SANITÄRtechnik Hausentwässerung Schmutz- und Grauwasser normgerecht ableiten Teil 1: Installationshinweise zum hausinternen Entwässerungssystem Verstopfte Abwasserleitungen, überlaufende Dachrinnen oder störende Gerüche aus der Dusche oder dem Waschbecken sind von keinem Kunden gern gesehen. Meist liegt die Ursache in einem nicht fachgerecht ausgeführten Entwässerungssystem: Falsch gewählte Bögen, unzulässige Abzweige, eine fehlende Be- und Entlüftung oder gar eine zu klein dimensionierte Leitung. Um solche Mängel zu verhindern, gilt es die geltenden Normen und Richtlinien zu kennen und die Inhalte umzusetzen. Die IKZ-PRAXIS nimmt sich daher in drei Teilen der Hausentwässerung an und liefert darin wichtige Hinweise für den Installationsalltag. Teil 1 geht auf das hausinterne Entwässerungssystem ein. Teil 2 und 3 beschäftigen sich in den kommenden Ausgaben mit der Abfuhr von Regenwasser sowie dem Thema Brand- und Schallschutz in der Entwässerungstechnik. Alle Installationen haben eines gemein: Sie müssen gewisse Kriterien erfüllen, um ihre vollständige Funktion sicherstellen zu können. Das gilt für Trinkwasser- und Heizungssysteme ebenso wie für die Hausentwässerung. Die nötigen Vorgaben liefern Normen und Richtlinien. Im Falle von Entwässerungssystemen sind das hauptsächlich die DIN 1986-100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“. Anforderungen aus der europäischen Norm DIN EN 12056 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden“ sind nur in Ausnahmefällen erforderlich. Ablagerungen und Gerüche vorbeugen Damit liegende Abwasserleitungen sicher funktionieren und leerlaufen können, müssen sie mit ausreichendem Gefälle verlegt werden. Das Mindestgefälle für die liegenden Leitungsbereiche von Hausentwässerungen wird in der DIN 1986-100 angegeben (Tabelle 1). Bei jedem Abflussvorgang werden erhebliche Luftvolumen mitgerissen. Durch Messungen wurde nachgewiesen, dass der erforderliche Luftvolumenstrom das 10- bis 35-Fache des Wasservolumenstroms beträgt. Hier wird klar, um welche Dimensionen es geht. Daher muss grundsätzlich in Deutschland jede Schmutzwasserfallleitung als Lüftungsleitung bis über Dach geführt werden. Der Einsatz von Belüftungsventilen ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Wird die Belüftung des Systems ignoriert, entsteht während des Spülvorgangs ein Unterdruck, der das Leersaugen der Geruchsverschlüsse zur Folge hat. Doch die Lüftungsleitung hat noch eine weitere Funktion: In öffentlichen Abwasserkanälen entstehenden hochtoxische Faulgase, die sicher aus dem Entwässerungssystem abgeführt werTabelle 1: Mindestgefälle von Schmutzwasserleitungen gemäß DIN 1986-100. Anschlussleitungen unbelüftet 1 cm/m = 1,0 % Anschlussleitungen belüftet 0,5 cm/m = 0,5 % Sammelleitungen 0,5 cm/m = 0,5 % Grundleitungen innerhalb des Gebäudegrundrisses 0,5 cm/m = 0,5 % Grundleitungen außerhalb des Gebäudegrundrisses 1 : DN (z. B. DN 200 = 1 : 200 = 0,5 cm/m = 0,5 %) 8 Bild 1: Leitungsbereiche bei Hausentwässerungen. den müssen. Somit dienen sie der Entlüftung der öffentlichen Abwasserkanäle und tragen damit zum vorbeugenden Korrosionsschutz in öffentlichen Abwassernetzen bei. Zur Sicherstellung dieser Aspekte dürfen laut DIN 1986-100, Abschnitt 6.5.1 die Beund Entlüftung einer Schmutz- oder Mischwasserleitung zwischen dem öffentlichen Abwasserkanal und der Lüftungsöffnung über Dach nicht durch Einbauten – z. B. Geruchsverschlüsse – unterbrochen werden1). Das wichtigste zur Leitungsverlegung Bei unzureichender Selbstreinigungsfähigkeit muss erfahrungsgemäß mit Ablagerungen im Entwässerungssystem gerechnet werden. Diese führen zu Abfluss- und Lüftungsbehinderungen und letztlich zu Funktionsstörungen in der Entwässerungsanlage. Daher sind folgende Punkte zwingend zu beachten: 1. Richtungsänderungen von Grund- oder Sammelleitungen dürfen generell nur mit Bögen ≤ 45° ausgeführt werden. Zur besseren Funktion und Reinigung ist dies auch bei Einzel- und Sammelanschlussleitungen empfehlenswert. Hierzu wird in der Regel die Auflösung von 90°-Richtungsänderungen mit zwei 45°-Bögen vorgenommen. 