Therapie und Beratung von pathologischen Spielern Die Arbeit in der Bremer Fachstelle Glücksspielsucht und in der Ambulanten Rehabilitation im Psychiatrischen Behandlungszentrum BremenNord von Dipl.-Psych. Katja Sobotta Definitionen Glück - Spiel - Sucht Glücksspiel = Spiele, bei denen 1. 2. 3. die Entscheidung über den Gewinn allein oder überwiegend vom Zufall abhängt, für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird (der Spieler also durch seinen Einsatz ein Vermögensopfer bringt) und der potenzielle Gewinn einen nicht ganz unerheblichen Vermögenswert darstellt. Auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses stellen Glücksspiele dar. Glücksspielsucht = andauerndes, wiederkehrendes, oft gesteigertes Glücksspielverhalten trotz negativer persönlicher und sozialer Konsequenzen Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 2 Diagnostik • „Kurzfragebogen zum Glücksspielverhalten“ (KFG) nach Petry (2003): 20 Fragen, Schweregradeinschätzung • CCCC-Questionnaire von Petry (2003): Cannot quit, Chasing, Craving, Consequences • www.check-dein-spiel.de = Projekt der BzgA: Selbsttest möglich • Nosologische Einordnung: Impulskontrollstörung Zwangsstörung bzw. Zwangsspektrumsstörung Sucht bzw. nicht-stoffgebundene Abhängigkeit Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 3 Diagnostische Kriterien (ICD-10) F 63 Abnorme Gewohnheiten und Störungen der Impulskontrolle F 63.0 Pathologisches Spielen Die Störung besteht in häufigem und wiederholtem episodenhaften Glücksspiel, das die Lebensführung des Betroffenen beherrscht und zum Verfall der sozialen, beruflichen, materiellen und familiären Werte und Verpflichtungen führt. Diagnostische Leitlinien: Dauerndes, beharrliches wiederholtes Glücksspiel, das anhält und sich oft noch trotz negativer sozialer Konsequenzen (wie Verarmung, gestörte Familienbeziehungen und Zerrüttung der persönlichen Verhältnisse) steigert. Abgrenzung u.a. von: exzessives Spielen manischer Patienten, dissoziale Persönlichkeitsstörungen Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 4 Diagnostische Kriterien (DSM-IV) 312. Störungen der Impulskontrolle 312.31 Pathologisches Glücksspielen Andauerndes und wiederkehrendes, fehlangepasstes Spielverhalten, was sich in mindestens fünf der folgenden Merkmale ausdrückt: 1. Starkes Eingenommensein vom Glücksspiel (z. B. starke gedankliche Beschäftigung mit Geldbeschaffung, starkes Beschäftigtsein mit gedanklichem Nacherleben vergangener Spielerfahrungen oder dem Planen nächster Spielunternehmungen) 2. Steigerung der Einsätze, um gewünschte Erregung zu erreichen 3. Wiederholte erfolglose Versuche, das Spiel zu kontrollieren, einzuschränken oder aufzugeben 4. Unruhe und Gereiztheit beim Versuch, das Spiel einzuschränken oder aufzugeben 5. Spielen, um Problemen oder negativen Stimmungen zu entkommen 6. Wiederaufnahme des Glücksspielens nach Geldverlusten 7. Lügen gegenüber Dritten, um das Ausmaß der Spielproblematik zu vertuschen 8. Illegale Handlungen zur Finanzierung des Spielens 9. Gefährdung oder Verlust wichtiger Beziehungen, von Arbeitsplatz und Zukunftschancen 10. Hoffnung auf Bereitstellung von Geld durch Dritte Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 5 Differentialdiagnostik • Gewohnheitsmäßiges Glücksspielen soziales Glücksspiel als Zeitvertreib Professionelles Glücksspiel zum Gelderwerb • Exzessives Glücksspielverhalten als Symptom in einer manischen Episode • Exzessives Glücksspielen bei antisozialer Persönlichkeit • Exzessives Spielen: Pathologischer PC-Gebrauch (gaming) als (andere abnorme Gewohnheit) und Störung der Impulskontrolle (F63.8) Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 