Rede der Staatssekretärin im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Cornelia Quennet-Thielen, anlässlich der Verleihung der Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2015 am 5. Mai 2015 in Berlin Liebe Frau Dzwonnek, meine sehr verehrten Damen und Herren, und vor allem: sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger! I. Was gibt es Schöneres, als exzellente junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für herausragende Leistungen auszuzeichnen? Ich freue mich daher sehr, Ihnen heute die Heinz Maier-Leibnitz-Preise 2015 überreichen zu dürfen. Frau Ministerin Prof. Dr. Wanka hat mich gebeten, Ihnen, sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger, ihre herzlichen Glückwünsche zu übermitteln. Sie erhalten einen der wichtigsten deutschen Wissenschaftspreise. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Bundesministerium für Bildung und Forschung vergeben den Heinz Maier-Leibnitz-Preis seit fast vier Jahrzehnten gemeinsam, um die herausragenden Leistungen von jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einem frühen Stadium ihrer wissenschaftlichen Karriere zu würdigen. Der Preis soll zugleich Ansporn sein für die zukünftige wissenschaftliche Tätigkeit. Sie, sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger, haben in ihren jeweiligen Fachgebieten – von der Altorientalistik bis zur Werkstoffchemie – Eindrucksvolles geleistet. Sie erforschen, wie Roboter für chirurgische Anwendungen eingesetzt werden können, wie sich das Verhältnis von Staat und Religion auf das gesellschaftliche Zusammenleben auswirkt, wie sich das Gehirn bei Kindern entwickelt oder wie Fernerkundungsdaten und Satellitensensoren so weiterentwickelt werden können, dass künftige Erdbeobachtungsmissionen verbessert werden können. Ich freue mich auf die Würdigungen, die uns Ihre individuellen Talente und Ihre Erkenntnisse vor Augen führen werden. Und ich freue mich besonders, dass wir heute fünf Frauen als Preisträgerinnen feiern können. Diese Art der Nachwuchsförderung sichert eine breitere Basis auch für noch höher dotierte Auszeichnungen. II. Auch wenn es letztlich auf jede einzelne Wissenschaftlerin und jeden einzelnen Wissenschaftler ankommt, auf die erworbenen Kenntnisse und Kompetenzen und die Kreativität des Einzelnen, so brauchen exzellente wissenschaftliche Leistungen doch auch besondere Rahmenbedingungen. Die Bundesregierung investiert daher enorm in den Ausbau und die Weiterentwicklung des deutschen Wissenschaftssystems. Im Jahr 2015 werden rund 15,3 Milliarden Euro für Bildung und Forschung zur Verfügung stehen. Damit steigt der BMBF-Haushalt erneut: Im Vergleich zum Jahr 2014 werden es rund 1,2 Milliarden Euro mehr sein, seit 2005 hat sich der Haushalt verdoppelt (2005: 7,586 Mrd. €; 2015: 15,275 Mrd. €.) Ende 2014 ist es uns gelungen, außerordentlich wichtige Vereinbarungen zu treffen. Die Beschlüsse der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz im Oktober und die daraus resultierenden Vereinbarungen der Bundeskanzlerin und der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sprechen für sich: Mit dem Hochschulpakt, dem Pakt für Forschung und Innovation und der grundsätzlichen Entscheidung, der Exzellenzinitiative eine neue Kooperation von Bund und Ländern für die Förderung der Spitzenforschung folgen zu lassen, werden sich Wissenschaft und Forschung in Deutschland weiter ungebremst entfalten können. Mit der Zustimmung des Bundesrats, Artikel 91b des Grundgesetzes zu ändern, steht die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern mit Blick auf die Hochschulen auf einer neuen Basis und gewinnt an Qualität und Zukunftsfähigkeit. Wir können jetzt erheblich stärker strategisch planen und fragen, welche Vorhaben die Wissenschaft insgesamt voranbringen – und das langfristig. Der Bund übernimmt ab diesem Jahr die volle Finanzierung der Leistungen nach dem BAföG. Damit entlastet er die Länder dauerhaft um jährlich 1,17 Milliarden Euro. Damit können die Länder vieles von dem, was sie fordern, in Eigenregie umsetzen und ihrer Verantwortung für die auskömmliche Grundfinanzierung der Hochschulen gerecht werden. Das Geld ist da, die Länder müssen nun zu ihrem Wort stehen und es nutzen. Auf Bundesebene sind Bildung und Forschung seit Jahren Prioritäten. Verlässliche Rahmenbedingungen, exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und insbesondere hervorragend ausgebildete Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler sind für Deutschlands wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Erfolg entscheidend. 