KOMMISSION

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
Nr. L 80/26
27. 3 . 90
II
(Nicht veröffentlichungsbedürftige Rechtsakte)
KOMMISSION
EMPFEHLUNG DER KOMMISSION
vom 21 . Februar 1990
zum Schutz der Bevölkerung vor Radonexposition innerhalb von Gebäuden
(90/ 1 43/Euratom)
DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN
II
GEMEINSCHAFTEN —
gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen
Atomgemeinschaft, insbesondere auf Artikel 33 Absatz 2,
nach Anhörung der vom Ausschuß für Wissenschaft und
Technik gemäß Artikel 31 des Vertrages benannten
Sachverständigengruppe,
in Erwägung nachstehender Gründe :
I
In zahlreichen Mitgliedstaaten wächst das Bewußtsein für
die Bedeutung der Radonexposition der Bevölkerung in
Wohnräumen. In einigen Ländern wurden bereits
Maßnahmen
geplant.
zur
Dosisüberwachung
ergriffen
oder
Es ist Aufgabe der Kommission, die Bestimmungen der
Mitgliedstaaten für die Anwendung der Grundnormen für
den Gesundheitsschutz der Bevölkerung gegen die
Gefahren ionisierendet Strahlungen zu harmonisieren.
Die Kommission hat daher die Sachverständigengruppe
nach Artikel 31 des Vertrages aufgefordert, sich mit dieser
Frage zu befassen und Vorschläge für geeignete
Maßnahmen zu erarbeiten .
Die Gruppe hat ihren Bericht der Kommission vorgelegt.
Darauf beruht diese Empfehlung.
Diese Empfehlung greift dem Ergebnis der laufenden
Arbeiten der Kommission im Hinblick auf ein Gesamt­
konzept für die Probleme der Verunreinigung in
Gebäuden nicht vor.
Radon ist ein natürliches radioaktives Gas, sein wichtig­
stes Isotop Radon-222 mit einer Halbwertzeit von 3,82
Tagen. Radon gehört zu der Uranium-238 Zerfallsreihe
und tritt hauptsächlich zusammen mit Spuren seines
unmittelbaren Mutternuklids Radium-226 in Gesteinen
und Böden auf. Die Radonkonzentration in Gebäuden
beruht hauptsächlich auf Bodengas, das aufgrund von
Druck- oder Konzentrationsausgleich durch die
Fußböden in die Gebäude eindringt ; in den meisten
Ländern ist der durch Baumaterialien bedingte Anteil von
Radon, ausgenommen in besonderen Fällen, vergleichs­
weise gering.
Neuere Untersuchungen in den Mitgliedstaaten haben
durchschnittliche Konzentrationen in Gebäuden von etwa
20 bis 50 Bq/m3 ergeben, wobei die üblichen Außenwerte
eine Größenordnung niedriger lagen. Bezeichnend für die
Radonwerte in Wohnräumen ist im Vergleich mit
anderen Arten natürlicher Strahlungen ihre Veränderlich­
keit ; in zahlreichen Ländern liegen die Radonwerte in
einigen Wohnräumen mehr als eine Größenordnung über
dem Durchschnitt.