6 Komorbiditäten Bei Pathologischen Glücksspielern erhöhtes Auftreten von: Depressiven Störungen (Suizidversuche in der Vorgeschichte) Substanzmissbrauch oder –abhängigkeiten (Alkohol, Nikotin, Kaffee,…) Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen Antisozialen, narzisstischen und BorderlinePersönlichkeitsstörungen Psychosomatischen Störungen (Magenschleimhautentzündungen, Magengeschwüre, Kopfschmerzsyndrome, Herz-Kreislauf-System, intestinale Beschwerden) Pathologischer PC-Gebrauch Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 7 Phasenmodell der Entwicklung süchtigen Glücksspielverhaltens nach Custer (1987) Positives Anfangsstadium , Einstiegsphase Kritisches Gewöhnungsstadium Suchtstadium oder Verzweiflungsphase • Erster zufälliger Kontakt zum Glücksspiel • Erste größere/kleinere Gewinne = positive Gefühle für das Glücksspiel („persönliche Gewinne“), Selbstwertsteigerung bei Gewinn • Regelmäßiges Aufsuchen der Glücksspielorte • Zunehmendes glücksspielspezifisches Wissen • Zunehmendes risikovolles Glücksspielverhalten • Glücksspiel als Freizeitverhalten • Häufigeres und intensiveres Spielen • Toleranzentwicklung • Leidenschaftliches Spielen führt dazu, dass mehr Geld gewonnen als verloren wird. • „Verlustjagd“ (Chasing) • Glücksspiel wird eingesetzt, um den „grauen Alltag“ zu vergessen (Flucht in das Glücksspiel) • Spielschulden und Aufnahme von Krediten; Freikauf durch Mitglieder der Familie • Betroffene beginnen zu verheimlichen, fangen an, sich Geld zu leihen, lügen: Probleme in Lebensgereichen (Arbeit, Familie) • Noch Kontrolle möglich • Dauerhaft gesteigerte Spielfrequenz • Kontroll- und Abstinenzverlust • Entzugserscheinungen • Persönlichkeitsveränderungen, Verzerrung des Denkens • Entfremdung vom sozialen Umfeld • Sozialer und beruflicher Abstieg, Beschaffungskriminalität • Panik- und Schuldgefühle, Suizidgedanken • Zusätzlicher Substanzgebrauch als Gefahr Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 8 Abhängigkeitsmerkmale • Glücksspiel als zentraler Lebensmittelpunkt, Geld = Spielgeld • Toleranzentwicklung (höhere Einsätze, um gewünschte Erregung zu erreichen, mehrere Automaten gleichzeitig, Häufigkeit der Einsätze steigt = Dosissteigerung) • Suchtdruck (Craving) und Entzugserscheinungen (innere Unruhe, Reizbarkeit, Konzentrations- und Schlafstörungen, innere Leere im Entzug, Depression, Langeweile etc.) • Kontrollverlust (über das Spielverhalten, Vorsätze, z. B. nur einen best. Betrag zu verspielen, verlieren ihre Wirksamkeit) • Abstinenzunfähigkeit (der Verzicht erscheint dem Betroffenen unerträglich, keine Rückkehr zu gelegentlichem Glücksspiel möglich) • Suchtbedingte Persönlichkeitsänderung: z. B. Abnahme der Realitätsprüfung, der Frustrationstoleranz, Verleugnung, Schuldverlagerung, Enthemmung, bis zur Dissozialität Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 9 Geldbeschaffung eines Spielsüchtigen Aus: Meyer & Bachmann (2005), S. 110 Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 10 Psychosoziale Folgen der Glücksspielsucht Verarmung und Verschuldung Zerrüttung von Partnerschaft und Familie Erschöpfung und Motivationsverlust, Konzentrations- und Leistungsmängel Beschaffungsdelinqenz Verlust des Arbeitsplatzes und der Wohnung (Betrug, Diebstahl, Veruntreuung, Fälschung, Unterschlagung) Suizidalität Persönlichkeitsveränderungen Gefahr des zusätzlichen Substanzgebrauchs Emotionale Belastung, Depressionen Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord (Stimmungslabilität, Selbstverachtung, Antriebsverlust, mangelnde Kritikfähigkeit, Denkverzerrungen, Misstrauen) 11 Beratungs- und Behandlungsangebote und Selbsthilfe für Glücksspielabhängige