Neueste Entwicklungen in Bauträgerfällen

WIRTSCHAFT UND RECHT
W 014/2016 vom 11.02.2016
Umsatzsteuer - Neueste Entwicklungen in Bauträgerfällen
Mit Rundschreiben W 095/2015 vom 26.11.2015 und W 005/2016 vom
28.01.2016 hatten wir Sie über Umsatzsteuernachforderungen in sogenannten Bauträgerfällen informiert (siehe Skizze):
I. Rückblick
Bauträger sind nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes aus dem Jahr
2013 nicht als Bauleistende anzusehen. Deshalb gelten für sie nicht die
Regeln der umgekehrten Steuerschuldnerschaft. Sind in der Vergangenheit der Bauunternehmer und der Bauträger von einer Steuerschuldnerschaft des Bauträgers, bei Leistungserbringung durch den
Bauunternehmer, ausgegangen, so kann der Bauträger seine an das
Finanzamt gezahlte Umsatzsteuer zurückverlangen (3.). Tut er dies, so
wird das Finanzamt die entsprechende Umsatzsteuer gegenüber dem
Bauunternehmer nachträglich festsetzen (4.).
Gegen diese nachträgliche Inanspruchnahme durch die Finanzverwaltung richteten sich im vergangenen Jahr sieben Verfahren vor Finanzgerichten im vorläufigen Rechtschutz. Die Bauunternehmen argumentierten, hierbei handele es sich um eine verbotene nachträgliche Änderung der Steuerschuld zu ihren Ungunsten, gemäß § 176 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Das heißt, Bauunternehmer müssten sich darauf verlassen können, dass sie nicht nachträglich zum Umsatzsteuerschuldner
werden würden (Prinzip des Vertrauensschutzes). Eine Regelung die
dies anordne sei verfassungswidrig.Neben einem Klageverfahren kann
der Bauunternehmer jedoch auch von der „Abtretungsregel“ (siehe § 27
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Abs. 19 UStG) Gebrauch machen, um einer Zahlung der Umsatzsteuer
zu entgehen.
II. Beschluss des Bundesfinanzhofes
Der Bundesfinanzhof hat im Wege einer vorläufigen Entscheidung vom
17.12.2015 (veröffentlicht am 28.01.2016) erklärt, dass die Steuerfestsetzung des Finanzamtes gegen den Bauunternehmer (4.) im Augenblick nicht durchgesetzt werden kann (Anlage 1).
Es müsse zunächst ein Klageverfahren abgewartet werden, in dem die
Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung eindeutig geklärt werde. Kommt
ein Gericht im Klageverfahren zu dem Ergebnis, dass die derzeitige Regelung gegen die Verfassung verstößt, muss es das Verfahren aussetzten und die Sache dem Bundesverfassungsgericht vorlegen. Dieser hier
angedeutete Verfahrensgang kann leicht mehrere Jahre betragen. Dabei ist zu beachten, dass der Bundesfinanzhof durch seinen Beschluss
keine Aussage in der Sache getroffen hat. Die Tatsache, dass das Finanzamt nach der Sicht des Bundesfinanzhofes den Steueranspruch
nicht sofort durchsetzen kann, lässt keine Rückschlüsse auf die Frage
zu, ob der Bundesfinanzhof den Bedenken des Bauunternehmens zustimmt oder nicht (siehe Rn. 30 - 32 der Anlage 1). Insofern verbleiben
weiterhin Rechtsunsicherheiten für Bauunternehmen, welche gegen die
Steuerfestsetzung des Finanzamtes in Bauträgerfällen den Klageweg
bestreiten.
III. Endurteil des Finanzgerichts Niedersachsen
Das Finanzgericht Niedersachsen wies als erstes Gericht mit endgültigem Urteil vom 29.10.2015 (veröffentlicht am 27.01.2016) die Einwände
des klagenden Bauunternehmers zurück (Anlage 2). Das heißt, das Finanzgericht Niedersachsen erachtet die Steuerfestsetzung gegen den
Bauunternehmer nach eingehender Prüfung als rechtmäßig; der Vertrauensschutz des Bauunternehmers sei, aufgrund der Möglichkeit zur
Abtretung des Anspruches gegen den Bauträger, nicht verletzt.