Bei der Inhalation von Radongas ist die empfangene
Dosis verglichen mit der entsprechenden Dosis der kurz­
lebigen radioaktiven Tochternukliden, den Polonium-,
Blei- und Wismut-Isotopen, gering. Bei einer Inhalation
lagern sich diese auf den Oberflächen des menschlichen
Respirationstrakts ab, wobei die höchsten Dosen durch
die Bestrahlung des Bronchialepithels mit Alphastrahlung
erreicht werden. Eine Arbeitsgruppe der Internationalen
Strahlenschutzkommission (ICRP), die sich mit dem
Lungenkrebsrisiko durch die Exposition gegenüber
Radon-Tochternukliden in geschlossenen Räumen
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beschäftigt hatte, veröffentlichte 1987 einen Bericht (')
über die ermittelten Dosen. Ausgehend von gängigen
Angesichts der besonderen Problemstellung ist die Unter­
Expositionsmodellen wurde dabei ein Umrechnungsver­
hältnis zwischen der zeitlich gemittelten Aktivitätskon­
die Kontrollierbarkeit der Exposition zu verbessern und
eine positive Reaktion der Bevölkerung zu erzielen —
richtung der Öffentlichkeit ein wesentliches Element, um
zentration von Radongas und der jährlichen effektiven
Äquivalentdosis für die Exposition von Einzelpersonen
der Bevölkerung in Wohnräumen von etwa 20 Bq/m3 je
mSv pro Jahr angenommen. Danach liegt die jährliche
Dosis
in
Wohnräumen
innerhalb
der Gemeinschaft
üblicherweise zwischen 1 und 2,5 mSv, wobei ein geringer
Prozentsatz der Bevölkerung in einigen Ländern mehr als
20 mSv pro Jahr empfängt. Für die Exposition von
Einzelpersonen der Bevölkerung gegenüber künstlichen
Strahlungen liegt der nach den EG-Grundnormen (2)
geltende Dosisgrenzwert im Vergleich dazu bei 5 mSv pro
Jahr.
Die Radonexposition ist kein neues Phänomen, und
epidemiologische
Untersuchungen
verschiedener
Gruppen von Bergleuten, die am Arbeitsplatz erhöhten
Radonkonzentrationen ausgesetzt waren, haben eine über­
durchschnittliche Sterblichkeitsrate aufgrund : von
Lungenkrebs ergeben. Da im Augenblick keine gesi­
cherten Nachweise über die Auswirkungen einer Radon­
exposition innerhalb von Gebäuden auf die allgemneine
Bevölkerung vorliegen, ist es nach Auffassung der
Kommission angesichts der vorliegenden Erkenntnisse
angeraten, Empfehlungen für die Begrenzung der Radon­
exposition entsprechend den diesbezüglichen Empfeh­
lungen der ICRP (3) auszusprechen.
Zu beachten ist, daß Radon innerhalb von Gebäuden
physikalisch oder technisch gesehen kontrollierbar ist.
Die Kriterien für radiologische Sicherheit würden daher
die Ausarbeitung praktischer Leitlinien für Gegenmaß­
nahmen in bestehenden Wohngebäuden gestatten . Für
künftige Gebäude sind präventive Maßnahmen auf der
Grundlage entsprechender Planungs- und Bauspezifika­
tionen erforderlich. Derartige präventive Maßnahmen
rechtfertigen die Festlegung eines Planungswertes, der im
Vergleich zu dem entsprechenden Referenzwert für
Gegenmaßnahmen in bestehenden Gebäuden niedriger
liegt.
Um sicherzustellen, daß die Radonmessungen innerhalb
von Gebäuden genaue und zuverlässige Daten liefern,
sollten einfache Meßverfahren eingesetzt werden.
Im Hinblick auf eine verstärkte, gemeinschaftsweite
Überwachung der Radonexposition in Wohnräumen hat
die Sachverständigengruppe nach Artikel 31 detaillierte
Leitlinien erarbeitet, die in diese Empfehlung aufge­
nommen wurden und mit den Leitlinien der ICRP über­
einstimmen. Die Empfehlung ist praktisch durchführbar.
(') Lung cancer risks from indoor exposures to radon daughters.
Annals of the ICRP, Band 17, Nr. 1 , 1987, Veröffentlichung
Nr. 50, Pergamon Press.
(2) Richtlinie 80/836/Euratom des Rates vom 15. Juli 1980 zur
Änderung der Richtlinien, mit denen die Grundnormen für
den Gesundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte
gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen festgelegt wur­
den (ABl. Nr. L 246 vom 17. 9. 1988, S. 1 ).
(3) Principles for limiting exposure of the public to natural sour­
GIBT FOLGENDE EMPFEHLUNG :
1.
Zur Verringerung jeglicher Exposition gegenüber
Radon innerhalb von Gebäuden ist ein geeignetes System
zu schaffen. Der angemessenen Unterrichtung der Öffent­
lichkeit und der Reaktion im öffentlichen Bereich ist im
Rahmen dieses Systems besondere Aufmerksamkeit zu
widmen.
2.