in Bremen • Bremer Fachstelle Glücksspielsucht, 2 Standorte: o Standort Bremen-Mitte: Carsten Rautenberg Bürgermeister-Smidt-Str. 35 o Standort Bremen-Nord: Katja Sobotta Aumunder Heerweg 83/85 • Suchtberatung der Caritas Bremen • Ambulante Rehabilitation im Psychiatrischen Behandlungszentrum Bremen-Nord • Selbsthilfegruppe „Gemeinsam gegen Glücksspielsucht“ („GGG“) in Bremen-Nord • Selbsthilfegruppe „Anonyme Spieler“ in Bremen-Mitte • Selbsthilfegruppe für Angehörige in Bremen-Mitte Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 12 Der Weg in die Beratung: bis zum Schluss ein Glücksspiel Aus: Meyer & Bachmann (2005), S. 134 Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 13 Bremer Fachstelle Glücksspielsucht Einzel-, Paar- und Gruppengespräche Geld- und Schuldenmanagement Beratung von Angehörigen Vermittlung in stationäre Rehabilitation mit anschließender ambulanter Nachsorge Beantragung von ambulanter Rehabilitation Zusammenarbeit/Vermittlung in andere Institutionen (z. B. Schuldnerberatung, Selbsthilfegruppen) Infoveranstaltungen zum Thema Glücksspielsucht Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 14 Organisationsstruktur der BFG Leitung Prof. Dr. Gerhard Meyer Universität Bremen Beratung Forschung Dipl.-Psych. Tobias Hayer Universität Bremen Dipl.-Soz.arb. Carsten Rautenberg Drogenhilfezentrum BremenMitte Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord Beratung/Behandlung Dipl.-Psych. Katja Sobotta Psychiatr. Behandlungszentrum Bremen-Nord 15 Beratung von Pathologischen Glücksspielern • Erste Kontaktaufnahme: Wer meldet sich wie? Was passiert dann? • Abstinenz noch nicht unbedingt gesichert • Diagnosestellung, Feststellung Schweregrad und Ausmaß des Problems mit dem Glücksspielen • Motivationsphase: 6 Stufen des Motivationsprozesses nach Feuerlein (1989) • Welche Probleme können auftreten? Hohe Fluktuationen, Ambivalenz, Abbrüche • Vorbereitung, Antragstellung, Weiterbehandlung Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 16 Beratung von Pathologischen Glücksspielern: Motivationsziele 6 Stufen des Motivationsprozesses bei substanz-gebundenen Süchten nach Feuerlein (1989), übertragen auf pathologisches Glücksspiel: 1. 2. 3. 4. 5. 6. Erkennen, dass sich etwas an der gegenwärtigen Situation ändern muss: „So geht es mit mir nicht mehr weiter.“ Eingeständnis der eigenen Hilfsbedürftigkeit: „Ich schaffe es nicht mehr allein, ich brauche Hilfe.“ Akzeptieren der angebotenen Hilfe: „Nachdem ich mich ausreichend informiert habe, nehme ich die Hilfe an, lasse ich mir helfen.“ Akzeptanz der Spielsucht: „Es ist wichtig für mich, dass ich akzeptieren lerne, spielsüchtig zu sein.“ Anerkennung des Abstinenzzieles: „Ich möchte auf alle Spiele um Geld verzichten und auf Spiele mit ähnlichen Wirkungsmustern, die einen Rückfall provozieren.“ Anerkennung des Zieles der grundsätzlichen Verhaltensänderung: „Ich muss mein Leben anders gestalten, um abstinent zu sein.“ Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 17 Beratungs- und Kontaktphase Kontaktaufbau Förderung von Krankheitsverständnis und Krankheitsakzeptanz Aufbau und Festigung der Veränderungsmotivation und Fördern der Motivation zur Glücksspiel-abstinenz Aufzeigen von Alternativverhalten Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 18 Kontaktaufbau Anliegen des Klienten ernst nehmen Klärung der Rahmenbedingungen, Verständnis für Fehler und Rückfälle in altes Verhalten signalisieren Eigenverantwortung der Spielers stärken Ratschläge als Angebot formulieren bzw. um Erlaubnis fragen, Ratschlag zu äußern Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 19 Förderung von Krankheitsverständnis und -akzeptanz Informationen zum Störungsbild Glücksspielsucht geben Diagnostik Phasenverlauf, Suchtentwicklung Kontrollverlust Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 20 Motivierung zur Veränderung und zur Glücksspielabstinenz Rücken des Spielverhaltens in den Mittelpunkt Vor- und Nachteile der Glücksspielsucht (Aufhören – Weiterspielen) kurz- und langfristige Vor- und Nachteile des Spielens Gründe benennen, warum der Betroffene aufhören will zu spielen. Klare Ziele formulieren, die der Betroffene im Zuge der Abstinenz erreichen will. Veränderungsskeptische Haltung einnehmen als Berater – der Klient nennt dann Pro-Argumente für Veränderung Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 21 Aufzeigen von Alternativverhalten Anknüpfen an Ressourcen: Hobbys und Freundschaften zurück erobern, Zeit füllen mit anderen Aktivitäten, sich etwas Gutes tun Gab es spielfreie Phasen? Was war da anders/ hilfreich? Konkrete Strategie entwickeln, um mit dem aufkommenden „Spieldruck“ umzugehen. Wenn kann der Betroffene z.B. anrufen, was kann er tun, wenn das Verlangen größer wird? „Hintertüren“ zu machen: Angehörige bitten, dem Betroffenen kein Geld mehr zu leihen. Wo kann der Betroffene immer noch an Geld kommen? Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 22 Besonderheiten in der Betreuung von Glücksspielern • Häufig hohe Krankheitsakzeptanz • Selbstdefinition als abhängig oder süchtig • Demonstrieren oft hohe Problemeinsicht (der Beste sein wollen) • Wissen oft schon viel • Stellen manchmal die Kompetenz von Beratern/ Therapeuten in Frage • Anbieten von Scheinproblemen, Überspielen von schambesetzten Themen • Vorherige Schuldnerberatung kann sich ungünstig auf die Veränderungsmotivation auswirken (=> das drängendste Problem ist erstmal gelöst) • Wichtige Themen: Geldmanagement, Suizidalität Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 23 Was kann der Betroffene in Bezug auf die Schuldensituation kurzfristig tun? • Haushaltsplan (Gegenüberstellung der Einnahmen und Ausgaben) • Angehörige in die Beratung einbeziehen - Selbstschutzmaßnahmen - Taschengeld (-Konto) • Kein Geld leihen (Angehörige – Betroffene) • Vorübergehender Vertrag - Schulden regulieren, Rückzahlungen tätigen - gleichzeitig sich etwas gönnen bzw. sparen • Ggf. rechtliche Betreuung (Bereich: Finanzen) oder Rechtsanwalt • Öffnen der Briefe und Ordnen der Forderungen (Gläubiger) • Aufsuchen einer Schuldnerberatung, mit deren Unterstützung dann Gläubiger angeschrieben werden können (Stundung, Ratenzahlungsvereinbarung etc.) Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 24 Ein guter Vorsatz ist schnell vergessen… Aus: Meyer & Bachmann (2005), S. 41 Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 25 Kognitive Verzerrungen I • Fehleinschätzungen und Trugschlüsse wie z. B. abergläubisches Denken und Handeln scheinen bei pathologischen Glücksspielern verstärkt aufzutreten. Sie sind der Überzeugung, über bestimmte Verhaltensweisen den Spielablauf maßgeblich beeinflussen zu können. • KV dienen somit der Aufrechterhaltung des Spielverhaltens und der Rechtfertigung des Weiterspielens ungeachtet großer Verluste. • Gesetze der Wahrscheinlichkeitstheorie und logische Überlegungen werden in nicht angemessener Weise aufgrund der KV berücksichtigt. Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 26 Kognitive Verzerrungen II Auswahl am Beispiel von Geldspielautomaten Fast-Gewinne: Das Eintreffen von vier statt fünf Gewinnsymbolen legt das Eintreffen eines bevorstehenden Gewinns nahe. Tatsächliche Verluste werden als FastGewinne erlebt und fördern das Weiterspielen. Kontrollillusion: Das Drücken der Start- und Stopptasten legt nahe, den Spielausgang beeinflussen zu können. Glücksspielende unterliegen der Illusion, über best. Kompetenzen (Geschicklichkeit, Schnelligkeit) die Gewinnchancen zu erhöhen. Eingenommensein / Gefangensein: Glücksspielenden fällt es schwer, nach dem Einsatz eines best. Geldbetrages nicht mehr an diesem Automaten zu spielen, da sie befürchten, dass unmittelbar danach ein Gewinn fällig sein könnte. Abergläubisches Denken und Handeln: Einige Glücksspielende glauben daran, dass die offen stehende Tür einer Spielhalle oder eine gewisse Gemütsverfassung ein eindeutiges Zeichen für eine bevorstehende Glückssträhne darstellt. Fehlinterpretation von Wahrscheinlichkeiten: Beim Automa-tenroulette führt die kontinuierliche Veröffentlichung von Zahlen- und Farbabfolgen der vergangenen Spielrunden (Permanenzen) dazu , dass Glücksspielende fernab der tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten best. Gesetzmäßigkeiten und Muster vermuten und ihr Spielverhalten daran ausrichten. Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 27 Kognitive Verzerrungen III Handlungsempfehlungen in Beratung und Therapie Thema nur aufgreifen, wenn es wiederholt vom Glücksspielenden angesprochen wird. Thema eher nicht im Erstgespräch vertiefen! Gefahr der Grundsatzdiskussion. Zudem begibt sich Berater auf Spezialgebiet des Glücksspielen, dem er nicht gewachsen sein könnte. Fokussieren auf KV kann aber auch dem Beziehungsaufbau dienen und helfen, den Einstieg zu anderen Themen zu finden. Es bietet Möglichkeit zur emotionalen Entlastung für den Betroffenen, wenn KV als allgemeinpsychologisches Phänomen dargestellt wird. Konkrete Tipps zur „Realitätsprüfung“ von KV: • • • • Reflexion der Verluste, Gegenüberstellung: KV vs. Verluste Protokoll über Spieltage führen und Tendenzen identifizieren Ermittlung des ursprünglichen Beginns der „Spielerkarriere“ Teufelskreis des wiederholten Spiels aufzeigen Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 28 Motivationsphase • Zur Weitervermittlung in langfristige suchttherapeutische Hilfen (Suchtrehamaßnahmen, Selbsthilfegruppen, betreutes Wohnen) • Zur Vorbereitung auf eine stationäre oder ambulante Rehabilitation • Weiterlaufen der Beratung in Einzelkontakten (individuell nach Bedarf) • Antragstellung wird gemeinsam ausgeführt (Formulare der Kostenträger, Erstellung Sozialbericht inklusive der Ziele) nach verlässlicher Gruppenteilnahme (etwa nach 6 Terminen) • Parallel Besuch der Motivationsgruppe = offenes Behandlungs- und Informationsangebot für Menschen mit einer Suchtproblematik aus den Bereichen Alkohol, Medikamente und Glücksspiel, die sich über Bewältigungsmöglichkeiten und weiterführende Behandlungsangebote informieren möchten • Voraussetzungen für (auf 6 Monate begrenzte) Teilnahme an Motivationsgruppe sind Überweisung von Haus- oder Facharzt Regelmäßiges Erscheinen Nüchterne Gruppenteilnahme Schweigepflicht nach außen Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 29 Therapie von Pathologischen Glücksspielern • Stationäre Rehabilitation in einer Fachklinik • Ambulante Rehabilitation Abhängigkeitserkrankter • Ambulante Nachsorge nach stationärer Rehabilitation • Ziele: Motivation fördern und stärken Anknüpfen an Ressourcen (weniger Verharren in Defizitdenken) Alternativen zum Suchtverhalten, neue Lebensperspektiven Aufarbeitung der Hintergründe und Ursachen Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 30 Ambulante Rehabilitation Glücksspielsüchtiger im BHZ Bremen-Nord • • • • • Wird auch Entwöhnungstherapie genannt Dauer 1 Jahr bzw. 52 Wochen, berufsbegleitend in den Abendstunden 2 Gruppensitzungen pro Woche (Mo und Do 17 - 18.40 Uhr), gemischte