukturierten Arbeitsblättern
anreichert, die zum kostenlosen Download beim semnos-Verlag (vgl:
http://www.semnos.de/fileadmin/user_upload/Affenkoenig/Arbeitsblaetter_Dahm/arbe
itsblaetter.pdf) zu den einzelnen thematisierten Gefühlsbereichen zur Verfügung
stehen, warnt sie vor einer bloßen Übernahme dieser. Die Autorin weist darauf hin,
diese Vorgaben je nach Gruppensetting, therapeutischer Zielsetzung, etc.
entsprechend modifiziert anzuwenden.
Eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema Emotionen, die die Methoden
und Praxis der Autorin legitimieren könnten, enthält das Buch nicht, ist wohl auch
nicht gewollt. Das Buch ist geeignet, Tipps und Hinweise für die Arbeit mit
künstlerischen Medien zu geben, da es ein breites Kompendium an potentiellen
Themen und Aufgaben für die therapeutische Arbeit mit Erwachsenen enthält.
„Mit Gefühlen kunsttherapeutisch arbeiten“ von Anne Dahm-Puchalla ist ein
systematisch angelegtes Arbeitsbuch, das für Kunsttherapeut/innen und für alle, die
kreative Ausdrucksweisen in ihrer Therapie einsetzen, konkrete Impulse bietet.
Hilfreich sind dabei zudem die kostenlos zum Download zur Verfügung gestellten
Arbeitsblätter.
Rabea Müller
Atelier artig
Heilpädagogisch-Kunsttherapeutische Praxis für Kinder und Jugendliche
Schaafenstraße 5
50676 Köln
E-Mail: [email protected]