Bei der Regelung, die dem Finanzamt die nachträgliche Festsetzung
der Umsatzsteuer ermögliche (§ 27 Abs. 19 UStG), handele es sich
nicht um eine echte (unzulässige) Rückwirkung. Der Bauunternehmer
habe die Möglichkeit seinen zivilrechtlichen Anspruch auf Zahlung der
Umsatzsteuer an das Finanzamt abzutreten. Durch diese Abtretung
würde die Angelegenheit für den Bauunternehmer zu einem „Nullsummenspiel“, denn er müsste tatsächlich keine Zahlung leisten. Erforderlich sei nur, dass
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der Bauunternehmer eine geänderte Rechnung erstelle (Bruttorechnung),
die Abtretung an das Finanzamt wirksam sei,
dem Bauträger die Abtretung angezeigt werde,
der Bauunternehmer einer Mitwirkungspflicht nachkomme.
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Insofern würden dem Bauunternehmer durch die nachträgliche Festsetzung keine Nachteile erwachsen, zumal das Finanzamt eine angebotene Abtretung grundsätzlich annehmen müsse und damit zum Beispiel
das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Bauträgers auf die Finanzverwaltung übergehe. Der Bauunternehmer würde auch nicht mit Zinsen
belastet, da der Zinslauf erst 15 Monate nach dem Erstattungsbegehren
des Bauträgers beginne. Insofern sei der Bauunternehmer durch die
nachträgliche Umsatzsteuerfestsetzung nicht unverhältnismäßig benachteiligt.
Um einen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegen den Bauträger an das Finanzamt abtreten zu können, ist wichtig, dass dieser noch
nicht verjährt ist. Nach Ansicht des Finanzgerichts Niedersachsen trete
die Verjährung dieses Anspruches Ende 2017 ein.
Gegen das Urteil wurde die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Es ist daher nicht unwahrscheinlich, dass das Urteil von dem höchsten
deutschen Finanzgericht bestätigt werden muss. Sollte der Bundesfinanzhof eine andere Rechtsauffassung als das Finanzgericht Niedersachsen vertreten, müsste er das Verfahren aussetzen und die Sache
an das Bundesverfassungsgericht verweisen.
Sollte das Urteil in dieser Form vor dem Bundesfinanzhof Bestand haben, müssten Bauunternehmen, die von der Abtretungsregel Gebrauch
machen wollen, sicherstellen, dass der Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegenüber dem Bauträger bis spätestens 31. Dezember
2017 durch geänderte Bruttorechnung geltend gemacht und an das Finanzamt abgetreten wird.
IV. Weitere Verfahren vor Finanzgerichten im vorläufigen Rechtschutz
Neben den bisher bekannten Verfahren vor Finanzgerichten haben in
der Zwischenzeit auch das Finanzgericht Hessen und Sachsen (Anlagen 3 und 4) in Bauträgerfällen entschieden. Beide Gerichte teilen nach
einer vorläufigen Prüfung die Auffassung des Finanzgerichts Niedersachsen. Das heißt, die Steuerfestsetzung des Finanzamtes gegen den
Bauunternehmer wird als rechtmäßig erachtet. Der Überblick über die
einzelnen Gerichtsentscheidungen in Bauträgerfällen stellt sich im Augenblick wie folgt dar:
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V. Zusammenfassung
Das höchste deutsche Finanzgericht hat in seinem Beschluss weder die
Rechtsansicht des Bauunternehmers, noch die des Finanzamtes bestätigt. Der Beschluss hindert lediglich die sofortige Vollziehung der Steuerfestsetzung, enthält aber keine inhaltliche Würdigung des Sachverhaltes.
Dagegen hält das Finanzgericht Niedersachen die Klage des Bauunternehmers inhaltlich für unbegründet. Ebenso entschieden aktuell die Finanzgerichte Hessen und Sachsen in vorläufigen Verfahren.
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass sich die Erfolgsaussichten einer
Klage von Bauunternehmen gegen die Umsatzsteuerfestsetzung in
Bauträgerfällen nicht verbessert haben. Letztlich ist Voraussetzung für
ein Obsiegen des Bauunternehmers, dass das Bundesverfassungsgericht die nachträgliche Umsatzsteuerfestsetzung als verfassungswidrig
einstuft. Genau diese Verfassungswidrigkeit hat das Finanzgericht Niedersachsen jedoch erstinstanzlich verneint. Ob Revision vor dem Bundesfinanzhof eingelegt wird und ob der Bundesfinanzhof in diesem Fall
von der Rechtsansicht des Finanzgerichts Niedersachsen abweicht (d.h.
Vorlage beim Bundesverfassungsgericht) ist zumindest fraglich. Insofern ist Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzung weiterhin mit vielen
Ungewissheiten behaftet.
Daher erscheint die Abtretungsregelung weiterhin mit weniger Risiken
verbunden zu sein
Anlagen
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