Gruppen Einzelgespräche Angehörigengespräche • Ziel = Entwickeln von Abstinenzfähigkeit und Erarbeiten von dauerhafter Abstinenzmotivation • Aushalten unangenehmer emotionaler Zustände Höhere Affekttoleranz Stärkung des Selbstbewusstseins Stärkung der Abstinenzfähigkeit Voraussetzungen sind Stabile soziale Umgebung Vorbereitende Teilnahme an Motivationsgruppe Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Sucht Wunsch, in Zukunft abstinent leben zu wollen Möglichkeit der verbindlichen Teilnahme Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 31 Ambulante Rehabilitation Glücksspielsüchtiger im BHZ Bremen-Nord II • Phasenmodell: Eingewöhnungsphase (4-6 Wochen) mit Abschluss Reha-Vertrag, Durchführung Aufnahmeuntersuchungen, Therapieplanung, evtl. verstärkter Einzeltherapie) Haupttherapiephase (8 Monate) Ablösephase (4-6 Wochen) mit schrittweiser Abnabelung, reduzierter Frequenz der Angebote, abschließenden Untersuchungen, Verabschiedung • „Montagsgruppe“ = themenzentrierte Gruppe zur Vermeidung von Rückfällen und zum besseren Umgang mit Stress (kognitivverhaltenstherapeutisch orientiert); psychoedukative Einheiten • „Donnerstagsgruppe“ = interaktionelle, beziehungstherapeutische Gruppe (Befindlichkeitsrunden, Rollenspiele, Dialog, Beispiele, Spiegeln, Feedback etc.) ohne Themenvorgabe • Medizinische, psychosoziale und testpsychologische Therapieplanung (Aufnahmegespräche) • Paralleler Besuch einer Selbsthilfegruppe empfehlenswert • Gruppenfaktoren: Wichtig in der Therapie zu schauen, dass die Menschen etwas miteinander bzw. füreinander machen. Unerträgliche Situationen werden erträglich, wenn man sie zusammen macht. Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 32 Strukturelle Vorgaben und Rahmenbedingungen in der Ambulanten Rehabilitation • • • • Krisen und Rückfälle werden in der Gruppe bearbeitet und von selbst angesprochen. Von einem Rückfall ins Glücksspielverhalten sprechen wir, wenn um Einsätze gespielt wird bzw. Glücksspielautomaten betätigt werden. Während der gesamten Therapiedauer sind folgende Spiele für pathologische Spieler nicht erlaubt: - Spiele an Automaten wie z. B. Geldspielautomaten, Dart-Automaten, Flipper und Videospiele - Casinospiele wie Roulette, Black Jack, Bakkarat - Kartenspiele wie Skat, Pokern, Rommée - Würfelspiele wie Kniffel, Chicago, Zehntausend etc. - Wettspiele wie Lotto, Sportwetten und persönliche Wetten - Billard, Dart und Bowling - Spiele an PC, Internet, Handy, Spielekonsolen etc. sowie das Ansehen von Glücksspielsendungen im Fernsehen - Zusätzlich ggf. individuell abgestimmte Therapievereinbarungen Während der gesamten Dauer der Reha ist die Einnahme von Alkohol, nicht verordneten Medikamenten und Drogen nicht gestattet. Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 33 Therapiebausteine für Pathologisches Glücksspiel Schaffung einer Therapiemotivation und Förderung von Veränderungsbereitschaft, Stoppen des Glücksspielverhaltens sowie Stabilisierung der Abstinenz Entwickeln von Fertigkeiten der Lebensbewältigung im Sinne umfassender Rückfallprävention • • • • Training der Problemlösefertigkeiten Aufbau alternativer Aktivitäten Training sozialer Kompetenzen Konkretes Rückfallprophylaxetraining Behandlung der sekundären (psychischen und körperlichen) Störungen Auseinandersetzung mit den individuellen Ursachen der Krankheitsentwicklung, Ableitung von Änderungen Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 34 Problemlösetraining • Geldmanagement • Schuldenmanagement • Erarbeiten des Zusammenhangs zwischen verminderter Problemlösefähigkeit und Glücksspielverhalten • Kognitives Arbeiten • 5-Schritte-Methode (1. Beschreibung des Problems, 