Für bestehende Gebäude gilt :
a) Als Kriterium für die Einleitung von Gegenmaß­
nahmen ist ein Referenzwert festzulegen, bei dessen
Überschreitung
einfache,
jedoch
wirkungsvolle
Maßnahmen zur Verringerung der Radonwerte zu
ergreifen sind.
b) Als Referenzwert ist eine effektive Äquivalentdosis von
20 mSv pro Jahr festzulegen, die aus praktischen
Gründen mit einer jährlichen durchschnittlichen
Radongaskonzentration von 400 Bq/m3 gleichgesetzt
werden kann .
c) Die Dringlichkeit von Gegenmaßnahmen ist danach
zu beurteilen, in welcher Höhe dieser Referenzwert
überschritten wurde .
d) Sind Gegenmaßnahmen erforderlich, so ist die betrof­
fene Bevölkerung über die Radonwerte, denen sie
exponiert ist, sowie über die verfügbaren Gegenmaß­
nahmen zur Verringerung dieser Werte zu unter­
richten.
3.
Für zu errichtende Bauten gilt :
a) Ein Planungswert ist von den zuständigen Stellen als
Grundlage für die Festlegung von Bestimmungen,
Normen
oder
Bauleitlinien
in
den
Fällen
zu
verwenden, in denen der Planungswert andernfalls
überschritten werden könnte .
b) Als Planungswert ist eine effektive Äquivalentdosis von
10 mSv pro Jahr festzulegen, die aus praktischen
Gründen mit einer jährlichen durchschnittlichen
Radongaskonzentration von 200 Bq/m3 gleichgesetzt
werden kann.
c) Die mit der Errichtung neuer Gebäude befaßten
Stellen sind, soweit notwendig, über mögliche Radon­
expositionswerte und über mögliche Gegenmaß­
nahmen zu unterrichten .
4. Bei der Festlegung von Gegenmaßnahmen oder
vorbeugenden Maßnahmen ist nach dem Grundsatz der
Optimierung gemäß den EG-Grundnormen (4) zu
handeln .
(4) Mitteilung der Kommission zur Durchführung der Richtlinie
80/836/Euratom des Rates vom 15. Juli 1980 zur Änderung
der Richtlinien, mit denen die Grundnormen für den Ge­
sundheitsschutz der Bevölkerung und der Arbeitskräfte gegen
die Gefahren ionisierender Strahlungen festgelegt wurden, so­
wie der Richtlinie 84/467/Euratom des Rates vom 3. Septem­
ces of radiation . Annals of the ICRP, Band 14, Nr. 1 , 1984,
ber 1984 zur Änderung der Richtlinie 80/836/Euratom (ABl.
Veröffentlichung Nr. 39, Pergamon Press.
Nr. C 347 vom 31 . 12. 1985).
Nr. L 80/28
27. 3 . 90
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
5. Aufgrund der täglichen und jahreszeitlichen
Schwankungen der Radonwerte innerhalb von Gebäuden
sollten Strahlenschutzmaßnahmen im allgemeinen auf
der Grundlage der mit Hilfe integrierender Meßverfahren
ermittelten Jahresdurchschnittswerte von Radongas oder
entsprechenden Zerfallsprodukten in den betreffenden
tiger Expositionsbedingungen könnten für die zugrunde
liegenden Parameter (d. h. Aktivität in Boden und
Baustoffen, Bodendurchlässigkeit usw.) entsprechende
Untersuchungsniveaus herangezogen werden.
Diese Empfehlung ist an alle Mitgliedstaaten gerichtet.
Gebäuden beschlossen werden. Die zuständigen Behörden
haben für eine angemessene Qualität und Zuverlässigkeit
der Messungen zu sorgen.
6.
Es sind Kriterien auszuarbeiten, anhand deren
Regionen, Orte und Gebäudemerkmale bestimmt werden
können, bei denen mit hohen Radonkonzentrationen in
Wohngebäuden zu rechnen ist. Zur Bestimmung derar­
Brüssel, den 21 . Februar 1990
Für die Kommission
Carlo RIPA DI MEANÄ
Mitglied der Kommission