1 ) Weitergehende Informationen zum Thema Be- und Entlüftung von Hausentwässerungen finden sich ab Seite 8 der IKZ-PRAXIS-Ausgabe 5/2014 oder auf www.ikz.de unter dem Suchbegriff „Normgerecht entwässern. IKZ-PRAXIS 12/2015 SANITÄRtechnik Hausentwässerung 2. In liegenden Leitungen dürfen grundsätzlich nur Abzweige ≤ 45° eingebaut werden; Doppelabzweige in liegenden Leitungen sind unzulässig. 3. Die Rohrbefestigungen müssen sicher und fest sein und dürfen die Leitungen und alle Teile oder Elemente des Bauwerks nicht beschädigen. 4. In Sammelanschlussleitungen sollte der Übergang auf andere Nennweiten (exzentrische Reduzierstücke) Bild 2: Scheitelgleichheit eines immer mit Scheitelgleichheit exzentrischen Reduzierstückes. erfolgen (Bild 2). Dies führt zu einer Verbesserung der Luftführung im Scheitelbereich und zur Verminderung von Rückspülungen in den kleineren Rohrdurchmesser der Sammelanschlussleitung. 5. Fallleitungsanschlüsse ≤ DN 70 müssen mit (88 ± 2)°-Abzweigen ausgeführt werden. Bei dieser Konstellation hat sich der 45°-Abzweig als ungünstig erwiesen, da es bei der Anschlussleitung ≤ DN 70 im Bereich der 45°-Umlenkung zur Vollfüllung und somit zum Leersaugen der Geruchsverschlüsse kommt. Zur weiteren Verbesserung der Funktion sollten hydraulisch güns tige Abzweige (88 ± 2)° mit Innenradius oder 45°-Einlaufwinkel eingebaut werden. ●● Fremdeinspülungen sicher verhindern Ein weiteres Problem im Anschlussbereich von Schmutzwasser-Fallleitungen stellen Fremdeinspülungen dar, die wie folgt unterschieden werden: • Direkte Fremdeinspülungen durch gegenüberliegende Anschlussleitungen (Bild 3). • Indirekte Fremdeinspülungen von Schmutzwasser-Fallleitungen in Anschlussleitungen. Gelangt Schmutzwasser durch Fremdeinspülungen bis in fremde Geruchsverschlüsse können einwandfreie hygienische Verhältnisse nicht mehr gewährleistet werden. Um das zu vermeiden, müssen die entsprechenden Konstruktionsvorgaben der DIN 1986-100 beachtet werden. Indirekte Fremdeinspülungen sind bei (88 ± 2)°-Abzweigen, die in vielen Fällen für eine einwandfrei Hydraulik notwendig sind, nicht zu vermeiden. Damit das Fremdwasser zumindest nicht bis in fremde Geruchsverschlüsse gelangen kann, muss das Mindestmaß für den Höhenunterschied (h) zwischen dem Wasser im Geruchsverschluss und der Sohle der Anschlussleitung am Fallleitungsabzweig eingehalten werden (Bild 4). Gemäß DIN 1986-100 Bild 5: Rohre aus Gusseisen weisen im Gegensatz zu Kunststoffrohren eine erheblich geringere Längenausdehnung auf. Bild: Saint-Gobain, HES muss das Maß für den Höhenunterschied (h) ≥ DN der Anschlussleitung betragen. Ausdehnungsverhalten der verschiedenen Rohrmaterialien beachten Abwasserleitungen dehnen sich bei Erwärmung aus und ziehen sich bei Abkühlung zusammen. Diese temperaturbedingten Längenänderungen müssen ausgeglichen werden, da mitunter enorme Schub- und Zugkräfte entstehen, die zu Beschädigungen an den Abwasserleitungen führen können. Größere Längenänderungen gerade verlaufender Abwasserleitungen müssen – z. B. durch Schiebemuffen – kompensiert werden. Die Längenänderung wird nach folgender Formel berechnet: ∆l = l0 ∙ α ∙ ∆υ Formelzeichen: ∆l = Längenänderung in mm. l0 = Länge der Leitung vor der Temperaturerhöhung in m. α = Längenausdehnungszahl in mm/(m ∙ K). ∆υ= Temperaturerhöhung in K. Beispiel: Bei einer 10 m langen Abwasserleitung aus Polypropylen (PP) mit α = 0,15 mm/(m ∙ K) ergibt sich bei einer Temperaturerhöhung von 50 K eine Längenänderung von 75 mm. Daher ist bei der Verlegung ein Dehnungsausgleich erforderlich. Zum Vergleich: Bei Gusseisen mit α = 0,0105 mm/(m ∙ K) ergibt sich unter diesen Bedingungen lediglich eine Längenänderung von 5,25 mm, die in den Verbindungen aufgenommen wird. ■ Autor: Bernd Ishorst, IZEG Informationszentrum Entwässerungstechnik Guss e.V., Bonn Bilder, sofern nicht anders angegeben: IZEG www.izeg.de Bild 3: Direkte Fremdeinspülung. 12/2015 IKZ-PRAXIS Bild 4: Vermeidung von indirekter Fremdeinspülung. 9
© Copyright 2024 ExpyDoc