2. Erarbeiten von Lösungsmöglichkeiten, 3. Bewertung und Auswahl einer Lösung, 4. Ausprobieren der Lösung, 5. Überprüfen des Erfolgs) Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 35 Aufbau alternativen Verhaltens • Förderung bzw. Aufbau von glücksspielunabhängigem Verhalten, mit dem z.B. auch Stress positiv bewältigt werden kann. • Positive Erfahrungen schaffen, Wochenplanung • Erlernen von adäquaten Stressverarbeitungs-strategien • Körperliche Aktivitäten • Entspannung (PMR, AT, Yoga etc.) • Selbtfürsorge/Selbstbelohnung: Genuss; den Alltag angenehm gestalten • Persönliche Lebensgestaltung: z.B. Energieverteilungs-kuchen (vor Beginn der Behandlung, jetzt, später) Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 36 Training sozialer Kompetenzen • Diskussion des Zusammenhangs zwischen mangelnder sozialer Kompetenz und Glücksspielteilnahme • Nachstellen realer Situationen in Rollenspielen • Einüben verbaler und non-verbaler kommunikativer Fertigkeiten • Erfahrungen sozialer Interaktion in der Gruppe • Erhalten von Rückmeldung • Selbstbehauptung, z. B. Ablehntraining Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 37 Rückfallprophylaxe I • Herausarbeiten und erkennen lernen von individuellen rückfallriskanten Situationen, Gedanken und Gefühlen: kritische Lebenssituationen konkrete Risikosituationen fehlende Bewältigungsstrategien Risikoreiche Hinweisreize, Warnzeichen und erlernte innere und äußere Auslösesituationen (z. B. Anblick der Automaten, Hören akustischer Signale, Erinnern von Glücksspielerfahrungen, innere Unruhe, verfügbares Geld, unstrukturierte Freizeit oder Langeweile) Tagebuch des Gücksspielverlangens • Suchtspezifische Grundannahmen und Wünsche, z. B. „Wenn ich spiele, vergesse ich alles um mich herum.“ „Wenn ich gewinne, dann erhalte ich Anerkennung von anderen.“ „Wenn ich spiele, habe ich alles unter Kontrolle.“ • Automatische und erlaubniserteilende Gedanken erkennen, hinterfragen und verändern (z. B. mit Hilfe des Tagesprotokolls negativer Gedanken nach Beck) Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 38 Rückfallprophylaxe II • Alternative Ablenkungen bei Verlangen nach Glücksspiel suchen, z. B. gezielt durch Ablenkung wie Sport, Singen, Telefonieren u.ä. durch umgehendes Entfernen aus der kritischen Situation durch positive Problemlöseversuche durch konsequentes Nein-Sagen und Ablehnen von Angeboten • Expositionsübungen, Ablehnungstraining • Behandlung der kognitiven Verzerrungen • Vermindern des Spieldrucks durch gezielte Ablenkungstechnik, um Aufmerksamkeit von inneren auf äußere Reize zu verlagern mit Hilfe von Merkkärtchen, sog. „Notfallkärtchen“ (mit konkreten Vorteilen der Abstinenz, Nachteilen durch wiederholtes Glücksspielen, konkreten Selbstinstruktionen, Telefonnummern etc.) Durch Gedankenstopptechniken • Motivation zur Teilnahme an Selbsthilfegruppen Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 39 Behandlung der individualspezifischen Hintergründe • Selbstkontrolltechniken wie Selbstbeobachtung und Stimuluskontrolle • Identifizierung der mit dem Glücksspiel assoziierten internalen und externalen Reize, die Verlangen auslösen • Identifizierung und Aufarbeitung der jeweils individuellen Funktionen des pathologischen Glücksspiels: persönliche Suchtlinie als Hilfe dabei • Kognitive Bausteine (kognitives Umstrukturieren, Modifikation glücksspielbezogener Überzeugungen und Erwartungen) • Aufbau eines positiven Selbstkonzepts • Stärken/Ressourcen: Abstinenzbericht (Was anders gemacht? ), Stärkenliste Katja Sobotta - BHZ Bremen-Nord 40 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 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