1 III. Der wissenschaftliche Nachwuchs in Deutschland ist sehr gut qualifiziert. Das zeigen nicht zuletzt Ihre Leistungen, sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger, für die wir Sie heute auszeichnen. Die Bundesregierung hat in den letzten Jahren – vielfach gemeinsam mit den Ländern – durch ihre Programme die Rahmenbedingungen für die Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses verbessert. So hat die Exzellenzinitiative mit ihren Graduiertenschulen dazu beigetragen, die Promotionsphase positiv zu beeinflussen und zu verbessern. An zahlreichen Universitäten sind in der Folge übergreifende Strukturen für die Betreuung der Promovierenden entstanden. Das ist ein Beitrag zur Qualitätssteigerung des Promotionsgeschehens in der Breite, der sich mittlerweile von selbst verstehen sollte. Die Bundesregierung unterstützt den Wissenschaftlichen Nachwuchs darüber hinaus auf vielfältige Weise. Genannt seien die Programme des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und der Alexander von Humboldt-Stiftung zur internationalen Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf unterschiedlichen Ebenen sowie der Ausbau der Begabtenförderung. Promovierte haben gute Karrierechancen. Das zeigt sich darin, dass der ganz überwiegenden Mehrheit des Wissenschaftlichen Nachwuchses nach der Promotion der Berufseinstieg gelingt. (10 Jahre nach der dem Studienabschluss sind 89% erwerbstätig, 3% nicht erwerbstätig, 8% in Elternzeit1). Zudem erzielen sie ein überdurchschnittliches Einkommen.2 Problematischer wird das Bild, wenn wir die Karrierewege innerhalb des Wissenschaftssystems betrachten. Dort sind sie nach wie vor zu wenig planbar und transparent. Mit der gewachsenen Zahl an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftlern ist bei den Professuren kein vergleichbarer Aufwuchs einhergegangen. Die Berufung auf eine Professur erfolgt zudem häufig spät, so dass viele in der Zeit der Unsicherheit gute Berufschancen außerhalb der Wissenschaft verpassen. Im Anschluss an die richtigerweise in der Regel befristeten Qualifikationsstellen werden des Weiteren zu wenig reguläre Positionen für forschende und lehrende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterhalb der Professur angeboten. Auch im wissenschaftsunterstützenden Bereich fehlen diese Stellen, obwohl es sich oftmals um Daueraufgaben handelt, die erheblich ressourcenschonender und effektiver durch unbefristete Mitarbeiter erledigt werden könnten. Sie selbst kennen diese Herausforderungen aus eigener Erfahrung. Die Bundesregierung hat auch hier in den letzten Jahren viel investiert. Kolja Briedis, Steffen Jaksztat, Nora Preßler, Ramona Schürmann, Anke Schwarzer: Berufswunsch Wissenschaft? Laufbahnentscheidungen für oder gegen eine wissenschaftliche Karriere, Hannover 2014, S.56. (Daten der DZHW-Absolventenbefragung) 2 Der Median – die Angabe über den höchsten Wert, den 50% der jeweiligen Untersuchungspopulation erreichen – des Nettoeinkommens liegt in der Gesamtbevölkerung bei 1.500 Euro, bei Promovierten aller Altersgruppen dagegen bei 3.600 Euro. Für die Personen im Alter zwischen 35 und 45 Jahren lässt sich das gleiche Verteilungsmuster beobachten. Ein Einkommen von 3.600 Euro und mehr haben 39% der promovierten Beschäftigten dieser Altersgruppe, aber nur 20% der Universitätsabsolventinnen und -absolventen ohne Promotion. (Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2013, S. 260 f). Zugrunde liegt eine Auswertung des Mikrozensus. 1 2 Im Rahmen der Exzellenzinitiative wurden beispielsweise an einigen Universitäten bereits hervorragende Konzepte für Tenure Track-Verfahren eingeführt. Im Pakt für Forschung und Inno3 vation haben sich die großen Wissenschaftsorganisationen mit Bund und Ländern darauf verständigt, „die Besten dauerhaft für die deutsche Wissenschaft (zu) gewinnen“ und vielfältige Programme aufgelegt. Wir haben zudem die Karriereperspektiven von Frauen deutlich gestärkt, im Rahmen der Pakte wie auch des Professorinnenprogramms, das von Bund und Ländern Anfang 2013 verlängert wurde. Was ist darüber hinaus zu tun, um die Karrierewege des wissenschaftlichen Nachwuchses planbarerer, transparenter und verlässlicher zu gestalten? Aus Sicht des BMBF ist eine strukturelle und tendenziell flächendeckende Weiterentwicklung der Karrierewege erforderlich, die auch unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit stärken wird. Der Wissenschaftsrat hat dafür im letzten Jahr ein sehr geeignetes Modell von Karrierezielen und –wegen an Universitäten vorgeschlagen. Dazu gehört einerseits die Einführung des Karrierewegs zur Professur über den Tenure Track und andererseits die Schaffung von Dauerstellen für Daueraufgaben in Forschung, Lehre, Infrastrukturbetreuung, Wissens- und Technologietransfer sowie im wachsenden Bereich des Wissenschaftsmanagements. Für das gesamte Personal sollen zudem die Hochschulen flächendeckend eine gute Personalplanung und -entwicklung etablieren. Die Verantwortlichkeit für die strukturelle Weiterentwicklung der Personalstruktur an den Hochschulen und damit auch für die Umsetzung der Empfehlungen des Wissenschaftsrats liegt auf Grund der föderalen Ordnung bei den Hochschulen und den Ländern. Das sollte auch der neue Art. 91b nicht ändern. Er öffnet die Tür zu mehr und langfristigerer Kooperation auch zu Hochschulen. Aber er macht den Bund nicht zum Grundfinanzierer. Aufgrund der Bedeutung angemessener Karrierestrukturen für das deutsche Wissenschaftssystem und seine internationale Konkurrenzfähigkeit hat sich Frau Ministerin Wanka dennoch entschlossen, mit den Ländern Gespräche über eine gemeinsame Offensive für planbare und transparente Karrierewege in der Wissenschaft zu führen. Ziel ist es, Strukturen dauerhaft zu verändern. Dafür ist der Ausbau von Tenure Track-Professuren ein hervorragendes Instrument. Von den Ländern erwarten wir, dass sie sich ihrer inhaltlichen wie finanziellen Verantwortung entsprechend angemessen beteiligen. Wichtig ist vor allem, die geschaffenen Tenure Track-Stellen zu verstetigen. Ich bin gespannt auf die Verhandlungen, die ich nächste Woche mit den Länferkollegen aufnehmen werde. z.B. Tenure Track an der TU München und TU Dresden im Rahmen der Zukunftskonzepte; außerdem Maßnahmen der Personalentwicklung, z.B. das Academic Staff Development an der Universität Konstanz. 3 3 IV. Meine sehr geehrte Damen und Herren, „Niemand hat das Recht, sein Talent zu vergeuden.“4 So sagte es Heinz Maier-Leibnitz. Ihm war die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ein so großes Anliegen, dass er während seiner Zeit als DFG-Präsident den Preis, den wir heute verleihen, zur Förderung herausragender wissenschaftlicher Talente initiiert hat. Sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger, dieser Preis ist ein wichtiger Meilenstein in Ihrer wissenschaftlichen Karriere – Spot an: Sie rücken in ein anderes, ein helleres Scheinwerferlicht. Nutzen Sie das selbstbewusst und zugunsten der Wissenschaft. Hervorragende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind Sie schon, Rollenvorbilder für andere und Botschafter für die Wissenschaft werden sie nun. Ich wünsche Ihnen, dass Sie Ihre Talente auch zukünftig gewinnbringend einsetzen werden und gratuliere Ihnen nochmals zu Ihren herausragenden Leistungen. Genießen wir alle diese Festveranstaltung zu Ihren Ehren. Elisabeth Noelle-Neumann (Hg.): „Niemand hat das Recht, sein Talent zu vergeuden“. Heinz MaierLeibnitz- Ein Porträt in Zitaten. Zürich/Osnabrück 2001. 4 4
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